1 2 3 Bosnien-Herzegowina war eine Republik von Ex-Jugoslawien und grenzt an Kroatien, Serbien und Montenegro. Es ist ein typisches Balkanland – sehr hügelig bis gebirgig und unwegsam, ganz im Süden hat es auf einer Länge von 20 km Anschluss an das adriatische Meer. Die Grenze im Westen und Süden wird von Bergzügen markiert, während die Grenze im Osten der Fluss Drina und im Norden der Fluss Sava bildet. Im 6. und 7. Jahrhundert drang das Volk der Slawen aus dem Osten nach Europa vor und besiedelte die Balkanhalbinsel. Im 10./11. und 12. Jahrhundert wurde Bosnien-Herzegowina von verschiedenen Fremdmächten beherrscht: Es war Teil des serbischen, kroatischen, bulgarischen, ungarischen und byzantinischen Reiches. Um 1180 erkämpften sich die Bosnier ihre Unabhängigkeit und konnten diese in den folgenden 260 Jahren bewahren. Mitte des 14. Jahrhunderts annektierte das bosnische Reich die Herzegowina und erreichte seine grösste Ausdehnung, die etwa dem heutigen Bosnien-Herzegowina entspricht. Zwischen 1463 und 1465 wurde es von den Osmanen unterworfen, die sich vom Osten her über den Balkan an Westeuropa herankämpften. Mit der rund 400-jährigen osmanischen Herrschaft geriet die bis anhin von Christen geprägte Region unter islamischen Einfluss. Teile der christlichen Bevölkerung traten zum Islam über, muslimische Bevölkerungsgruppen aus dem osmanischen Reich liessen sich in Bosnien-Herzegowina nieder und islamische Bauten wurden erstellt. 1878 wurde Bosnien-Herzegowina von Österreich-Ungarn besetzt und 1908 annektiert. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurde es Teil des neugeschaffenen Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt). Während des 2. Weltkrieges tobte ein äusserst brutaler Bürgerkrieg in Jugoslawien, aus dem der Kommunist Josip Broz Tito mit seinen Partisanen als Sieger hervorging. Er proklamierte die Volksrepublik Jugoslawien und regierte bis zu seinem Tod 1980 diesen Vielvölkerstaat. Der Niedergang des Kommunismus sowie Titos Tod liessen die ethnischen Spannungen wieder entflammen. 4 Laut der Volkszählung von 1991 lebten 44% Bosniaken (Muslime), 31% Serben (serbisch-orthodoxe Christen) und 17% Kroaten (römischkatholische Christen) in Bosnien-Herzegowina. Die restlichen 8% setzten sich aus 17 Minderheiten zusammen. Diese ethnische Zersplitterung liess oft den Vergleich mit einem Leopardenfell aufkommen. In Bosnien-Herzegowina gibt es die drei Sprachen bosnisch, serbisch und kroatisch. Die Serben verwenden das kyrillische und lateinische Alphabet, Kroaten und Bosniaken ausschliesslich das lateinische Alphabet. Nach dem Krieg zwischen Serbien und Kroatien 1991-92 ging in Bosnien-Herzegowina die ethnische Bombe hoch. Es folgte ein fast vierjähriger, äusserst brutal geführter Krieg zwischen serbischen, kroatischen und bosniakischen Einheiten mit 250‘000 Toten und 2 Mio Vertriebenen. Der Krieg veränderte zwar die ethnische Zusammensetzung etwas (49.4% Bosniaken, 36.5% Serben, 13.5% Kroaten und 0.6% Minderheiten), aber die einschneidende Änderung war die Schaffung von ethnisch homogenen Gebieten (mehr dazu auf S. 10) 5 Friedenserhaltende Operationen der UNO kommen nur zustande, wenn folgende vier Bedingungen erfüllt sind: • Konsens des Sicherheitsrates • Konsens der Konfliktparteien • Konsens der truppenstellenden Staaten (die UNO hat keine eigenen Truppen und kann auch keine Truppen befehlen) • Konsens zur Finanzierung Die UNO hat auch die Möglichkeit die Führung von Einsätzen an eine regionale Organisation wie zum Beispiel NATO (Beispiel KFOR in Kosovo) oder EU (Beispiel EUFOR in Bosnien-Herzegowina) zu übergeben, die dann das militärische Kommando über die Mission führt. 6 Die UNO kann kein Mitgliedsland verpflichten, Truppen für eine UNO Mission zu stellen. Sie kann lediglich einen Antrag stellen. In der Schweiz unterliegt das Militär dem Primat der Politik. Das EDA entscheidet in Absprache mit dem VBS, an welchen UNO-Missionen sich die Schweiz beteiligt. Kommen weniger als 100 bewaffnete Armeeangehörige oder für weniger als 21 Tage zum Einsatz, entscheidet der Gesamtbundesrat. Andernfalls das Parlament. Die Rekrutierung der Armeeangehörigen erfolgt unter Freiwilligen. BR Bundesrat EDA Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten VBS Eidgenössisches Department für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport BRB SWISSINT Bundesratsbeschluss Kompetenzzentrum für friedensfördernde Auslandeinsätze 7 Mit dem Ausbau der Beteiligung an friedensfördernden Operationen bewegt sich der Bundesrat auf gesetzlichen Grundlagen. Da wären das Militärgesetz und zwei Verordnungen zu nennen. Weiter kommt der Anhang zum Dienstreglement (DR 04) hinzu, der den Friedensförderungsdienst einschliesst, sowie Kap 11 der Taktischen Führung (TF) XXI. Doch dies allein reicht noch nicht. Bei Einzelpersonen entscheidet der Chef VBS in Kooperation mit dem EDA über die Beteiligung an einer friedensfördernden Mission; bei Kontingenten ist der Gesamtbundesrat - ebenfalls in Kooperation mit dem EDA - verantwortlich. In einem Bundesratsbeschluss sind der Auftrag, die zu unterstützende Organisation, der Umfang der Unterstützung sowie die Zeitdauer genau geregelt. Soll der Einsatz bewaffnet erfolgen, so konsultiert der Bundesrat vorgängig die Aussenpolitischen und die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte. Werden für einen bewaffneten Einsatz mehr als 100 Angehörige der Armee eingesetzt oder dauert dieser länger als drei Wochen, so muss die Parlament den Einsatz genehmigen. 8 Die Beteiligung an der EUFOR Mission ALTHEA in BosnienHerzegowina ist mit der bewaffneten Neutralität vereinbar. Das entsprechende UNO-Mandat (Resolution 1575) basiert auf dem Einverständnis der Konfliktparteien und der Bereitschaft der Mitgliedsnationen zum Truppen-Entsand. Art. 1 Abs. 3 im Militärgesetz sieht ausdrücklich eine Beteiligung der Schweiz an der internationalen Friedensförderung vor. Art. 66 besagt, dass diese nur auf Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates möglich und freiwillig ist. Die Teilnahme an Kampfhandlungen zur Friedens-Erzwingung ist weiterhin ausgeschlossen. 9 Die NATO engagierte sich bereits 1992 in Bosnien-Herzegowina. Sie überwachte einerseits ein von der UNO verhängtes Waffenembargo über ganz Ex-Jugoslawien sowie wirtschaftliche Sanktionen gegen Serbien/Montenegro und später ein Flugverbot über BosnienHerzegowina. Die NATO beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Überwachung, sondern ergriff auch die nötigen Massnahmen, um all dies durchzusetzen. Der Krieg dauerte aber weiter und die europäischen Nationen konnten sich auf keine Politik bezüglich Ex-Jugoslawien einigen. Erst auf amerikanischen Druck hin bombardierte die NATO im August / September 1995 Stellungen der bosnischen Serben und brachten diese nach einem fast vierjährigen Krieg an den Verhandlungstisch in Dayton (USA). Am 14. Dezember 1995 wurde das Friedensabkommen von Dayton in Paris (Frankreich) unterschrieben. Bosnien-Herzegowina wurde in zwei fast identisch grosse Gebiete zweigeteilt: die bosniakische-kroatische Föderation und die serbische Republik. Die grossen Gewinner waren die Serben, die mit 31% Anteil an der Bevölkerung 49% des Landes Bosnien-Herzegowina erhielten. Das Dayton Abkommen ermöglichte die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe. Die Resolution 1031 des UNOSicherheitsrates bildete die rechtliche Grundlage für die IFOR (Implementation Force), die mit einer Stärke von 60‘000 Soldaten die Aufgabe hatte, ein sicheres Umfeld in Bosnien-Herzegowina zu schaffen. Das Kommando lag bei der NATO, die von der UNO das Mandat hierfür erhalten hatte. 10 Bosnien-Herzegowina wurde militärisch in drei Sektoren eingeteilt: Die Multi Nationale Division (MND) Südwest, Nord und Südost. Das Kommando über diese drei Sektoren führten Grossbritannien, die USA und Frankreich. Rund 36 Nationen beteiligten sich an der Friedensmission IFOR. Mit den erfolgreich durchgeführten Wahlen in Bosnien-Herzegowina im September 1996 hatte die IFOR ihre Hauptziele erreicht. Da sich die Lage aber weiterhin instabil präsentierte und in ziviler Hinsicht noch viel Aufbauarbeit zu leisten war, erklärte sich die NATO bereit, das Kommando über eine neue Friedensmission, die SFOR (Stabilization Force), zu übernehmen. Mit der Resolution 1088 schuf der UNO Sicherheitsrat die rechtliche Grundlage für SFOR. Somit verfügten sowohl die IFOR als auch die SFOR über ein Mandat der internationalen Staatengemeinschaft zur Friedenssicherung. Die SFOR trug seit Ende 1996 mit ihrer Präsenz massgeblich zur Stabilisierung in Bosnien-Herzegowina bei und ermöglichte damit den zahlreichen staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsorganisation vor Ort in einem sicheren Umfeld zu arbeiten. Dank der Verbesserung der Sicherheitslage konnte die Truppenstärke von anfänglich 60‘000 schrittweise auf 7‘000 Mann im Dezember 2004 reduziert werden. Gegen Ende der SFOR wurden die MND in Multi National Taskforce (MNTF) umbenannt. Die Schweiz beteiligte sich weder an der IFOR noch an der SFOR, schickte aber zur logistischen Unterstützung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein Kontingent von durchschnittlich 55 unbewaffneten Schweizer Soldaten nach BosnienHerzegowina. Die sogenannte Swiss Headquarters Support Unit (SHQSU) wurde unter dem Namen Gelbmützen bekannt und war zwischen Anfang Juli 1996 und Ende Dezember 2000 operationell. 11 Nach dem Entscheid der NATO die Friedensmission SFOR in BosnienHerzegowina per 31. Dezember 2004 zu beenden, erklärte sich die EU bereit, mit ihrer European Union Force (EUFOR) für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Die EUFOR Mission unter dem Namen ALTHEA übernahm am 2. Dezember 2004 das Kommando von der NATO über die drei militärischen Operationsgebiete (Multinationale Taskforces MNTF) der SFOR. Erklärungen zu Punkt 1 Die Soldaten der EUFOR Mission ALTHEA markieren mit Patrouillen regelmässig Präsenz und sammeln in Gesprächen Informationen zur aktuellen Lage in Bosnien-Herzegowina. 12 Die EUFOR ALHEA umfasst rund 600 Soldaten aus verschiedenen europäischen Staaten. Das Hauptquartier befindet sich im Camp Butmir in Sarajevo. Die Mehrheit der Soldaten sind in jeweils nationale Liaison and Observation Teams (LOT) zusammengefasst und über ganz Bosnien-Herzegowina an bekannten und potentiellen Konfliktstellen stationiert. Die LOTs sind das Frühwarnsystem der EUFOR und arbeiten eng vernetzt mit der lokalen Bevölkerung und den lokalen Behörden sowie mit den in derselben Gegend aktiven internationalen Organisationen zusammen. LOT-Angehörige arbeiten stets in völliger Transparenz und sind dabei immer als Angehörige der EUFOR erkennbar. Sie führen Gespräche mit verschiedenen öffentlichen Stellen und Privatpersonen, um Informationen über die Lage zu gewinnen. In Rapporten fassen sie die neu gewonnenen Erkenntnisse zusammen und leiten diese an das Hauptquartier weiter, wo die Rapporte der verschiedenen LOT‘s analysiert werden. 13 Am 16. Dezember 2004 stimmte das Parlament nachträglich dem Entscheid des Bundesrates zu, das VBS zu ermächtigen, zum Selbstschutz bewaffnete Armeeangehörige in der multinationalen European Union Force (EUFOR) zugunsten der Mission ALTHEA in Bosnien-Herzegowina einzusetzen. Der Einsatz umfasst gleichzeitig höchstens vier Stabsoffiziere und zwei Liaison and Observation Teams (LOT), bestehend aus je acht Armeeangehörigen. Die völkerrechtliche Grundlage für diesen Entscheid bietet die UNO-Resolution 1575. Seit Dezember 2004 bilden acht Schweizer Armeeangehörige ein LOT und sind mit zwei weiteren Stabsoffizieren für EUFOR ALTHEA im Einsatz. Anfang Mai 2005 stockte die Schweiz ihre Beteiligung um ein zweites LOT und zwei weitere Stabsoffiziere auf. Die Schweizer LOT-Häuser mit je acht Schweizern befinden sich in Mostar und Trebinje. Drei Stabsoffiziere arbeiten im Hauptquartier der EUFOR sowie im LOT Coordination Center (LCC) im Camp Butmir in Sarajewo. Ein Unteroffizier stellt die Logistische Versorgung der Schweizer Beteiligung (LOT und MTT) ebenfalls ab Camp Butmir in Sarajewo sicher. 14 15 Das Kompetenzzentrum SWISSINT verfügt über einen Personalpool freiwilliger Interessenten an friedensfördernden Einsätzen. Zusätzlich werden Leute aus dem SWISSCOY Kontingent rekrutiert und mögliche Kandidaten mit Inseraten gesucht, die regelmässig in diversen Medien geschaltet werden. Schweizer Soldaten, die sich bereits für die EUFOR LOT im Einsatz befinden, haben im gegenseitigen Einverständnis die Möglichkeit ihren Einsatz zu verlängern. Die Hauptanforderungen sind Teamfähigkeit und gute Englischkenntnisse. Ebenso müssen die Bewerber im Besitz eines zivilen Führerausweises sein. An der Rekrutierung finden ein Assessment sowie ein Englischtest und ein medizinisches Gespräch statt. Nach einem ersten Auswahlverfahren wird in einem weiteren Gespräch auf die Funktion, den Lohn und die Versicherung eingegangen. 16 Je nach Vorbildung resp. Einsatzerfahrung umfasst die Ausbildung zwischen drei bis sieben Wochen. Die wichtigsten Ausbildungsbereiche sind: • Teambildung • Informationsgewinn durch gezielte Gesprächsführung • Verfassen von kurzen, prägnanten Rapporten über neu gewonnene Informationen • Umgang mit Übersetzern • verschiedene Übungen Weitere Bestandteile der Ausbildung: • Waffengebrauch zur Selbstverteidigung (Pistole und Sturmgewehr) • Verhalten gegenüber Medienschaffenden • Erste Hilfe • Informationen über das Einsatzgebiet Die Stabsoffiziere und Hauskommandanten haben zusätzlich vor dem Kurs im Kompetenzzentrum SWISSINT eine einwöchige Erkundung vor Ort (Sarajewo und LOT-Häuser) zu absolvieren, um die Organisation der EUFOR Mission ALTHEA kennen zu lernen. 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
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