Bündnis 90/ Die Grünen - Ortsverband Gemeinde Höchst i. Odw

Bündnis 90/ Die Grünen - Ortsverband Gemeinde Höchst i. Odw.
Sigrid Maline Thierolf-Jöckel
Vorstandssprecherin
Dusenbacher Straße 8
64739 Höchst
Tel. 06163-938043
Höchst, den 19. Februar 2016
STELLUNGNAHME
zu potenziellen Standorten für Windkraftanlagen in der Nähe von Hassenroth
(Märkerwald) auf dem Gemeindegebiet von Otzberg
Bündnis 90/die GRÜNEN in Höchst haben sich stets für den gemeinsamen Flächennutzungsplan
(FNP) Windkraft des Odenwaldkreises und all seiner Kommunen ausgesprochen und auch in der
Gemeindevertretung Höchst dafür gestimmt. Dieser sah die Bindung an eine begrenzte Zahl an
Standortbereichen (acht Standorte, 1,61 % der Landkreisfläche) und an Windkraftanlagen vor,
gleichzeitig hätte eine ausschließende Wirkung und somit ein Schutz für alle anderen Flächen
bestanden. Das wäre auch in unserem Sinne – und im Sinne der Schutzgüter Mensch,
Landschaftsbild, Fauna und Flora etc. - gewesen. Zu unserem Bedauern ist dieser FNP vom
Regierungspräsidium abgelehnt worden. Wir unterstützen auch die Klage der Kommunen und des
Kreises gegen diesen ablehnenden Bescheid.
Die GRÜNEN stehen seit der Gründung der Partei für die Beteiligung von Bürgerinnen und
Bürgern an Entscheidungen, die sie ursächlich betreffen. Deshalb ist es für uns Höchster Grüne
problematisch, wenn die Bewohner von Hassenroth keine Möglichkeit haben, die Entscheidung für
oder gegen Windkraftanlagen im Märkerwald zu beeinflussen. Auch die gewählten Vertreter von
Gemeindevorstand und -vertretung in Höchst haben so gut wie keine rechtlichen Möglichkeiten
der Einflussnahme. Hier weist eine Nachbarkommune an die Grenze ihrer Gemarkung, die auch
gleichzeitig Kreisgrenze ist, potenzielle Flächenstandorte für diese WKAs aus. In diesem Fall liegen
mögliche Vorteile (Pacht- und Steuereinnahmen) bei der Gemeinde Otzberg, die Nachteile für
Landschaftsbild, Mensch, Flora und Fauna, hätte der Ortsteil Hassenroth zu tragen. Wir sehen hier
eine rechtliche Lücke.
Wir bedauern außerordentlich den Beschluss der Gemeindevertretung Otzberg, die Fläche
„Märkerwald“ potenziell für das Aufstellen von Windkraftanlagen Investoren zur Verfügung zu
stellen. Diesen Beschluss können wir nicht nachvollziehen, da die Fläche „Märkerwald“ im
Regionalplanentwurf vom Dezember 2013, Sachlicher Teilplan Erneuerbare Energien, nicht als
Vorrangfläche für Windenergienutzung ausgewiesen ist. Hier wird ein hohes Konfliktpotenzial zu
windkraftempfindlichen Fledermausarten und Vogelarten wie dem Rotmilan gesehen. Deshalb ist
diese Fläche unter anderem aus artenschutzrechtlichen Gründen entfallen, was wir begrüßen. Da
in Deutschland die Hälfte des weltweiten Bestandes des Rotmilan brütet, besteht hier eine
besondere Verantwortung.
Auch das privilegierte Bauen im Außenbereich, das im § 35 Babs. 1 Nr. 5 BauGB geregelt ist damit sind neben landwirtschaftlichen Gebäuden u.a. auch WKAs privilegiert - ist aus
naturschutzrechtlicher Sicht kritisch zu hinterfragen.
Die Energiewende und der Odenwald
Die Bundesregierung und auch die Bundesländer haben sich – nicht erst auf dem Weltklimagipfel
in Paris – verpflichtet, für den Klimaschutz Maßnahmen zu ergreifen, um die Emissionen an CO₂
und anderen klimaschädigenden Treibhausgasen und Stoffen in den nächsten Jahrzehnten
drastisch abzusenken. Der Energiehunger ist weiterhin hoch, trotz Energiesparprogrammen und
Energieeffizienz auf verschiedenen Ebenen. Weg von fossilen Brennstoffen, weg von Atomkraft
und hin zu den nachhaltigen und zukunftsfähigen erneuerbaren Energien – das ist das Ziel einer
großen Mehrheit. Das gilt für alle Sektoren, also Strom, Wärme und auch Mobilität.
Wir alle tragen dafür Verantwortung – auch im Odenwald. Die Kapazitäten bei Biogas und
Wasserkraft sind hier nur in kleinem Umfang zu steigern. Doch wir benötigen auch im Odenwald
einen regional erzeugen Mix aus Wind- und Sonnenenergie (Spitze Photovoltaik im
Sommerhalbjahr, Windkraft im Winterhalbjahr). Deshalb sprechen wir uns grundsätzlich für einen
maßvollen Ausbau von Windenergie an Standorten aus, an denen die Windhöfigkeit stimmt, der
Eingriff in die Landschaft verträglich ist, Menschen nicht beeinträchtigt und der Naturschutz
gewahrt bleibt. Auch bleiben uns dann riesige Stromtrassen von Nord nach Süd erspart, die
Milliarden Euro verschlingen. Der Ausbau der vorhandenen Netze reicht aus, wenn regional
erzeugte Energie auch gespeichert werden kann. Wir vertrauen der in- und ausländischen
Industrie und Forschung, die schon an guten und bezahlbaren Technologien arbeiten (z.B.
Batteriespeicher von Bosch und Fraunhofer-Instituten entwickelt, Power-to-Gas-Technologie und
vieles mehr). Gerade das gut ausgebaute Gasnetz in Deutschland bietet enorme
Speicherkapazitäten für mehrere Monate. Der Anteil der Erneuerbaren Energien bei der
Stromerzeugung lag 2014 bei 27,4 %, beim Wärmeverbrauch bei 12,5 % und beim
Energieverbrauch im Verkehr bei 5,6 %. Da gibt es riesige Potenziale, beispielsweise bei
Elektroautos, die mit Strom aus erneuerbaren Energien angetrieben werden.
Wirtschaftsliberale Parteien und Verbände haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten darauf
hingearbeitet, das Naturschutzrecht auf Bundes- und Landesebene systematisch auszuhöhlen. Die
Forderungen lauteten „Es kann nicht sein, dass irgendwelche schützenswerten Amphibien oder
seltene Orchideen die Verfahren für große Straßenbauprojekte verzögern“. Zum Glück hat die EU
mit ihrer Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie hier rechtlich etwas dagegengesetzt. Dieselben
wirtschaftsliberalen Parteien fordern heute ein gänzliches Verbot von Windkraftanlagen bzw. ein
Energiemoratorium, setzen sich aber gleichzeitig für globale Freihandelsabkommen ein. Wir
befürchten drastische Einschnitte im Naturschutz und im Verbraucherschutz, wenn die EU das
CETA-Abkommen mit Kanada und das TTIP-Abkommen mit den USA abschließt. Dann wären
vermutlich auch umweltschädigende Methoden wie Fracking zur Energiegewinnung möglich.
Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und Umwelt
Wir leben hier in Höchst nicht auf einer Insel, sondern sind Teil einer vielfach vernetzten und
globalisierten sowie durch und durch ökonomisierten Welt. Die globale Erwärmung wird
dramatische soziale und politische Folgen haben, sie wird vor allem die Armen treffen, denen das
Geld fehlt, um sich gegen Fluten und Dürren zu schützen. Aber auch in Mitteleuropa nehmen die
vom Klimawandel ausgelösten Wetterextreme zu. Deshalb trägt auch jede, jeder Einzelne
Verantwortung für den Klimaschutz – in Deutschland und weltweit Wer kennt die Bilder aus
Garzweiler nicht – eine Mondlandschaft in NRW. Die Bedrohung von Dörfern wie Allerwasch an
der Lausitz, die dem Braunkohle-Tagebau Jänschwalde Nord zu Opfer fallen sollen (das toxische
Quecksilber aus den Feinstäuben der Kohlekraftwerke ist eine hohe Belastung). Es geht ebenso
um die Verseuchung mit Öl von riesigen Flächen wie im artenreichen Ökosystem des Nigerdeltas.
Teller oder Tank? Die Frage stellt sich in Südamerika und Afrika. Es geht auch um die Kriege, die
seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch um Öl geführt werden. Viele Industrienationen sind
abhängig von Gas- oder Öl-Importen aus Ländern, die in Krisengebieten liegen. Die strahlende und
milliardenteure Hinterlassenschaft der Atomenergie werden nicht nur unsere Enkel, sondern
auch viele weitere Generationen zu tragen haben.