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Technik Meilenstein: 30 Jahre Conti TKC 80
Blocks Schluss mit dem Gejammer über schnelllebige Zeiten
und hektische Modellwechsel. Freuen wir uns
über Gutes, das bleibt – und gratulieren Contis
Abenteuerreifen TKC 80 zum 30. Geburtstag.
von Guido Bergmann, Fotos: Archiv, Conti, Schäfer
P
adumm-padumm, Nanaaaaa-naaa­
nana: Live! Is! life!“ Okay, Entschuldigung, ich weiß ja. Auch,
wenn die Tralala-Töne einer Kapelle namens
Opus der Soundtrack jener Epoche gewesen
sein mögen, erinnert sich mancher doch nur so
gerne daran wie an Aknepickel oder juckende
Kindermützen. Aber so war die Zeit, liebe
Kinder! Auf dem Nordmende-Bildschirm ließ
damals so eine Art Howard Carpendale auf
Koks seine bärtige Freundin „You’re my heart,
you’re my soul“ wimmern. Wenn wir unterwegs telefonieren wollten, mussten wir in
komische gelbe Glaskästen, in denen angekokelte Telefonbücher lagen. Und Facebook
fand noch in der Dorfdisko statt.
Aber 1985 brachte auch Gutes. Bumm-BummBoris hechtete zum Wimbledon-Sieg, im
polnischen Gliwice kam Lukas Podolski zur
Welt, und auf der anderen Seite des antifaschistischen Schutzwalls schnitzten ein paar
Reifenexperten an einem bemerkenswerten
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tar
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Technik Meilenstein: 30 Jahre Conti TKC 80
Grip-Probleme? Mit dem TKC auf der NEWSDauertest-GS wirbelte der Schrauberprinz
in Tunesien mächtig Staub auf
Enduroprofil. Denn während sich ihre ostdeutschen Gesinnungsgenossen noch überraschend frei durch Wald und Wiese wühlen
durften, wurden die Anfahrtswege zum Off­
road-Glück im goldigen
Westen schon in den
Wer bis zur
Achtzigern lang und länger.
Afrika-Fähre auf
Wer bis in die Alpen oder
zur Afrika-Fähre auf Cross­
Crossprofilen
profilen über die Auto­bahn
hoppelte, hatte
hoppelte, hatte meist genau dann keine Stollen
genau dann
mehr, wenn er sie endlich
keine Stollen
hätte gebrauchen können.
Und da damals eine BMW
mehr, wenn er
R 80 G/S mit 192 Kilo
sie brauchte
vollgetankt den Gipfel der
enduristischen Fettleibig­keit markierte, gehörten Offroad-Ausflüge noch in den Lebenslauf jeder echten Reiseenduro.
Continental-Entwickler Josef Jauernik war
eigentlich Straßenfahrer. Zusammen mit sei­
nen Kollegen kümmerte er sich um Straßentests und wusste, was ein Reifen auf Asphalt
können muss. Die Stollenreifen, die er bei
gelegentlichen Geländetouren benutzte,
schlugen sich auf Teer aber in etwa so gut
wie Rennslicks auf einer kongolesischen
Dschungelpiste. Klarer Fall: Zwischen Straßenund Geländegummis klaffte eine Marktlücke
breit wie das Mittelmeer.
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Mit Rohlingen aus dem Werk, einem Reifenschnitzmesser und Testmotorrädern wie
Yamaha DT 350 und BMW R 80 G/S machten sich Josef und Co. an die Arbeit. Orientierung boten klassische Blockstoller, wie sie in
Trial und Motocross eingesetzt wurden. Aber
der quadratisch-praktische Anschein täuscht:
Was auf den ersten Blick so schlicht aussieht
wie das Profil für ein Playmobil-Motorrad, ist
in der Praxis eine höchst komplizierte Geschichte. Mischung, Unterbau und Stollendesign müssen sich maximal ergänzen, damit der Reifen unter allen Bedingungen ordentlich arbeitet. „Man muss sagen, dass wir
bei der Entwicklung auch Glück hatten, dass
der Reifen von Anfang an so gut funktionierte“,
freut sich Jauernik noch heute.
Neben der Größe und der Anordnung der
Klötze kommt es dabei auch auf den Winkel
der Profilrillen an. Nur so
lässt sich die Stabilität der
Stollen justieren. Denn ne­
ben Biss für Matsch und
Modder sollte der TKC 80
ja eben auch Stabilität für
Landstraße und Autobahn
Vater der Klamotte:
Josef Jauernik trägt
das Blockprofil bis
heute im Herz
liefern. „Für die Seitenführung auf weichen
Böden wären versetzte Stollen an der Flanke
natürlich gut“, sagt der TKC-Vater. „Aber die
Blöcke müssen sich gegenseitig abstützen. Nur
so erreichen wir die Kurvenstabilität, die den
TKC auch auf der Straße so gut macht“.
Bei genauerem Hinsehen ist es heute auch
mit der Symmetrie des Profils vorbei. Um das
typische Winterreifen-Geheule zu minimieren,
wechseln die Abmessungen der Stollen auf der
Lauffläche. So brechen sich Schallfrequenzen
gegenseitig. Wo Josef im analogen Zeitalter
noch viel herumprobieren musste, ermittelt
heute die Geräusch-Abteilung in Hannover die
optimale sogenannte „Pitch-Folge“ am Rechner.
Anders sind die Lärmgrenzwerte zusammen
mit manchen Motorrädern gar nicht mehr
zu schaffen. Und weil die Geräuschabteilung
den TKC akustisch ganz auf Kuschelrock
trimmte, durfte der Grob­
schnitt im Gegensatz zu
manchem Konkurrenten
als geländetaugliche Erst­
ausrüstung auf den BMWBestseller R 1150 GS.
Aber was heißt hier
geländetauglich? An den
Lagerfeuern und Messeständen dieser Welt drücken sich seit eh und je ein
paar mürrische Gestalten
Expertentöne
Nicht nur Hobby: Sogar in der Enduro-DM
hatte der TKC 80 einige Einsätze
„Das erste Mal sind wir uns 1993 begegnet, als ich auf
der ersten Transdanubia Rallye in Ungarn teilnahm. Continental
war bei dieser Veranstaltung Hauptsponsor und so war es
naheliegend, dass mein Motorrad wie die des Großteils der
Teilnehmer mit dem TKC 80 besohlt wurden. Da ich bis dahin
überwiegend motocrossähnliche Profile benutzt hatte, war ich
äußerst skeptisch war, ob dieser harmlos aussehende Reifen
mich wirklich ins Ziel bringen würde. Aber schon am ersten
Abend stellte ich verwundert fest, dass ich den ganzen Fahrtag nicht ein einziges Mal an den Reifen
gedacht hatte. Und die nächsten Tage verliefen genauso: Ob bei schlammigen Flussdurchfahrten,
tiefsandigen Waldwegen oder steinigen Trails, der TKC 80 war beeindruckend gut. Heute kann ich
sagen, dass ich viele Male die Zweizylinderklasse gewinnen konnte und der TKC 80 einen großen
Anteil dazu beigetragen hat. Seit über 20 Jahren begleitet mich nun dieser Reifen und noch heute
setzen wir ihn bei unseren Trainings im BMW Enduro Park Aras/Spanien bevorzugt ein. Happy
Birthday TKC 80, auf die nächsten 30 Jahre!“
Tomm Wolf, legendärer Endurotrainer
„Ich hatte die TKC 80 vor zwei Monaten in SüdAmerika erstmals für eine 3000 Kilometer lange Schotter­
tour auf meiner 1200 Super Ténéré und war erstaunt,
wie gut sie sich in die Piste krallten. Im Ernst, ich war
wirklich verblüfft. Kein Rutschen, kein Schliddern, alles
im grünen Bereich“.
Nick Sanders,
„Fastest man around the world“
Kleine Fische: Mit den ersten Superenduros
hatte der Conti noch leichtes Spiel
herum, die Offroadqualitäten des TKC für
unter aller Würde halten. Eine Besserung ist
nicht in Sicht. Jauernik: „Diese Fahrer waren
vorher meist mit reinen Enduro-Reifen unter­
wegs, dagegen sieht der TKC dann im Matsch
natürlich alt aus. Aber wenn wir das Profil
ändern, verlieren wir andere Eigenschaften.
Zum Glück ist es oft aber auch umgekehrt:
Leute, die vorher nur andere Reise-Grobstoller
benutzt haben, glauben nach der ersten Probe­
fahrt, dass es für Schlamm nichts Besseres als
den TKC gibt. Auf der Straße ist es ähnlich.
Man muss sich natürlich auch erst einmal
auf den Reifen einschießen.“
Stimmt! Wer großflächiges Schmuseprofil
gewohnt ist, muss sich mit dem raubeinigen
Auftritt des Gummi-Zahnrads erst einmal
anfreunden. Denn durch den üppigen Negativ­
anteil ist es wie bei Personalmangel: Die verbliebenen Gummiblöcke müssen sich schwer
ins Zeug legen, um das Arbeitspensum zu
bewältigen. Die Belastung für den Einzelnen
steigt, er reibt sich auf, Burnout-Gefahr! Das
halten nur die zähesten Burschen durch.
Auch, wenn Conti die Mischungen des Stollen­
pakets kontinuierlich auf dem Stand der
Technik und der gesetzlichen Vorschriften hält,
muss der TKC weiterhin schnitt- und rissfest
sein, um hohe Leistungen und scharfkantiges
Geröll zu meistern.
Stollen aus einer üblichen Silica-Mischung
würden hier kaum länger leben als ein Gänse­
blümchen im Rinden-Häcksler. Für die nötige
Strukturfestigkeit braucht es den guten, alten
Ruß. Einmal auf Temperatur, gript der Conti
dann auch auf forschen Landstraßenrunden
zufriedenstellend. Allein das Kalt- und Nassverhalten kann Silica-Fans das Fürchten lehren.
Da spielt es keine Rolle, dass dick und fett
„M+S“ auf der Flanke steht. „Ein Winterreifen
ist der TKC nicht, das muss man ganz klar
sagen“, erklärt Josef Jauernik, „die M+S-Kennzeichnung kam mit der R 1100 GS. Hier funk­
tioniert er zwar sehr gut, aber wenn maximale Zuladung, hohe Geschwindigkeit und
möglicherweise noch zu geringer Fülldruck,
zusammenkommen, weil die Leute zwischen­
durch offroad unterwegs sind, möchten wir
Trotz M+S: Als Winterreifen
ist der TKC 80 eine
Fehlbesetzung
Kernig: Wenn
GaragenProjekte Profil
zeigen sollen,
sind auch
Straßenmotorräder vor dem
Knubbel-Conti
nicht mehr
sicher
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Horizonterweiterung:
Für viele abenteuer-­
lustige Fernfahrer
ist der TKC zu einem
alten Reisekumpel
geworden
irgendwann nicht mehr die Hand ins Feuer
legen. Wenn er zu heiß wird, lässt jeder Reifen
Federn“. Deshalb gilt für den TKC auf Groß­
enduros traditionell ein Tempolimit von 160
km/h, bei schnelleren Motorrädern muss im
Sichtfeld ein entsprechender Hinweis kleben.
Natürlich ist auch der TKC 80 nicht unsterblich. Im reinen StraAuch der TKC 80 ßenbetrieb, also bei nicht
artgerechter Haltung, rub­
ist nicht unsterb- belt er sich schneller auf
als im Cross-Country-Gelich. Auf Straße
läuf. Dort allerdings ist er
rubbelt er flotter kaum kleinzukriegen. Als
auf als im Cross- NEWS vor zehn Jahren
in Tunesien einen Groß­
Country-Geläuf
enduro-Vergleichstest pro­
duzierte, bei dem die Gum­
mibrocken nur so flogen, zeigte sich der Alt­
meister-Gummi erstaunlich unbeeindruckt.
Obwohl: Allzu verwunderlich war das eigentlich nicht. Denn schon 1988 hatte der
deutsche Enduro-Crack Richard Schalber den
TKC sogar auf seiner Paris-Dakar-BMW einEs stimmt:
Der Nassgrip
kann nicht
unter allen
Bedingungen
überzeugen
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gesetzt. Andere Reifen fräsen sich souveräner
durch die Dünen, sterben aber auch leichter.
Auf besonders schnellen Etappen durfte deshalb der Conti ran. Auch bei der GroßenduroAbenteuerrallye „Transdanubia Ride“ wirbelte
der TKC 80 Staub auf, ehe hier der TKC 90 mit
F.I.M.-Zulassung übernahm. An den erinnert
sich heute allerdings kaum noch jemand,
genau wie an den früheren TKC 70. OffroadTraingsveranstalter wie „Malelobo“, für die
Verschleiß einen wichtigen Posten im Etat
bedeutet, schwören bis heute aufs Blockprofil
aus Korbach, auch wenn es seit 2004 aus Korea kommt.
Die Nachfrage bleibt ungebrochen, obwohl
die wilden Wege dieser Welt immer weniger
werden und man beispielsweise in weiten
Teilen Afrikas vermutlich den typischen TKCStollenabdruck bald nur noch als Versteinerung findet. Wer also braucht heute noch solch
einen kernigen Allrounder? Josef Jauernik
weiß es genau: „Neben denen, die das ganze
Spektrum von Wüstentour bis zügige Landstraßenfahrt ausschöpfen wollen, gibt es natürlich noch eine wichtige Zielgruppe: Alle,
die einfach nur einen geil aussehenden Reifen
auf ihrer Enduro oder ihrem Straßenmotorrad
haben wollen.“
30 Jahre nach seiner Geburt findet sich der
TKC 80 dann plötzlich auf Zeitgenossen wie
Güllepumpe oder GSX-R wieder. Klassiker
unter sich. Genau das Richtige für die hippe
Vintage-Szene. Und da die Scrambler-Welle
gerade erst so richtig ins Rollen kommt, könnte
der alte Blockstar hier seinen zweiten Früh­
ling erleben. Obendrein mit verbessertem
Soundtrack: Country-Rock statt Modern Talking. Herzlichen Glückwunsch!
MEINUNGEN
Aus dem Web
„Ohne Übertreibung: der TKC 80 ist die
Referenzklasse in Sachen straßentaugli­
cher Enduroreifen. Neu montiert überrascht
er mit einem, nein, gleich zwei Kipppunkten in der Kurve, das gibt sich aber genau
wie das anfangs etwas schwerfällige Verhalten in schnellen Wechselkurven nach
wenigen hundert Kilometern, wenn sich die
Stollenreihen aufeinander eingeschliffen
haben. Im Gelände und auch im losen
Untergrund ist immer genügend Vortrieb
zu bekommen und auf der Straße (rennstreckengetestet!) geht der TKC 80 bis auf
die letzte Rille. Seine Laufleistung ist für
einen Grobstoller mehr als zufriedenstellend, zwischen 8000 und 12 000 Kilometer
sind eigentlich immer drin.“
(www.transalp.de)
„Den TKC 80 halte ich für einen in jeder
Beziehung faulen Kompromiss. Für richtig
Straße ist er zu schwabbelig, für richtig
offroad krallt er zu wenig. Allenfalls als
Urlaubsreisereifen brauchbar, wenn man
es eh sachte angehen lassen will und nur
einen Reifensatz dabei haben kann.“
(www.forumlc8.info)
„Hatte den TKC 80 letztes Jahr drauf,
während mehrerer Endurotouren (da einfach super), aber auch auf einer Schwedentour mit viel Asphalt und einer Menge
Regen. Eigentlich nie Probleme gehabt.
Sein eigenes Limit erreicht man aber ziemlich schnell, weil man sich nicht allzu viel
traut. Aber der Reifen hat alles mitgemacht.
Man muss halt sein eigenes ungutes Gefühl
„überfahren“. Und er sieht echt gut aus auf
der Super Ténéré.“
(www.xt1200z-forum.de)
„Der TKC 80 ist nach meiner Erfahrung
über seinen Zenit: Mittlerweile gibt es modernere Alternativen.“
(www.gs-forum.eu)
Kerbgut: Im Kampf mit dem Untergrund
trägt der TKC meist die geringeren Spuren