DELTA times ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Herausgegeber: Delta t · Verein für Zweitnormalität e.V. Ausgabe 1, 1995 Editorial Die Gründungsmitglieder, v.l.: Günter Woog, Reinhard Scharfe mit Marlene, Jürgen Ballhause, Jutta Sippel, Wolfgang Fehl, Heike Vinson, Margie King, Jürgen Tauchnitz, Birgit Ballhause, Rodolfo Dolce und Peter Sumpf SKANDAL Schulkinder mit Ex-DDRSchulzeiten geplagt! Mit einer völlig unkritischen Übernahme der alten DDRSchulzeiten -von denen man ja wahrhaft nicht behaupten kann, sie hätten den wirtschaftlichen Erfolg der DDR begründet- machen sich einige Thüringer Eltern unbeliebt. Ohne empirische Basis und mit der einfachen Behauptung, Schulkinder seien Frühaufsteher, setzen sie ihre Kinder noch früher auf die Straße als die ohnehin schon frühen Wessihühner. Im Winter ist das also wirlich noch in dunkler Nacht, mit allen Unfallgefahren! Wir meinen, daß weder die Kinder Vögel sind, nämlich Hühner, noch sollten es die Eltern sein, nämlich Raben. Wo bleibt der Widerstand der anderen Eltern, und wann kommt die erste Delta t-Klasse? Quelle: SPIEGEL 31/1994 DER WAHRE MICHEL SCHLÄGT ZURÜCK Am 11. September 1993, um 15 Uhr, sollte es endlich soweit sein: bei einem gemeinsamen Frühstück sollte Delta t, die Interessenvertretung aller geplagten, zeitversetzt und langschlafenden Menschen, gegründet werden. Das Vorhaben stand unter einem guten Stern, denn, ein gutes Omen, fast alle Gründungsmitglieder erschienen ganz vereinsgemäß verspätet. Entsprechend ausgeschlafen und konzentriert brachten sie alle nötigen Abstimmungen hinter sich und konnten die Vollendung schon bald mit Sekt und einem „Guten Morgen Delta t“ krönen. Als Ausländer habe ich die traditionelle Assoziierungsfähigkeit der Bürger meines Gastlandes stets bewundert. Die simple Formel „2 Deutsche=1 Verein“ mag Individualisten abschrecken, auf gesellige Nichtdeutsche übt sie eine magische Anziehungskraft aus. Ich bin Chefredakteur: Dr. Rodolfo Dolce gerne und sofort jedem Verein beigetreten, wenn mich jemand freundlich darum bat. Apropos „Individualisten“: In der Regel sind dies keine einsamen Menschen, sie fragen aber: „warum kann man sich nicht ohne Satzung und Vorstandswahl irgendwo treffen und quatschen?“ Sicher, kann man antworten, aber warum auf diese Qualität verzichten? Allein der Gang zum Gericht: Man trifft sich in der Gerichtskantine, man schlendert durch die Gänge und schaut bei einem Strafprozeß vorbei, bis man beim Vereinsregister sein Protokoll abgegeben hat. So hat man einen schönen Vormittag mit Freunden verbracht mit dem Gefühl, etwas sinnvolles erledigt zu haben. Nun, als wir Delta t gegründet haben, leuchtete mir -neben der üblichen Geselligkeit- auch der Sinn des Vereinsgegenstandes unmittelbar ein: Eine Lobby für Zeitversetzte. Praktische Arbeit und Tips, für Leute, die vor 12:00 nicht richtig in die Gänge kommen, aber auch Öffentlichkeitsarbeit, die der Imagekorrektur dienen soll. Weg vom Bild des schlappen, „verschlafenen“ Spätaufstehers, hin zum energischen, einsatzbereiten Zeitversetzten. Dabei leiden insbesondere die bürgerlichen Berufe über unser falsches Image: Warum soll ein Sachbearbeiter im Finanzamt nie Karriere machen können, wenn er morgens um 8:00 am Schreibtisch die Augen nicht aufkriegt und daher als extrem schlaff gilt: Schaut ihn euch um 21:00 an, dann könnte er Bäume ausreißen. Werft nicht Antriebslosigkeit und Zeitversetztheit in einen Topf: Wecken wir doch den -zeitnormalenLeiter des Finanzamtes um 2:00 morgens und setzen ihn sofort an den Schreibtisch, seine Energieladung wird entsprechend sein. Helfen wir uns also gegenseitig in einer Welt von Frühaufstehern. Ich bin vom Vorstand freundlicherweise zum Chefredakteur von Delta times ernannt worden und habe mich vor allem über den schönen Titel gefreut. Da ich mir gut vorstellen könnte, den Hauptteil der Arbeit auf einen Stellvertreter zu übertragen, fordere ich hiermit Interessierte auf, sich bei mir zu melden. Ich wünsche allen einen gesegneten Schlaf. Se ite 2 SCHLAF WIRD IM VEREIN ERST SCHÖN ... Unser voller Spaß BEKENNTNISSE EINES „Das meinen Sie doch sicher nicht ernst?“ Das fragte nicht nur Eva Milde, Gattin des Ex-Innenministers von Hessen in einer Talkrunde. Und das werden sich sicher auch einige Leser der Delta times fragen. Spaß oder Ernst - das ist hier die Frage. Warum eigentlich nicht beides zugleich? Mit sehr viel Spaß sind wir angetreten und haben Delta t gegründet. Die meisten von uns zwar mit dem Privileg, ihr zweitnormales Leben mit Erfolg ausleben zu können, aber auch Günter Woog, 1. Vorsitzender (Foto: Karin Hill) nicht ohne Widerstände. Andere Mitglieder kamen hinzu, darunter auch solche, die echte Probleme mit einer Gesellschaft haben, die die Pseudoleistung des frühen Aufstehens als Indikator für Effektivität und Fleiß ansieht, obwohl bestimmt kein Konsument die Uhrzeit der Herstellung eines Produktes vor dessen Qualität stellen würde. Und da wird das Ganze wirklich ernst und höchst spaßig zugleich. Personalabteilungen, mit dem Negativbild des Verschlafens fest eintrainiert im Kopf, verschlafen hellwach die Chance, Menschen nicht nur am richtigen Platz, sondern auch zur richtigen Zeit zu beschäftigen. Da werden Frühaufsteher, „die ja so fleißig sind“, des Nachts an sicherheitsrelevanten Positionen eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit von Nacht-Katastrophen vom Stil Tschernobyls und Exxon Valdez zu erhöhen, während an gleicher Stelle Delta t‘ler mit der Frühschicht gepeinigt werden. Wohlgemerkt, Delta t ist kein Verein zur Erhöhung der Produktivität von Arbeitsprozessen, aber dies ist genau die Karotte mit der wir hoffen, den Esel Wirtschaft zum Vorteil der Delta t‘ler zum Denken und Handeln zu bringen. Wahrscheinlich ist dies jedoch, wegen der klaren Vorteile, noch der leichtere Teil der Aufgabe. Was z.B. ist mit den Vorschülern und Schülern, die frühmorgens noch nicht aufnahmefähig sind? Der durchschnittliche Pädagoge bekämpft derlei mit Einträgen und Noten - das Gesamtbild von Erfolg und Versagen im Klassenverband bleibt ja gewahrt. Die einzige Hoffnung für den zweitnormalen Youngster sind seine in diesem Fall hoffentlich parteiischen Eltern. Doch Fehlanzeige: Papa und Mama lernen gerade für irgendein Gewinnspiel auswendig, was Gold im Mund hat, und welches Huhn die besten Körner findet. Warum hat der deutsche Michel eigentlich eine Schlafmütze auf? LANGSCHLÄFERS Die Frage höre ich regelmäßig gegen Mitternacht, gleich nach Programmschluß am Biertisch: „Sag mal, wie hältst Du das eigentlich durch? Wo nimmst du die Kraft her, dreieinhalb Stunden auf der Bühne Dampf zu machen?“ Und dann schwingt immer unausgesprochen der Verdacht mit, irgendwas muß da doch sein mit Äitsch oder Koks oder wenigstens Red Bull oder so. Man kennt ja diese Künstler..... „Na,“ sage ich dann gerne ein wenig erschöpft, aber hellwach, „vor zwölf stehe ich fast nie auf. Manchmal auch erst später. Mein Dope ist Ausgeschlafenheit. Ausschlafen ist wissenschaftlich erwiesen die gesündeste Droge der Welt.“ Da ernte ich meist das bewußte beredte Schweigen. Und dann kommt es, stets leicht mißbilligend: „Bei mi r rasselt um sechs der Wecker!“ So schön gedehnt schieben sie dir das über den Tisch, daß du plötzlich als Asozialer vor der geschlossenen früh sich erhebenden Volksgemeinschaft dastehst. Frühsport, Morgenappell, kalt duschen, den Tag frisch gestärkt angehen, „Ja, die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit!!!“ – alles das liegt dann nicht weit weg im Unterton. Dabei sollten es die bedauernswerten Opfer der Weckordnung rein logisch eigentlich einsehen können. Wie gehts eigentlich bei unsereinem: Vorstellungsende elf, halb zwölf, Bühne abbauen, abrechnen, Interview oder die Diskussion, essen mußt du auch noch was (vorher geht ja nicht wg. sonst träge auf den Brettern), dann aus dem Theater nachhause, um als Kabarettist auf dem laufendem zu bleiben die Aufzeichnung von Monitor ansehen oder auf Tournee noch zweihundert Kilometer weiter ins nächste Hotel (nachts ist auf den Autobahnen manchmal doch noch durchzukommen) – vor halb fünf -bestenfalls- komme ich nie ins Bett. Will einer dann, des allgemeinen Brauchs halber und um nicht als Schlamper zu gelten, mit den Hühnern aufstehen, sowas macht er ein-, zweimal die Woche ohne Herzinfarkt – aber Tag für Tag, bzw. Nacht für Nacht? Da wäre es doch dann zweckmäßig, Theater und Musikhallen gleich mit integrierten Intensivstationen zu planen und das p.p. Publikum würde bald sehen, wie und wo es sich darstellende Kunstausübung noch live reinziehen kann. VON DIETRICH KITTNER Nebenher: wollte ich versuchen, um eins oder halb zwei in die Federn zu kriechen, aufgeheizt nach ein paar Stunden öffentlich ausgeübten geistigen und körperlichen Leistungssports, ich läge - das weiß ich nach ein paar vergeblichen Anläufen aus Erfahrung - ohnehin nur stundenlang mit fliegenden Pulsen schlaflos in der Falle oder wäre tatsächlich schon bald auf Drogen: nämlich Schlafmittel. Muschanich. Einer, der pünktlich mit Büroschluß um 16 Uhr zu leben beginnt , geht auch nicht um 17 Uhr in die Heia. Er will - mit Recht „den Tag noch ausklingen lassen“. Im Restaurant? Im Theater? – Und wer kellnert? Wer macht den Kasper? Inzwischen, nach 35 Jahren, habe ich mich längst an die veränderten Lebensumstände gewöhnt – auch biologisch wie mir mein Arzt bestätigt; so sehr sogar, daß ich mich auch an vorstellungsfreien Tagen oder im Urlaub wohlweislich nicht aus dem Rhythmus werfen lasse. Das Schreiben ist ohnehin sinnvoller des nachts, wenn nicht alle paar Minuten Versicherungsvertreter, durchreisende entfernte Bekannte (woher denn noch gleich??) oder nur einfach Verzeihungfalsch-verbundene anrufen, um einen aus einem mühsam gewonnenen lichtvollen Gedankengang zu werfen. Vor halb fünf komme ich nie ins Bett Paradoxerweise gelten Künstler, die sich solcherart durchaus einer geregelten Lebens- und Arbeitsweise befleißigen, nur eben notgedrungen zeitversetzt, als unsolide, schlampig, faul, „sie machen die Nacht zum Tage“. Ein wenig gedankenloser Neid ist wohl dabei: „Die pennen, wenn wir arbeiten.“ Das könnte ich jetzt um vier Uhr siebzehn nachts am Schreitisch natürlich auch umgekehrt sehen. Solche Sicht der Dinge macht selbstbewußter. Wenn mich jemand entrüstet fragt: „Was, Du schläfst noch um halb zwölf?“ habe ich mir angewöhnt, dagegenzuhalten: „Gib mir mal deine Telefonnummer! Ich ruf Dich gern um vier Uhr nachts an und frage: Was, Du schläfst schon?!“ Se ite 3 SCHLAF WIRD IM VEREIN ERST SCHÖN ... Inzwischen stehe ich nämlich zum außergewöhnlichen Lebensrhythmus. Ich kann ihn ja auch beruflich begründen. Wie ein Nachtwächter oder die Klofrau im Nachtlokal. Dabei bin ich, wenn ich es mir genau überlege, nicht ganz sicher, ob ich nicht vielleicht gerade umgekehrt eines angeborenen versetzten Zeitgefühls wegen (Was ich nicht früher schon unter der Schule und später an der Uni unter Frühvorlesungen gelitten!) bei eben diesem Beruf gelandet bin. Da hätte ich es dann gut getroffen; wie glücklicherweise auch mit meiner Frau, für die als unsere Bühnentechnikerin solch zeitversetztes Leben nun ebenfalls schon 35 Jahre zur Routine geworden ist. Unser Sohn hat übrigens auch einen künstlerischen Beruf, und so gibt es bei uns keinerlei familiäre Kommunikationsprobleme. (Und was den Sohn betrifft und unsere beiderseitigen Tourneen: Nachts ist das Telefon ja auch billiger.) Schlimm war lange Zeit nur - alle zeitversetzt lebenden Menschen kennen es vermutlich - das anerzogene bürgerliche schlechte Gewissen. Endgültig befreit hat mich davon erst mein Freund und Kollege Ekkehard Schall. Als er vor Jahren erstmals ein Gastspiel in unserem Theater gab, wollte ich höflich sein und fragte mit aller Selbstverleugnung: „Wollen wir nicht um zehn zusammen frühstücken?“ Zehn, dieses Opfer glaubte ich ihm schuldig zu sein. „Zehn?“ sagte Ekke, „biste verrückt? Ich hab doch Vorstellung.“ Ich war mehr als erleichtert. Und dann erzählte er mir, wie Ernst Busch jungen Schauspielern, die bei „Papa“ (so nennt Schall berechtigterweise seinen Schwiegervater Bertolt Brecht) anfingen, jedesmal als erstes geraten habe: „Kollegen, schämt euch nicht, wenn ihr morgens lange schlaft! Ihr müßt abends Dampf haben, wenn die anderen abbauen und sich entspannen wollen.“ Neben Schall verbürgt mir die Authentizität der Geschichte auch die Formulierung „Schämt Euch nicht!“ Busch wußte, wovon er sprach. Heute bin ich also schamlos bekennender Langschläfer. Wie singt und klingt es doch einer der wenigen nicht lügenden Schlager schon so schön prägnant: „Take it Easy, altes Haus. Wer morgens länger schläft hälts abends länger aus.“ (Sollten wir das nicht zu unse-rer Delta t-Hymne machen?) Grandiose Sonnenaufgänge jedenfalls sehe ich vermutlich häufiger als mancher stolze Frühauf-steher! öffentlich eine bleierne Müdigkeit zu überwinden? Einzig bei Streikeinsätzen breche ich mein Prinzip. Da bleibe ich dann meist vorher wach. Die Zumutung einer Mitwirkung im sogenannten „Frühstücksfernsehen“ habe ich bisher regelmäßig abgesagt. Helmut Kohl, mit dem ich außer als Stofflieferanten sonst wenig am Hut habe, soll endlich mal ! - etwas richtiges gesagt haben: Nichts sei schlimmer, als wenn übellaunige, unausgeschlafene Fernsehzuschauer zusähen, wie übellaunige, unausgeschlafene Moderatoren übel-launige, unausgeschlafene Studiogäste befragten. Von Kohl selbst ist das sicher nicht. Aber einer seiner Redenschreiber hat da - vermutlich nachts- tatsächlich eine treffende Formulierung gefunden, und die will ich gern neidvoll zitieren. Ich bin ein Ausgeschlafener! Natürlich ist konsequent zeitversetztes Leben mit erheblichen Problemen und Schwierigkeiten verbunden. In unserer guten Gesellschaft haben nämlich -wie jede Minderheit weiß, und sei sie noch so groß - ausnahmslos alle so zu leben, wie die meisten gemeinhin eben so leben. Mit schlechten Erfahrungen beim und guten Tips zum Umgang mit Behörden, Hotels, Ladenschlußzeiten oder Blutabnahme-labors (!) will ich mich in der nächsten Nummer der Delta times befassen. Heute lasse ich es beim Bekenntnis, beim outing, wie es moderner heißt: Ich bin ein Ausgeschlafener! Wenn man bedenkt, daß die meisten Kriege damit beginnen, daß ab fünf-Uhrsowieso „zurückgeschossen wird“ ist das Langschlafen doch irgendwie menschenfreundlicher, gelle? Es ist jetzt fünf Uhr siebenundzwanzig. Ich mache Feiermorgen. Matineen lehne ich ab! Dietrich Kittner Warum soll ich die Leute für gutes Geld mit meinen Versuchen belästigen, ... MITGLIEDER BERICHTEN Se ite 4 E s gibt Frühmenschen und Spätmenschen – im Volksmund gern als Lerchen und Eulen bezeichnet. Beide „Sorten“ von Menschen sind genetisch so disponiert, wie sie eben sind. Dies ist heute ein ebenso anerkanntes Faktum wie es Tatsache ist, daß die Lerchen (also die Frühmenschen) bei weitem dominant sind, sodaß die Gesellschaft von ihnen geprägt wird, während die Eulen (die Spätmenschen) aus dem Rahmen fallen – aus dem Rahmen des üblichen, nämlich. Doch während unsere Gesellschaft solch einen Unterschied z.B. zwischen den kämpferisch veranlagten „Falken“ und den friedfertigen „Tauben“ als so gegeben einfach akzeptiert, will sie den „kleinen Unterschied“ zwischen Lerchen und Eulen partout nicht tolerieren, geschweige denn akzeptieren. Wer lange schläft und spät aufsteht, muß faul sein – so die bei weitem vorherrschende Meinung seit Menschengedenken; und auch heute noch. Wie in Stein gemeißelt steht diese Vorverurteilung im Raum, als wäre sie ein unumstößliches Naturgesetz. Christophs Kolumne Vom Exzentriker bis zum Penner Landläufiger Meinung zufolge sind Langschläfer zumindest Sonderlinge – Außenseiter, Exzentriker gar – oder noch schlimmer; werden sie doch in die Nähe von Suchtabhängigen oder arbeitsscheuen Pennern gebracht. So darf es nicht wunder nehmen, daß die allermeisten Menschen, die gern lang schlafen und spät aufstehen würden, wenn man sie nur ließe, diese Abnormität überhaupt nicht zugeben, geschweige denn an die große Glocke hängen. Es sei denn, da kommt so ein Verein und ersetzt besagte „Abnormität“ durch den ganz neuen Begriff der „Zweitnormalität“. Dann geht es ... vielleicht. Oder besser: doch nicht? „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt man gänzlich ungeniert“. „Ja, wissen Sie, mein Tagesrhythmus ist zeitverschoben“, beginne ich gern diesbezügliche Bekenntnisse, „während andere längst Feierabend haben, arbeite ich noch – und weil ich nie vor Mitternacht oder noch später ins Bett komme, muß ich morgens länger schlafen ...“ Eine logische Erklärung, die mir noch immer abgenommen worden ist. Gegen die „innere Uhr“ angehen Allerdings gab es auch für mich in meinem 46jährigen Arbeitsleben Phasen der Abhängigkeit, in denen ich g e g e n meine „innere Uhr“ angehen mußte. Zu hundert Prozent dem ureigenen Rhythmus zu entsprechen, ist mir nur in den neun Jahren meiner Selbstständigkeit weitgehend vergönnt gewesen – und ist es jetzt wieder, da ich seit bald drei Jahren im Ruhestand und nur noch nebenbei journalistisch tätig bin – zum Beispiel als Theaterkritiker. Dazu kann ich die Sache sogar auf die Spitze treiben: Sofort nach Ende der Vorstellung wird die Rezension geschrieben, und für die Entspannung bleibt danach immer noch Zeit – denn morgens entsprechend noch später aufzustehen als sonst, ist kein Problem für mich. Ist „morgens um sieben die Welt noch in Ordnung“? Aber so ist das eben: „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ – so der Titel einer überaus hübschen Filmmusik von Bert Kaempfert. Oja, für diejenigen, die von Natur aus so geschaffen sind, sehr wohl! Unsereins aber kann selbst dem noch so „wunderschönen Sonnenaufgang“ nichts Erlebenswertes abgewinnen – ist doch morgens um sieben die Welt für uns nur dann in Ordnung, wenn man uns schlafen läßt. Wie gut sind dagegen Zeitgenossen dran, die ihren Rhythmus trotz intensiver Berufsausübung einhalten können. Sie fragen nach Zeitgenossen? Bitte sehr, zwei habe ich zur Hand, ohne nachdenken zu müssen Wird „Zweitnormalität“ ernst genommen? Denn es ergibt sich ja die Frage: Wird dieser Verein und sein Programm in der breiten Öffentlichkeit ernst genommen? Oder nur als ein Auffangbecken für ‘Spinner und Exoten betrachtet? Andererseits: Weshalb sollte man denn solch einen Verein nicht ernst nehmen? Antwort: Weil man „so“ nicht sein darf, wenn man ernstgenommen werden will. Den Morgen verherrlichende Sprüche gibt es noch und noch – von „Morgenstund` hat Gold` im Mund“ bis zum Begriff „in aller Herrgottsfrüh“. Der Kanon „O wie wohl ist mir`s am Abend“ wird vergleichsweise selten gesungen. Als ultimo ratio für die Eulen bleibt schließlich die Erkenntnis, daß man es sich erst einmal leisten können muß, zuzugeben, lang zu schlafen und spät aufzustehen. Bei mir, beispielsweise, war das ganz einfach: Ich hatte den dazu „richtigen“ Beruf des Journalisten erwählt. Journalisten genießen, genau so wie etwa Schauspieler (Künstler überhaupt) so etwas ähnliches wie Narrenfreiheit. Jedenfalls können sie es sich noch am ehesten leisten, ihr Leben nach dem sattsam bekannten Zweizeiler einzurichten, der da lautet: Der Autor im Gespräch mit Prof. h.c. Felix Wankel Dr. Alfred Biolek („Bios Bahnhof“, „Alfredissimo“ etc.) hat erst unlängst in einer Folge seiner Serie „Boulevard Bio“ (die an jedem Dienstag im ARD Programm um 23.00 Uhr beginnt) die Äußerung getan, er sei „schon ziemlich früh aufgestanden“. Ja, wann das denn gewesen sei, wollte ein weiblicher Talkgast wissen – eine Frau, die stolz darauf ist, morgens jeweils schon zwischen fünf und sechs aufzustehen. Zu dieser Frau sagte Bio über seine Aufstehzeit: „Na, so zwischen neun und zehn“. – Das habe ich selber gehört und verbürge mich dafür. Selber gehört habe ich auch, was Felix Wankel, der weltberühmt gewordene Erfinder des nach ihm bekannten Wankel-Motors, in einem Interview gesagt hat, das ich in seinem damals in einem Vorort von Lindau am Bodensee gelegenen Forschungsinstitut mit ihm führte und ihn nach seinem Tagesrhythmus befragte: „Also wissen Sie, vor neun stehe ich nie auf – eher später“. Leibniz, Shakespeare, Joh. Strauß Nun denn, an Gleichgesinnten und gleichermassen geformten Menschen erfreut man sich halt immer gern – auch, wenn diese schon lange tot sind. Da wären als typische „Nachtarbeiter“ zu nennen ... William Shakespeare: von ihm wird berichtet, er habe, während die Geliebte hinter dem Paravent schlief, die halbe Nacht an einer seiner Komödien geschrieben. Oft werde ich gefragt, seit wann ich denn so bin. Gebe ich dann wahrheitsgemäß zur Antwort: „schon seit meiner Kindheit“, können die meisten ihre Ungläubigkeit nur schlecht verbergen. Denn sie glauben doch zu wissen, daß ich morgens nur deswegen so schwer raus- William Shakespeare * Gottfried Wilhelm Leibniz, eines der größten Universalgenies aller Zeiten, hat nicht nur leidenschaftlich gern an Süßigkeiten geknabbert (drum sind die Kekse nach ihm benannt worden), sondern man weiß auch, daß er regelmäßig nachts gearbeitet hat und Arbeit am Morgen überhaupt nicht schätzte. Johann Strauß, der „Walzerkönig“: Von ihm ist überliefert, daß er fast nur nachts seine Noten zu Papier gebracht hat – und so manche seiner unsterblichen Melodien erst am frühen Morgen entstanden sind... aber in dem Fall doch besser gesagt: mitten in der Nacht – noch. Der Beweis! Zeitversetzt schon als Kind Gottfried Wilhelm Leibniz * Leider, leider – und das darf vorsichtshalber nicht unerwähnt bleiben – gibt es auch unter typischen Vertretern von Zweit-normalität exzessiv geprägte Menschen, Parade- Johann Strauß (Sohn) * beispiel dafür ist Josef Stalin. Dessen Tochter Swetlana schilderte den „Tagesablauf“ ihres Vaters in ihren Memoiren so: 12 Uhr mittags Aufstehen, gegen 13 Uhr „Frühstück“, gegen 18 Uhr „Mittagessen“, gegen Mitternacht das (wörtlich zu nehmen) Nachtessen – danach Gesellschaft und Umtrunk bis in den frühen Morgen hinein. Normalerweise ist der frühe Morgen die allenthalben angehimmelte und als solche verherrlichte Zeit zum Aufstehen. Für die gewiß sehr vielen Menschen, die nur so tun -oder so tun müssen-, als wären sie überzeugte Frühaufsteher, spricht ein holländisches Sprichwort eine überaus deutliche Sprache: „Wer den Ruf eines Frühaufstehers hat, kann getrost den ganzen Morgen im Bett bleiben“. Birgit, 10 Jahre alt komme, weil ich abends einfach zu lange aufbleibe. Nun fiel mir glücklicherweise eine Karte in die Hände, die mir meine Großmutter vor 20 Jahren schrieb. Sie belegt zweifelsfrei: ich war schon mit 10 so! Und ich denke, ich werde auch so bleiben. Gründungsmitglied Birgit Ballhause 20 Jahre später: mit „Sleep Over“ zur Stütze des Nackens bei unerwartetem Einschlafen. Mein Problem: Es ist 2.00 Uhr und ich kann nicht schlafen, sondern schreibe diese Zeilen Es liegt mir noch in den Ohren, als ich zu spät zur Erdkunde-Stunde kam und zum Lehrer sagte: „Entschuldigen Sie mein Zuspätkommen“ und das war falsch. Ich wurde vom Lehrer, dem Herrn Dietrich, aufgeklärt. „Das heißt: Bitte entschuldigen Sie mein Zuspätkommen“! Es war unangenehm genug, daß ich aus dem Tiefschlaf gerissen zur Schule rennen mußte. Und dann noch diese Anmache. Dann fing ich meine Ausbildung an und mußte im Krankenhaus um 6.00 Uhr fröhlich dienstbereit sein. Ein Horror! Oft schaffte ich es nicht. Die Krankenschwestern, wohl mit einem Wecker zur Welt gekommen, hatten dann so einen Gesichtsausdruck, daß der Vormittag als gelaufen erkennbar war. In der Fachschule war ich bekannt für meine Ankunft im Taxi. Es kostete mich ein kleines Vermögen, aber ich wäre sonst noch später zum Unterricht gekommen. Ein Mitschüler besorgte Aufputschmittel, aber das war auch keine Lösung. Den Gynäkologie-Dozenten lernte ich nie kennen. Er unterrichtete einige Wochen lang in den ersten beiden Stunden. Da entschied ich mich aber immer für ein Frühstücksbuffet im Hotel „Schweriner Hof“. Der Tag fing so einigermaßen entspannend an. Die Anwesenheitskarte nahm ein anderer Mitschüler mit und gab sie in der Schule ab. Zum Glück wurde sie unbesehen vom Dozenten unterschrieben. Zweites Glück: Gynäkologie war kein Prüfungsfach. Im späteren Berufsleben konnte ich mich auf eine Stelle als Sachgebietsleiter katapultieren und hatte von Prenzlau, Perleberg und Havelberg bis Spremberg so viele Außentermine, daß keiner meine Arbeitszeiten durchschaut hat. Ich hatte zwar einen 10-Stunden Arbeitstag, aber konnte die Arbeitszeit etwas verlagern. Ein schlechtes Gefühl begleitete mich allerdings fortwährend, denn es war üblich im Büro den Dienst zu beginnen. Will damit doch nichts anderes gesagt sein als: Wer als Spätmensch unter Frühmenschen Stiche machen will, der muß heucheln, einer der ihren zu sein. Da lobe ich mir doch den anderen, ehrlichen Weg mit dem neuen Motto: Spätmenschen aller (zunächst mal deutschen) Länder: vereinigt Euch! Eine „Internationale“ singen wir vielleicht später mal ... CFR Dann kam der Erziehungsurlaub. Ich nahm die zweite Hälfte, die ersten 8 Monate nahm meine Frau. Eigentlich wunderbar für einen Zeitversetzten, aber die Kinder mußten zur Kindertagesstätte. Da kamen sie dann oft erst um 11.00 Uhr oder zum Mittagessen an und verpaßten damit das pädagogische Vormittagsprogramm (am Nachmittag wurde meist „nur“ gespielt). Das gab Ärger. * Abb. aus: „Das große Personen-Lexikon“, Chronik Verlag Jetzt ertappe ich mich früh morgens öfters im Taxi ... Nun habe ich eine neue Arbeitsstelle und muß um 5.00 Uhr aufstehen, wenn ich alles schaffen soll (Kinder in die Kita bringen, der lange Fahrweg – der Bus meist im dicken Stau steckend). Die ersten drei Wochen klappte es wie am Schnürchen. War ich froh. Meine Frau sah sich aller schlimmen Befürchtungen entlastet. Sie muß noch früher aufstehen! Ich konnte meinen inneren „Schweinehund“, der mich morgens an das Bett fesselte, besiegen“ Mark-Peter Althausen AN UND AUS LEHRE Se ite 6 Gaußsche Normalität und Delta t Bastel-, Programmier- und Kapier-Anleitung Was ist normal, was ist unnormal? Normalitäten bestimmen unser Leben. „Bist Du noch normal?“ - diese Frage wird schon mal gestellt, wenn ein Individuum sich erlaubt, die wie auch immer deklarierten Grenzen der Normalität zu tangieren oder gar zu überschreiten. Unnormal = verrückt = krank = behandlungsbedürftig? Oder ist es gar normal, unnormal zu sein? Schlimmer noch - ist es gar unnormal, normal zu sein? Der deutsche Mathematiker, Physiker und Astronom Karl Friedrich Gauß (1777-1855) erklärt in einem einfachen Modell (bis heute unbestritten), was normal ist, und was nicht. Die grundlegenden Versuche seiner Berechnungen kann jede(r) nachvollziehen, sofern der Umgang mit Hammer und Nagel klappt, oder ein PC mit DOS und QBasic (90% Normalität) vorhanden ist. PCBesitzer sind mal wieder im Vorteil, weil das Eintippen von ein paar Basic-Zeilen selbst dem Anfänger schneller von der Hand geht, als dem Zimmermann das Einschlagen von etlichen Nägeln. Die Gaußsche Kugelbahn - Bastelanleitung Material: Werkzeug: Brett, Nägel, Murmel Hammer, Lineal, Bleistift Arbeitsanleitung: Auf einem beliebig großen Brett (je größer, desto eindrucksvoller) wird zunächst ein Raster (z.B. 1cm) aufgezeichnet. An den Knoten des Rasters werden wie abgebildet Nägel eingeschlagen. Je sorgfältiger die Ausführung, desto genauer sind später die Versuchsergebnisse. Wer sich nicht die Mühe machen möchte, die Ergebnisse der einzelnen Durchläufe zu notieren, sollte an jedem Ausgang einen Auffangbehälter für die Kugeln montieren. Anwachsen der Normalverteilkurve live am Bildschirm betrachtet werden. Beim genauen Hinsehen wird erkannt, daß sich in Wirklichkeit keine echte Glocke, sondern eher eine Art Gebirge bildet. Achtung: Stolze Besitzer eines Monochrombildschirmes mit Hercules-Grafikkarte schreiben in der ersten Zeile SCREEN 3 und müssen vor dem Start von Qbasic das Programm MSHERC aufrufen (befindet sich im DOSOrdner). Zum Experimentieren können folgende Werte verändert werden: LINE (x%, 400)-(x%, 400 - y%(x%) / 4) Dieser Befehl bewirkt, daß am getroffenen Ausgang (X%) eine Linie mit der Höhe Y% von X% gezeichnet wird. Der Divisor (/4) staucht die Kurve vertikal. Bei längeren Berechnungen sind höhere Werte sinnvoll. Die Gaußsche Normalität - Kapieranleitung Material: Werkzeug: Graue Zellen Gehirn Durchdenken wir einmal das Kugelbrett: Bei der ersten Entscheidung ist die Wahrscheinlichkeit für links und rechts je 50%. Das wiederholt sich auf jeder Ebene und ergibt bei 32 eingeworfenen Kugeln folgende Verteilung: Etwas Strom + ein wenig Plattenspeicher PC mit DOS und Qbasic Arbeitsanleitung: Sofern kein spezielles Basic-Verzeichnis vorhanden, einfach am Bereitschaftszeichen (c:\>) folgenden Befehl eintippen: QBASIC GAUSS Die freundlich angebotenen Hilfstexte des BasicInterpreters sollten mit der Esc -Taste abgelehnt werden (das spart enorm viel Zeit). Sodann die untenstehenden Zeilen eintippen, das Progrämmchen speichern (Tastenfolge: ALT, D, S) und mit der Tastenkombination SHIFT/F5 starten (Großschreibtaste + die Taste F5 drücken), und schon kann das "normal" ? "leicht daneben" ? "voll daneben" ? Knapp zwei Drittel der Kugeln zeigen das gleiche Verhalten. Ein gutes Drittel verhält sich anders, als die Mehrheit. 6,25 % der Kugeln zeigen ein extremes Verhalten. Gaußsche Normalität und Delta t eine Anleitung zur Toleranz Material: Werkzeug: Die letzte Zeile als Diagramm: Graue Zellen Herz und Hirn Wenn wir diese Erkenntnisse auf das Schlaf- und Arbeitsverhalten von Menschen übertragen, so sind folgende Ableitungen denkbar: 1. Das Schlafbedürfnis Wenn 7 Stunden Schlaf für 2/3 der Bevölkerung „normal“ sind, dann ist es genauso „normal“, daß der Rest mehr oder weniger Schlaf benötigt, 6,25% sogar extrem. Setzen wir 4 Stunden Schlaf als extremes Minimum, so dürfte eine gleiche Anzahl von Zeitgenossen 10 Stunden Schlaf benötigen. 2. Die Schlafenszeit Wenn 7 Uhr für 2/3 der Bevölkerung die optimale Aufstehzeit und somit „normal“ wäre, ist es wiederum genauso „normal“, daß 30% lieber früher oder später aufstehen, und wieder haben wir 6,25% Extreme, von denen die einen vielleicht schon um vier Uhr in der Frühe umgetrieben werden, die anderen sich entsprechend um 9 Uhr gerne noch einmal im Bett umdrehen, um bis 10 zu schlafen. Die nachweisliche Existenz von Menschen, die gerne um 2 oder 3 Uhr aufstehen, gibt denen, die bis 11 oder 12 Uhr schlafen das Recht, genauso als „normal“ anerkannt zu werden, wie die Frühaufsteher. 3. Die Gaußsche Glocke - Programmieranleitung Material: Werkzeug: Das Ganze nochmal grafisch: (Diese Erklärungen müssen nicht eingetippt werden.) SCREEN 12 ‘Grafikmode einschalten CLS ‘Bildschirm löschen RANDOMIZE TIMER ‘Zufallsgenerator starten DIM y%(600) ‘Speicher vorbereiten WHILE INKEY$ = „“ ‘solange kein Tastendruck z=z+1 ‘Durchgang zählen LOCATE 1, 1: PRINT z ‘Durchgang links oben zeigen x% = 300 ‘X-Wert = Mitte FOR i% = 1 TO 1000 ‘1000 Ebenen lr% = RND * 10000 ‘Hier wird ausgelost ob IF lr% > 5000 THEN x% = x% + 1 ‘die Kugel nach rechts IF lr% <= 5000 THEN x% = x% - 1 ‘oder nach links rollt NEXT i% ‘Ende der Zählschleife bis 1000 y%(x%) = y%(x%) + 1 ‘Y-Wert an X-Position erhöhen LINE (x%, 400)-(x%, 400 - y%(x%) / 4) ‘neue Linie zeichnen WEND ‘Ende der Hauptschleife END ‘Programmende For i%= 1 to 1000 Dieser Befehl bestimmt die Anzahl der zu durchlaufenden Ebenen. Höhere Werte (bis 36000) erhöhen die Streuung und verlangsamen das Programm. Kleinere Werte bewirken das Gegenteil. Schon fertig? Los geht‘s: Wir werfen Murmeln in den Eingang. Diese treffen fast senkrecht auf den Nagel und müssen sich entscheiden: links oder rechts. Die gleiche Entscheidung wird auf jeder Ebene fällig. Wo landen die Kugeln? Doch nicht alle im gleichen Ausgang? (Dann liegt ein schwerer Konstruktionsfehler vor!). Eine Vielzahl von Kugeldurchläufen bestätigt schließlich, daß es normal ist, wenn sich viele Kugeln in den mittleren und weniger in den äußeren Ausgängen sammeln. Überträgt man/frau die Häufigkeiten der einzelnen Ausgänge in eine Grafik, oder sind Auffangröhrchen installiert, erscheint die im Volksmund als Gaußsche Glocke bezeichnete Normalverteilkurve. Was bedeutet das Ergebnis? 20 von 32 Kugeln verhalten sich gleich und treffen sich in den beiden mittleren Feldern. Insgesamt 12 verhalten sich anders, zwei davon sogar extrem. Daraus folgert, daß es normal ist, wenn gut ein Drittel ein anderes Verhalten zeigt, als die übereinstimmende Mehrheit. Darüberhinaus sind bei diesem Ansatz 6,25% Extreme sichtbar. Somit ist klar, daß die Extreme NORMAL sind, und eine Normalität ohne Extreme wäre UNNORMAL. Gleichberechtigung Die Frühaufsteher erfahren in unserer Gesellschaft kaum Benachteiligung. Im Gegenteil: Wenn sie gerade zur Höchstform auflaufen, reiben die „Normalen“ sich noch die Augen und müssen sich sputen ihren Forderungen zu genügen. Die Langschläfer hingegen haben die schlechtesten Karten: Ständig unter Zeitdruck fristen sie ihr Dasein und rennen den Anderen hinterher, wenn es nicht gelingt, einen Job mit geeigneter Arbeitszeit zu finden. Und die Kinder: Wieviele erleben die ersten Stunden des Unterrichts im Halbschlaf? Können wir uns das leisten? Eine Gesellschaft, die Leistung fordert, sollte gerade den Kleinsten und Schwächsten auch die Chance geben, ausgeschlafen das Tagewerk zu beginnen. von Frank Engelmann Se ite 7 UND FORSCHUNG DELTAt SEIT 50 MILLIONEN JAHREN? von Martin Rautenberg Eines schönen Abends mitten im Eozän machte sich die Lemuren-Gruppe „Kreuzberg“ auf, um Ihre Revier-Nachbarn am Wannsee zu besuchen. Als sie gegen Mitternacht an diesem See (der übrigens damals noch ganz anders hieß) ankamen, fanden sie ihre Artgenossen allesamt schlafend vor. Oder waren sie vielleicht krank? Magen verdorben am beliebten Bambus-Burger? Vorsichtig wurde ein WannseeLemur geweckt. Offenbar keinesfalls krank, reagierte dieser äußerst verärgert und entsprechend lautstark. So wachte auch der Rest der Wannsee-Gruppe auf, deutete immer wieder auf die leuchtende Mondsichel und gab mit dem wahrscheinlich bereits von den Lemuren erfundenen einhändigen Fluglotsenzeichen zu verstehen, daß man die nächtlichen Besucher für reichlich meschugge halte. Irritiert zog die Kreuzberg-Gruppe wieder ab und beschloß noch auf dem Heimweg einen Verein zu gründen.... Nun, zu der Vereinsgründung ist es damals wahrscheinlich nicht gekommen, aber das Andere könnte sich so oder so ähnlich abgespielt haben. Noch bevor ich etwas von Delta t wußte, las ich im August `94 einen interessanten Artikel in der „Naturwissenschaftlichen Rundschau“ [ Ausgabe 8 / 1994, Seite 325, Wiss. VerlagsGmbH, Stuttgart ]. Der amerikanische Biologe Thomas Heinbockel [Tucson, Arizona] berichtet dort über neue Forschungen an den Lemuren Madagaskars. Aus den Lemuren, die zu den Halbaffen gehören, entwickelten sich vor etwa 57 bis 35 Millionen Jahren die höheren Affen (Primaten) und letztendlich auch der Mensch. Die Entwicklung des Menschen wird heutzutage als Seitenarm zu den Primaten-Affen gesehen: der Mensch stammt also nicht vom Affen ab, sondern vom Halbaffen, konkret von den Lemuren. Die höheren Affen sind praktisch alle tagaktiv, und man nimmt an, daß sie sich aus tagaktiven Lemuren entwickelt haben. Gilt dies auch für den Menschen? Die neuen Forschungsergebnisse lassen diese Frage zumindest nicht mehr eindeutig mit Ja beantworten. Die Lemuren sind im Laufe der Evolution weltweit ausgestorben; mit einer Ausnahme: auf Madagaskar. Aufgrund günstiger Umweltbedingungen haben sich hier sogar viele Lemurenarten erhalten, und es gilt als gesichert, daß die Madagaskar-Lemuren sich in den letzten 50 Millionen Jahren kaum verändert haben, wie entsprechende Fossilienfunde belegen. „Will also der Mensch Eigenschaften und Verhaltensweisen seiner Urahnen im Eozän erforschen, liegt es nahe, sich den Lemuren auf Madagaskar zuzuwenden.“[ebd] RECHT UND WIRTSCHAFT WANN KOMMT DAS NEUE LADENSCHLUSSGESETZ? Schon lange sind Diskussionen über eine Novellierung des Ladenschlußgesetzes in der Öffentlichkeit im Gange, weil offenbar ein Bedürfnis danach besteht, außerhalb der derzeit geltenden Öffnungszeiten Einkäufe zu erledigen. Das Thema ist aber auch Gegenstand politischer und tarifparteilicher Erörterungen, weil die Ladenschlußregelungen systematisch dem Bereich des Arbeitsschutzes zuzurechnen sind und damit vorwiegend dem Schutz der im Einzelhandel Beschäftigten dienen. Erst in zweiter Linie sind daher die Interessen der Konsumenten von Bedeutung. Ob das Ladenschlußgesetz in absehbarer Zeit eine Änderung erfahren wird, ist derzeit noch ungewiß. Jedenfalls existieren noch keine Vorlagen oder Entwürfe, die eine Initiative erwarten lassen. Mit einem Tätigwerden des Gesetzgebers ist keinesfalls vor der Fertigstellung eines Gutachtens zu rechnen, das derzeit vom IFO-Institut in München erstellt wird und die neue parlamentarische Diskussionsgrundlage bilden dürfte. Die Vorlage des Gutachtens wird für Mitte des Jahres erwartet, so daß erst dann der langwierige politische Willensbildungsprozeß anlaufen wird. von Rechtsreferendar Christoph Zimmermann Die Lemuren weisen für ihre vermeintlich primitive Entwicklungsstufe einige bemerkenswerte Eigenschaften auf: • trotz mäßig entwickeltem visuellen Systems hohe Schnelligkeit und Geschicklichkeit • überraschend komplexe und flexible Verhaltensmuster • stark unterschiedliche Sozialorganisation (Einsiedler, Paare, Kleingruppen bis Verbände) • unterschiedliche Tag- /Nachtaktivität. Der letzte Punkt ist natürlich der Grund, weshalb der Artikel mein Interesse weckte. Bei identischem visuellem System gibt es auf Madagaskar also tag- und nachtaktive Lemuren. Und sogar „solche, die ihre Aktivität auf Tag und Nacht verteilen“ [ebd]. Die Gründe für die jeweils „eingestellte“ Tag-/Nacht-Aktivität sind offenbar nur in entsprechend unterschiedlichen Umweltfaktoren wie z.B. Nahrungsangebot, Feinde etc. zu finden und kann wahrscheinlich bei sich ändernden Umweltbedingungen schnell und flexibel angepaßt werden. Eine solche Flexibilität in der Tag-/NachtAktivität ist bei allen anderen höher entwickelten Tieren nicht zu beobachten. Welchen Nutzen können wir Delta t-ler nun aus diesen Erkenntnissen für unseren allnächtlichen Kampf ums Dasein ziehen? Praktisch keinen, jedenfalls keinen konkret benennbaren. Letzteres sollte von der Rubrik „Forschung“ in der Delta times auch nicht verlangt werden. Unsere spezielle Situation kann aus natur-, geistes- und sozialwissenschaftlicher Sicht mit hunderten von Blickwinkeln beleuchtet werden. Wissenszuwachs und damit einhergehend eine Stärkung des argumentativen Backgrounds sollten uns als Ziele für diese Rubrik genügen. Anm. d. Red.: Minimal zwei Nutzen sehen wir doch: 1. Aus der Flexibilität und dem „Laissez faire“ der Lemuren könnte man Lehren ziehen. 2. Delta t‘ lern wird häufig unnatürliche Lebensweise vorgeworfen - wie absurd dies ist, zeigt uns hier die pure Natur selbst. Man muß schon Berufsoptimist sein, um zu glauben, daß hierbei auf Delta t‘ler Rücksicht genommen wird, oder daß einer der Beteiligten auf die Idee kommt, es könnten unter den Berufstätigen auch solche sein, die eher vor den frühmorgendlichen Anfangszeiten geschützt sein wollen. Zum Glück ziehen wir im Fall der Ladenschlußzeiten mit den Erstnormalen an einem Strang. Selbst für die Berliner, die einige Läden mit Ausnahmeregelungen und zudem auch anarchische Einzelhändler vorweisen können, ist dieser Punkt auf dem Wunschzettel ganz vorne: Quelle: Auto Bild 15. Okt. 1995 Wir können also hoffen, daß wir uns nicht immer gleich so knapp nach dem Frühstück schon wieder mit dem Einkaufen beschäftigen müssen. Günter Woog UND DIE NACHBARN ? • In Österreich und Irland läuft es wie in Deutschland. • In Schweden müssen die Geschäfte nur zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens geschlossen sein. (Diese Regelung soll nebenbei zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben) • In Frankreich sind Supermärkte bis 20/22 Uhr offen. Kleinere Einzelhändler schließen wann sie wollen. • Die Italiener können bis 20 Uhr einkaufen, Samstags bis 19 Uhr. Darüberhinaus bleiben diese Regelungen jedoch nicht undurchbrochen. • Die Tschechen haben zwar werktags lediglich eine halbe Stunde länger offen, 19 Uhr, ahnden Verstöße aber glimpflich. • In Griechenland, Spanien und Portugal wären Delta t‘ler am besten aufgehoben – die Geschäfte Quelle: tip 23/93 können es halten wie sie wollen. Se ite 8 DAS ABGESCHLOSSENE STÜCK Schneller Schlafen „Kikerikie! Kikerikie! Kikerikie!“ 6:00 h! Aufstehen, Waschen, Zähne putzen. Rasieren. Anziehen. Halt! Vorher noch ein Ei in den Eierkocher schmeißen und Teewasser aufstellen. 6:20h - 6:25h: Frühstück. Der schwarze Tee schmeckt komisch. Wohl mal wieder vergessen, den Kamillenbeutel vom Abend vorher aus der Kanne zu nehmen. Keine Zeit, neuen zu kochen, denn: von 6:25h - 7:25h: auf der Autobahn. Die schleichen wieder! Macht hin, Leute, die Stechuhr ist unbestechlich! 7:25h - 7:55h: Parkplatzsuche. 7.55h - 8:01h: Schlangestehen an der Stechuhr. Schon wieder ‘ne rote Zahl auf der Karte, nur weil diese Penner quasseln, statt zu stechen! 8:01h - 12:00h: Erste Runde: Manfred: „Herr Schmidt! Sie werden im Lager verlangt!“ - „Komme schon.“ 12:00h - 12:30h: Schlange stehen bei der Essensausgabe. 12:30h - 12:35h: Essen runterschlingen, denn: 12:35h - 13:00h: Geschenk einkaufen für Herta, hier kriegt man schließlich Personalrabatt. Klammer auf: Von 12:35h - 14:00h: Magenschmerzen, aber: Andrea: „Rheni räumt den Magen auf. Rheni, für alle, die keine Zeit für Magenschmerzen haben!“ Klammer zu. 13:00h - 17:00h: Zweite Runde: Roland: „Herr Schmidt ins Büro bitte, Herr Schmihidt!“ - „Komme schon!“ 17:00h - 18:15h: Auf der Autobahn inklusive einer Viertel Stunde stop and go an einer Unfallstelle. Schade, keine Zeit zum Gucken, muß noch einkaufen. 18:15h - 18:29h: Parkplatzsuche. 18:29h - 18:30h: Mit dem Einkaufswagen und mit 50km/h durch den Supermarkt jetten. Andrea: „Bitte beeilen sie sich, wir schließen jetzt.“ - „Jaja doch!“ 18:30h - 20:00h: Nach Hause fahren und Einkäufe einräumen, inklusive einem kurzen Überfliegen der heutigen Post. Mahnung vom Finanzamt wegen der Steuererklärung. Mist, völlig vergessen! Klammer auf: Von 19:00h - 19:30h Wutanfall darüber, daß man in der Eile die Butter vergessen hat; erneute Magenschmerzen und starke Lustlosigkeit, zu Hertas Geburtstag zu fahren. Andrea: „Ein Fall für Klosterfrau Melissengeist. Klosterfrau Melissengeist beruhigt und stärkt die Nerven. Mit 40% Alkohol.“ Klammer zu. 20:00h - 20:15h: Tagesschau. Das übliche: Steuererhöhung. Sparmaßnahmen. Kriegstote. Und ein paar Umweltkatastrophen. 20:15h - 20:45h: Fahrt zu Hertas Geburtstag; Geschenk abgeben und ein Anstandsstündchen bleiben; auf der ständigen Flucht vor Hertas mannstoller Schwester. Es gibt kaltes Buffet mit Lachs und Krabbencocktail. Schade, daß der Magen heute so in Unordnung ist. 22:00h - 22:30h: Wieder nach Hause fahren. Hunde müde steuere ich sofort mein Bett an. Beim Ausziehen sehe ich Lippenstift am Kragen! Das hat mir gerade noch gefehlt, wo ich kein einziges gebügeltes Hemd mehr hab’! Also: 22:30h - 22:50h: Bügelbrett suchen; aufklappen; Bügeleisen suchen; aufs Bügelbrett stellen; Hemd suchen....; Scheiße sind noch in der Waschmaschine. 22:50h - 23:30h: Hemden aufhängen; eins gleich auf die Heizung. Bis es trocken ist: schon mal die Steuererklärung anfangen. Die muß morgen unbedingt fertig werden. Um 24:00h: Erneuter Anlauf zum Hemdbügeln. Beim ersten Ärmel klingelt das Telephon. Herta am Apparat: Warum ich so früh gegangen bin - ob mir der Lachs nicht geschmeckt habe - wie ich ihre Schwester denn finde... Klammer auf: Von 00:05h - 01:05h: heftigste Magenschmerzen und Beklemmungen in der Herzgegend beim Gedanken an Hertas dämliche Schwester mit ihrem dämlichen Lippenstift, die einem das alles eingebrockt hat. Da hilft nur noch eins: Andrea: „Doppelherz. Mit der Kraft der zwei Herzen. Doppelherz für alle, die noch keine siebzig sind und trotzdem kurz vorm Zusammenbruch stehen. - Bei riesigen Nebenwirkungen essen sie die Packungsbeilage oder erschlagen sie ihren Arzt und Apotheker“ Klammer zu. 01:05h - 01:30h: Endlich das Hemd fertig bügeln. Mit letzter Kraft ins Schlafzimmer schleichen; jetzt ist es 01:35h. 01:35h!!! Mein Gott! Und um sechs klingelt der Wecker! Da gibt’s nur eins: Schneller schlafen! von: Axel Schmidt aus dem aktuellen Programm der Kabarettgruppe „Quattro Stagioni“, Marburg/Lahn. AUS ALLER WELT Se ite 9 LOGISTIK UND K STANDORTWAHL R Frankfurt am Main: Delta t-Bastion und Opposition gegen Videokonferenzen Frankfurt- epd - Wie ein Sprecher des Zentralverbandes der Elektroindustrie gegenüber Delta t bestätigte, hält die Tendenz in den Industrieverbänden an, nationale Konferenzen in Frankfurt am Main abzuhalten. Die Konferenzen werden um 10 bis 11 Uhr angesetzt, um auch Vertreter aus München, Berlin, Köln, etc. teilnehmen zu lassen. Diese müssen nicht selten vor 5 Uhr aufstehen. Videokonferenzen hätten sich nicht durchgesetzt. Unser Kommentar: Keine Hoffnung auf Videotechnik: Die perfiden Zeitnormalen werden es schaffen, diese um 7 Uhr anzusetzen. Zweitnormale Konferenzteilnehmer zieht also in´s Rhein-Main-Gebiet, wo nicht umsonst Delta t gegründet wurde, und verteidigt diesen letzten Standortvorteil. RoDo Klingelt immer unpassend Nicht vorher aufstehen Ein lieber Bettgefährte Der Hahn stört, wenn er E U Z WORT Die Behördenzeiten sind Um 9.00 sind wir (2Worte) MARGIE‘S CORNER Sleepless Limmerick ”There once lived a couple from Thorning. Who couldn‘t get up in the morning The church bells did chime ...“ And this will not rhyme damm it ... which keeps me awake ‘til the dawning. Margie King, 2. Vorsitzende voon Delta t Endlich: Delta t T-Shirts Die Kinderecke Valentina D., 7 Jahre, gewann den Delta t - Zeichenwettbewerb: „Mein Wecker“ mit diesem schönen Bild: 4-farbig, attraktiv und preiswert. Und natürlich auch für Nichtmitglieder, die für uns am Körper werben wollen. nur DM 25,- + Nachnahme IMPRESSUM Herausgegeber und viSdP: Delta t · Verein für Zweitnormalität e.V. • Chefredaktion: Dr. Rodolfo Dolce • Redaktion: Birgit Ballhause, Wolfgang Fehl, Günter Woog • Grafische Gestaltung und Satz: Günter Woog • Lithografie: Studio 84 GmbH · Frankfurter Str. 84 · 63303 Dreieich • Druck: TER Druckerei GmbH · Admiral-Rosendahl-Str. 1 · 63263 Neu-Isenburg • Anschrift der Redaktion: c/o Delta t e.V. · Frankfurter Str. 4-6 · 63303 Dreieich · Tel: 06103-61132 · Fax: 06103-65250 DELTA DAS LETZTE Herausgeber: Delta t · Verein für Zweitnormalität IMMER MEHR EHEN SCHEITERN AN DISHARMONIE Blond, braun, groß, mittelgroß, gute Figur, großer Busen, knackiger Hintern ... Die üblichen Antworten auf die Frage nach Traumfrau bzw. -mann. Alles nach Wunsch und doch geht alles kaputt. Im Zusammenleben entscheiden eben andere Eigenschaften, wie auch der Lebensrhythmus. Grund genug für uns, Delta t‘ler mit Delta t‘lern in Kontakt zu bringen in: Wolfgangs Partnertreff EULE SUCHT EULE mit der ersten Anzeige Steh‘ nicht auf, als wär nichts geschehn. Es ist zu früh um zu lügen. ∆t‘ler, 39, m, sucht Freundin, die morgens auch mal liegen bleibt. Zuschriften, nicht unbedingt mit Bild, wenn dann aber im Pyjama, mit Angabe der Schlaf-/Wachzeiten an die Redaktion. Diese Anzeige ist nicht völlig unernst ! Anzeige GROSSER SOMMER IN DER SÜDSTEIERMARK Natur- und Kulturidylle. Dreiländereck (A/SLO/H). Wein, Burgen, Störche, Ruhe. Großzügige FeWo (2 SZ, WZ, Diele, Kü, Bad, 94qm, sep. Tel., TV, Terasse, sep. Weinlaube) für 2-4 Personen in sep. Gebäude auf langschlafendem Künstlerhof am Dorfrand (ringsum Natur). 0,4 ha Liege- und Spielwiese. Zauberhafte hist. Kleinstadt Radkersburg mit Thermalbad 4 km. Radlerparadies. DM 25,00 Pers./Tag. Delta t-Mitglieder 10 % Ermäßigung. Doppelkopfspieler(innen) bevorzugt. August/ September. Was brauchst Du Meer ! Tel.: 0043-3476-3522 (ab 14 Uhr). Fax: 35224 (immer). Gemeinhin werden Spätaufsteher und Langschläfer für Faulenzer gehalten. Delta t ist diesem Vorurteil mittlerweile so erfolgreich entgegengetreten, daß der Eindruck enstanden ist, es gäbe gar keine Faulenzer unter den Delta t‘lern. Dieser beunruhigenden Entwicklung will unser Pressesprecher Reinhard Scharfe gleich in der ersten Ausgabe von Delta times energisch entgegentreten. Die Gründungsversammlung des Vereins für Langschläfer und andere Faulenzer war für mich eines der erhabensten Erlebnisse meines bisherigen Lebens. Herausragende Persönlichkeiten des kulturellen und öffentlichen Lebens halten eigentlich nur die besonderen Umstände meiner Geburt für ähnlich wichtig und ereignisreich wie die Grün-dung dieser -für die Rechte einer gedemütigten Minderheit kämpfenden- Vereinigung. Für all die, welche mich noch nicht vollständig kennen, sei hier kurz in Erinnerung gerufen, daß ich am 1.9.1954 nachts um 4 während eines Gewitters in Berndshausen geboren wurde. Da die Geburt nicht im Freien stattfand, verlief sie ohne weitere Komplikationen. Allerdings erinnern sich ältere Bewohner der Gegend, daß in dieser Nacht ein Hahn in einem Nachbarhof früher als sonst schrie, es soll noch dunkel gewesen sein und nicht seinen Gewohnheiten entsprochen haben. Alle 5 Jahre, wenn sich in Berndshausen alle dort Geborenen versammeln, um sich mal wieder zu sehen, fahre ich hin um alte Freunde zu treffen und höre immer wieder diese Geschichte. An meine Geburt kann sich leider niemand mehr erinnern, aber dies liegt daran, daß ich bereits mit 2 Jahren mit meiner Familie von dort wegzog und alle wußten, daß wir nach Frankfurt ziehen, während der Hahn in demselben Jahr auf geheimnisvolle Weise verschwand. Es gibt verschiedene Versionen über sein Verschwinden, einige behaupten, er sei von einem entnervten Nachbarn getötet und verspeist worden, andere meinen, er habe kurz vor seinem Verschwinden einer Henne erzählt, er wolle als Musikant nach Bremen ziehen, um leidvollen Erfahrungen seiner Vorgänger zu entgehen. Wichtiger erscheint mir persönlich ohnehin die Tatsache des Gewitters bei meiner Geburt. Leider kann sich außer mir niemand mehr an dieses Gewitter erinnern und in Gesprächen wird ein Zusammenhang mit meiner Geburt immer wieder in Abrede gestellt. Ich führe dies in erster Linie darauf zurück, daß der Hahn länger in Berndshausen lebte als ich und im Gegensatz zu mir ohne Angabe eines Zielortes oder ähnlichem einfach verschwand, was ihm sein Besitzer besonders nachträgt. Da ich bis auf meinen immer noch dort wohnhaften Onkel niemanden kenne, halte ich mich gewöhnlich nur kurz auf diesem Treffen auf und erscheine eigentlich nur um niemanden zu beleidigen. Ich möchte auch nicht, daß man mir nachsagt, ich würde unentschuldigt fehlen oder hätte keinen Respekt vor meinem Geburtsort oder ähnlichem. Außerdem ist Berndshausen berühmt für seine Bratwurst und ich freue mich während der gesamten Anreise auf dieses ausgezeichnete Geschmackserlebnis, welches ich mir während meiner mehrstündigen Anreise immer wieder vorstelle. Leider sind die Bratwürste gewöhnlich bereits ausverkauft, wenn ich dort eintreffe, da ihr Verspeisen für die Mehrzahl der anreisenden Besucher und Einwohner der Hauptzweck ihres Erscheinens ist. Im Jahre 1984 soll es sogar vorgekommen sein, daß angereiste Fremde frühzeitig alle Bratwürste aufkauften um sie zu überhöhten Preisen an die Besucher weiterzuveräußern. Um solchen Auswüchsen vorzubeugen, werden seither Berechtigungsscheine zusammen mit den Einladungen verschickt. Ich finde diese Idee ausgezeichnet, bekomme nur leider nie eine Einladung, so daß ich bei den letzten Treffen leider nur einmal eine bekommen konnte - als mein Onkel aufgrund einer Magenverstimmung nichts essen konnte und mir den Berechtigungsschein gegen ein Bier überließ. Aber ich will mich auf das Wesentliche konzentrieren. Nicht nur ich lebe, auch der Verein für Langschläfer und sonstige Faulenzer ist nun geboren. Nicht ganz so dramatisch -es regnete nur einfach und es verschwand meines Wissens bislang auch niemand- aber immerhin er existiert und muß sein Leben leben. Ich -ebenso wie das eine oder andere Mitgliedwünsche Delta t ein langes gesundes Leben ohne Streß oder frühes aufstehen müssen. In diesem Sinne rufe ich aus, Delta t, he he he.
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