Leckerli für den Lebensretter | inFranken.de

Leckerli für den Lebensretter
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Mittwoch, 14. Oktober 2015
Babypuder und Wurst. Die hat Annika Herrmann immer dabei, wenn sie zum Einsatz geht. Sie braucht sie für die
Suche nach Vermissten. Mit dem Puder wird die Windrichtung bestimmt. Und die Wurst gibt's als Belohnung für
Gipsy, wenn das Opfer gefunden ist. Der Labrador-Mix ist ein Rettungshund.
Die Nase am Boden, rennt Gipsy durch den Garten. Es geht hierhin, es geht dorthin, überall wird geschnüffelt, geschaut.
„Sie hat viel Energie“, sagt Annika Herrmann über ihre fünfeinhalbjährige Hündin. „Sie will beschäftigt werden.“ Diesen
Drang wollte die Sickershäuserin nicht verpuffen lassen, sondern sinnvoll nutzen. Jetzt kommt er vermissten Personen
zugute.
„Geprüfter Rettungshund“ steht auf der Plakette, die Gipsy seit kurzem tragen darf. Seit der bestandenen Prüfung Mitte
September sind sie und Frauchen Annika Herrmann ein geprüftes Rettungshundeteam der Rettungshundestaffel des BRK
Kitzingen. Zweieinhalb Jahre haben sie in die Ausbildung investiert, etwa 400 Stunden lang geübt – in Wäldern, auf
Wiesen, im unwegsamen Gelände, im Kieswerk, in Firmengebäuden. Ein- bis zweimal pro Woche, manchmal sogar
dreimal kommen die Rettungshundeteams und diejenigen, die es werden wollen, zusammen. Bei Wind und Wetter wird
geübt und „Opfer gelegen“ – schließlich brauchen die Tiere jemanden, den sie suchen können. Dabei variieren die
Opferbilder: Der Betroffene kann im Gebüsch liegen, unter Trümmern versteckt sein, in Containern oder im Schlafsack.
„Versteckte“ Opferbilder sind schwieriger zu finden und Grund dafür, dass Annika Herrmanns Lebensgefährte Tilman
Behrend zwar die gesamte Ausbildung mitgemacht hat, die Prüfung aber diesmal nicht bestand. „Wir haben natürlich
weiter geübt und inzwischen ist sie soweit, dass sie auch versteckte Opfer findet“, sagt Behrend über Gipsy. Auch wenn
es mit der Plakette für ihn nicht geklappt hat, ist er bei den Einsätzen trotzdem dabei, als Helfer und Funker, beim Üben
unter anderem als Opfer.
„Im Idealfall läuft man so, dass der Wind aus dem Wald herausweht.“
Annika Herrmann BRK-Rettungshundestaffel
Nicht jeder Hund ist für die Ausbildung zum Rettungshund geeignet. Die Rasse ist dabei nicht wichtig, aber der Charakter.
Der Hund muss gehorsam, aber auch belastbar sein. Am Anfang steht deshalb zunächst die Eignungsprüfung für den
Hund. Ist die geschafft, müssen in der Ausbildung dann nicht nur die Hunde weiter lernen, sondern auch ihre Besitzer.
Das Tier muss wissen, wie es sucht und meldet, darf sich von Hasen oder Rehen nicht ablenken lassen, muss den
Opferfund richtig melden. Es muss in Engstellen kriechen, über Leitern gehen, sich abseilen lassen. Für den Menschen
gehören Erste Hilfe, Defibrilation, Funken, Orientierung mit GPS und Kompass, Einsatztaktik, die Lehre vom Hund und
vieles mehr zum Unterrichtsstoff. Und der wird dann natürlich abgeprüft.
Die Prüfung besteht aus verschiedenen Teilen. Trümmerkunde für den Hundeführer gehört dazu, das Verhalten des
Hundes am Opfer, eine Gehorsamsübung und mehr. Geprüft werden kann die Trümmersuche, die Flächensuche oder die
Mantrailsuche, bei der die Hunde Gerüche des Vermissten aufnehmen und ihre Suche gezielt auf diese Gerüche
ausrichten.
Gipsy hat die Flächenprüfung absolviert und musste dabei gemeinsam mit Annika Herrmann innerhalb von 20 Minuten
zwei Menschen in einem Waldstück finden. Am Anfang steht ein Gespräch mit der Einsatzleitung, der Hundeführer muss
seine Taktik erklären. Dann wird die Windrichtung geprüft – was die 34-Jährige mit dem Babypuder macht. „Im Idealfall
läuft man so, dass der Wind aus dem Wald herausweht.“ Für die Hunde ist die Suche einfacher, wenn es windig ist und
feucht, dann können sie die Gerüche leichter aufnehmen. Der Hund bekommt eine Decke übergezogen, die ihn als
Rettungshund ausweist und mit Lichtern und Glöckchen ausgestattet ist. So findet ihn der Begleiter besser und auch der
Jäger weiß, dass er es mit einem Tier zu tun hat, das in offizieller Mission frei herumläuft.
Gipsy ist ein „Verbeller“: Wenn sie das Opfer gefunden hat, bellt sie laut und lang anhaltend. Sie darf sich nicht vom Opfer
entfernen und nicht mit dem Bellen aufhören, bis Annika Herrmann bei ihr angekommen ist. Erst dann gibt's die
Belohnung. Für Gipsy ist es die Wurst, andere Hunde dürfen vielleicht mit einem Ball oder ähnlichem spielen. Dann führt
die Sickershäuserin den Hund weg, legt ihn ab, versorgt das Opfer und holt über Funk Hilfe.
Bei Annika Herrmann und Gipsy hat am Prüfungstag alles gepasst. Geübt wird trotzdem weiterhin. Weil sie fit sein
müssen für den Ernstfall. Und weil man nicht für ewig Rettungshundeteam ist. Die Plakette gilt nur bis März 2017. Dann
müssen die Beiden wieder ran.
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Die Rettungshundestaffel des BRK Kitzingen
Der Eignungstest: Wer geprüftes Rettungshundeteam der Rettungshundestaffel des Bayerischen Roten Kreuzes in
Kitzingen werden möchte, muss zunächst den Eignungstest absolvieren. Dietmar Heil und Hündin Abby haben diesen
Test kürzlich bestanden. Abby musste dabei ihre Sozialverträglichkeit, Menschenfreundlichkeit, Sicherheit bei
unterschiedlichen Umwelteinflüssen und die Freude am Suchen sowie an der Zusammenarbeit mit ihrem Hundeführer
unter Beweis stellen. Abby hat mit Dietmar Heil diese Aufgabe mit Bravour bestanden und sich nicht von hupenden Autos,
laufenden Kettensägen, lauten Hammerschlägen, Feuer, unterschiedlichen Böden, fremden Menschen und Hunden
erschrecken oder von ihrer Arbeit abbringen lassen.
Die Rettungshundestaffel: Die Rettungshundestaffel des BRK Kitzingen hat 21 Aktive, davon sieben geprüfte
Hundeführer. Dazu gehören 18 Hunde, von denen sieben geprüft und als Flächensuchhunde einsatzfähig sind. Mehrere
Hunde befinden sich in Ausbildung. Das Einsatzgebiet umfasst ganz Bayern und die angrenzenden Bundesländer, dazu
kamen bereits mehrere Auslandseinsätze, unter anderem im Iran und Algerien. Staffelleiter ist Werner Höfer.
Alarmierung: Rettungshundeeinsätze sind kostenlos. Die Rettungshundestaffel ist Tag und Nacht und bei jeder Jahreszeit
einsatzfähig und über die Rettungsleitstelle und den Notruf 112 zu erreichen.