Lesen... - Domschule Schleswig

Ehemalige Domschüler
Unser Ex-Oberstufenleiter Herr Frahm im Gespräch
Vor gut einem Jahr hat Herr Frahm die
Domschule verlassen und wurde pensioniert. Grund genug für drei SchulzRedakteure, jetzt noch einmal bei ihm in
Friedrichsberg vorbeizuschauen, um unsere Serie über ehemalige Domschüler
fortzusetzen und sich mit ihm über Schafe, Fachgymnasiasten, Mallorcareisen,
Lehrpläne und Kaffeefahrten zu unterhalten.
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Name: Peter Frahm
Geburtsdatum: 13.02.1938
An der Domschule: 1946 als Volksschüler (mit 2000 anderen Schülern, da die
Domschule als einzige Schleswiger Schule
noch funktionsfähig war), 1951-1959 als
Gymnasiast, 1971-2002 als Lehrer
Fächer: Mathe und Physik
Motto: „Spaß und Freude an dem haben,
was den Beruf ausmacht – und selbst
dann noch in Zufriedenheit zu leben“
Spitzname: Piet
Schulz: Was würden Sie jetzt machen, wenn wir nicht hier wären?
Herr Frahm: Dann würde ich mich im Moment dem Garten widmen. Da war ich
nämlich dabei, habe es gerade unterbrochen und werde es nachher auch weitermachen.
Schulz: Wie geht es ihrem Schaf? Erzählen Sie uns bitte die Geschichte
dazu.
Das Schaf?! Ja, das Schaf gehörte mir
nicht alleine, das gehörte unserer Fußballmannschaft, einer Altherrenmannschaft,
die heute immer noch gerne Fußball spielt
und größtenteils auch schon über 60 ist.
Dieses Schaf hieß Hildegard, es lebt allerdings nicht mehr.
Die ganze Geschichte ist jetzt schon fast
20 Jahre her. Wir saßen damals mit unserer Fußballmannschaft auf dem Peermarkt
zusammen und dort waren zwei ältere
Herren, die mit dem Taxi nach Hause fahren wollten. Weil ich nichts getrunken
hatte, fuhr ich sie zum Kornmarkt nach
Hause, und sie wollten mir unbedingt 5
Mark dafür geben. Als ich wieder zurück-
kam, kamen wir in die Diskussion, „Sollen
wir uns nicht mal ein Schaf kaufen?“. Wo
das herkam, weiß ich nicht, aber ich sagte, „Hier sind 5 Mark, das ist der Grundbetrag!“ So kam von allen schließlich was
zusammen und von dem Geld haben wir
uns ein Schaf gekauft und es bei einem
Schäfer mit mehreren Schafen in Gammellund mitlaufen lassen. Dieses Schaf
Hildegard bekam natürlich auch Nachwuchs und wir haben schließlich 6-7
Schafe gehabt. Das Interessante daran
war, dass wir für diese Schafe zusammen
mit den anderen von der EU Subventionen bekommen haben [allgemeines Ge-
„Mir hat die Zeit an der Domschule sehr viel Spaß gemacht. [...] Die Domschule ist auch ‚meine
Domschule’ gewesen.“
lächter unter den Interviewführern] – was
auch zeigt, welch ein Missbrauch teilweise
mit Subventionen getrieben wird.
Diese Hildegard lebt natürlich lange nicht
mehr und so haben wir uns nach ein paar
anderen Schafen vor 2 Jahren entschieden, die Schäferei aufzugeben.
In der ganzen Zeit war Hildegard eine Art
Maskottchen für das Fußballteam, es gibt
sogar noch einen Zeitungsausschnitt von
ihm. Das war also die Sache mit dem
Schaf! Wir haben dann noch mal was in
Gang gebracht und wollten uns ein Rennpferd kaufen – aber daraus ist dann
nichts geworden.
Schulz: Warum haben Sie so spontan
Ehemalige Domschüler
einem Interview zugestimmt?
Ich habe mich gefreut, dass ihr mich nicht
vergessen habt, und über Dinge, die man
erzählen kann, will ich auch keinen Geheimnisschleier hängen.
Schulz: Was haben Sie in Ihrer Zeit
auf der Domschule überhaupt nicht
gemocht? Was sollte sich, Ihrer Meinung nach, drastisch ändern?
Ich habe eigentlich nichts, was ich so
grundlegend bemängeln könnte und vorschlagen würde. Mir hat die Zeit an der
Domschule sehr viel Spaß gemacht und
ich konnte, wenn ich aus der Schule ging,
die Tür gut zumachen. Die Domschule ist
auch „meine Domschule“ gewesen.
Schulz: Was haben Sie heute noch
mit der Domschule zu tun?
Eigentlich gar nichts mehr! Mit dem reinen Schulbetrieb möchte ich auch gar
nichts mehr zu tun haben.
Schulz: Aber Sie besuchen noch Veranstaltungen wie Chor, Theater oder
Schulfest?
Ja, was so Schule ausmacht und nach außen wirkt, daran möchte ich gerne noch
teilnehmen. Ich hätte mir gerne die Theater-Aufführung angesehen und werde
auch beim Chaos-Tag noch mal vorbeischauen.
Schulz: Sind die Schüler seit
Ihrer Schulzeit immer weniger leistungsbereit geworden?
Es hat eigentlich zu jeder Zeit
leistungsstarke und leistungswillige Schüler gegeben. Ich denke,
dass Schüler heute vielleicht im
Schnitt nicht so leistungsbereit
sind, doch das ist nicht ihre
Schuld, denn bis zu dem PISASchock hat man Leistung ja 20
Jahre lang verteufelt. Man durfte
keinen herausstellen, der Leistung zeigte, und ihn am Ende
des Schuljahres ehren, das war
verpönt. So muss man sich nicht
wundern, dass der Leistungsgedanke heute nicht so stark ausgeprägt ist.
Jetzt hat man den Schock von PISA gekriegt und nun meint man, man könne
einfach den Schalter umlegen und alles
wieder besser machen, nachdem man
Jahrzehnte was falsch gemacht hat. Hinzu
kommt, dass Lehrer sich allmählich dem
allgemeinen Leistungsstand anpassen.
Im Grunde genommen meine ich also,
dass Schüler sich im Laufe der Jahre nicht
so sehr verändert haben, man von uns
damals nur mehr verlangte.
Schulz: Was hat sich im Physikunterricht seit Ihrer Referendariatszeit geändert?
Physik als technisches Fach ändert sich
natürlich sehr stark, auch im Einsatz der
technischen Mittel, die zur Verfügung stehen – z.B. Physikunterricht über Computer, was ich nicht mehr mitgemacht habe.
Die Inhalte an sich haben sich aber relativ
wenig geändert.
Schulz: Vermissen Sie nach einem
Jahr schon Ihre Kollegen Faraday,
Einstein, Heisenberg und Daniel Düsentrieb im täglichen Gebrauch?
[lacht] Nein, das kann ich nicht sagen! Es
ist eben ein Schnitt, wenn man fertig ist,
dann muss auch mal Schluss sein. Das
heißt nicht, dass ich mir entsprechende
Literatur noch zu Gemüte führe, aber den
täglichen unterrichtlichen Umgang vermisse ich nicht.
An diesem Schreibtisch musste Herr Frahm die am wenigsten
geliebte Tätigkeit ausführen: Arbeiten korrigieren.
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Ehemalige Domschüler
Schulz: Wieso arbeiten Sie jetzt am
Fachgymnasium? Wie kam es dazu
und was genau ist Ihre Tätigkeit
dort?
Am Fachgymnasium gab es 60 MatheLeistungskurs-Schüler, die in zwei Kursen
mit je 30 Schülern unterrichtet werden
sollten. Deshalb hat die Schulleitung auf
einer Elternversammlung gesagt: „Wir haben nicht genügend Lehrer! Wenn Sie jemanden kennen, können Sie uns den ja
benennen.“ So rief mich eine Mutter einer
ehemaligen Domschülerin an und schlug
mir das Ganze vor. Eigentlich hatte ich
keine Lust, aber als die Schulleitung dann
bei mir anrief, sagte ich mir „Na gut, das
mache ich“. Ich unterrichte jetzt einen
12. Jahrgang, mal sehen, ob ich den
nächstes Jahr auch noch zum Abitur führe.
Dieser sanfte Übergang mit 5 Stunden pro
Woche verläuft relativ fließend und man
kann immer noch mal ahnen, wie es früher war.
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Schulz: Sind die ehemaligen Realschüler, die Sie jetzt unterrichten,
weniger
„begabt“
als die Domschüler?
Man merkt es schon,
wenn jemand die gymnasiale Laufbahn wie
z.B. an der Domschule
von der 5. Klasse an
durchläuft. Bei den Realschülern, die aufs
Fachgymnasium überwechseln,
gibt
es
schon einen Unterschied im Denkverhalten. Sie sind es mehr
gewohnt, dass sie den
Stoff einfach wie ein
Rezept
„vorgesetzt
kriegen“. Aber in der
Mathematik der Oberstufe steckt ja viel
mehr, als irgendwas
einfach nach Rezepten
auszurechen, sondern
erfordert eine ganze
Menge Denkvermögen,
um einen Prozess gedanklich zu erfassen.
Das macht ihnen Schwierigkeiten. Da ist
es für mich schwer, mich darauf umzustellen.
Schulz: Was machen Sie mit Ihrer
Freizeit?
Der Sport spielt bei mir eine große Rolle,
ich spiele immer gerne noch mal Fußball.
Der Zusammenhalt in dieser Mannschaft
ist auch so gut, dass wir – wie es der Name „Reisemannschaft“ auch schon sagt –
viel auf Reisen sind; ich komme z.B. gerade von einem 4-Tage-Urlaub auf Mallorca wieder. Tennis spiele ich sogar noch
wettkampfmäßig, d.h. ich mache noch
Punktspiele mit.
Außerdem hat man auf seinem Grundstück immer was zu tun, das Haus erfordert handwerkliche Fähigkeiten, die mir
auch viel Spaß machen, und man kann
alles etwas langsamer angehen lassen.
Ich habe jetzt z.B. mehr Zeit für die Computerei, die mich immer schon interessiert
hat. Im Bezug auf Reisen bin ich zur Zeit
allerdings durch den Leistungskurs noch
etwas eingeschränkt.
A
N
Z
E
I
G
E
Ehemalige Domschüler
Schulz: Haben
Sie schon an
einer
Kaffeefahrt
teilgenommen?
Nein, das habe
ich noch nicht.
Schulz: Haben
Sie noch einen
großen Traum?
Ich würde gerne
noch einmal zusammen
mit
Herrn Harder, der
ja Experte für das
südliche
Afrika
ist, nach Namibia
reisen. Ob das
noch mal was
wird, das hängt
natürlich
auch
Herr Frahm über Zukunftsträume: „Ich würde gerne noch
damit
zusameinmal
zusammen mit Herrn Harder, der ja Experte für das
men, wie aktiv
südliche Afrika ist, nach Namibia reisen.“
sich Herr Harder
da noch mal einschalten würde, denn solche Touren in
Braunschweig reingerutscht. Ich habe
Länder, die touristisch nicht ganz so ermich ja schon relativ früh um die Compuschlossen sind, bringen sehr viel, wenn
terei an der Domschule gekümmert, in
jemand dabei ist, der das kennt und ErAnfängen eigentlich schon seit 1972, und
fahrung hat. Wir [Anm. d. Red.: Herr
habe dann Computerprogramme für die
Frahm, Herr Kähler, Herr Wendt, Herr
Oberstufenverwaltung programmiert. Wir
Gerlach, u.a.] haben mit Herrn Harder
haben über 10 Jahre gut zusammengearschon zwei Touren ins südliche Afrika unbeitet und als Herr Braunschweig dann
ternommen und das waren die schönsten
pensioniert wurde, habe ich mich um die
Erlebnisse, die wir hatten.
Stelle beworben und wurde als einziger
Bewerber fast natürlich genommen. Das
Schulz: Was sagen Sie rückblickend
war ein ganz nahtloser Übergang.
zum Pressewesen an der Domschule?
Ich finde es gut, dass sich immer wieder
Schulz: Wieso haben Sie sich im howelche gefunden haben, die das hochhen Alter bis zum Ende noch dieses
gehalten haben, wenn eine Zeitung einanstrengende Amt zugemutet?
schlief, weil Schüler Abitur machten und
Was ist schon ein hohes Alter? Ich hatte
der Nachwuchs nicht rechtzeitig da war.
schon so lange an der OberstufenverwalDas zeigt auch ein gewisses „Wir-Gefühl“;
tung mitgearbeitet und so habe ich die 8
zu meiner Schulzeit in den 50er Jahren
Jahre in Eigenverantwortung bis zum Enhieß die Schulzeitung sogar „WIR“.
de auch noch drangehängt. Man hat das
Amt ja und es ist unnatürlich, dass man
Schulz: Erzählen Sie uns bitte, wie sie
es dann zurückgibt. Man hat ja einen Aufim Jahr 1994 zum Posten des Obertrag, den man nicht einfach so abgeben
stufenleiters kamen!
kann.
Da bin ich ganz zwangsläufig in Zusammenarbeit mit meinem Vorgänger Herrn
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Ehemalige Domschüler
Schulz: Hat es Sie
überrascht, dass Frau
Sonntag als Nachfolger
benannt wurde?
Es standen ja zwei zur
Auswahl, die beide jeweils ein Jahr an der
Oberstufe mitgearbeitet
und Erfahrung gesammelt
haben. Dass sich beide
also beworben haben, hat
mich nicht überrascht.
Auf das Ergebnis hatte
man ja keinen Einfluss,
weil es in Kiel entschieden wird.
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Schulz: Was sagen Sie
zu den Entwicklungen
der OVO, Lehrplänen
und den Anforderungen an die Schule allgemein?
Von der neuen Oberstufenverordnung, die das
„Ich habe zum Schluss immer beklagt, dass Schüler immer
Kurssystem
eingeführt
weniger
Ideen hatten, Scherze mit den Lehrern zu machen.“
hat, war ich von der
Grundeinstellung her immer nicht so begeistert, also die Lösung,
Nein, das sind die Spirallehrpläne, dass
dass man sich sein Programm selbst zuman alles ein bisschen anreißt und später
sammenstellen kann und gewisse Dinge
wieder drauf zurückkommt. Es ist eine
nicht mehr verpflichtend sind.
ideale Vorstellung, wenn man Schüler hat,
Dann war es nicht so erfreulich, dass die
die sich ausschließlich um Schule kümÄnderungsgeschwindigkeit immer mehr
mern und Dinge auch nicht so schnell
zunahm, so dass wir bei der letzten Ändewieder vergessen; so ist es aber nicht.
rung nur noch einen Zwischenraum von
Immer, wenn man ein Thema wieder aufvier Jahren hatten. Mit zwei Verordnungreift, wird man es mit viel Zeitaufwand
gen nebeneinander war das Organisatoriwieder aufbereiten müssen. Ich bin dafür,
sche natürlich nicht immer gerade einein Gebiet ganz abzuschließen, z.B. in 11
fach.
Differenzial- und Integralrechnung und in
Am Wenigstens habe ich jedoch von der
12 dann die Vektorrechnung.
Umstellung „Leistungskurse erst ab 12“
gehalten. Früher wählte man schon in 11
Schulz: Was war die größte Dreistigdie Leistungskurse und konnte zum Halbkeit eines Schülers in Ihrer Laufjahr und zum Schuljahresende einen Leibahn?
stungskurswechsel vornehmen. Jetzt geht
Ich habe zum Schluss immer beklagt,
man in 12, wechselt ggf. aufgrund
dass Schüler immer weniger Ideen hatschlechter Leistungen den LK und alles
ten, Scherze mit den Lehrern zu machen.
zählt direkt fürs Abi – das halte ich für eiIch kann mich spontan an gar nichts mehr
ne ganz unglückliche Lösung.
richtig entsinnen. Aber an das, was wir in
unserer Schulzeit gemacht haben, daran
Schulz: Die Grundlagen der Vektorkann ich mich erinnern…
rechnung laut neuem Lehrplan schon
in Jahrgang 11? Finden Sie das gut?
Ehemalige Domschüler
Schulz: Was möchten Sie den Schülern oder Lehrern der Domschule
noch sagen?
Ich kann den Schülern immer nur empfehlen, dass sie sich außer dem Unterricht, der als Grundlage gedacht ist, an
irgendwelchen angebotenen Aktivitäten
wie der Schulz, dem Chor oder der PhotoAG beteiligen und damit die Schule nach
außen hin präsentieren.
Was unterrichtliche Dinge betrifft, gebe
ich den Schülern mit auf den Weg, dass
sie nicht so oft sagen: „Mensch, das ist
aber viel“, sondern möglichst viel mitnehmen von dem, was angeboten wird.
Ein besondern Gruß möchte ich noch an
Herrn Kähler, Herrn Brauer und Herrn
Harder richten, weil ich zu denen immer
einen besonders engen Kontakt hatte,
und einen allgemeinen Gruß an alle Lehrer der Domschule und natürlich an Herrn
Reußner.
Profimannschaft des HSV war sogar unser
Strandnachbar auf Mallorca [siehe oben]
und hat dort in direkter Nähe des Ballermanns ein paar Tage lang ordentlich gefeiert.
„Die guten alten Zeiten“ ...sind immer
verbunden mit guten alten Erinnerungen.
„Herr Frahm springt aus dem Fenster.“ ...als Aussage gedacht, Schüler
zum Denken anzuregen – nicht etwa zu
denken:
„Was
passiert
mit
Herrn
Frahm?“, sondern vielmehr, „Was passiert
mit einem Körper, der fällt?“
Schulz: Vielen Dank für die Cola und
vielen Dank für das Interview!
Das Interview führten
[ tss ], [ sbo ] und [ smu ]
Fotos: [ tss ]
Herr Frahm über:
„Golf Spielen“ ...ist von mir immer ein
Wunsch gewesen, es mal auszuprobieren.
„HSV“ ...ist mein Lieblingsverein und ich
fiebere heute immer noch mit. Die erste
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