34 | KARRIERE NEUE AM SONNTAG 30. AUGUST 2015 KARRIERE | 35 NEUE AM SONNTAG 30. AUGUST 2015 Weit mehr als nur Champignon-Experten DANIELLE BIEDEBACH (TEXT) KLAUS HARTINGER (FOTOS) J ahrelang sind sie unterhalb des Bregenzer Gebhardsbergs regelmäßig herangewachsen. Tief unten in einem ehemaligen Luftschutzstollen, bei besten klimatischen Bedingungen: Vorarlberger Champignons. Nach rund 50 Jahren ist dies nun Vergangenheit. Doch Familie Lenz hat sich längst nicht mehr nur der Pilzzucht verschrieben, sondern vertreibt hochwertige Lebensmittel. Die Geschwister sind bereits in zweiter Generation eine gute Adresse für Kenner und Genießer. Aufgebaut hat Vater Ernst Lenz das Geschäft mit den Champignons im Jahr 1968. Sack für Sack der weißen Schwämmle hat der heute 76-jährige Hobby-Züchter damals in den hauseigenen Keller getragen und die ersten Heimkulturen angelegt. Tagsüber kümmerte sich der Lauteracher um die Zucht der Kulturen, abends um Ernte und Verkauf. „Er ist in verschiedene Siedlungen gefahren und hat die Pilze an den Mann gebracht“, erinnern sich Bettina (45) und Alfred (51) Lenz an die Anfänge des Vaters. Reger Zuspruch Mit der Zeit kam eine gewisse Regelmäßigkeit in den Verkauf, die ersten Gastronomen fragten nach, ob Lenz sie nicht direkt mit den Speisepilzen beliefern könnte. Der tüchtige Händler überlegte nicht lange und überführte seine Egerlinge nach Bregenz, Lindau und schließlich in sämtliche Tourismusgebiete in Vorarlberg. Neben dem Ver- Seit knapp 50 Jahren existiert das Familiengeschäft Pilz Lenz in Wolfurt. Zum Sortiment gehören neben verschiedensten Pilzen feinste Lebensmittel für Genießer. kauf auf Wochenmärkten kam später der Vertrieb an die heimischen Supermärkte dazu. Im Jahr 2006 hat Ernst Lenz dann das Geschäft offiziell an Tochter und Sohn übergeben. Mitgearbeitet im Geschäft hat das Geschwisterpaar aber irgendwie schon immer. „Mich hat einmal der Lehrer in der Schule gefragt, was ich werden möchte. Wie aus der Pistole geschossen habe ich gesagt: Champignon-Züchter. Wahrscheinlich habe ich gar nichts anderes gekannt“, erinnert sich Alfred Lenz und muss lachen. Sein Vater sei ein sogenannter Flüsterer. 40 Jahre lang habe er ihm quasi „zugeflüstert“, wie das mit den empfindlichen Schwammerln funktioniere. „Ich habe alles Wissen von meinem Vater. Nicht etwa aus Büchern. Ich bin kein klassischer Züchter“, erklärt der Lauteracher. Mit hohem Aufwand haben er und Mitarbeiter die Pilze im Stollen produziert. Das Prozedere koste Zeit und Nerven. Denn der Champignon selbst sei sehr sensibel. „Ununterbrochen muss man dazu schauen. Es ist eben eine Landwirtschaft. Und diese macht keine Pause“, weiß der 51-Jährige und erklärt die Vorgehensweise: Der eigentliche Pilz ist ein Geflecht in der Erde und befindet sich bei der Zucht in Plastiksäcken. Dort wächst die Kultur bis zur Oberfläche. Durch die Zufuhr von Frischluft kommt es zur sogenannten Knopfbildung, und daraus entsteht der Fruchtkörper. Dabei kommt es auf die genaue Dosis an: Zu viel oder zu wenig Sauerstoff ist schlecht. Das ist die Gratwanderung bei der Champignon-Produktion. Geerntet wird nach drei bis vier Wochen per Hand. Der Stollen-Egerling wächst durch die niedrige Temperatur vor Ort langsam und ist dadurch stabiler, erklärt der Experte. Praktisch bedeutet das, ein so herangezogener Pilz hält länger. Im Gegensatz dazu verderben schnellwachsende Produkte wesentlich rascher. INFORMATION Zum Sortiment gehören neben Pilzen, Essigen und Ölen auch begehrte Trüffel. Zahlenfrau Bettina Lenz und Pilz- Pilz Lenz Bettina Lenz & Alfred Lenz Standort: Fattweg 7, 6922 Wolfurt Kontakt: 05574/73789 [email protected] www.trueffel.at Marktstände 8 bis 12.30 Uhr: Bregenz: Dienstag, Freitag Dornbirn: Mittwoch, Samstag Feldkirch: Dienstag, Samstag Rankweil: Mittwoch Lustenau: Donnerstag Götzis: Freitag Experte Alfred Lenz ergänzen sich im Familienbetrieb bestens. Offene Grenzen Nachem sich die Grenzen im europäischen Markt geöffnet haben, hat sich einiges für den Pilz-Bauern verändert. Mit der Champignon-Zucht alleine ließ sich seither kein Geld mehr verdienen. „Wir können mit den Preisen, die in osteuropäischen Ländern kalkuliert werden, nicht mithalten“, stellt Alfred Lenz fest. Die dortigen Lohnkosten seien im direkten Vergleich zu heimischen einfach zu niedrig. Auch die Transportkosten nach Österreich würden den Preisunterschied nicht ausgleichen. „Pilze aus Polen oder etwa Ungarn sind einfach billiger. Dafür muss man nicht Wirtschaft studiert haben“, ergänzt Lenz. Der Vorarlberger an sich schreie zwar nach heimischen Produkten. Die Mehrheit greife aber letzten Endes beim günstigeren Produkt zu. Für den Vater der Geschwister war der Schritt, die eigene Produktion nach so vielen Jahren einzustellen, kein leichter. Sohn Alfred Lenz ist bis heute hin und her gerissen. Aber zwischenzeitlich habe er ein Zeitproblem, da ihn die Zucht zu sehr beanspruche. Zwölf bis 16 Stunden am Tag. „Irgendwo bin ich auch Mensch und möchte mal frei haben“, drückt er seine Bedürfnisse aus. Die Illusion, Mitarbeiter einfach machen zu lassen, hat der Landwirt nicht. Er weiß, dass er persönlich vor Ort sein muss, damit alles funktioniert. „Steht die Tür zum Stollen zu lange offen, dann verändert sich rasch das Klima. Die Pilze poppen dann unter Umstän- den zehn Tage zu spät auf“, weiß er aus Erfahrung. Schon sein Vater hatte erkannt, dass immer nur kleine Veränderungen vorgenommen werden dürfen. Und dann gelte es abzuwarten. Ein Champignon-Züchter müsse eben immer auch ein guter Beobachter sein. Zahlenfrau Gut beobachtet hat auch Bettina Lenz, die Schwester von Alfred Lenz, die Entwicklungen auf dem hiesigen Markt. Sie ist die Zahlenfrau im Familienunternehmen. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin hat es verstanden, schon früh weitere Standbeine im Betrieb aufzubauen. Denn das Verhältnis zwischen der Passion für ein Produkt zum Faktor Rentabilität müsse im Endeffekt stimmen. Trüffel-, Essig- und Öl-Handel etwa fallen so in die Verantwortung der Unternehmerin. „Ich war als Au-pair-Mädchen und später während meines Studiums in Italien. Daher beherrsche ich die Sprache ausgezeichnet und kann mit den Händlern auf Augenhöhe feilschen“, erklärt sie mit einem Schmunzeln. Ohne Sprachkenntnisse sei das durchaus ein schwieriges Unterfangen. Dazu komme, dass auch die Ernte der Edel-Knollen oft Glückssache sei. Wer glaube, im Waldboden läge das große Geld, der irre. So kann ein tagelanger Streifzug durch die Wälder der Toskana durchaus auch mit leeren Händen enden. „Es bedarf einfach einer gewissen Leidenschaft für das Produkt. Ähnlich wie bei unseren Cham- pignons“, erklärt die 45-Jährige. Und natürlich einer treuen Kundschaft. Jene schätze neben den Pilzen, die nicht aus eigener Zucht stammen, auch die rund 20 verschiedenen Essig- und Olivenöl-Sorten, die im Wolfurter Geschäft angeboten werden. Diese präsentiert die Expertin zudem regelmäßig bei Verkostungen. „Wir versuchen, uns immer ein wenig von der Masse abzuheben. Und das kommt gut an. Bei Privatleuten und auch in der Hotellerie“, weiß die Vorarlbergerin aus Erfahrung. Erster Kunde sei der Zürserhof gewesen. Der Koch kaufte damals die ersten vier Flaschen der feinen Kochzutaten. Heute zählen Häuser wie Hotel Schloss Fuschl oder Interalpen zum Kundenstamm der Familie Lenz. „Papa hat die Kontakte geknüpft und über 50 Jahre lang Vertrauen zu unserer Klientel aufgebaut“, stimmen Bettina und Alfred Lenz überein. Noch nicht aller Tage Abend In Zukunft wird sich das Geschwisterpaar verstärkt dem Handel mit den edlen Lebensmitteln widmen. Und doch lässt Alfred Lenz der Gedanke an die Zucht des Ländle-Champignons nicht los. Für ihn ist das Thema noch nicht so ganz abgeschlossen. „Es steht außer Frage, dass wir eine Pause einlegen müssen. Wir wollen jetzt die Kostenstruktur neu ermitteln. Wie es schlussendlich mit der Zucht weitergehen wird, steht noch in den Sternen“, sagt Alfred Lenz mit einem Augenzwinkern.
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