PDF Folge 10 - Deutsches Pressemuseum Hamburg

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DONNERSTAG, 21. MAI 2015
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Schleswig-Holstein / Hamburg
FDP will mehr Freiheit
für die Hochschulen
Die einen sprechen von
gelungener Hochschulpolitik, die anderen von einer
„Bankrott-Erklärung“: Während Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD) ihr
Engagement zur Unterstützung der Hochschulen hervorhob, erntete sie aus den
Reihen der OppositionsFraktionen im Landtag gestern scharfe Kritik.
Die Regierung habe im
Nachtragshaushalt keinerlei
zusätzliche Mittel für die
Hochschulen bereitgestellt,
kritisierte CDU-Abgeordneter Volker Dornquast und
forderte mehr finanzielle Sicherheit für die Unis.
„Anstatt das Blaue vom
Himmel zu versprechen,
sollte die Landesregierung
lieber für eine vernünftige
Grundfinanzierung
der
Hochschulen sorgen“, sagte
Piraten-Abgeordneter Uli
KIEL
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König. Genau wie seine Kollegen von FDP und CDU
sehe er angesichts des doppelten Abiturjahrgangs, der
Schleswig-Holsteins Schulen im Jahr 2016 verlässt,
dringenden Handlungsbedarf.
Die Regierung sei im engen Dialog mit den Hochschulen, um sie bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zu
unterstützen, beteuerte die
Ministerin. Über eine Verteilung der Mittel aus dem
Hochschulpakt III werde bis
Ende Juni in der neuen
Hochschulkommission beraten.
Für zusätzlichen Zündstoff in der Debatte sorgte
der Entwurf eines Hochschulfreiheitsgesetzes, den
die FDP nach dem Vorbild
eines gleichnamigen Gesetzes in Nordrhein-Westfalen
eingebracht hatte. Demnach
soll es den Unis weitgehend
selbst überlassen bleiben,
wofür sie ihr Geld ausgeben
und welche Schwerpunkte
sie in Forschung und Lehre
setzen. Der Entwurf sieht
vor, dass das Personal vom
Land in den Dienst der
Hochschulen übergeht, die
damit eigene Beamte bekämen. „Die Hochschulen
brauchen mehr Freiräume
und Eigenverantwortung“,
sagte
FDP-Abgeordneter
Christopher Vogt.
Die Regierung und die übrigen Fraktionen äußerten ihre
Bedenken gegenüber dem Gesetzesentwurf. Die Hochschulen sollten nicht den Mechanismen des Marktes überlassen werden, sagte Ministerin Kristin Alheit. „Was hier
als Freiheit benannt wird, ist
für mich eher ein Rückzug aus
der politischen Verantwortung.“ Sie halte es für problematisch, die Hochschulen zu
Dienstherren zu machen,
während das Land weiterhin
Beihilfe- und Versorgungsleistungen für das Personal
erbringen müsste.
mal
Piraten fordern
grenzenloses
Fernsehen
Der rasante Zuwachs an Windkraft-Anlagen soll erst einmal gebremst und so besser gelenkt werden.
DPA
Neues Gesetz soll Wildwuchs
bei Windkraft verhindern
Bau neuer Anlagen wird für zwei Jahre verboten – und nur im Ausnahmefall vom Land erlaubt
KIEL Schleswig-Holstein auf
neuen Wegen zur Energiewende: Der Bau weiterer
Windkraftanlagen soll danach für zwei Jahre untersagt,
Ausnahmen aber zugelassen
werden. Die Landesregierung
hat dazu gestern einen Gesetzentwurf im Landtag eingebracht. Koalition und CDU
wollen die Novelle schon am
Freitag beschließen.
Zwar gibt es rechtliche Bedenken, ob dieser juristisch
bisher beispiellose Kurs
durchzuhalten ist; Klagen gegen die Gesetzesnovelle werden daher nicht ausgeschlossen. Piraten und FDP kritisierten zudem das Eilverfah-
ren; eine ausführliche Beratung findet nicht statt. Befürworter dagegen wollen mit
der Neuregelung den Ausbau
der Windkraft ermöglichen,
zugleich einen Wildwuchs
verhindern.
Das Parlament reagiert mit
dem Gesetz auf Urteile, mit
denen das Oberverwaltungsgericht Schleswig die bis dahin zum Ausbau der Windkraft geltenden Regionalpläne gekippt hatte. Der eingeschlagene Weg sei Antwort
auf eine besondere Situation
und kein Versuch, das Parlament zu umdribbeln, sagte
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Verfassungsrecht-
liche Bedenken seien intensiv
geprüft worden und aus Sicht
der Regierung ausräumbar.
Nicht nur Redner von SPD,
Grünen und SSW stützten
den Kurs der Regierung.
Auch die oppositionelle
CDU-Fraktion will der Novelle morgen zustimmen.
„Das Ergebnis kann sich sehr
gut sehen lassen“, urteilte
CDU-Fraktionschef Daniel
Günther. An die Adresse der
FDP, mit der die Union die
vom OVG verworfenen Regionalpläne vor Jahren auf den
Weg gebracht hatte, sagte
Günther, es reiche nicht,
rechtliche Bedenken vorzutragen und keine eigenen
Vorschläge zu unterbreiten.
„Da wünsche ich mir etwas
mehr „German Mut“, sagte
Günther in Anspielung auf
den jüngsten Parteitagsslogan der Liberalen.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki warf der CDU
im Gegenzug vor, die Funktion als Kontrollorgan der Regierung völlig zu verfehlen.
Ohne ausreichende parlamentarische Beratung könne
die FDP dem Gesetzentwurf
nicht zustimmen. Ähnlich
äußerte sich der Pirat Torge
Schmidt. Eine ordentliche
Ausschussberatung sei unabdingbar, sagte Schmidt.
Peter Höver
KIEL Das Echo schwankte zwischen Beifall und Skepsis. Die
Piraten wollen Sendungen von
ARD, ZDF oder NDR im Internet auch der deutschen Minderheit in Dänemark zugänglich machen. Ob das rechtlich
möglich ist, blieb im Landtag
gestern umstritten. Was den
Piraten vorschwebt: Das so genannte Geoblocking an der
deutsch-dänischen Grenze
soll fallen. Es verhindert, dass
Internet-Nutzer auf Mediatheken ausländischer TV-Sender zugreifen können. „Durch
Geoblocking werden alte
Grenzen in Europa künstlich
zementiert“, sagte der Pirat
Uli König. Die Landesregierung müsse das Thema in den
Rundfunkräten und bei der dänischen Regierung anstoßen.
Redner anderer Fraktionen
zeigten sich zurückhaltend.
„Das geht nicht einfach per
Parlamentsbeschluss in Kiel“,
so Axel Bernstein (CDU).
Wenn öffentlich-rechtliche
Sender Beiträge frei verfügbar
ins Internet stellten, seien höhere Lizenzgebühren fällig,
hieß es. Nötig sei eine Lösung
auf europäischer Ebene. Uneingeschränkter Zuspruch für
den Vorschlag der Piraten kam
lediglich vom SSW.
Ministerpräsident Torsten
Albig sagte zu, das Gespräch
mit dem NDR zu suchen. Gesprächen mit der dänischen
Regierung prophezeite er geringe Erfolgsaussichten, da die
Auffassung der dänischen
Nachbarn zum Urheberrecht
wesentlich strenger sei.
Auf europäischer Ebene
wird das Thema bereits diskutiert. Die EU-Kommission will
bis zum ersten Halbjahr 2016
Vorschläge für eine neue Regelung erarbeiten.
mal
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Untergang auf Raten
Ein KZ-Kommandant beschwert sich – Wie die Briten Rudolf Höß aufspürten
Deutschland vor 70 Jahren. Der Zweite Weltkrieg ist verloren, die Gesamtkapitulation unterschrieben. Doch
es gibt ein Nachspiel. Am 9. Mai
1945 meldet der einzige verbliebene
Reichssender in Flensburg das
„Schweigen der Waffen“ an allen
Fronten. Aber noch bis zum 23. Mai
bleibt die letzte Reichsregierung unter Hitler-Nachfolger Dönitz im Amt.
Untergang und Neuanfang, Niederlage und Befreiung, Verzweiflung und
Hoffnung bestimmten die Tage. In unserer zwölfteiligen Serie besuchen
wir mit Historiker Prof. Gerhard Paul
Orte, an denen das Ende auf so unterschiedliche Weise deutlich wurde.
Es sind oft unscheinbare Erinnerungsorte, an denen Kriegsverbrecher abzutauchen versuchten, Marineschiffe versenkt, angebliche Deserteure immer noch hingerichtet
wurden oder KZ-Häftlinge auf dem
Weg in die Freiheit waren.
DAS DORF GOTTRUPEL liegt etwa
zwölf Kilometer westlich von Flensburg. Es ist Mittagszeit. Wenige Menschen sind auf der Straße oder in den
Gärten. Wir fragen nach dem ehemaligen Hof von Bauer Peter Hansen.
Kopfschütteln. „Der Hof, in dem
einst Rudolf Höß untergetaucht sein
soll“, ergänzen wir. „Ach der. Das ist
das Haus dort hinten“, antwortet der
Passant. „Geschichten wie die von
Höß bleiben im kollektiven Gedächtnis“, sagt Prof. Gerhard Paul.
Der Kriegsverbrecher stand ganz
oben auf der Fahndungsliste des militärischen Geheimdienstes der britischen Armee, den Field Security Sections (FFS), die am 13. Mai 1945 die
Rudolf Höß in britischem Gewahrsam
im März/April 1946 in Heide. Sein Gesicht ist später noch deutlich von den
Schlägen seiner britischen Verfolger
gezeichnet. YAD VASHEM/JERUSALEM
Ortstermin: Prof. Gerhard Paul besucht in dieser Serie Stätten der Erinnerung
an die letzten Tage des „Dritten Reiches“ – hier in Gottrupel bei Flensburg, wo
KZ-Kommandant Rudolf Höß nach Kriegsende untergetaucht war.
STAUDT
ersten Verhaftungen in Flensburg
vornahmen. Rasch schnellten die
Festnahmen auf mehrere Tausend
Personen, vor allem SS-Angehörige.
Höß, SS-Obersturmbannführer und
KZ-Kommandant von Auschwitz,
war nicht darunter. „Die Briten setzten ein Fahndungsteam an, das von
Hanns Alexander geleitet wurde, einem Berliner Juden, den die Eltern
noch rechtzeitig vor den Nazis in Sicherheit und nach England bringen
konnten. Dort meldete sich der inzwischen erwachsene Emigrant
nach dem D-Day am 6. Juni 1944 freiwillig zur britischen Armee“, schildert Paul, während er den Hof in
Gottrupel zu identifizieren versucht.
Er wird inzwischen nicht mehr landwirtschaftlich genutzt und wurde in
Wohnungen umgebaut.
Da Alexander perfekt Deutsch
sprach – es war schließlich seine
Muttersprache –, recherchierte er
sorgfältig im Umfeld von Höß und
dessen Ehefrau. Im Frühherbst 1945
bekam die FSS Brunsbüttel einen
Hinweis, dass die Frau in der Zuckerfabrik in St. Michaelisdonn arbeitete.
Bei ihrer Vernehmung erklärte sie,
nichts über den Verbleib ihres Ehemanns zu wissen, doch stießen die
britischen Fahnder während der
Durchsuchung ihrer Habseligkeiten
auf eine Postkarte ihres in Flensburg
lebenden Bruders. War er der abgetauchte Ehemann? Die FFS Flensburg schlug zu, doch der Festgenommene war tatsächlich der Bruder und
wurde wieder freigelassen. Hanns
Alexander, der jüdische Emigrant in
der britischen Armee, fahndete jedoch weiter – und war im März 1946,
fast ein Jahr nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges, am Ziel.
„Wie Höß schließlich entdeckt
wurde, bleibt widersprüchlich“, sagt
Prof. Paul. Eine Quelle besage, dass
der ehemalige Auschwitz-Kommandant „durch Zufall“ auf dem Hof in
Gottrupel aufgespürt und der britischen Militärpolizei übergeben worden sei. „Eine andere Quelle kommt
zu dem Ergebnis, dass Höß‘ Ehefrau
unter Androhung, ihren Sohn nach
Sibirien zu deportieren, in britischem Gewahrsam Decknamen und
Aufenthaltsort ihres Mannes an Alexander preisgegeben hat“, schildert
der Historiker.
Für Paul bleibt es erstaunlich, wie
weitgehend rechtsstaatlich und korrekt die Briten bei der Verhaftung der
gesuchten SS-Männer vorgegangen
seien. Doch ausgerechnet der Kommandant des Konzentrationslagers
Auschwitz, in dem Hunderttausende
unschuldiger Menschen – vor allem
Juden – ermordet wurden, be-
schwerte sich bei den Alliierten über
seine Festnahme: „Am 11. März
(1946), 23 Uhr wurde ich verhaftet…
Da ich beim ersten Aufschrecken aus
dem Schlaf auch noch annahm, es
handele sich um einen der dort häufig vorkommenden Raubüberfälle,
gelang die Verhaftung. Es wurde mir
übel zugesetzt durch die Field-Security-Police. Ich wurde nach Heide geschleift, ausgerechnet in die Kaserne,
in der ich von den Engländern acht
Monate vorher entlassen worden
war.“
Tatsächlich hatte Höß sich bei
Kriegsende ebenfalls nach Flensburg
durchgeschlagen. Dort erhielt er ein
Soldbuch unter falschem Namen
und wurde entsprechend als „Franz
Lang, Bootsmaat der Marine“ eingekleidet. Zunächst machte er sich
nach Rantum auf Sylt zur Marinenachrichtenschule auf. Diese wurde
Ende Mai einschließlich des falschen
Bootsmaats nach Brunsbüttel verlegt. Einen Monat später wurde
Franz Lang alias Höß als Landwirt
vorzeitig nach Heide zur britischen
Entlassungsstelle überführt. So landete er schließlich auf dem Hof von
Bauer Peter Hansen in Gottrupel, der
noch in alliierter Kriegsgefangenschaft war. „Nach Angaben von
Nachbarn gehörte Höß praktisch zur
Familie, beschäftigte sich oft mit den
Kindern und war fleißig und hilfsbereit“, erzählt Gerhard Paul. Im Dorf
habe er sich sogar als Schriftführer
bei Gemeinderatssitzungen nützlich
gemacht.Prof.Paul:„Daswartypisch
für die SS-Kriegsverbrecher. Auf der
einen Seite waren sie Massenmörder,
auf der anderen Seite verkörperten
sie die deutschen Sekundärtugenden, waren treusorgende Familienväter, fleißig und strebsam.“ Die
Bäuerin, der Höß als Verwalter ihres
Hofes zugewiesen wurde, schilderte
den KZ-Kommandanten so: „Er sah
eigentlich nett aus. Haare schlicht
zurückgekämmt, höflich, bescheiden – und er war fleißig. Immer hat
er gearbeitet! Und er saß abends oft
über Büchern.“
Anders als viele andere Nazi-Größen beging Höß keinen Selbstmord.
Seine Giftphiole, die viele SS-Angehörige mit sich trugen, sei zwei Tage
vor seiner Verhaftung zerbrochen,
sagte er aus. Ansonsten enden viele
Tätergeschichten mit dem Selbstmord–angefangenbeiHitler,HimmlerunddemNS-Propagandaminister
Goebbels.
Höß musste sich weltlichen Richtern stellen, allerdings nicht vor dem
Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal. Er wurde am 25. Mai 1946 von
den Briten an Polen ausgeliefert und
dort ein Jahr später zum Tod am
Strang verurteilt. Die Hinrichtung
fand im Lager Auschwitz statt, dort,
wo er selbst zum Massenmörder geworden war. Sein Ledermantel und
und seine Aktentasche blieben bei
der Verhaftung in Gottrupel zurück.
Mit der Tasche gingen Kinder später
in die Schule, der Mantel hängt heute
im Magazin des Flensburger Museums.
Stephan Richter
> Lesen Sie morgen, wie britische Bomber in
derEckernförderBuchteinSchiffmitjüdischen
KZ-Insassen beschießen und Anwohner zur
Rettung eilen.