Ein Beitrag von Prof. Dr. Ellen Enkel und Monika Hengstler Die detaillierte Version dieses Beitrags finden Sie im KMU-Magazin, Nr. 5, Mai 2015, S. 85-88, http://www.kmu-magazin.ch/ Innovationen durch Innovationsökosysteme Die Partizipation in Innovationsökosystemen ist für Unternehmen eine wichtige Innovationsstrategie. Diese ermöglicht – gemeinsam mit Partnern – Wertschöpfung zu betreiben, welche über den eigenen ressourcenlimitierten Mehrwert hinausgeht. Indien ist das Land mit den meisten Einzelhändlern weltweit. Ungefähr 9,3 Millionen Einzelhändler sind in Indien niedergelassen. Diese erhalten ihre Ware über ein Ökosystem von 20.000 Distributoren, 80.000 Großhändlern und im Wesentlichen 12 Konsumgüterherstellern. Die Einzelhändler sind meist unabhängige Familienbetriebe und nicht von großen Supermarktketten kontrolliert. Ihnen fehlt das Kapital, um mehr Ware zu beschaffen, die sie dann aufgrund ungesättigter Nachfrage der indischen Haushalte sicher verkaufen könnten. Die Distributoren haben bei ihren Auslieferungsfahrten zu den Einzelhändlern ein limitiertes Warenangebot, das im Verlauf der Route oft komplett abgenommen wird, so dass die Einzelhändler, die am Ende der Auslieferungsroute angefahren werden, nicht mehr ausreichend bedient werden können. Ferner fehlt den Konsumgüterherstellern der Einblick in die „letzte Meile“. Die Ineffizienzen im indischen Einzelhandelssystem waren bei SAP der Startpunkt für das Projekt Ganges, welches im Kern darauf beruht, eine Lösung zu generieren, die alle Beteiligten des Ökosystems einbezieht. Dies bettet SAP in ein Ökosystem interdependenter Unternehmen.1 Aus der Praxis: Das Projekt SAP Ganges Benannt nach dem indischen Fluss ist SAP Ganges ein Netzwerk für den Handel in Indien. Teil des Systems ist ein Endgerät für Einzelhändler auf TabletBasis, das in Zusammenarbeit mit bekannten Herstellern solcher Geräte und über 200 Einzelhändlern entwickelt wurde. Indem jeder verkaufte Artikel 1 Adner, 2006 eingescannt wird, werden die Daten an die SAP HANA Plattform gesendet. Auf diese Daten können die Konsumgüterunternehmen, Distributoren und Banken dann zugreifen. Jeder Teilnehmer im Ökosystem profitiert von diesem Netzwerk: • Die Einzelhändler sind an ein Netzwerk angeschlossen, das es ihnen erlaubt, Echtzeitbestellungen auszulösen und Zugang zu neuem Kapital zu erlangen • Die Distributoren der Konsumgüterhersteller können Bestellungen und Bezahlungen elektronisch erhalten. Sie profitieren von einer größeren Kaufkraft der Einzelhändler und operativer Effizienz. • Die Konsumgüterhersteller erhalten Echtzeitinformationen, um Marketingmaßnahmen einzuleiten • Die teilnehmenden Banken erhalten Fakten zur Kreditwürdigkeit, mit denen sie sicherer Kredite an Einzelhändler vergeben können Demnach sieht sich SAP in ein sogenanntes Innovationsökosystem eingebettet. Dieses beinhaltet nicht nur SAP als Kerninnovator, sondern auch die zuführenden Partner und die wegführenden Kunden. Die Schlüsselerkenntnis ist, dass es nicht ausreicht zu betrachten, ob und wie SAP erfolgreich seine internen Innovationsherausforderungen löst, sondern dass alle Partner des Ökosystems genauso ihre eigenen Innovationsherausforderungen lösen müssen, damit im Ökosystem Wert geschaffen werden kann. Banken Telekommunikationsunternehmen Elektronikhersteller Partner Einzelhändler Kunden SAP GANGES SAP HANA Plattform Konsumgüterhersteller Distributoren Abbildung1: Schematische Zeichnung von SAP Ganges (www.sap.com) Wie agieren Innovationsökosysteme? Das Konzept der Innovationsökosysteme basiert auf dem Gedanken eines biologischen Ökosystems. Es zieht Analogien aus der Natur und untersucht, wie diese Phänomene in Geschäftskontexten beobachtet werden können. Ein biologisches Ökosystem besteht aus verschiedenen Organismen, die in einem gleichen örtlichen Gebiet wohnen. Es herrscht Interaktion zwischen den Organismen. Genauso ist ein wirtschaftliches Innovationsökosystem durch eine größere Anzahl von Teilnehmern charakterisiert. Die Teilnehmer sind untereinander verbunden, indem sie einen gegenseitigen Effekt aufeinander ausüben. Die Mitglieder eines Innovationsökosystems arbeiten kooperativ und wetteifernd, um neue Produkte zu unterstützen, Kundenbedürfnisse zufriedenzustellen und schließlich die nächste Innovationsrunde anzustoßen. Demnach gründet der Erfolg von Innovationsökosystemen auf einer Balance von Wettbewerb und Kooperation. Schließlich ist es in einem Innovationsökosystem herausfordernd, herauszufinden, wer Freund und wer Feind ist. Die Erfolgsfaktoren Hauptsächlich erweisen sich drei Faktoren als kritisch für den Erfolg von Innovationsökosystemen. Wie bei jeder Art von Geschäft ist Produktivität ein Basisfaktor jeder Geschäftstätigkeit, der auch den Erfolg eines Innovationsökosystems definiert. Darüber hinaus muss ein Innovationsökosystem robust sein. In einem natürlichen Ökosystem bedeutet Robustheit, ausgeprägte Überlebensfähigkeiten zu haben, wenn Schocks von innerhalb oder außerhalb des Ökosystems drohen dieses zu zerstören. Schließlich sollte ein Innovationsökosystem auch die Fähigkeit besitzen, Nischen und Gelegenheiten für neue Unternehmen zu schaffen. Dies erfordert einen Wandel von protektionistischen zu kooperativen Haltungen.2 2 “When they work, ecosystems allow firms to create value that no single firm could create alone” (Adner, 2006). Die Vorteile und Risiken Innovationsökosystem sind verführerisch. Sehr leicht wird das Potential zur Wertschöpfung überschätzt, weil so viele Teilnehmer ihre Fähigkeiten kombinieren. Gleichzeitig werden die Herausforderungen sehr leicht unterschätzt, da die meisten als zu anderen zugehörig und nicht eigens erscheinen. Innovationsökosystemen bieten die Möglichkeit, Allianzen zu bilden und sich in diesen Netzwerken erfolgreich zu etablieren. Dies passiert geschützt vor potentiellen Eindringlingen. Dieselbe Verbundenheit fungiert aber auch als Auslöser möglicher Desaster. Wenn jeder direkt oder indirekt miteinander verbunden ist, breiten sich Veränderungen in einem Teil des Systems höchstwahrscheinlich im ganzen System aus und manchmal gehen dabei Unternehmen ohne eigene Schuld zu Grunde. Diese Art der Unvorhersehbarkeit ist ein unangenehmer Aspekt eines Innovationsökosystems. Wenngleich wird hiermit aber auch nur ein realistisches Bild vom Geschäftsleben gezeichnet. Die Rollen In einem Innovationsökosystem werden im Wesentlichen vier verschiedene Rollen besetzt. «Keystones» sind Unternehmen, die als Ermöglicher fungieren und einen starken Einfluss auf das gesamte Ökosystem haben. «Dominatoren» integrieren sich vertikal oder horizontal in das Netzwerk, um dieses größtenteils direkt zu beeinflussen. «Commodity-Anbieter» schaffen wenig Wert für das Ökosystem. «Nischenanbieter» machen den Großteil eines Innovationsökosystems aus. Sie besitzen spezialisierte Fähigkeiten, die sie von anderen im Ökosystem unterscheiden. Innovationsstufe Nischenanbieter Keystones CommodityDominatoren Anbieter Komplexität der Beziehungen Abbildung 2: Die Rollenverteilung in einem Ökosystem Die Autoren Prof. Dr. Ellen Enkel ist Leiterin des Dr. Manfred Bischoff Instituts für Innovationsmanagement der Airbus Group an der Zeppelin Universität Friedrichshafen, Deutschland. Außerdem ist sie Editorin des R&D Management Journal, eines der international führenden Fachzeitschriften im Innovationsmanagement. Ihre anwendungsorientierte Forschung fokussiert auf Open- und Cross-Industry-Innovationen, Geschäftsmodellinnovationen und Innovationscontrolling. Ellen Enkel zählt zu den meistzitierten Wissenschaftlerinnen im Bereich der Open Innovation und arbeitet mit führenden Unternehmen wie der BASF, BMW, Bosch, Henkel, SAP, OSRAM und Airbus an der Optimierung ihres Technologieund Innovationsmanagements. Monika Hengstler (MSc (TUM) ) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Dr. Manfred Bischoff Institut für Innovationsmanagement der Airbus Group. Zuvor arbeitete die Maschinenbauingenieurin und Betriebswirtin in der Medizintechnik. Ihre Forschung fokussiert auf Innovationsökosysteme und Fähigkeiten für radikale Innovation. Kontakt: [email protected] [email protected] Innovative Unternehmen gesucht Aktuell suchen die Autorinnen Unternehmen aus der DACH-Region mit exzellenter Innovationsleitung. Interessierte Unternehmen können ab sofort an der kostenlosen und vertraulichen Online-Befragung teilnehmen. Auf der Basis von Interviews und Unternehmensbesuchen werden die Preisträger abschließend von einer unabhängigen Experten-Jury gewählt und gekürt. Die Teilnahme am Fragebogen ermöglicht jedem Unternehmen ein Benchmarking seiner Innovationsaktivitäten auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Unternehmen mit herausragender Innovationsleistung werden am 3. November auf der "innovation 2015" in München gekürt. Die in der Studie adressierten Themenbereiche werden dort im Rahmen von Praxisvorträgen mit den Teilnehmern der Konferenz vertieft. Zum Online-Fragebogen gelangen Sie hier: www.zu.de/innovationsstudie2015 iesen Themen Literaturverzeichnis Adner, R. (2006). Match your innovation strategy to your innovation ecosystem. Harvard Business Review, 84(4), 98 – 107. Adner, R., & Kapoor, R. (2010). Value creation in innovation ecosystems: how the structure of technological interdependence affects firm performance in new technology generations. Strategic Management Journal, 31(3), 306 – 333. Iansiti, M., & Levien, R. (2004). The keystone advantage: what the new dynamics of business ecosystems mean for strategy, innovation and sustainability: Harvard Business Press. Lewin, R. (2000). Complexity: Life at the edge of chaos. University of Chicago Press. Moore, J. F. (1993). Predators and prey: a new ecology of competition. Harvard Business Review, 71(3), 75 – 83. en Themen hat r beschriebenen Themen zu erreichen, werden neben den quantitativen Daten über den On line-Fragebogen auch qualitative Daten über Expertenin terviews und Un ternehmensbesuche vor Ort erhoben. Demgemäß ist folgender Studienablauf für das Jahr 20 15 geplant:hat sich das Dr. Manfred Bischoff Institut für Inn ovation smanagement der Airbus Group verschrieben, um für Wissenschaft und Praxis weitere Erkenntnisse u nd strategische Implikationen aufzuzeigen. Um ein umfassendes Verständn is bezüglich der beschriebenen Themen zu erreichen, werden neben den quantitativen Daten über den Online-Fragebogen auch qualitative Daten über Expertenin
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