Wettbewerb 2015

Wettbewerb 2015
Den Transformationsprozess des Energiesystems gestalten
2 | Wettb ewerb 201 5
Vorwort
Berlin, August 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der BDEW setzt sich seit seiner Gründung unablässig
dafür ein, dass sich Wettbewerb in der Energiewirt­
schaft entfalten kann. Mit der Broschüre „Wettbewerb
2012“ konnte ich Ihnen vor drei Jahren einen deutschen
Energiemarkt präsentieren, der seine Hausaufgaben
gemacht hat. Und der schon damals in mancherlei Hin­
sicht im europäischen Vergleich Maßstäbe setzte.
Hildegard Müller,
Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung
und Mitglied des Präsidiums
2015 ist es an der Zeit, erneut Bilanz zu ziehen. Einen
großen Sprung nach vorne hat der Gasmarkt gemacht.
Das freut mich ganz besonders. Und es freut mich
auch, dass dies zunehmend Anerkennung findet, etwa
durch den Präsidenten des Bundeskartellamts. 2015
wird außerdem noch deutlicher als zuvor: Deutschland
ist ein Schlüssel zum Energiebinnenmarkt. Unser Land
grenzt unmittelbar an neun Nachbarn an und ist mit
weiteren durch Seekabel verbunden. Tatsächlich leistet
Deutschland mit gut ausgebauten Verbindungen zum
Ausland sowie erfolgreichen Plattformen für den
Handel einen sehr positiven Beitrag beim Zusammen­
wachsen der Märkte für Strom und Gas.
Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt er­
scheint uns inzwischen als eine Selbstverständlichkeit.
Morgen auch? Dekarbonisierung, Dezentralisierung,
Digitalisierung, zunehmende Regulierung und Euro­
päisierung stellen große Entwicklungslinien dar, die
für tiefgreifende Veränderungen des Gas- und Strom­
marktes in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren
stehen. Der Bericht widmet sich deshalb absehbaren
Herausforderungen für den Markt.
Wettbewerb ist ein Treiber von Innovation und senkt
zugleich die volkswirtschaftlichen Kosten. Ohne ihn ist
die große Herausforderung der Energiewende nicht zu
stemmen. Die deutsche Energiewirtschaft ist für diese
Herausforderungen gut aufgestellt. Der Wettbewerb
wird jedoch nur so gut funktionieren wie die Politik ihn
lässt. Die Erhaltung effektiver und effizienter Rahmen­
bedingungen ist eine Daueraufgabe.
Ihre
Hildegard Müller
We t t b e we r b 2015 | 3
Einleitung ....................................................................................................................................... 04
Status Quo Wettbewerb.............................................................................................................. 06
Großhandel – tragende Säule des Wettbewerbs........................................................................ 06
› Gas – weitreichende Verbesserungen........................................................................... 06
› Strom – stabil auf hohem Niveau................................................................................... 10
› Spotmarkt ........................................................................................................................ 11
› Regelenergie .................................................................................................................... 14
Endkundenmärkte – Hohe Wettbewerbsintensität ist Normalität.......................................... 20
Fazit ................................................................................................................................................ 22
Wettbewerb in der Transformation erhalten.................................................................... 23
Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien –
so viel Wettbewerbselemente, wie die Erreichung der Ausbauziele erlaubt.......................... 23
› Direktvermarktung........................................................................................................... 24
› Ausschreibung................................................................................................................... 26
› Systemintegration............................................................................................................ 26
Emissionszertifikatehandel – eingeleitete Reformen entschlossen vollenden...................... 27
Veränderte Märkte: smart, dezentral, arbeitsteilig................................................................... 28
› Flexibilitäten...................................................................................................................... 29
› Contracting........................................................................................................................ 30
› Sonstige Produkte / Dienstleistungen............................................................................ 31
› Standardisierung............................................................................................................... 32
Versorgungssicherheit erwirtschaften....................................................................................... 33
› Gas, inkl. Speicher, Gasbezug.......................................................................................... 33
› Systemsicherheit.............................................................................................................. 34
› Strom.................................................................................................................................. 35
Bezahlbarkeit im Blick behalten.................................................................................................. 36
Infrastruktur – Voraussetzung für den Wettbewerb................................................................. 37
› Gas, inkl. Speicher, Gasbezug ......................................................................................... 37
› Strom.................................................................................................................................. 39
› Verteilnetze....................................................................................................................... 41
Fazit und Ausblick......................................................................................................................... 43
4 | Wettb ewerb 201 5
Einleitung
Der Wettbewerb im Gas- und im Strommarkt hat sich
seit 2012 in Deutschland weiter sehr gut ent­wickelt.
Wettbewerb ist zu einer Selbstverständ­lichkeit
ge­worden. Deutschlandweit können die Kunden
zwischen einer hohen Zahl von Gas- und Stromanbietern wählen. Die Wechselzahlen zeigen, dass diese
Möglichkeit auch genutzt wird.
Rückgrat des Endkundenmarktes sind liquide börs­
liche und außerbörsliche Großhandelsmärkte, die es
Vertrieben ermöglichen, jederzeit die erforderlichen
Strom- und Gasmengen zu beschaffen, um Kunden im
Wettbewerb beliefern zu können.
Die deutsch-österreichische Preiszone (Strom) weist
die höchste Liquidität in der gesamten EU auf. Der vor
2006 in 28 separate Marktgebiete gegliederte deut­
sche Gasmarkt zählt nur noch zwei Gasmarktgebiete.
Im gleichen Zuge hat der Gasgroßhandel an der Börse
EEX sowie an virtuellen Handelspunkten und in den
benachbarten Niederlanden sprunghaft an Liquidität
gewonnen. So stieg z. B. das Volumen im kurzfristigen
Erdgashandel an der EEX. Das Volumen am Gas-Spot­
markt (Marktgebiete GASPOOL und NCG) stieg mit
61 TWh laut Monitoringbericht 2014 von Bundesnetz­
agentur und Bundeskartellamt 2013 auf mehr als das
Doppelte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an.
Überhaupt hat sich der Wettbewerb im Gasmarkt in allen Feldern sehr vorteilhaft entwickelt:
Kartellamtspräsident Andreas Mundt:
„Die Marktöffnung ging zunächst im Strombereich schneller vonstatten als im Gasbereich.
Ich freue mich, dass die Liberalisierung nun auch auf den Gasmärkten vermehrt Früchte trägt.
Auf der Großhandelsstufe hat die Liquidität der Märkte zugenommen. Die ehemals netzbe­
zogenen Erdgasmärkte sind zu einem bundesweiten Großhandelsmarkt zusammengewachsen.
Im Bereich der Sondervertragskunden besteht inzwischen ein bundesweiter Markt mit ausge­
prägtem Wettbewerb.“
Quelle: Pressemitteilung Bundesnetzagentur/Bundeskartellamt zum Monitoringbericht 2014
Wettbewerb ist ein umfassendes Prinzip zur best­
möglichen Allokation von Ressourcen. Umso wichtiger
ist es, dass ein fairer, diskriminierungsfreier und tech­
no­logieoffener Wettbewerb auch in dem Transforma­
tionsprozess der Energiewende weiter ermöglicht wird.
Wenn in der näheren, mittleren und ferneren Zukunft
die Bereitstellung von Strom und Wärme verstärkt de­
zentral erfolgt, wenn neue Dienstleistungsangebote
und Bedürfnisse entstehen, müssen sich Infrastrukturen
und Marktprozesse entsprechend weiterentwickeln.
We t t b e we r b 2015 | 5
Dies verlangt auch ein politisch regulatorisches Umfeld,
das ein nicht diskriminierendes Level-Playing-Field und
langfristig verlässliche Rahmenbedingungen gewähr­
leistet und somit wieder mehr Vertrauen in Markt- und
Wettbewerbsprozesse schafft.
die wahrscheinliche Folge sein. Zeitpunkt und Ausmaß
dieser Veränderungen sind noch nicht klar erkennbar.
Dennoch werden die aus diesen Entwicklungen resul­
tierenden Anforderungen an den Wettbewerb so weit
als möglich mit betrachtet.
Wettbewerb schließt auch den Investitionswettbewerb
ein, also den Wettbewerb um langfristige Grenzkosten.
Alle Wettbewerber müssen sich den gleichen ökonomi­
schen Rahmenbedingungen gegenübersehen, die über
die Rentabilität einer möglichen Investition entschei­
den. Dementsprechend sollte Politik rückwirkende
Eingriffe in Investitionsbedingungen vermeiden. Aller­
dings beginnt diese Erkenntnis im politischen Raum
erst zögerlich Fuß zu fassen. Wenn von Wettbewerb die
Rede ist, ist oft nur die Optimierung der kurzfristigen
Auswahlentscheidungen (z. B. effizienter kurzfristiger
Kraftwerkseinsatz) gemeint – also ein Wettbewerb um
die kurzfristigen Grenzkosten.
Dieser Bericht knüpft an die Broschüre „Wettbewerb
2012 – Wo steht der deutsche Energiemarkt“ des BDEW
an, die einen eingehenden und in der Tendenz nach wie
vor aktuellen Überblick über die Wettbewerbssituation
in Deutschland im europäischen Kontext verschafft.
Neben einem kurzen Überblick über die seither einge­
tretenen Veränderungen liegt der Schwerpunkt in
die­sem Bericht auf dem Endkundenmarkt und den Rah­
men­bedingungen, die dafür erforderlich sind, dass sich
der Wettbewerb auch weiterhin in allen Segmenten des
Energiemarktes positiv entwickeln kann. Es geht also
darum, wie Wettbewerb unter sich sukzessive verän­
dernden Bedingungen nicht nur ermöglicht, sondern
auch als Motor der Veränderung genutzt werden kann.
Generell liegt eine ganz wesentliche Stärke von Wett­
bewerb darin, politisch vorgegebene oder sich faktisch
vollziehende Veränderungsprozesse effizient zu bewäl­
tigen. Die dem Markt eigenen Such- und Lernprozesse
können die Bedürfnisse der Marktakteure in einem sich
wandelnden Umfeld wesentlich besser befriedigen, als
dies durch zentrale Planung mit häufig nachfolgend
nötigen Korrekturen und weiteren Eingriffen antizipiert
werden kann. Dieser Eigenschaft des Wettbewerbs
kommt – auf dem Weg zu einem von immer höhe­
ren Anteilen fluktuierend einspeisender Erneuerbarer
Energien getragenen Energiemarkt – eine wichtige Op­
timierungsrolle zu. Damit Wettbewerb diese Funktion
erfüllen kann, ist erforderlich, dass die entsprechenden
Segmente in den Markt integriert werden, wie zuletzt
z. B. durch die EEG-Reform in Form der verpflichtenden
Direktvermarktung für Neuanlagen geschehen.
Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Digitalisierung
und Europäisierung stellen große Entwicklungslinien
dar, die für tiefgreifende Veränderungen des Gas- und
Strommarktes in den kommenden zehn bis fünfzehn
Jahren stehen. Tiefgreifende Änderungen der Ge­
schäftsmodelle und Strukturen der Branche werden
6 | Wettb ewerb 201 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Status Quo Wettbewerb
Großhandel – tragende Säule des Wettbewerbs
Funktionierende Großhandelsmärkte sind von zentraler Bedeutung für den Wettbewerb. Die Groß­
handelsmärkte, sowohl im Strom- als auch im Gasbereich, haben sich seit dem Jahr 2012 (Vorla­
ge BDEW-Broschüre „Wettbewerb 2012 – Wo steht der deutsche Energiemarkt?“) weiter positiv
entwickelt. Im Gasgroßhandel gibt es in den letzten Jahren konstante Zuwachsraten sowohl bei den
Marktteilnehmern als auch bei der Liquidität.
Sowohl im börslichen als auch im bilateralen Großhandel sind signifikante Zuwächse zu verzeich­
nen. Das Handelsvolumen an der EEX stieg um 36 Prozent seit 2013, und das an den beiden virtuellen
Handelspunkten Gaspool und NCG nominierte Volumen um rund 20 Prozent. Prozentual noch höhere
Anstiege sind bei den von Brokerplattformen vermittelten Handelsgeschäften zu verzeichnen.
Der Stromgroßhandel ist stabil auf hohem Niveau und dabei zunehmend europäischer und durch
zusätzliche Produkte gekennzeichnet. Dabei ist festzustellen, dass insbesondere der Intraday-Handel
an Bedeutung gewonnen hat. Damit bestätigt sich, dass die Marktteilnehmer gerade den Markt nut­
zen, um Korrekturen aufgrund von Prognoseänderungen vorzunehmen.
Dank Handelsplattformen, die in Deutschland angesiedelt sind oder unter deutscher Beteiligung
betrieben werden, ist um Deutschland herum ein regionaler Großhandelsmarkt für Strom und Gas
entstanden. Diese Entwicklungen stellen wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einem europäischen
Binnenmarkt dar.
Gas – weitreichende Verbesserungen
Auf allen Wertschöpfungsstufen des Erd­
gas­­marktes lassen sich positive Entwick­
lungen der Wettbewerbsbedingungen
feststellen. Der Wettbewerb ist am
weitesten fortgeschritten auf der obersten
Stufe, also der Importstufe, sowie bei der
Belieferung von regionalen Ferngasgesell­
schaften und großen Weiterverteilern. Hier
macht sich vor allem auch die Verringerung
auf zwei Marktgebiete im Jahr 2012 be­
merkbar. Darüber hinaus sind in Deutsch­
land Kapazitätsengpässe an Grenz- und
Marktübergangspunkten weitgehend
beseitigt. Die Umsetzung der Network
Codes in Deutschland hat zudem positive
Auswirkungen auf den Erdgasmarkt. Durch
die Vorgaben des Network Codes für die
Bilanzierung Gas wurden eindeutige Vorga­
ben für die Beschaffung von Regelenergie
in Form einer Merit Order List (MOL) fest­
gelegt. Dadurch ist vorrangig kurzfristige,
börsengehandelte Regelenergie durch
die beiden Marktgebietsverantwortlichen
NCG und GASPOOL zu beschaffen. Zudem
können auch die Marktgebietsverantwort­
lichen qualitätsspezifische Produkte an
anderen Börsen (z. B. L-Gas am TTF) kau­
fen, um den Regelenergiebedarf zu decken.
Diese Entwicklung trägt zur weiteren Liqui­
dität des Gasgroßhandels bei.
Getragen von den in Deutschland (EEX)
und Frankreich (Powernext) angesiedelten
Börsen hat mit PEGAS im Juni 2013 eine
Plattform für den europäischen Gasgroß­
handel ihren Betrieb aufgenommen (http://
www.pegas-trading.com). Die Produkte für
die deutschen, französischen und nieder­
ländischen Gasmarktgebiete sowie SpreadProdukte zwischen diesen Gebieten sind
auf einem einheitlichen System handelbar.
Dies ging einher mit einer Harmonisierung
der Handels- und Abwicklungsprozesse
in allen von der Kooperation erfassten
Märkten.
Products & Trading
PEGAS gives customers access to all products on a single trading platform and enables them to trade
natural gas contracts in the GASPOOL, NCG, PEG NORD, TRS, TTF and ZTP market areas. The product
range covers spot and derivatives contracts for all major European gas hubs.
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 7
PEGAS offers the opportunity not only to trade within one market area, but also to trade spread
products between these market areas.
Additionally, implicit prices created via those location spread products
improve liquidity for outright products.
Trading Hours
Spot products: 24/7
Futures and location spreads:
8:30am – 6:00pm CET
From 1 January 2015, all PEGAS products are operated by Powernext with
unchanged product specifications.
Market Areas and Location Spreads
NBP
Spot and Derivatives
Spot and Derivatives
Spot 2 and Derivatives
ZEE
TTF
ZTP
Spot and Derivatives
PEG
NORD
Spot and Derivatives
TRS
GASPOOL
Spot and Derivatives 1
NCG
PSV
Derivatives
Market
Spot
Market
PEGAS
im Juni
2013 – eine Plattform für den europäischen
Gasgroßhandel
· Within-Day
Quelle:
EEX 2014
(WD)
· Day-Ahead (DA)
· Weekend (WE)
· Individual Days (ID)
1
2
·
·
·
·
Spot and Derivatives
Month
Quarter
Season
Calendar Year
Aus der in Deutschland ansässigen
Only month contracts
Primär­knot
apazitätsplattform
der deutschen
24/7 trading
available
Fernleitungsnetzbetreiber trac-x hat sich
die PRISMA European Capacity Platform
entwickelt. 2013 vermarkteten zunächst
23 Fernleitungsnetzbetreiber aus sieben
EU-Mitgliedstaaten bzw. dem Europäischen
Wirtschaftsraum erstmals Primärka­pa­zi­
täten an europäischen Netzpunkten über
die gemeinsame europäische PRISMAPlattform. Die Anzahl der teilnehmenden
Spot and Derivatives
Derivatives
Location spreads
PEGAS hubs
New hubs
Ferngasnetzbetreiber und der abgedeck­­ten Staaten hat sich kontinuierlich weiter­
ent­wickelt. Im April 2015 umfasste sie
35 Betreiber aus 13 Staaten. 2014 wurden
79.503 GWh/h angeboten und 43.142 GWh/h
zugeschlagen. Seit dem 1. Januar 2014
fungiert PRISMA auch als Plattform für den
Sekundärhandel für Transportkapazität. Die
Schaffung der zentralen Vermarktungs­
plattform stellt einen wichtigen Schritt zur
Verwirklichung des Gasbinnenmarktes dar.
8 | Wettb ewerb 201 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Ferngasnetzbetreiber/Staaten bei PRISMA · Quelle: PRISMA Webseite (2015) [www.prisma-capacity.eu]
Generell lässt sich feststellen, dass der zunehmende Wettbewerb auf den Gasmärkten aus der
gestiegenen Liquidität und der Effizienz der Großhandelsmärkte resultiert. Hier ist ein deutlicher
Anstieg börslicher und außerbörslicher Liquidität an den Großhandelsplattformen zu verzeichnen.
Stand: 30. April 2015
TWh
100
90
80
70
60
50
40
30
20
Spotmarkt
2015-04
2015-03
2015-02
2015-01
2014-11
2014-12
2014-10
2014-09
2014-08
2014-07
2014-06
2014-05
2014-04
2014-03
2014-02
2014-01
2013-11
2013-12
2013-10
2013-09
2013-08
2013-07
0
2013-06
10
Terminmarkt
PEGAS – Volumen seit dem Start · Quelle: EEX (Stand Februar 2015)
Page 1
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 9
In Deutschland gibt es derzeit 51 Untertage-Speicher
mit einer Kapazität (Arbeitsgasmenge) von 24,6
Milliarden Kubikmetern, womit Deutschland über die
mit Abstand größten Speicherkapazitäten in der EU
verfügt und weltweit die viertgrößte Untertagesspei­
cherkapazität aufweist. Weitere Speicher sind im Bau.
Insgesamt liegt die Kapazität der deutschen Erdgas­
speicher schon jetzt deutlich über einem Viertel des
deutschen Gesamtverbrauchs.
Innerhalb der EU verfügt Deutschland mit einem Ar­
beitsgasvolumen von rund 24 Milliarden Kubikmetern
vor Italien und Frankreich über die größten Speicher­
kapazitäten für Erdgas. In den Speichern kann rund ein
Viertel des jährlichen Gasbedarfs gespeichert werden.
Dabei sind die Speicherkapazitäten in Deutschland in
den vergangenen Jahren erweitert worden und gegen­
über 2008 um 14 Prozent angestiegen.
Der Erdgasverbrauch unterliegt großen saisonalen,
aber auch tageszeitlichen Veränderungen, wodurch
umfangreiche Speichermengen infolge einer saiso­na­
len Transportverlagerung wie auch ggf. hohe Tages­
spitzenleistungen aus Speichern erforderlich sind.
Erdgasspeicher dienen der Anpassung des Erdgasan­
gebots an die Nachfrage und der Absicherung von
Lieferschwankungen beim Erdgasbezug. Sie sind ein
wichtiger Faktor für die Versorgungssicherheit, die
Netzstabilität und die Portfolio-Optimierung auf den
Gashandelsmärkten. Sie können eingesetzt werden zur
Sicherung der Belieferung der Letztverbraucher. Die
Speicherung von Gas kann den Gasversorgungsunter­
nehmen helfen, ihren gesetzlichen und vertraglichen
Abnahme- und Lieferverpflichtungen nachzukommen.
Sie leisten einen Beitrag zur Erhöhung der Leistungs­
fähigkeit des Transportsystems. Und sie tragen zur Be­
reit­stellung benötigter Regelenergie bei, die in Zeiten
eines hohen Bedarfs vornehmlich aus Erdgasspeichern
angeboten wird. Dadurch spielen Erdgasspeicher heute
und in Zukunft eine essentielle Rolle für den Gasmarkt.
Maximal nutzbares Arbeitsgasvolumen der UGS 2013 · Quelle: Bundesnetzagentur/Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2014
10 | Wettb ewerb 201 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Strom – stabil auf hohem Niveau
Deutscher Strommarkt ist der liquideste in Europa
Die Bundesnetzagentur hat in ihrem Monitoringbericht 2014 erneut die hohe Liquidität
des Stromgroßhandels bestätigt. Neben dem OTC-Markt ist dabei die Entwicklung des
börslichen Stromhandels bemerkenswert. So sind insbesondere Volumenzuwächse am
Intraday-Markt der EPEX SPOT zu verzeichnen gewesen.
Deutliche Volumenzuwächse sind im börslichen Terminhandel (+ 50 Prozent) und im
OTC-Clearing der EEX zu verzeichnen (+ 23 Prozent). Aber auch im OTC-Handel bestätigt
die Bundesnetzagentur das hohe Niveau und beziffert das Gesamtvolumen des Termin­
marktes mit 5.900 TWh, was ein Mehrfaches des börslichen Handels ausmacht.
Indikativ für die Liquidität, die für das Funktionieren der Märkte notwendig ist,
sind u. a. die Zahl der Markteilnehmer und die Handelsvolumina:
Eine besondere Rolle spielt der Bid-Offer-Spead, der sich als die Differenz von Angebots­
preis und Nachfragepreis definiert. Je kleiner der Bid-Offer-Spread ist, umso geringer sind
die Transaktionskosten und desto höher ist die Liquidität in einem Markt.
Frontier Ecomics und Consentec stellten (Nov. 2013) eine vergleichsweise hohe Liquidität
in Deutschland gegenüber den Nachbarmärkten Belgien und Niederlanden fest.
Bid-Ask Spreads - yearly averages
OTC Spectron
Germany
Netherlands
Belgium
0,6
0,5
0,4
€
n
i
d0,3
a
re
p
S
0,2
0,1
0,0
2008
2009
2010
2011
2012
2013
OTC Bid-Ask Spreads für Forwards mit einjähriger Laufzeit · Quelle: Frontier Economics/Consentec zu „Bidding Zone Configuration“ (Nov. 2013)
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 11
Spotmarkt
Die Spotmärkte der EXAA und EPEX befinden sich mit ihrem Handelsvolumen auf
einem stabilen hohen Niveau und weisen einen hohen Grad an Wettbewerb auf.
Im Jahr 2014 wuchs die Zahl der Börsenmitglieder an der EPEX SPOT weiter an und erreicht
mittlerweile eine Gesamtzahl von 225. Die Mitgliedschaft ist hierbei sehr heterogen, was
zum Beispiel Größe, Herkunftsland und Unternehmenszweck angeht. Die Liquidität des
Stromgroßhandels ist ungebrochen.
[TWh]
2500
2000
1500
1570
1000
1044
500
0
1150
1165
1025
1264
1208
1075
931
517
342
338
119
31
154
203
279
382
124
346
89
339
60
86
314
49
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Spot Market
Deriv. Market
Handelsvolumina am Spot- und Terminmarkt für Strom · Quelle: EEX, EPEX SPOT (2015)
Nach der Einführung des Intraday-Handels im Jahr
2006 sind die jährlichen Handelsmengen kontinuierlich
gestiegen. Im Jahr 2014 gab es im Intraday-Handel
starke Gesamtergebnisse und eine kräftige Steigerung
der Handelsvolumina um 33 Prozent gegenüber dem
Vorjahr. Der Intraday-Markt ist ein wichtiges Instru­
ment. Die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) nutzen
den Day-Ahead-Markt zur Optimierung der Erzeu­
gungsinfrastruktur mit Blick auf die erwartete Last.
Der Intraday-Markt wird dann für die Korrekturen
genutzt, die sich auf Basis der verbesserten Prognosen
ergeben. Im Jahr 2014 wurde an den Day-Ahead- und
den Intraday-Märkten der EPEX SPOT ein Handelsvo­
lumen von 382 TWh umgesetzt. Die Intraday-Märkte
erreichten 30,8 TWh. 18,9 Prozent des gesamten
Intraday-Volumens entfielen auf grenzüberschreitende
Handelsgeschäfte. Das Handelsvolumen in 15-Minu­
ten-Kontrakten auf dem deutschen und schweize­
rischen Intraday-Markt stieg auf 4,9 TWh. Dies ist ein
Anstieg von 87 Prozent gegenüber 2014. Beide Werte
zeigen die kontinuierliche und steigende Bedeutung
von Strommärkten mit flexiblen Kontrakten und kurzer
Vorlaufzeit. Auch für 2015 ist ein weiteres Wachstum
im Spotmarkt (Day-ahead und Intraday) zu erwarten.
Hintergrund für diese Entwicklung ist insbesondere auch der rasant gestiegene Ausbau der Erneuerbaren Energien
und damit die Reaktion der Marktteilnehmer, die die verbesserten Prognosen der Einspeisung bzw. des Verbrauchs
nutzen, um ihre Portfolien auszu­gleichen. Gerade die Entwicklung bei den Wetterprognosen zeigt, dass diese in
der letzten Stunde vor Erfüllung sehr genau sind, so dass Marktteilnehmer gerade in der letzten Stunde sehr aktiv
werden.
Intr aday Deals für H21- H8
250
Intr aday Deals für H9- H20
500
2013
200
2014
400
Handelsvolumen [MW]
Handelsvolumen [MW]
2013
450
2014
150
100
50
350
300
250
200
150
100
50
0
0
240
210
180
150
120
90
60
30
0
Dauer bis GCT [min]
Intr aday Deals für H21- H8
250
500
2013
200
2014
400
150
100
50
Autor der Präsentation
2013
450
2014
350
300
250
200
150
100
50
0
0
240
210
180
150
120
90
Dauer bis GCT [min]
60
30
0
240
210
180
150
120
90
60
30
0
Dauer bis GCT [min]
Mittlere Intraday-Transaktionsvolumina EPEX Spot für den Handelsplatz Deutschland
(2013 - 07/2014) bei unterschiedlicher Vorlaufzeit bis zur Gate Closure Time;
für die stündlichen Handelsprodukte H21-H8 (oben) und H9-H20 (unten)
Quelle:
EnBW AG (2014), Daten: EPEX SPOT
Autor
der Präsentation
240
210
180
150
120
90
60
30
0
Dauer bis GCT [min]
Intr aday Deals für H9- H20
Handelsvolumen [MW]
Handelsvolumen [MW]
12 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
01.06.2013
Seite 1
01.06.2013
Seite 1
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 13
Des Weiteren ist am börslichen Intraday-Markt geplant, die Gate Closure Time weiter auf 30 Minuten vor
Lieferzeitpunkt zu verkürzen.
Derzeit sind Handelsgeschäfte letztmalig 45 Minuten vor dem Lieferzeitpunkt möglich. Im OTC-Intraday-Handel
ist dies bis 15 Minuten möglich. Es ist zu erwarten, dass zukünftig die Handelsaktivitäten weiter ansteigen werden.
EPEX SPOT Intraday Handelsvolumen · Quelle: EPEX SPOT (2015)
Zudem hat die EPEX SPOT am 9. Dezember 2014 die Einführung einer Nachmittagsauktion für 15-MinutenKontrakte für die Viertelstunden des Folgetages im deutschen Marktgebiet erfolgreich gestartet.
Diese Kontrakte sollen bei der Feinabstimmung von Portfolios helfen und den Handel für geplante und prognosti­
zierte innerstündliche Variationen in Erzeugung und Verbrauch vereinfachen. Sie stellt eine gute Ergänzung zum
bereits bestehenden kontinuierlichen Intraday-Handel mit Viertelstundenprodukten dar. Zwischen Dezember 2014
und März 2015 wurden bereits 750 GWh gehandelt, mit Rekordtagen von über 12 GWh. Rund 70 Unternehmen sind
bei der Viertelstundenauktion aktiv.
15-Minuten-Kontrakte: Volumenentwicklung · Quelle: EPEX SPOT (2015)
14 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Regelenergie Strom
In seiner Funktion zur Gewährleistung einer sicheren Stromver­sorgung
nimmt der Regelenergiemarkt eine besondere Rolle ein:
Die Regel­leistung ist die letzte zu ergreifende, marktlich konstituierte
Maßnahme zum Erhalt der Frequenz und des Leistungsausgleichs.
Erst wenn dieses Instrument genutzt wurde, erfolgen Eingriffe und
Zwangsmaßnahmen zum Erhalt der Systemsicherheit.
Seit 2001 beschaffen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ihren Bedarf an Primärund Sekundär­regelleistung sowie Minutenreserve auf einem offenen, transparenten und diskri­
minierungsfreien Markt für Regelleistung entsprechend den Vorgaben des Bundeskartellamtes.
Für die Abwicklung der Ausschreibungen haben die deutschen Übertragungsnetzbetreiber die
gemeinsame IT-Plattform www.regelleistung.net eingerichtet und marktbasierte Lösungen ent­
wickelt, die auch den Anforderungen eines sicheren und stabilen Netzbetriebes gerecht werden.
Am Regelleistungsmarkt nehmen zahlreiche Lieferanten (sowohl Kraftwerksbetreiber als auch
Stromkunden) teil – insbesondere für Minutenreserve. Über Poolbildung können Kleinlieferanten
an den Ausschreibungen teilnehmen. Annähernd 90 Prozent aller Erzeugungsanlagen, die in der
Lage sind, Regelenergie bereitzustellen, sind bei den ÜNB zur Teilnahme qualifiziert.
Der Netzregelverbund regelt in allen Netzgebieten einheitlich die Dimensionierung und die
eigentliche Beschaffung sowie Einsatz und Abrechnung von Regelleistung. Für alle Regelzonen
gilt der sogenannte „regelzonenüber­greifende einheitliche Bilanzausgleichsenergiepreis“ (reBAP).
Damit werden Situationen vermieden, bei denen zuvor in benachbarten Regelzonen gleichzeitig
positive (Energiezufuhr) und negative Regelleistung (Reduzierung der Kraftwerkseinspeisung)
eingesetzt wurde.
Die aktuellen Regelungen des Regel­energie­marktes in Deutschland
stellen ein etabliertes und gut funktionierendes Verfahren dar.
Regelenergie ist ein Instrument, das die Übertragungsnetzbetreiber
(ÜNB) zum Ausgleich von Frequenz- und Leistungsschwankungen
einsetzen können.
Diese Schwankungen entstehen durch Über- oder Unterspeisungen
von Bilanzkreisen innerhalb der Regelzonen.
Der Einsatz von Regelenergie hilft daher das permanente Gleichgewicht
zwischen Ein- und Ausspeisung im Stromnetz zu erhalten.
Die Rahmenbedingungen des Bilanzkreisvertrages und des Ausgleichs­
energiesystems bieten ebenfalls sehr gute Anreize für jeden BKV, für
einen ausge­glichenen Bilanzkreis zu sorgen.
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 15
Verteilung des deutschen Regelzonensaldos in den Jahren 2012-14 · Quelle: Eigene Darstellung, Daten von regelleistung.net
Aus gleichs ener gie [TWh]
Grundsätzlich ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahren tendenziell weniger positive und negative Regel­
energie in Anspruch genommen wurde, wie die folgende Abbildung darstellt.
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
NE G
POS
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Sinkende Entwicklung der Ausgleichsenergiemenge im Zeitraum 2007 – 2014 · Quelle: EnBW AG (2015), Daten: TransnetBW
Dieser Rückgang stützt die These, dass trotz des
starken Ausbaus der Erneuerbaren-Kapazitäten im
selben Zeitraum die systematischen Abweichungen
abnahmen bzw. zunehmend besser bewirtschaftet
wurden. Die Erkenntnis eines starken Rückgangs
der Inanspruchnahme von Ausgleichsenergie um fast
50 Prozent in den letzten sieben Jahren geht somit
einher mit der vorläufigen Feststellung, dass die
Ver­besserungen in den Bilanzkreisen schon umgesetzt
wurden. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung,
wurde doch vielfach angenommen, dass die Erneuer­
baren Energien aufgrund ihrer schwankenden Ein­spei­
sung schwieriger zu prognostizieren seien.
16 | Wettb ewerb 201 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
• Deutschland spielt wichtige Rolle beim Zusammenwachsen der Strommärkte
Marktabdeckung
Power Derivatives - December 2012
Exchange-traded EEX
Power Futures
EEX Trade
Registration Services
for Power Futures
Immer mehr Großhandelsprodukte
werden in mehr als nur einem
Markt angeboten. Dieses Angebot
wird auch angenommen und im
selben Zuge werden neue Markt­
gebiete einbezogen.
Exemplarisch lässt sich dies an
den Terminmarkt-, Clearingund Serviceprodukten der EEX
verdeutlichen:
ECC Clearing for
Partner Exchanges
Trading volume
and volume shares
FR 2,1%
931 TWh
DE/AT 97,9%
Marktabdeckung
Power Derivatives - December 2013
Exchange-traded EEX
Power Futures
EEX Trade
Registration Services
for Power Futures
ECC Clearing for
Partner Exchanges
Trading volume
and volume shares
FR other
1,6% 0,1%
1.266 TWh
DE/AT 98,3%
NL/BE: physical futures
Marktabdeckung
Power Derivatives - December 2014
Exchange-traded EEX
Power Futures
EEX Trade
Registration Services
for Power Futures
ECC Clearing for
Partner Exchanges
Trading volume
and volume shares
Geografische Marktabdeckung EEX
IT other
FR 6,6% 0,2%
4,6%
Quelle: EEX (2014)
1.365 TWh
30/11/14
DE/AT 88,6%
NL/BE: physical futures
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 17
• Marktkopplung – ein gesamteuropäischer Stromgroßhandelsmarkt ist zum Greifen nah
Ein weiterer wesentlicher Schritt in Richtung eines einheitlichen Strombinnenmarktes wurde am 4. Februar 2014
mit dem Start der Preiskopplung in Nordwesteuropa (NWE) unternommen. Sie erstreckt sich von Frankreich
nach Finnland und von Deutschland/Österreich nach Großbritannien und deckt nun Zentralwesteuropa (CWE),
Großbritannien, die nordischen und die baltischen Staaten ab. Mit der Erweiterung der Marktkopplung auf Süd­
westeuropa (SWE), also der Integration von Spanien und Portugal am 13. Mai 2014, ist bereits die erste Ausweitung
erfolgt. Am 24. Februar 2015 wurden drei der fünf italienischen Grenzen gekoppelt (nach Frankreich, Österreich
und Slowenien). Die Zusammenarbeit zielt auf eine noch effizientere Nutzung der limitierten Übertragungskapa­
zitäten auf den Interkonnektoren zwischen den Ländern ab, um dadurch den volkswirtschaftlichen Nutzen durch
die Preiskopplung der Day-Ahead-Strommärkte in dieser Region weiter zu optimieren. Dabei werden implizite
Auktionen und erstmals die Price-Coupling-of-Regions-Lösung (PCR) im täglichen Betrieb genutzt. Im Ergebnis
führt diese Methode zu optimierten marktgetriebenen Lastflüssen und dadurch zu einer Preisannäherung, bzw. bei
ausreichenden Grenzkapazitäten zur Preisangleichung zwischen den jeweiligen nationalen vortägigen Märkten.
Legend
CWE: Central West Europe
(Germany/Austria, France, Benelux)
NWE: North West Europe (CWE, GB &
Nordic-Baltic countries)
SWE: South West Europe (Spain & Portugal)
MRC: Today’s Multi-Regional Coupling
encom- passing 19 countries (NWE, SWE,
Italy & Slovenia)
4M MC: 4M Market Coupling encompassing
Czech Republic, Slovakia, Hungary and
Romania. Not yet connected to MRC.
Switzerland: After CH-EU political agreement
Greece: After technical readiness and further
market reforms
Nov 2010: Interim Tight Volume Coupling
between CWE & Nordics
Feb 2014: Full Price Coupling between CWE,
GB, Nordic & Baltic countries; creating NWE
Nov 2010: CWE Coupling
Q2/2015: Flow-based
capacity calculation
(via SwePol)
Nov 2014: 4M MC
May 2014: SWE joins
NWE, creating the MRC
Feb 2015: Italian Borders
IT-FR, IT-AT & IT-SI join MRC
Überblick Marktkopplung „Price Coupling of Regions“ (PCR) · Quelle: EPEX SPOT (2015)
Osteuropäische Regionen sind gleichfalls auf dem besten Wege, sich anhand der PCR-Lösung mit dem bereits
gekoppelten Gebiet zu verbinden.
18 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Der nächste signifikante Schritt ist die Umstellung auf einen lastflussbasierten Allo­
kationsprozess, der am 20. Mai 2015 für die Region Zentralwesteuropa erfolgreich
gestartet ist. Daher sollte auch bei der Implementierung der euro­päischen Netzkodizes
auf eine starke europäische Harmonisierung geachtet werden.
„Die PCR-Märkte decken mittlerweile Länder ab, die für rund 85 Prozent des europäischen
Stromverbrauchs stehen. PCR ist die eine Lösung, sie alle zu koppeln – und sie ist konform
mit den zukünftigen Netzkodizes für Kapazitätszuteilung und Engpassmanagement.
Wir sind näher denn je an der Vollendung des EU-Energiebinnenmarkts.“
(Pressemitteilung EPEX SPOT 5. Juni 2014, Zitat Jean-François Conil-Lacoste, Vorstandsvorsitzender EPEX SPOT)
• Transparenz der Großhandelsmärkte Strom und Gas
Stärkung des Vertrauens in den Energiegroßhandel
Aufgrund der zunehmenden Integration der Energie­han­
dels­märkte hat die Europäische Union 2011 die Verordnung
„Regulation on Energy Market Integrity and Transparency
– REMIT“ verabschiedet, die bereits heute direkt in allen
Mitgliedstaaten anwendbar ist.
Die wichtigsten Punkte der REMIT sind die Schaffung
spezieller Regeln zur Vermeidung von Marktmissbrauch
und zur weiteren Verbesserung von Transparenz auf dem
Markt und gegenüber den Behörden und die Schaffung
eines europaweiten Registers für Unternehmen, die auf
dem Energiegroßhandelsmarkt tätig werden.
Als zentrale Aufsichtsbehörden im Rahmen der REMIT
sind die Europäische Agentur für die Zusammenarbeit der
Energie­regulierungsbehörden (ACER) in Zusammenarbeit
mit den nationalen Regulierungsbehörden und die Euro­
päische Kommission vorgesehen.
Durch die zentrale Meldung von Handelsdaten und Daten
zur Verfügbarkeit von Energieinfrastruktur an ein neues
europäisches Register erhoffen sich die Aufsichtsbehörden
einen besseren Einblick in den Energiegroßhandel.
Neben ACER werden auch andere Behörden auf nationaler
und europäischer Ebene wie Finanz- und Wettbewerbs­
behörden Zugang zu diesen Daten haben. Die vorgesehene
regelmäßige elektronische Bereitstellung der Handels- und
Fundamentaldaten durch die Unternehmen erleichtert den
Behörden den Überblick über das tägliche Marktgeschehen.
Die bei der Bundesnetzagentur eingerichtete Markttrans­
parenzstelle (MTS Strom/Gas) ist die nationale Marktüber­
wachungsstelle für den Großhandel mit Strom und Gas
gemäß Art. 7 Abs. 2 REMIT. Dabei überwacht die MTS
Strom/Gas den Handel mit Energiegroßhandelsprodukten,
u. a. um auf Insider-Informationen und Marktmanipulation
basierenden Handel aufzudecken und zu verhindern.
Die Aufgaben der MTS Strom/Gas nehmen die Bundesnetz­
agentur und das Bundeskartellamt einvernehmlich wahr.
Zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz
zählt auch, dass Fundamentaldaten regelmäßig veröffent­
licht werden und für die Marktteilnehmer zugänglich sind.
Entsprechendes Beispiel für Gas wäre die Transparenz­
plattform von ENTSOG (https://transparency.entsog.eu/),
auf der auch die deutschen Ferngasnetzbetreiber Daten
veröffentlichen. Ziel ist es, die Transparenz der täglichen
TSO-Operationen in ganz Europa durch die Veröffent­
lichung von relevanten Zugangs- und die Betriebsinfor­ma­
tionen zu erhöhen.
Das hohe Maß an Transparenz von Fundamentaldaten hat
zur positiven Entwicklung im Strommarkt beigetragen.
Es wird über verschiedene Transparenzplattformen sicher­
gestellt. In Deutschland werden die Transparenzpflichten
der Stromerzeugung durch die EEX-Transparenzplattform
veröffentlicht. Mit dem Start der ENTSO-E Transparenz­
plattform Anfang des Jahres 2015 ist die Transparenz der
angrenzenden Strommärkte verbessert worden.
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 19
Weitere Fundamentaldaten zum Großhandelsmarkt Strom werden auf den Webseiten der
Übertragungsnetzbetreiber und Stromversorger den Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt.2
Transparenzplattform EEX · Quelle: EEX (2015)
Auswahl aktueller Transparenzplattformen in Deutschland:
2 • http://www.eex-transparency.com/
• http://www.netztransparenz.de/de/index.htm
• http://www.regelleistung.net
• http://www.rwe.com/web/cms/de/59968/transparenz-offensive/
• http://www.tennettso.de/site/Transparenz/veroeffentlichungen/netzkennzahlen
• http://www.amprion.de/netzkennzahlen
• https://www.transnetbw.de/de/kennzahlen
• http://www.50hertz.com/de/Kennzahlen https://transparency.entsoe.eu
20 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
Endkundenmärkte – Hohe Wettbewerbsintensität ist Normalität
Neben dem Großhandelsmarkt entwickelten sich auch die Endkundenmärkte Strom und Gas positiv, wie
die Fakten des Monitoringberichts 2014 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt verdeutlichen:
• 2013 konnten die Letztverbraucher im Schnitt aus 97 Stromanbietern in ihrem Netzgebiet
wählen. In 90 Prozent der Netzgebiete beliefern 31 oder mehr Gasanbieter die Letztverbraucher
(in 70 Prozent der Netzgebiete gibt es mehr als 50 Erdgaslieferanten).
• Die Marktkonzentration der Vertriebe bleibt weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Das
Deutschland in den Endkundenmärkten für Gas und Strom auch im europäischen Vergleich mit
die niedrigste Marktkonzentration aufweist, verdeutlichen auch die Daten von Eurostat.
Marktanteil 2013 des größten Gasvertriebs*
100%
100% 98%
96%
89%
85%
80%
70%
63% 62%
60%
59% 58%
50%
52%
43% 41%
39%
40%
35% 33%
30%
28% 26% 25%
20%
22% 21%
15%
Deutschland*
Ungarn
Großbritannien
Rumänien
Italien
Belgien
Griechenland
Spanien
Tschechien
Kroatien
Irland
Frankreich
Slowenien
EJR Mazedonien
Portugal
Slowakei
Finnland
Polen
Estland
0%
Litauen
10%
Lettland
Marktanteil am Gasabsatz
an Letztverbraucher in %
90%
* Wert 2012, 2013 hatten die drei größten Gaslieferanten gemäß BNetzA im SLPMarkt einen Anteil von 22 % und im RLM-Markt 33 %
Europäischer Vergleich, Marktanteil 2013 des größten Gasvertriebs · Quelle: BDEW, Daten von Eurostat
27.04.2015
Seite 1
• Die Lieferantenwechselrate für Strom lag im Jahr 2013 bei Industrie- und Gewerbekunden bei
12 Prozent. Die Zahl der Lieferantenwechsel von Haushaltskunden ist im Vergleich zum Vorjahr
2012 von 3,2 Millionen auf 3,6 Millionen gestiegen; das entspricht einer anzahlbezogenen
Wechselquote von 7,8 Prozent. Im Gasbereich ist die Lieferantenwechselmenge bei Haushalts­
kunden im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent gestiegen. Die anzahlbezogene Wechselquote
für Kunden betrug 2013 8,5 Prozent (vgl. Haushaltskunden 2012 bei 7,5 Prozent).
We t t b e we r b 2 0 15 – St a t u s Q u o We t t b e wer b | 21
• Vertragsgestaltung/Produkte: Insbesondere Haushaltskunden mit einem höheren
Jahresverbrauch für Strom haben einen größeren Anreiz zu wechseln. Sie wählen vielfach
Produkte mit Sonderbonifikationen wie Boni, Mindestlaufzeiten und Festpreisen, was die
Vergleichbarkeit der Preise zwar erschwert, deren Vielfalt aber wettbewerbsrelevant ist.
Vergleichs- und Wechselportale bieten einen breiten Überblick. Ihre Leistungen wiederum
sind Gegenstand der Prüfung von Verbraucherschutzeinrichtungen. Auch der Anteil der
Ökostromkunden nimmt weiter zu: Ökostromkunden machen 17 Prozent an der Gesamt­
zahl der Letztverbraucher aus.
• Strompreis für Haushaltskunden: Der Vergleich der Mittelwerte der drei Kategorien
(Grundversorgung, Sondertarif beim Grundversorger, Lieferantenwechsel) seit 2008 zeigt,
dass Sonderverträge bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh für Haushaltskunden in
der Regel günstiger als der jeweilige Grundversorgungstarif sind. Sonderverträge können
neben dem Gesamtpreis eine Reihe weiterer Merkmale aufweisen, mithilfe derer Liefe­
ranten in Wettbewerb um den Kunden treten. Dabei kann es sich um Merkmale handeln,
die dem Kunden Sicherheit bieten (z. B. Preisstabilitätsgarantie) oder aber dem Liefe­
ranten (z. B. Vorauskasse, Mindestvertragslaufzeit), wobei ein entsprechender Ausgleich
zwischen den Vertragspartnern an anderer Stelle (Gesamtpreis) erfolgt.
„Der über alle Tarife mengengewichtete Strompreis steigt [im Jahre 2014]
leicht um 1 Prozent (+0,29 ct/kWh) und liegt damit nur geringfügig über dem
Wert des Jahres 2013. Die geringe Steigerung liegt hauptsächlich daran, dass
der vom Lieferanten beeinflussbare Preisbestandteil um 0,48 ct/kWh sowie
die Umlage nach § 19 StromNEV um 0,24 ct/kWh gesunken sind und damit die
gestiegenen Umlagen (EEG und KWKG) teilweise kompensieren.“
Quelle: Monitoringbericht 2014 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, S. 167
Im Durchschnitt sind 2015 die Strompreise für Haushaltskunden in absoluten Zahlen
gesunken.
Der Nettonetzentgeltanteil beläuft sich auf etwa 20 Prozent. Umlagen, Steuern und Ab­
gaben betragen in Summe über 51 Prozent des durchschnittlichen Elektrizitätspreises für
Haushaltskunden. Die EEG-Umlage hat hieran mit 21 Prozent den weitaus größten Anteil.
Zum Stichtag 1. April 2014 sind insgesamt betrachtet stabile Gaspreise im Segment der
Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 23.269 kWh im Vergleich zum Vorjahr zu
verzeichnen. Der Anteil von Steuern und Abgaben liegt mit rund 25 Prozent des Gaspreises
für Haushaltskunden niedriger als beim Strom.
22 | Wettb ewerb 201 5 – S ta tus Q uo Wettb ewer b
• Versorgungszuverlässigkeit: Die mittlere Nichtverfügbarkeit im Mittelspannungsund Niederspannungsnetz lag bei 15,32 Minuten (vgl. 2012: 15,91 Minuten) beim Strom, bei
Gas lag der SAIDI (System Average Interruption Duration Index) bei 0,64 Minuten/Jahr
über alle Druckstufen. Es besteht also weiter eine sehr hohe Zuverlässigkeit auch im euro­
päischen Vergleich.
• Zudem wurden weitere Verbesserungen für den Verbraucher eingeführt: Der Wechsel
eines Strom- oder Gaslieferanten muss seit dem 1. April 2012 binnen drei Wochen erfolgen.
Standardisierte und elektronisch automatisierte Marktprozesse tragen dazu bei, dass der
Lieferantenwechsel schnell, zuverlässig und reibungslos durchgeführt werden kann.
Der Kunde braucht nur einen einzigen Ansprechpartner, um seinen Energieversorger zu
wechseln.
• Seit dem 1. November 2011 ist die Schlichtungsstelle Energie am Start: Kunden haben
die Möglichkeit, im Anschluss an ein Beschwerdeverfahren beim Unternehmen ein
Schlichtungsverfahren durchführen zu lassen, wenn keine Einigung oder Hilfe binnen
vier Wochen erfolgt. Auch die gemäß EU-Richtlinie geforderte Netzneutralität wurde im
Bereich der Verteilnetzbetreiber weiter verbessert (Markendifferenzierung).
Im BDEW-Kundenfokus werden Haushaltskunden nach ihrer Wahrnehmung der Energie­
branche befragt, aber auch nach der Zufriedenheit mit dem eigenen Energieversorger.
Bei der letzten, bereits mehrfach erfolgten Umfrage im Oktober 2014 unter 1200 Stromund Gaskunden gab eine deutliche Mehrheit der befragten Haushaltskunden an, mit ihrem
Energieversorger in höchstem Maße zufrieden bzw. sehr zufrieden zu sein (74 Prozent
für Stromversorger, 71 Prozent für Erdgasanbieter). Zu den guten Imagewerten trugen
vor allem die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Versorgung bei. Immerhin 40 Prozent der
Stromkunden und 36 Prozent der Gaskunden schätzten das Preis-Leistungs-Verhältnis
bei Strom als gut oder sehr gut ein (plus 6 Prozentpunkte bzw. plus 2 Prozentpunkte im
Vergleich zum Vorjahr).
Fazit
Trotz der steigenden bzw. auf hohem Niveau stagnierenden Wettbewerbsindikatoren liegt Deutschland
weiter über dem Durchschnitt bzw. in der Spitzengruppe beim europäischen Strompreisvergleich –
insbesondere bei den Haushaltkunden: Hier belegt Deutschland im 2. Halbjahr 2013 Platz 2 und liegt mit
60 Prozent über dem EU-Durchschnitt.3 Mit durchschnittlich 29,21 ct/kWh überwiegt der Gesamtpreis um
60 Prozent den sich im Durchschnitt für alle EU-Mitgliedstaaten ergebenden Wert von 18,17 ct/kWh bei
Haushaltskunden. Das Gaspreisniveau für Haushaltskunden entspricht im gleichen Zeitraum nahezu dem
Durchschnitt der an der Erhebung teilnehmenden EU-Länder.
Quelle: Monitoringbericht 2014 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, S. 20
3 We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 23
Wettbewerb in der Transformation erhalten
Das beachtliche, in Deutschland erreichte Wettbewerbsniveau im Strom- und Gasmarkt und das
voranschreitende Zusammenwachsen der nationalen Großhandelsmärkte sind keine Selbstverständlichkeiten, die auch in Zukunft gegeben sind. Sie bedürfen vielmehr eines fortdauernden
Bekenntnisses der Politik zum Wettbewerb.
• Zugleich bietet funktionierender Wettbewerb auf dem Strom- und Gashandelsmarkt
auch die Chance, gesellschaftlich verabredete Transformationsprozesse effizient umzusetzen:
Die europäische und nationale Energiepolitik haben ehrgeizige und zugleich langfristig ange­
legte Ziele zum Schutz des Klimas gesetzt. Darüber hinaus hat sich Deutschland ehrgeizige
Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzt und steht im Begriff, aus der Nutzung der
Kernenergie vollständig auszusteigen. Die Erreichung dieser Ziele verlangt den Marktakteuren
viel ab. Dies wird auch über einen längeren Zeitraum so bleiben.
• Andere Wirtschaftsräume, etwa die USA oder die Golfstaaten, produzieren und konsumieren
zu deutlich niedrigeren Energiekosten. Dies führt zu einem fortdauernden Wettbewerbs­
druck auf die EU und ihre Mitgliedstaaten. Wenn die EU und Deutschland an ihren ehrgeizigen
energie­politischen Zielen festhalten wollen, ist Effizienz von allererster Bedeutung. Die Markt­
kräfte ermöglichen es, den als erforderlich angesehenen Transformationsprozess zu geringsten
Kosten zu erreichen.
Parallel hierzu entwickeln sich neue Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle sowie
politische und gesellschaftliche Trends. Diese Entwicklungslinien lassen sich grob mit den Begriffen
• Dekarbonisierung
• Dezentralisierung
• Digitalisierung und
• Europäisierung
charakterisieren. Soweit nicht Aspekte des Umweltschutzes und ähnlicher Belange entgegenstehen,
führt ein technologieoffener Politikansatz zu den effizientesten Ergebnissen. Auch hier erweist sich
der Wettbewerb als der geeignete Rahmen für den Wandel.
Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien
– so viel Wettbewerbselemente, wie die Erreichung der Ausbauziele erlaubt
Der Umbau des Energiesystems hin zu einer größtenteils auf Erneuerbaren Energien basierenden Energie­
versorgung erfordert eine bessere Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren. Da sich Erneuerbare
Energien an den allgemeinen Strommärkten alleine auf absehbare Zeit nicht refinanzieren können, bedarf es
eines regulatorischen Rahmens, der diese Lücke schließt, Anbieter und Vermarkter Erneuerbarer Energien im
Übrigen jedoch den gewöhnlichen Marktanreizen aussetzt.
24 | Wettb ewerb 201 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
Direktvermarktung
Alle Betreiber von Erneuerbare-EnergienAnlagen sollen mittelfristig verpflichtet
werden, abhängig von Marktpreissignalen
ihren Strom zu produzieren und eigenver­
antwortlich zu vermarkten.
Die Marktprämie ist ein wichtiger Schritt
zur Marktintegration der Erneuerbaren
Energien. Anlagenbetreiber und Ver­
markter bringen ihr Erzeugungsportfolio
direkt an den Markt. Es entstehen neue
Geschäftsmodelle und Vermarktungsstra­
tegien. Neben dem Nutzen für das gesamte
Energiesystem, z. B. aufgrund geringerer
Ausgleichsenergie und Netzausbaukosten,
bessere Prognosegüte, ist ein Engagement
von etablierten Energieversorgern als Di­
rektvermarkter für Dritte eine Möglichkeit,
ihr allgemeines Geschäftsrisiko zu diversi­
fizieren, Kunden durch maßgeschneiderte
Lösungen langfristig an sich zu binden
und dadurch auch eigene Arbeitsplätze
zu sichern. Für neue Dienstleister ist die
Direktvermarktung ein erster Schritt auf
den Energiemarkt.
Durch die mit der EEG-Novelle 2014 ein­
geführte verpflichtende Direktvermarkung
wird die Nachfrage nach entsprechenden
Dienstleistungen weiter wachsen. So
werden mit der EEG-Novelle 2014 Betreiber
von EEG-Anlagen mit einer installierten
Leistung von über 500 kW zur Direktver­
marktung verpflichtet, wenn diese Anlagen
bis Ende 2015 in Betrieb genommen
werden. Für Anlagen mit Inbetriebnahme­
datum ab dem 1. Januar 2016 gilt die
verpflichtende Direktvermarktung ab
einer installierten Leistung von 100 kW.
Der Transformationsprozess, in dem sich
die Energieversorgung befindet, wird auch
Auswirkungen auf die Beschaffung von
Regelenergie haben. Künftig wird es darum
gehen, alle Erzeugungsarten auch Erneuer­
bare Energien, stärker als bisher in die
Bereitstellung von Regelenergien einzubin­
den. Voraussetzung für die Integration der
Erneuerbaren Energien und weiterer An­
bieter in den Regelleistungsmarkt ist aber
auch, dass die Sicherheit der Versorgung
auch weiterhin (auch in windschwachen
Zeiten) gewährleistet bleibt. Die verstärkte
Nutzung von Poolingverfahren von Win­
danlagen mit konventionellen Anbietern
von Regelleistung und die Weiterentwick­
lung der Regelenergieprodukte sind dabei
bedeutende Schritte.
Auch durch u. a. eine bessere Fernsteuer­
barkeit können Erneuerbare Energien auch
zukünftig vermehrt am Regelenergiemarkt
teilnehmen und in den Wettbewerb dort
eintreten.
Gut funktionierende Marktprozesse leisten
einen wichtigen Beitrag, die Transaktions­
kosten zu senken und den Wettbewerb zu
stärken.
Zudem sollte künftig die Prämie nicht
mehr über einen festen Jahreszeitraum
ausbezahlt werden, sondern nach einem
jährlichen Mengenkontingent. Nur dadurch
kann gewährleistet werden, dass die Be­
treiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen
einen Anreiz erhalten, bei negativen
Preisen abzuregeln und so ihre Anlagen
grenzkostenbasiert einzusetzen.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 25
Direktvermarktung nach Marktprämienmodell
Betreiber von Anlagen, die gewisse technische Voraussetzungen erfüllen, können am sog. Markt­
prämienmodell teilnehmen. Betreiber verkaufen ihren Strom dann selbst oder durch Dienstleister
direkt und erhalten als Vergütung den Marktpreis und eine Marktprämie, die sich aus der Differenz
zwischen dem Marktpreis und der entsprechenden EEG-Vergütungshöhe errechnet.
Das Marktprämienmodell setzt u. a. Anreize, die Einspeisung von EEG-Strom in Stunden mit starken
negativen Börsenpreisen zu reduzieren und die Fernsteuerbarkeit von Anlagen zu erhöhen. Die EEGUmlagenentlastung durch die Vermeidung von negativen Preisen wird auf mehr als 500 Millionen
Euro im Jahr 2016 geschätzt. Die für das Marktprämienmodell verpflichtende Fernsteuerbarkeit hat
eine Dynamik ausgelöst, v. a. die Steuerbarkeit von Windanlagen deutlich zu erhöhen. Seit 1. April
2015 müssen alle EEG-Anlagen im Marktprämienmodell fernsteuerbar sein. Das sind derzeit 44 GW,
davon 32 GW Windkraftanlagen an Land.
Die Direktvermarktung umfasst Aufgaben wie das Bilanzkreismanagement sowie Rechnungsstellung
inklusive Stromkennzeichnung bei Letztverbraucherbelieferung. Zentraler Aspekt der Direktvermark­
tung ist das Bilanzkreismanagement, also der Verkauf von Produktionsüberkapazitäten sowie der
Zukauf von Fehlmengen bei Anlagenausfällen oder Unterproduktion der Anlage.
Zusätzlich muss ein umfangreiches Vertragswesen abgedeckt werden. Da nur wenige Anlagenbe­
treiber hierzu selbst in der Lage sind, hat sich seit 2012 ein wachsender Dienstleistungsmarkt rund um
das Thema Direktvermarktung gebildet. Mittlerweile sind über 70 Unternehmen als Direktvermarkter
in Deutschland aktiv, wobei 50 Unternehmen vornehmlich eigene Anlagen und 20 Unternehmen auch
Erzeugungsanlagen Dritter vermarkten. 66 Prozent der in der Direktvermarktung befindlichen Erzeu­
gungsleistung werden durch ca. sieben Unternehmen direkt vermarktet. Einen hohen Anteil der Di­
rektvermarkter bilden Unternehmen, die zuvor noch nicht am deutschen Erzeugungsmarkt etabliert
waren. Weitere Marktakteure sind klassische nationale, regionale und kommunale Energieversorger
bzw. deren jeweilig zu diesem Zweck ausgegründeten Tochterunternehmen und auch ausländische
Energieversorger.
26 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
Ausschreibung
Systemintegration
Die Direktvermarktung ist ein wichtiger,
aber noch kein ausreichender Schritt, um
Erneuerbare Energien – unter Einhaltung
der Ausbauziele – soweit wie irgend mög­
lich an den Markt heranzuführen. Wett­
bewerb bedeutet nicht nur die Reaktion
auf Marktpreissignale der allgemeinen
Strommärkte, sondern bedeutet auch die
Bestimmung von Stromgestehungskosten
(Vollkosten) im Wettbewerb. Die ab 2017
vorgesehene wettbewerbliche Ermitt­
lung der Förderhöhe ist deshalb positiv zu
werten.
Zur dauerhaften Gewährleistung der
Systemstabilität ist ferner eine System­
integration erforderlich. Konkret müs­
sen Anforderungen an Netzanbindung,
Systemdienstleistungen, Beitrag zu den
Netzkosten etc. so strukturiert sein, dass
das System „Stromversorgung“ auch bei
fortschreitendem Ausbau der Erneuerbaren
Energien dauerhaft stabil bleibt. Investoren
und Betreiber von Anlagen Erneuerbarer
Energien müssen Anreize erhalten, sich
marktdienlich und netzdienlich zu ver­
halten und die Kosten marktschädlichen
Verhaltens tragen.
Auktionsverfahren sind bei ausreichend
vorhandenem Wettbewerb und bei ent­
sprechender Ausgestaltung grundsätzlich
geeignet, neben der Mengensteuerung
auch eine hohe Kosteneffizienz bei der
Förderung der Erneuerbaren Energien zu
erreichen. Gleichzeitig erhöhen Auktionen
durch die mit ihnen verbundene Mengen­
steuerung nicht nur die Planbarkeit des
Erneuerbare-Energien-Zubaus, sondern
setzen auch verlässliche Rahmenbedin­
gungen für marktgetriebene Investitionen
in konventionelle Energieanlagen.
Die EEG-Novelle von 2014 hat die richtigen
Rahmenbedingungen gesetzt. Diese sind
nun bis 2017 konsequent umzusetzen.
Hierzu müssen beispielsweise die Rege­
lungen zum Netzausbau derart weiterent­
wickelt werden, dass sie einerseits den
notwendigen Verteilnetzausbau gewähr­
leisten und andererseits dem Netzbetreiber
eine strategische und kosteneffiziente
Netzausbauplanung ermöglichen, ohne
dabei die Investitionssicherheit des Betrei­
bers von Erneuerbare-Energien-Anlagen
zu gefährden.
Selbstverbrauchter Strom aus Eigenan­
lagen muss grundsätzlich mit den gleichen
Steuern, Abgaben und Umlagen belastet
werden wie der aus dem Netz der allge­
meinen Versorgung bezogene Strom. Die
Wettbewerbsverzerrung für Investitionen
und die darauf beruhende Fehlallokation
werden damit beseitigt. Aus ordnungspo­
litischer Sicht ist allerdings die Beachtung
des Bestandsschutzes erforderlich.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a lten | 27
Emissionszertifikatehandel – eingeleitete Reformen
entschlossen vollenden
Klimaschutz und Wettbewerb sind enger verwoben, als auf den ersten Blick ersichtlich. Die Verwirklichung der
Klimaziele lässt sich mit Hilfe der Marktkräfte volkswirtschaftlich effizienter darstellen, als wenn bestimmte
Technologien etc. vorgegeben werden. Auf der anderen Seite hängt die Effizienz und ggf. auch die Funktionsfä­
higkeit des Wettbewerbs – insbesondere ein Wettbewerb um Investitionen – davon ab, dass die Rahmenbedin­
gungen – und hier auch wiederum die langfristigen Investitionsbedingungen – klar erkennbar sind und verlässlich
bleiben.
Der Klimawandel stellt eine globale Herausforderung dar, die Anstrengungen einer großen Anzahl von Akteuren
verlangen. Deshalb ist die Einbindung deutscher Klimaziele in einen europäischen Kontext wichtig. Sie trägt auch
dazu bei, dass innerhalb der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Energiegemeinschaft Wettbewerb
zwischen Energieunternehmen auf der Grundlage gleicher Spielregeln stattfindet.
Deutschland hat sich eine erhebliche Reduktion des Ausstoßes klimaschädlicher Gase vorgenommen. Aber wie
sieht es unter Wettbewerbsgesichtspunkten mit dem Stand des Emissionszertifikatehandels aus?
Der Handel mit Emissionszertifikaten hat aus wettbewerblicher Sicht eine kurzfristige und eine langfristige
Dimension.
• Kurzfristig erlaubt der Handel eine Optimierung der Portfolien, z. B. von Kraftwerksbetreibern. Die
Notwendigkeit der Beschaffung von CO2-Zertifikaten geht auch in die wirtschaftliche Entscheidung
ein, welche Anlagen am Markt eingesetzt werden und welche Anlagen nicht. Dieser Funktion wird der
Emissionszertifikatehandel in seiner jetzigen Fassung prinzipiell gerecht – bei dem aktuell niedrigen
CO2-Preis mit dem Ergebnis eines verstärkten Einsatzes von Kohlekraftwerken. Aus Handelssicht
würde man sich allerdings eine deutlich höhere Liquidität wünschen.
Der Auktionsplattform der EEX wurde 2012 die Aufgabe übertragen, für 24 EU-Mitgliedstaaten
Zerti­fikate für die dritte Handelsperiode zu auktionieren. Sie ist zugleich permanente Plattform zur
Auktionierung der deutschen Zertifikate (Spot und Futures) und für den Sekundärhandel mit Zerti­
fikaten nationaler und ausländischer Herkunft.
Stand: 30. April 2015
1000 t CO2
100.000
90.000
80.000
70.000
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
EUA Sekundärmarkt
CER Sekundärmarkt
EUA Primärmarktauktion
EUAA Primärmarktauktion
Volumen am EEX-Spotmarkt für Emissionsberechtigungen · Quelle: EEX, 2015
01.03.15
01.11.14
01.01.15
01.09.14
01.07.14
01.05.14
01.03.14
01.11.13
01.01.14
01.09.13
01.07.13
01.05.13
01.03.13
01.11.12
01.01.13
01.09.12
01.07.12
01.05.12
01.03.12
01.11.11
01.01.12
01.09.11
01.07.11
01.05.11
01.03.11
01.01.11
01.11.10
01.09.10
01.07.10
01.05.10
01.03.10
0
01.01.10
10.000
28 | Wettb ewerb 201 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
• Der Emissionszertifikatepreis und seine prognostizierte Entwicklung haben auch Auswirkungen auf
das Investitionsverhalten der Anlagenbetreiber. Diese langfristige Funktion erfüllt der Emissionszer­
tifikatehandel derzeit nur eingeschränkt. Ohne eine Entscheidung für eine langfristige Zurückhaltung
(„Backloading“) der bis 2020 auflaufenden Emissionszertifikate wird es nach dem zunächst beschlos­
senen kurzfristigen Backloading zu einem erneuten extremen Preisverfall kommen. Dieser könnte das
Vertrauen in den Handel mit Emissionszertifikaten nachhaltig beschädigen. Auch müssen noch die
verbindlichen Ziele für 2030 konkret umgesetzt und das grundsätzliche Problem des Emissionszerti­
fikatehandels eines unelastischen Angebots bei schwankender Nachfrage geheilt werden, um die
notwendige längerfristige Investitionssicherheit zu gewährleisten.
Die Europäische Kommission hat den sich hieraus unter Wettbewerbsgesichtspunkten ergebenden Handlungs­
bedarf erkannt und eine entschiedene Reform des Emissionszertifikatehandels eingeleitet. Diese umfasst ein
Mindestreduktionsziel von 40 Prozent bis 2030, eine Regelung zur künftigen Verteilung der Lasten zwischen dem
Emissionshandelssektor und Nicht-Emissionshandelssektor, eine lineare Anhebung des Reduktionspfades und
die Schaffung einer Marktstabilitätsreserve. Letztere wird aller Voraussicht nach bereits im Jahr 2019, und damit
früher als geplant, in Kraft treten. Eine vorgezogene Einführung des Instruments ist auch aus Sicht der deut­
schen und europäischen Energiewirtschaft erforderlich. Ebenso wichtig ist die erfolgte politische Einigung, die im
Rahmen der kurzfristigen Backloading-Entscheidung vorübergehend aus dem Markt genommenen Mengen in die
Reserve aufzunehmen.
Diese Reform – sollte sie in der Form realisiert werden – erscheint aus heutiger Sicht geeignet, den Markt für
Emissionshandelszertifikate zu stabilisieren und langfristige Investitionssignale auszusenden. Auch künftig sollte
der Emissionshandel ein reines Mengensteuerungssystem bleiben. Dagegen gefährden nationale Maßnahmen,
wie z. B. die Einführung nationaler Mindestpreise für CO2, die eingeleitete Stabilisierung des Emissionszertifi­
katehandels und die langfristige Steuerungsfunktion eines europäischen Preissignals für. CO2.
Veränderte Märkte: smart, dezentral, arbeitsteilig
Märkte werden zunehmend differenzierter und arbeitsteiliger im Sinne eines optimierten und interaktiven Ver­
brauchsverhaltens. Wesentliche Treiber hierfür werden eine gegenüber heute deutlich zunehmende Volatilität
der Erzeugung einerseits und verstärkte Möglichkeiten der Verbrauchssteuerung andererseits sein. Auch auf die
Verteilnetzbetreiber als Plattform – hier finden 98 Prozent der Einspeisung von Erneuerbaren Energien statt –
kommen große Herausforderungen zu: Neben dem Netzaus- und -umbau sowie dem Einsatz von innovativen
Netzbetriebsmitteln wird es auch zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) kommen.
Des Weiteren gilt es, mit Marktmitteln ein Verbrauchsverhalten anzureizen, das Belastungsspitzen im Netz dämpft
und auch zu Flexibilitätsbereitstellung auf der Verbraucherseite, aber auch anderswo, führt.
Der bereits heute zu beobachtende und voraussichtlich zunehmende Trend zur Dezentralisierung wird durch
teilweise lastferne Einspeisungen in Verteilnetze, zunehmenden Eigenverbrauch, Wärmeanwendungen, Energie­
speicher, Elektromobilität und dergleichen mehr ausgelöst. Wie intensiv und wie rasch sich dieser Trend weiter
ausprägen wird, hängt auch wesentlich von der Entwicklung der Kosten ab, zu denen die jeweiligen Technologien
zur Verfügung stehen.
Intelligentes Netznutzungsverhalten und der beschriebene Trend einer wachsenden Dezentralisierung führen zu
einer zunehmend arbeitsteiligen Bereitstellung von Energie und deren Verbrauchssteuerung. Dies lässt sich bereits
heute an neuen Geschäftsmodellen erkennen.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 29
Für die kurz- und langfristige Effizienz, insbesondere auch für ein volkswirtschaftlich sinnvolles KostenNutzen-Verhältnis der Energieversorgung ist entscheidend, dass die mit „smart, dezentral, arbeitsteilig“
umrissenen Entwicklungen wettbewerbskonform und europakompatibel bewerkstelligt werden.
Das bedeutet:
• Ein Abbau administrativer und technologischer Hemmnisse ist wünschenswert, um Bestandsanlagen im
Markt zu halten sowie den Marktzutritt für neue Technologien und Geschäftsmodelle zu erleichtern.
• Staatliche Zuwendungen für einzelne Technologien greifen in den Kernbereich des Wettbewerbs ein und
sollten daher unterbleiben. Eine Ausnahme bilden Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Entwicklung. Technologieoffenheit ist zu berücksichtigen.
• Privilegierungen oder Diskriminierung einzelner Akteursgruppen sollten aus gleichem Grunde unterbleiben.
• Hilfreich kann dagegen die Beschreibung bzw. Überarbeitung von bestehenden Marktprozessen sein.
Wichtig sind langfristig zuverlässige Rahmensetzungen, statt nachsteuerndem Mikromanagement.
Flexibilitäten
Flexibilität bezeichnet die Anpassungsfähigkeit des
elektrischen Systems, Angebot und Nachfrage von
elektrischer Leistung unabhängig von der Geschwin­
digkeit der Veränderung ihres Umfangs zumindest
vorübergehend zum Ausgleich zu bringen.
Dies geschieht durch Steigerung oder Reduktion der
augenblicklichen Erzeugung oder Speicherung von
Elektrizität sowie die Reduktion oder Steigerung des
augenblicklichen Verbrauchs. Flexibilitäten existieren
im bestehenden energiewirtschaftlichen System,
beispielsweise in Form von Kraftwerken, Speichern,
Maßnahmen auf der Verbrauchsseite. Flexibilität wird
insbesondere an den Spot- und Regelenergiemärkten
vermarktet und vergütet.
Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien hat sich
das Geschäftsfeld zur Bereitstellung von Flexibilität im
System gänzlich verändert. Bei Energiespeichern tritt
zunehmend das Problem auf, dass die sich verändernde
Situation am Energiemarkt den Einsatz der Speicher
unrentabel macht. Ferner sorgen gesetzlich festge­
legte Abgaben dafür, dass die Wirtschaftlichkeit von
Energiespeichern zusätzlich belastet wird.
So kommt es heutzutage vermehrt zu Situationen, in
denen bestehende Energiespeicher nicht eingesetzt
werden, da die am Markt erzielbaren Erlöse ihren
Einsatz nicht rechtfertigen. Mit seinen Vorschlägen zur
„Definition des Begriffs ‚Energiespeicher‘“ vom 6. Juni
2014 hat der BDEW dem Gesetzgeber erste konkrete
Vorschläge zum Abbau technischer und administrativer
Hemmnisse für Bestandsanlagen und zur Erschließung
von neuen Flexibilitätsoptionen unterbreitet.
Technische und administrative Hemmnisse zur
Erschließung von Flexibilitäten müssen abgebaut wer­
den. Wie viele und welche Flexibilitätsquellen letztlich
zum Zuge kommen, muss jedoch der Markt entschei­
den. Aus Gründen der Systemsicherheit gilt etwas
anderes für den Einsatz von Regelenergie. Er stellt
eine definierte Nutzung von Flexibilität dar (vgl. hierzu
Abschnitt 3.4 „Versorgungssicherheit“). Staatliche
Zuwendungen für ausgewählte Technologien, Quoten
etc. müssen unterbleiben.
30 | Wettb ewerb 201 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsfo r m a t i o n e r h a l t e n
Contracting
Beim Contracting übernimmt der Energie­
lieferant (Contractor) die Versorgung eines
Objektes des Kunden mit der benötigten
Nutzenergie. Dies kann die Lieferung von
Kälte, Wärme, Strom, Druckluft oder andere
Formen von Energie umfassen.
Marktanteile und Marktentwicklung in Deutschland
Die Marktentwicklung der letzten zehn Jahre belegt die gewachsene Bedeutung des Contractings
in Deutschland. So hat sich die Anzahl der Verträge von 23.200 (2004) auf 48.200 (2013) mehr als ver­
doppelt. Für den gesamten Contracting-Markt gehen Studien insgesamt aktuell von einem jährlichen
Gesamtumsatz von ca. 2,3 Milliarden Euro aus.
Von den in Deutschland in Frage kommenden 18 Millionen Wohngebäuden, 185.000 öffentlichen
Liegen­­­schaften und 4 Millionen Unternehmen und Betrieben schätzen Gutachter 1 Prozent der
Wohngebäude als gut und 16 Prozent als eingeschränkt geeignet für Energieliefer-Contracting ein.
Das Potenzial bei den öffentlichen Liegenschaften liegt mittelfristig bei 10 Prozent, langfristig bei
20 Prozent.
Um das darin liegende Energieeffizienzpotenzial zu heben, bedarf es entsprechender Rahmenbedin­
gungen. Z. B. sind Benachteiligungen von Contractoren gegenüber Eigeninvestitionen zu vermeiden
bzw. zu beseitigen.
Beim Energieliefer-Contracting, das für
84 Prozent der Projekte steht, plant, baut,
finanziert und unterhält der Contractor
eine Anlage zur Bereitstellung von Nutz­
energie. Der Kunde bezieht die Energie
zu festgelegten Konditionen. Der Fokus
des Contractors richtet sich daher auf
die Optimierung der Anlage selbst (z. B.
Betriebsoptimierung der Heizungsanlage,
Erzeugung von Strom aus Kraft-WärmeKopplungsanlage) und die Beschaffung der
Endenergie.
Die meisten Contractingprojekte wur­
den 2013 in der Wohnungswirtschaft (57
Prozent) realisiert, gefolgt von Gewerbe/
Industrie (14 Prozent) und öffentlichen
Auftraggebern (14 Prozent).
Contractingprojekte werden zu 55 bis 60
Prozent von Energieversorgern, zu 30 bis
35 Prozent von Energiedienstleistern und
zu 10 Prozent von sonstigen Unternehmen
durchgeführt. Gerade in den letzten Jahren
erschließen auch immer mehr kleine und
mittlere Energieversorger Contracting als
neues Geschäftsfeld.
Zur weiteren Entfaltung des Contracting­
marktes ist ein Level-Playing-Field
not­wendig. Eine Benachteiligung von
Con­tracting gegenüber Eigeninvestitionen
muss vermieden werden. Außerdem muss
der Rechtsrahmen für Contracting weiter
stabilisiert werden (Stichwort Vertrags­
laufzeiten).
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 31
Sonstige Produkte / Dienstleistungen
Ein wachsender Trend, der das Energieversorgungssystem in nahezu allen Bereichen tiefgreifend verändern
wird, ist der Trend zur Dezentralisierung. Der Anteil der dezentralen Energieversorgung lag 2010 bei etwa
10 Prozent. Einer im Auftrag des BDEW bei Unternehmen der Branche von KPMG/CTG vorgenommenen Be­
fragung zufolge könnte sich dieser Anteil bis 2025 verdoppeln. Absehbar sind u. a. folgende Entwicklungen.
• Der Endkunde wird sich künftig immer mehr vom „consumer“ zum „prosumer“ wandeln. Er wird
damit regelmäßig unabhängiger von Energielieferungen, wird aber im gleichen Zug verstärkt auf
Angebote für eine energiewirtschaftliche Betreuung zurückgreifen. Der künftige Energievertrieb
unterscheidet sich in seiner Struktur und seinen Angeboten für Kunden wesentlich vom heute
noch vorherrschenden klassischen Energievertrieb. Neben den Comodity-Produkten wie Wärme,
Strom und Gas wird der Verkauf von Dienstleistungen zum Energiemanagement (u. a. Flexibilitäten)
einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung ausmachen. Basis dieser Wertschöpfung sind ein intelli­
gentes und automatisiertes Datenmanagement und die dazugehörige Datenanalyse. Ein wesentlicher
Aspekt ist, dass die Kundengruppen sich in Zukunft verändern werden:
Endenergiekunden:
• „Klassische“ oder nicht smarte Kunden, die weiterhin ihren Stromverbrauch unbeeinflusst lassen
wollen bzw. aus verschiedenen Gründen kein Interesse an Flexibilisierungsmaßnahmen haben.
• „Smarte“ Kunden, die ihre vorhandene Flexibilität selber, bspw. im Rahmen von Eigenverbrauchs­
lösungen, nutzen oder die bereit sind, diese Dritten anzubieten. Dabei verkauft der Kunde die von
ihm bereitgestellte Flexibilität an einen Vertrieb oder einen dritten Dienstleister. Dieser nutzt die
angebotene Flexibilität z. B. zur Beschaffungsoptimierung oder verkauft sie weiter an einen „Flexibi­
litätsanforderer“.
» Diese Betreuung kann z. B. in der Abnahme von Überschussenergie, der Installation, Betriebsführung und Wartung dezentraler Anlagen sowie in Finanzierungskonzepten oder auch aus einer Kombination dieser Elemente bestehen.
» Parallel wird der klassische Energieabsatz an Letztkunden zurückgehen.
» Das Wärmenutzungsverhalten von Haushalten, Gewerbe- Industriebetrieben wird
sich schrittweise wandeln, wobei dezentrale Wärmekonzepte an Attraktivität
gewinnen werden.
» Vertriebe und dritte Dienstleister werden dem Endkunden Angebote machen, ihr Abnahmeverhalten an den Preissignalen am Spotmarkt und am Bedarf an System-
dienstleistungen auszurichten
In welcher Geschwindigkeit diese Prozesse ablaufen, hängt neben Akzeptanzfragen in erster Linie
von der Entwicklung der Energiepreise und fast noch mehr von ihrer Volatilität ab. Letztere wird durch
den vorgesehenen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien beträchtlich zunehmen. Auch wird es
zwischen den Kundengruppen große Unterschiede geben.
32 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
Diese Entwicklung wird wiederum dazu führen, dass eine Fülle neuer Geschäftsmodelle erprobt
werden wird. Welche Modelle sich letztendlich durchsetzen und welche Modelle wieder verschwinden,
sollte der Markt entscheiden. Allerdings kann es erforderlich werden, dass die Schnittstellen zwischen
einzelnen Marktrollen im Licht des sich vollziehenden Wandels näher beschrieben werden müssen,
um faire Wettbewerbsbedingungen und einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Der BDEW wird
diesen Strukturwandel konstruktiv mit eigenen Vorschlägen begleiten. Für die Schnittstelle Strom­
verteilnetz/Markt hat er das sog. Ampelmodell4 entwickelt.
KPMG/CTG nehmen an, dass im Jahre 2025 in 27 Prozent der Jahresstunden (oder 2.284 h) Ener­gie­über­schüsse zur Verfügung stehen (negative Residuallast). Mit der Zunahme des temporären
Über­angebots von Strom aus Erneuerbaren Energien werden zusätzliche zentrale und dezentrale
Speicherlösungen an Attraktivität gewinnen.
BDEW, Smart Grids Ampelkonzept – Funktionales Zusammenspiel zwischen Markt und reguliertem Bereich,
4 Zwischenbericht, Berlin, 27. Mai 2014
Standardisierung
Strukturwandel im Endkundenmarkt braucht eine mas­
sengeschäftstaugliche, standardisierte und automati­
sierte Marktkommunikation. Der BDEW koordiniert und
erarbeitet dafür standardisierte Marktprozesse und
verbindliche Datenformate für die Energiewirtschaft.
Durch Festlegungen der Bundesnetzagentur oder
durch die Regelungen zur Kooperationsvereinbarung
Gas werden diese Marktprozesse verbindlich für alle
Marktteilnehmer. Diese Marktprozesse und Datenfor­
mate haben sich bewährt und bilden den Grundstein
für weite Teile des Marktgeschehens.
Die veränderte Energieproduktion und -nachfrage, die
Digitalisierung der Energiewirtschaft und der Aufbau
eines neuen Energieinformationsnetzes sowie euro­
päische Entwicklungen stellen die bisherigen Markt­
prozesse vor neue Herausforderungen. Neben einer
effizienten und reibungslosen Gestaltung der Markt­
prozesse zum Zweck der Belieferung und Abrechnung
von Energie steht auch verstärkt ein Informations- und
Datenaustausch zur Wahrung der Systemsicherheit im
Blickpunkt, und erfordert teilweise neue Vertrags- und
Kommunikationsbeziehungen.
Der BDEW unterstützt die Energiebranche mit der Ent­
wicklung und Weiterentwicklung von Marktprozessen
und Datenformaten, damit die Marktteilnehmer eine
kostengünstige Umsetzung gesetzlicher Vorgaben
oder neue Geschäftsmodelle bewerkstelligen können.
Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist der Beitrag
einer verbindlichen, automatisierbaren und massen­
geschäftstauglichen Marktkommunikation bedeu­
tungsvoll, da diese eine Grundvoraussetzung für einen
funktionierenden und effizienten Wettbewerb bildet.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 33
Versorgungssicherheit erwirtschaften
Versorgungssicherheit ist in den vergangenen fünfzehn Jahren sowohl im Hinblick auf Gas als auch auf Strom im
Wesentlichen als selbstverständlich gegeben angesehen worden. Dementsprechend ist dieser Teil des energie­
wirtschaftlichen Zieldreiecks in der öffentlichen Wahrnehmung in der Vergangenheit weitgehend in den Hin­
tergrund getreten. Neuere Entwicklungen zeigen die Notwendigkeit eines Umdenkens. In dem hier erörterten
Zusammenhang ist es entscheidend, dass Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit wettbe­
werblich und europakompatibel ausgestaltet sind.
Gas, inkl. Speicher, Gasbezug
Eine sichere Erdgasversorgung gewährleistet im Grundsatz ein offener und liquider europäischer
Erdgasbinnenmarkt.
Diversifizierte Importquellen und grenzüberschreitende Transportwege, hohe Speicherkapazitäten
sowie ein Sockel an heimischer Förderung und die Beteiligung deutscher Unternehmen an ErdgasExplorationsprojekten sind wesentliche Bausteine einer sicheren Versorgung mit Erdgas – hier ist
Deutschland aktuell gut positioniert.
Insbesondere für Spitzen in der Nachfrage sind Speicher von herausragender Bedeutung für eine
sichere Gasversorgung. Das derzeitige Marktumfeld jedoch birgt für Gasspeicher die Gefahr, künftig
nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden zu können, da der Ausbau und die zunehmende Diversi­
fikation der Importinfrastruktur auch zu einem strukturellen Überangebot von Flexibilitätsoptionen
führen. Eine signifikante Schließung von Speicherkapazitäten würde allerdings die Versorgungssi­
cherheit bei Nachfragespitzen gefährden.
Neben dieser Situation für den Betrieb von Speichern als wichtige Elemente zeichnet sich im heutigen
Marktumfeld auch eine weitere Herausforderung für die Gewährleistung von Versorgungssicherheit
ab: Durch die Entflechtung zwischen Netz und Handel bzw. Vertrieb wurde die Wettbewerbsintensi­
tät und dadurch die Effizienz in der Bereitstellung des Produktes Gas wesentlich gesteigert. Gleich­
zeitig jedoch vollzog sich auch eine Neuverteilung in der Zuordnung von Verantwortlichkeiten zu den
einzelnen Marktakteuren in der Gewährleistung von Versorgungssicherheit.
Primär sind sowohl die Gasversorgungsunternehmen als auch die Netzbetreiber für die erforderlichen
Maßnahmen zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung verantwortlich: Die Gewährleis­
tung der Stabilität des Transportsystems auf lokaler, wie auch auf regionaler Ebene ist Aufgabe der
Netzbetreiber. Händler und Vertriebe jedoch sind auch in Situationen eines erhöhten Verbrauchs,
beispielsweise bei längeren Kälteperioden, in der Verantwortung, die erforderlichen Gasmengen zur
vertragsgemäßen Versorgung ihrer Kunden bereitzustellen. In der Weiterentwicklung des Marktrah­
mens, insbesondere im Zuge der zunehmenden Integration des EU-Binnenmarktes, muss daher der
gesetzliche und regulatorische Rahmen Verantwortlichkeiten klar zuweisen, um Versorgungssicher­
heit auf marktlicher Basis nachhaltig und volkswirtschaftlich effizient zu gewährleisten.
Um Versorgungssicherheit in einem zunehmend integrierten, europäischen Binnenmarkt nachhal­
tig zu gewährleisten und gleichzeitig maximal von der zunehmenden Liquidität eines wachsenden
Marktes zu profitieren, ist es wichtig, EU-weit in den Mitgliedstaaten einheitliche Versorgungs- und
Infrastrukturstandards zu erreichen. Die staatenübergreifende Verknüpfung von Gasversorgungsnet­
zen und -marktgebieten stärkt die Versorgungssicherheit dabei weiter. Die Erdgas-Versorgungssi­
34 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
cherheits-Verordnung bietet für die Erreichung einheitlicher Standards einen adäquaten Rahmen so­
wie ein breites Instrumentarium. Da jedoch die Gewährleistung der sicheren Gasversorgung nach wie
vor in der Verantwortung der Marktakteure liegt, sollten diesen die entsprechenden Kompetenzen zur
Entscheidungsfindung in der Erreichung einheitlicher Standards auch weiterhin primär gewährt blei­
ben. Erst an zweiter Stelle sollten die Mitgliedstaaten nationalstaatlich sowie an dritter Stelle die EUMaßnahmen zur Vereinheitlichung und Standardisierung einleiten. Während Unternehmen somit auch
in Zukunft eigenverantwortlich in Verträgen mit internationalen Partnern die sichere Versorgung ihrer
Kunden zu gewährleisten haben, kommt der Politik in ihrer unterstützenden Funktion, z. B. durch den
Ausbau von Kooperationen der EU mit Dritt-Produktionsländern, eine wichtige Rolle zu.
Strom
Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, die Erneuerbaren Energien so auszubauen,
dass sie bis 2050 einen Anteil von 60 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch bzw. 80 Prozent am
Bruttostromverbrauch einnehmen. In einem sich solchermaßen verändernden Marktumfeld, in dem
konventionelle Kraftwerke mehr und mehr eine absichernde Funktion übernehmen, finanzieren sich
Investitionen in Bestands- und Neuanlagen nicht mehr selbstverständlich ausschließlich über seltene
Preisspitzen am Energy-Only-Markt (EOM). Gleichwohl kann die Vorhaltung ausreichender Anlagen­
kapazitäten am effizientesten in einem wettbewerblichen Rahmen erfolgen. Dem Anspruch, der in
Deutschland an die Versorgungssicherheit – im Sinne eines Leistungsbilanzgleichgewichts – gestellt
wird, steht zurzeit weder eine explizite Verantwortlichkeit der Stromerzeuger noch der Stromliefe­
ranten gegenüber. Zugleich verdichtet sich die Erkenntnis, dass der EOM zumindest in seiner jetzigen
Ausprägung unter den spezifischen Bedingungen des deutschen Strommarktes (starker Ausbau fluk­
tuierender Erneuerbarer Energien, keine öffentliche Aufhebung des Mark-Up-Verbots) Versorgungs­
sicherheit nicht vollumfänglich garantieren kann. Daher ist es notwendig, in einem ersten Schritt den
EOM zu optimieren und zu einem EOM 2.0. weiterzuentwickeln. Dies schließt eine marktlich ausge­
staltete Reserve ein. Parallel ist eine Verständigung erforderlich, wie ein Kapazitätsmarkt ausgestaltet
sein muss, falls sich die Maßnahmen zur Optimierung des EOM als unzureichend erweisen. Auch der
künftige Einfluss von Kapazitätsmärkten aus anderen EU-Mitgliedstaaten ist mit zu bedenken. Dieser
müsste die nachfolgenden Kriterien erfüllen:
A Ziel eines Kapazitätsmarktes ist es ausschließlich, Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
B Politische Rahmensetzungen müssen langfristige Planungssicherheit bieten.
Der Mechanismus muss hinreichend robust gegenüber Änderungen des Marktumfelds sein.
C Fortentwicklungen der marktlichen Rahmenbedingungen sollen einen technologieoffenen
Wettbewerb anreizen und die volkswirtschaftlichen Kosten minimieren.
D Dazu bedarf es eines marktbreiten (d. h. alle Kapazitäten umfassenden) und transparenten
Mechanismus mit geringem administrativen Aufwand bei der Umsetzung.
E Der zukünftige Kapazitätsmechanismus muss sich in die Weiterentwicklung des europäischen Energiebinnenmarktes integrieren.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 35
Als einen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit in einem von der Energiewende
geprägten Strommarkt hat der BDEW gemeinsam mit dem VKU das Konzept für einen Dezentralen
Leistungsmarkt5 entwickelt und ausgearbeitet.
Quelle: BDEW-Positionspapier „Ausgestaltung eines dezentralen Leistungsmarktes“ von Juni 2014
5 (https://www.bdew.de/internet.nsf/id/marktdesign-de)
Systemsicherheit
Eine zusätzliche Problematik stellt die Gewähr­
leistung der Systemstabilität dar. Verantwortlich
für die Systemsicherheit sind die Übertragungs­
netzbetreiber. Vor dem Hintergrund der schritt­
weisen Abschaltung der vor allem im Süden
Deutschlands lokalisierten Kernkraftwerke und
des noch nicht abgeschlossenen innerdeutschen
Netzausbaus (v. a. von Norden nach Süden)
werden seit dem Winter 2011/2012 im Rahmen der
Reservekraftwerksverordnung Kapazitäten zur
Aufrechterhaltung der System­stabilität in Süd­
deutschland außerhalb des EOM beschafft. Die
so beschaffte aktuelle Netzreserve ist seit ihrer
Einführung beständig angewachsen.
Nur der fristgerechte Netzausbau kann mittelund langfristig zur Reduzierung dieses netzspe­
zifischen Bedarfes führen. Darüber hinaus
bedarf es für die Systemstabilität des deut­
schen Übertragungsnetzes aber auch weiterhin
ausreichend lokaler Systemdienstleistungen an
netztechnisch günstigen Standorten. Diese kön­
nen durch die Weiterentwicklung der aktuellen
Netzreserve sichergestellt werden und würden
sowohl den EOM 2.0 als auch ggf. einen Kapa­
zitätsmarkt ergänzen. Es muss sichergestellt
werden, dass diese Systemdienst­leistungen an­
gemessen vergütet werden und nicht zu Lasten
der betroffenen Kraftwerksbetreiber erfolgen.
36 | Wettb ewerb 201 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsfo r m a t i o n e r h a l t e n
Bezahlbarkeit im Blick behalten
Weniger als 30 Prozent der Industrieendkundenpreise für Strom sind wettbewerblich beeinflussbar.
Zusammen mit den Netzentgelten gehen nur gut 40 Prozent der Endkundenpreise auf Erzeugung,
Fortleitung, Handel, Vertrieb, Messung und Abrechnung zurück. Bei den übrigen annähernd 60
Prozent handelt es sich um Steuern und Umlagen. Im Haushaltskundensektor sieht es ähnlich aus
(51-Prozent Steuern und Abgaben im Jahr 2014).
Aufteilung des Einzelhandelspreisniveaus für Haushaltskunden
für den Abnahmefall 3.500 kWh im Jahr zum 1. April 2014 (über
alle Tarife mengengewichteter Mittelwert)
in Prozent
Umsatzsteuer
16,0
Stromsteuer
6,9
Umlage nach EEG
21,1
Konzessionsabgabe
5,4
Energiebeschaffung,
Vertrieb, sonstige
Kosten und Marge
26,6
weitere Umlagen
1,8
Nettonetzentgelt
19,9
Entgelte für
Abrechnung,
Messung und
Messstellenbetrieb
2,3
Umlage nach
KWKG
0,6
Umlage nach
§ 19 StromNEV
0,3
Umlage
Offshore-Haftung
0,9
Umlage für
abschaltbare
Lasten
0,03
Aufteilung des Einzelhandelspreisniveaus für Haushaltskunden für den Abnahmefall 3.500 kWh im Jahr zum 1. April 2014
(über alle Tarife mengengewichteter Mittelwert) · Quelle: Bundesnetzagentur/Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2014
Die Europäische Union hatte in der Liberalisierung der Märkte für Gas und Strom einen wichtigen
Baustein auf dem Weg zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa gesehen. In Wirklichkeit
hat sich eine ganz andere Entwicklung vollzogen: Die Mitgliedstaaten haben die mit der Einfüh­
rung von Wettbewerb einhergehenden Wohlfahrtsgewinne abgeschöpft und durch Einführung oder
Ausweitung staatlicher oder staatlich induzierter Lasten mehr als überkompensiert. Die Strom- und
Gaspreise Europas haben sich zuletzt von denen in den USA deutlich abgekoppelt.
Außerdem wird der Preiswettbewerb zunehmend schwer. Insbesondere die von Vertrieben be­
einflussbaren Bestandteile machen nur einen kleinen Prozentsatz der Endkundenpreise aus. Und
schließlich gibt es monetäre Fehlanreize, die durch die Umlagebestandteile selbst generiert werden.
Inzwischen beginnt auch das Bundeswirtschaftministerium die von dem Missverhältnis von staatlich
induzierten Lasten und wettbewerblich beeinflussbaren Preiskomponenten ausgehenden Marktver­
zerrungen kritisch zu betrachten.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 37
„Aufgrund verschiedener Hemmnisse im Energiemarktdesign erreicht das Preis­
signal des Strommarkts derzeit jedoch einige Stromerzeuger und -verbraucher
teilweise verzerrt; z. B. innerhalb des Stromsektors durch die Struktur der festen
Bestandteile der Strompreise... Diese Flexibilitätshemmnisse müssen überprüft
und adressiert werden, damit das Marktpreissignal gestärkt wird.“
Quelle: Ein Strommarkt für die Energiewende Diskussionspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Grünbuch),
November 2014, S.18
Infrastruktur – Voraussetzung für den Wettbewerb
Die Struktur des Energiemarktes befindet sich durch die Perspektive einer Vertiefung des Binnenmarktes
und durch den raschen Aufwuchs Erneuerbarer Energien in einem intensiven Umbruch. Dies hat Auswirkungen
auf den Bedarf an Infrastrukturen und auf die Art und Weise ihrer Nutzung. Zwischen den Ferngas- bzw. Über­
tragungsnetzbetreibern abgestimmte Netzentwicklungspläne sollen gewährleisten, dass der Ausbau der
Transportnetze unter langfristigen Gesichtspunkten gesamtwirtschaftlich sinnvoll ausgerichtet ist und mit der
nötigen Vorausschau erfolgt.
Gas, inkl. Speicher, Gasbezug
Erdgas nimmt mit einem Anteil von ca. 22 Prozent weiterhin einen sehr hohen Anteil am Primärener­
gieverbrauch in Deutschland ein. Trotz des zunehmenden Aufkommens Erneuerbarer Energien und
politisch angestrengter Energieeffizienzsteigerungen ist insbesondere auch vor dem Hintergrund des
Ausstiegs aus der Kernenergie davon auszugehen, dass Erdgas auch auf Sicht vieler Jahrzehnte noch
eine wichtige Rolle für die Energieversorgung in Deutschland spielen wird. Das deutsche Erdgaslei­
tungsnetz mit einer Gesamtlänge von mehr als 500.000 Kilometern und einem jährlichen Energie­
durchsatz von ca. 1.000 TWh gliedert sich aufgrund der derzeitigen Versorgungssituation in ein HGas- und ein L-Gas-Gebiet. Die beiden unterschiedlichen Gasqualitäten müssen aus technischen und
eichrechtlichen Gründen in definierten Grenzen in getrennten Systemen transportiert werden. Dieser
Umstand führt dazu, dass Kunden, die an einem L-Gas-Leitungsnetz angeschlossen sind, unabhängig
vom Lieferanten physikalisch mit L-Gas versorgt werden müssen. Die Aufkommenssituation für die
H- und L-Gas-Gebiete und somit auch die Wettbewerbsintensität auf den jeweiligen Großhandels­
märkten unterscheiden sich dabei strukturell:
Ein großer Teil des deutschen Gasmarktes (ca. 30 Prozent) wird derzeit mit niederkalorischem Erdgas
(L-Gas) versorgt. L-Gas stammt allein aus Aufkommen der deutschen bzw. der niederländischen
Produktion. Die übrigen in Deutschland verfügbaren Aufkommen (Gas aus Dänemark, Norwegen/
Nordsee, Russland bzw. von LNG-Terminals) liefern höher kalorisches Erdgas (H-Gas).
38 | Wettb ewerb 2 0 1 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
Der Umgang mit der zukünftig reduzierten Ver­
fügbarkeit von L-Gas für den deutschen Markt ist
ein zentraler Punkt des Netzentwicklungsplans
(NEP). Um eine weitere sichere Versorgung der
mit L-Gas belieferten Letztverbraucher gewähr­
leisten zu können, ist eine frühzeitige Planung
und Durchführung von Umstellungsmaßnahmen
erforderlich. Auf diese Weise soll den rückläu­
figen Importkapazitäten von L-Gas aus den
Niederlanden und der rückläufigen inländischen
Produktion von L-Gas begegnet
werden. Die niederländische Regierung sichert
zu, dass auch nach den jüngsten Entwicklungen
hinsichtlich der Erdgasförderung in den Nie­
derlanden die zugesagten L-Gas-Kapazitäten
weiterhin bereitgestellt werden können.
Der Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP)
Gas 2015 enthält mehr als 70 Maßnahmen zum
Ausbau der nationalen Gasinfrastruktur in den
nächsten zehn Jahren. Die sich aus dem ge­
planten Ausbau ergebenden Investitionen um­
fassen bis 2020 rund 2,8 Mrd. Euro und steigen
bis 2025 auf insgesamt 3,5 Mrd. Euro an.
Hierbei steht die zusätzlich benötigte H-Gas
Leistung entsprechend der prognostizierten
Verteilung der H-Gas-Quellen im Vordergrund.
Durch die zunehmende Erschöpfung verbrauchs­
naher Produktionsstandorte wird der Antransport
aus anderen, weiter entfernten Regionen (z. B.
aus Russland oder über LNG-Anlandeterminals
im Westen und Süden Europas) erforderlich.
Hierfür sind Erweiterungen und technische
Anpassungen in den überregionalen Fernlei­
tungsnetzen und Verteilnetzen in Deutschland
erforderlich, da bisherige Antransportrouten
entfallen und neue notwendig werden.
Zusätzlicher Anpassungsbedarf resultiert für
Fernleitungs- und Verteilnetze aus der Not­
wendigkeit, dezentral erzeugte Biogasmengen
aufzunehmen. Im Rahmen einer koordinierten
Ausbauplanung ist zudem darauf zu achten,
dass durch das Zusammentreffen verschiedener
Gasaufkommen die Voraussetzungen für echten
Wettbewerb auf den Großhandelsmärkten in
Deutschland erhalten bleiben. Abhilfe kann hier
die Erhöhung der Austauschkapazitäten zu an­
deren großen Erdgashandelsplätzen in Westeur­
opa, wie beispw. TTF und NBP, schaffen.
Vor dem Hintergrund des gleichlaufenden
Rückgangs der deutschen und niederländischen
L-Gas-Produktion hat die deutsche Gaswirt­
schaft die Planungen für die Umstellung von
Markträumen in Deutschland von L-Gas auf
H-Gas aufgenommen, um einerseits die Versor­
gungssicherheit in den betroffenen Markträumen
sicherstellen und andererseits einer weiteren
Verknappung auf der Angebotsseite mit den
entsprechenden nachteiligen wettbewerblichen
Auswirkungen entgegenwirken zu können.
Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der
anstehenden Umstellungsaufgabe wird sich die­
se in Deutschland über einen Zeitraum von mehr
als 15 Jahren erstrecken und ca. 30 Prozent des
heutigen Erdgasmarktes umfassen.
Die Power-to-Gas-Technologie stellt eine
Möglichkeit dar, die Erneuerbaren Energien zu
speichern und für vielfältige Nutzungen zugäng­
lich zu machen und gleichzeitig die Potenziale
der deutschen Gasinfrastruktur hinsichtlich
Energietransport und Energiespeicherung für
die Erneuerbaren Energien zu erschließen. Unter
heutigen Rahmenbedingungen sind Powerto-Gas-Anlagen als Stand-Alone-Technologie
jedoch noch nicht wirtschaftlich zu betreiben.
Um Power-to-Gas zu einer Systemlösung zu
entwickeln, die einen nennenswerten Beitrag zur
CO2-Minderungsstrategie leisten kann, ist ein
Abbau bestehender regulatorischer Hemmnisse
erforderlich. Der BDEW hat im Rahmen seiner
Vorschläge zur „Definition des Begriffs ‚Ener­
giespeicher‘“ vom 6. Juni 2014 dem Gesetzgeber
hierzu erste konkrete Vorschläge unterbreitet.
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 39
Strom
Netzausbau in Deutschland
Der innerdeutsche Netzausbau ist Voraussetzung für die Einbindung und den Transport von
Erneuerbaren, dezentral sowie verbrauchsfern erzeugten Energien, und er schafft die Voraussetzung
für einen funktionierenden, freien Strommarkt in Deutschland und Europa.
Seit dem Jahr 2012 wird der Netzausbaubedarf auf der Übertragungsnetzebene über den
Netzentwicklungsplan (NEP) ermittelt. Der NEP wiederum ist die Planungsbasis und Grundlage
für den Bundesbedarfsplan (Verabschiedung durch Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat).
Der Netzentwicklungsplan wird regelmäßig fortgeschrieben und an neue gesetzliche Regelungen
oder neue Erkenntnisse bezüglich der Erzeugungsszenarien angepasst. Er wird von der Bundesnetz­
agentur bestätigt. Nach einem aktuellen, vom Bundeskabinett bereits verabschiedeten Gesetzent­
wurf 6 soll der Zyklus zur Erstellung des Netzentwicklungsplans von jährlich auf zweijährlich verlängert
werden. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, die Möglichkeiten zur Teilerdverkabelung von Höchst­
spannungsleitungen unter Berücksichtigung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes zu
erweitern.
Trotz umfangreicher Maßnahmen zur Einbindung der Bevölkerung in die Planungsphase der Projekte
erweist sich die Umsetzung des notwendigen Netzausbaus nach wie vor als schwierig.
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus,
6
vom Bundeskabinett verabschiedet am 25.03.2015
Der Netzentwicklungsplan Strom enthält alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten
Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Übertragungsnetzes, die in den nächsten zehn
bzw. zwanzig Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind.
Der Investitions­bedarf in den Ausbau der Übertragungsnetze für die kommenden zehn Jahre in
Deutschland liegt bei über 20 Milliarden Euro. Je nach Szenario werden ca. 22 bis 26 Mrd. €
veranschlagt.
Ausbaubedarf gemäß NEP 2014 (zweiter Entwurf) Szenario B2024:
»DC/AC-Netz Verstärkung (Umbeseilung oder Stromkreisauflagen, Neubau einer leistungsfähigeren Leitung in bestehenden Trassen): 5.300 km
»Neue Leitungstrassen: 3.800 km
• Davon Gleichstromkorridore (HGÜ): ca. 2.300 km (Übertragungskapazität: 12 GW) und der deutsche Anteil der HGÜ-Grenzkuppelleitung nach Belgien, Dänemark und Norwegen mit einer Länge von 200 km
40 | Wettb ewerb 20 1 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsfo r m a t i o n e r h a l t e n
p
n Fri May 29 2015 09:53:56 AM.
Deutscher Beitrag zu einem europäisch koordinierten Netzausbau
Aufgrund der geografischen Gegebenheiten (Deutschland hat neun unmittelbare Nachbarstaaten
und weist eine Nähe zu Skandinavien auf) kommt der Einbindung Deutschlands in europäische
Netzstrukturen und deren effizienter Nutzung eine Schlüsselrolle zu. Die Vollendung des europä­
ischen Strombinnenmarktes, der Aufwuchs Erneuerbarer Energien sowie die Gewährleistung der
System­sicherheit lassen einen weiteren Ausbau der Grenzkuppelstellen angezeigt sein.
Entscheidend für den grenzüberschreitenden Austausch von Strom sind die maximalen Kapazi­täts­
werte, die sogenannten NTC (Net Transfer Capacities). NTC beschreiben die bestmöglich abgeschätzte
Grenze für den physikalischen Leistungsfluss zwischen zwei Regelzonen.
Nach Angaben von ENTSO-E konnten im Jahr 2013 durchschnittlich 14,2 GW für den Export und 16,9 GW
für den Import von Strom zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern genutzt werden.
Auf Basis der im Ten Year Network Development Plan (TYNDP) vorgesehenen Netzausbauten rechnen
die deutschen Übertragungsnetzbetreiber bis 2024 mit einem Anstieg der NTC auf 23,5 GW für den
Export und 25,6 GW für den Import. Bis 2034 veranschlagen sie einen Anstieg auf 34 GW an Exportund Importkapazitäten.7
Der deutsche Netzentwicklungsplan und der europäische Netzentwicklungsplan (TYNDP) sind eng
miteinander verzahnt. So sind beispielsweise alle drei im NEP bestätigten Gleichstromkorridore in
Deutschland im TYNDP definierte PCI-Projekte (Projects of Common Interest), die von der EU speziell
unterstützt werden (Erleichterung und Beschleunigung bei der Umsetzung). Gleiches gilt für die neun
geplanten Grenzkuppelstellen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern.
Quelle: 2014: Connect Energy Economics GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie:
7
Leitstudie Strommarkt, S. 63f.
Geplante Grenzkuppelstellen
mit PCI-Status:
Kasso (DK) – (DE) Audorf
Endrup (DK) – (DE) Niebüll Lixhe (BE) – (DE) Oberzier
Doetichem (NL) – (DE) Niederrhein
Tonstad (NO) – (DE) Wilster
Plewiska (PL) – (DE) Eisenhüttenstadt
Krajnik (PL) – (DE) Vierraden
St. Peter (AT) – (DE) Isar
Rüthi (CH) – (DE) Meitingen
Quelle:
EU Interaktive PCI-Karte
We t t b e we r b 2 0 15 – We t t b e we r b i n d e r T r a n s f o r m a t i o n e r h a l ten | 4 1
Über den TYNDP hinaus wird derzeit in dem EU-Projekt „E-Highways 2050“ ein modularer Netzentwick­
lungsplan für das europäische Stromnetz 2050 erarbeitet. Dabei soll eine langfristige Planungsmethodik
für den notwendigen Aus- und Umbau der europäischen Stromübertragungsnetze entwickelt werden.
Dazu untersucht das Projektkonsortium Rahmenbedingungen und entwickelt anhand verschiedener
Szenarien Lösungsansätze für die Planung des europäischen Stromnetzausbaus jeweils bis 2020, 2030,
2040 und 2050. Ein Projektbereich konzentriert sich dabei auf die Entwicklung von Overlay-Strukturen
und großräumige Transportbedarfe im Jahr 2050 zwischen regionalen Netzclustern.
Verteilnetze
Auch der Verteilnetzbereich steht vor großen
Herausforderungen: Die Energiewende findet
vorwiegend in den Verteilnetzen statt. Hier sind
98 Prozent der Erneuerbare-Energien-Anlagen in
Deutschland angeschlossen. Um die Integration
dieser Anlagen in das Gesamtsystem zu bewerk­
stelligen sind Netzaus-, Netzum- und Netz­
neubauten sowie Investitionen in intelligente
Kommunikationstechnik (IKT) nötig, wie mehrere
Studien belegen. Verfehlt wäre es, hieraus eine
Konkurrenz mit dem erforderlichen Ausbau auf
der Übertragungsnetzebene abzuleiten. Um die
Herausforderungen der Energiewende und deren
marktwirtschaftliche Ausgestaltung zu bewäl­
tigen, kann weder auf den Ausbau der Übertra­
gungs- noch der Verteilnetze verzichtet werden.
Dies wird auch in der für das Bundeswirtschafts­
ministerium erstellten Studie „Moderne Verteil­
netze für Deutschland“ bestätigt – deutlicher
Ausbaubedarf besteht sowohl für den Hoch- als
auch für den Mittel- und Niederspannungsbe­
reich bis 2032. Die Studie kommt u. a. zu dem
Ergebnis, dass eine Kombination von innova­
tiven Planungskonzepten (Berücksichtigung des
Erzeugungsmanagements bei der Netzplanung,
nicht die letzte kWh einspeisen) mit intelligenten
Technologien, z. B. Einsatz von regelbaren
Ortsnetztrafos, den Investitionsbedarf halbieren
und die durchschnittlichen jährlichen Zusatzko­
sten um 20 Prozent senken kann. Es wird weiter
festgestellt, dass der Netzausbaubedarf der
einzelnen Verteilnetzbetreiber sehr unterschied­
lich ausfällt. Aus diesen Erkenntnissen werden
entsprechende regulatorische und politische
Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Diesem Investitions- und Innovationsbedarf
muss die vom Bundeswirtschaftsministerium
für Sommer 2015 angekündigte Novellierung der
Anreizregulierungsverordnung Rechnung tragen.
Hierzu liegen ein Eckpunkte-Papier des Bundes­
wirtschaftsministeriums und der Evaluierungs­
bericht der Bundenetzagentur vor. Letzterer gibt,
neben dem Input aus der o. g. Verteilnetzstudie,
auch Empfehlungen für die Novellierung bzw.
Weiterentwicklung der Anreizregulierungsver­
ordnung für die Bundesregierung.
Zudem hat das Bundeswirtschaftsministerium
Forderungen bzw. Überlegungen aus der Studie
z. B. nach der sog. Spitzenkappung bei der Netz­
planung in sein Grünbuch zum Strommarktdesign
aufgenommen. Ebenso werden Änderungen der
Netzentgeltsystematik sowie von reduzierten
Netzentgelten, z. B. für unterbrechbare, steuer­
bare Verbraucher auf der Niederspannungsebe­
ne, diskutiert bzw. stehen auf der Tagesordnung.
Mit Letzterer sollen insbesondere Flexibilitätsop­
tionen künftig auch auf der Nachfrageseite
angereizt werden.
Auch steht das Verordnungspaket zur Imple­
mentierung von intelligenten Messsystemen aus.
Erste Eckpunkte hierzu wurden vom Bundes­
wirtschaftsministerium vorgelegt. Hier kommen
ebenfalls zusätzliche Aufgaben auf die Verteil­
netzbetreiber zu. All diese Themen sind zügig auf
dem Weg zu bringen, damit alle Marktakteure
Planungssicherheit für Investitionen und Innova­
tionen bekommen und sich neue Geschäftsmo­
delle entwickeln können.
42 | Wettb ewerb 201 5 – Wettb ewer b in d er T r a nsf o r m a t i o n e r h a l t e n
Auf europäischer Ebene wird zunehmend dis­
kutiert, welche Rolle die Verteilnetzbetreiber
in einem sich verändernden Endkundenmarkt
einnehmen sollen. Sowohl die Europäische
Kommission als auch die Regulierungsbehörden
befassen sich mit der Frage, welche Akteure in
einem sich verändernden Retailmarkt welche
Aufgaben übernehmen sollten, und ob hier­
zu weitergehende regulatorische Maßnahmen
erforderlich sind. Dies gilt insbesondere mit Blick
auf die Verwaltung umfangreicher Daten, die
für ein Energiesystem mit DSM-Anwendungen
erforderlich ist (Stichwort „smartness of distri­
bution grids“). Einen Überblick über die voraus­
sichtliche Entwicklung der Energiemärkte und
mögliche Implikationen für weiteren Regulie­
rungsbedarf beschreibt die Agentur der Euro­
päischen Energieregulierer (ACER) gemeinsam
mit dem Rat der Europäischen Energieregulierer
(CEER) im Strategiepapier „Energy Regulation:
A Bridge to 2025“ vom 18. September 2014. Die
fünf Hauptziele des Papiers „Bridge to 2025“ sind
zu unterstützen: Dazu gehören neben einem
liquiden wettbewerblich orientierten und integ­
rierten Großhandelsmarkt und der Stärkung der
Versorgungssicherheit auch die Stärkung der Er­
neuerbaren Energien und von DSM-Maßnahmen.
Gerade beim letzten Punkt spielen die Verteil­
netzbetreiber (Distribution System Operators,
DSOs) eine wichtige Rolle. Wichtiger als ggf.
neue, zusätzliche Unbundling-Anforderungen
sind daher die klare Darstellung von Marktrollen
und Verantwortlichkeiten der einzelnen Akteure
sowie die Vorgabe von verbindlichen Marktpro­
zessen. Diese sollten auf bewährten Prozessen
aufsetzen. Zudem ist die Forderung von ACER
nach einer stärkeren Kooperation von TSO und
DSO zu unterstützen.
Quelle: „Moderne Verteilernetze für Deutschland“ (Verteilernetzstudie),
8
Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), September 2014
Quelle: Ein Strommarkt für die Energiewende Diskussionspapier
9
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Grünbuch), Oktober 2014
We t t b e we r b 2 0 15 – Fa zi t u n d A u s b l ick | 4 3
Fazit und Ausblick
Der Wettbewerb hat sich in Deutschland im Strom- und Gassektor gut entwickelt. Die Energiewirtschaft befindet
sich derzeit insbesondere in Deutschland in einer Transformationsphase. Aber auch in anderen Mitgliedstaaten
sind Umbrüche und Veränderungen in der Marktgestaltung auszumachen. Gerade in dieser Situation gilt es, einer
sich abzeichnenden Stagnation bzw. eines Investitionsattentismus aufgrund von Verunsicherung durch langfristige
politische Rahmenbedingungen entgegenzutreten – in Europa wie in Deutschland. Die oftmals wiederholten
Bekenntnisse
» zur Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes
» zum Wettbewerb als zentrales Optimierungsinstrument zur Zielerreichung
» für ein Level-Playing-Field (Investitionswettbewerb, Abbau von Hemmnissen etc.)
müssen sich auch in konkretem gesetzgeberischen Handeln widerspiegeln, im Alltag messen
und bei Irrtum auch revidieren lassen.
Dies ist jedoch nicht immer der Fall: Der Anteil der Energiewirtschaft, der im Wettbewerb steht, wird immer wei­
ter eingeschränkt. Eine Regulierung bedingt eine nächste – oftmals als Korrekturmaßnahme. Durch kleinteiliges
Mikromanagement gerät die Systembetrachtung in den Hintergrund, Betrachtungen zum Kosten-NutzenVerhältnis bleiben auf der Strecke, aufwändigere Bürokratie und Abwicklung/Verwaltung sind oftmals die Folge,
statt Wettbewerb um Innovationen und Investitionen. Politisches Handeln sollte sich daher an folgenden Maximen
orientieren:
» Europäische bzw. regionale Lösungen sind vielen verschiedenen einzelstaatlichen Lösungen
vorzuziehen – bilaterale Projekte als Testphase.
» Statt technologiespezifischer Vorgaben sollte Wettbewerb als geeignetes Instrument auch zur Erreichung des Zieldreiecks wirken können; damit wird auch ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt.
» Anpassung des Marktdesigns, das Versorgungssicherheit Rechnung trägt
» Systemdienlichkeit und zunehmend Marktintegration der Erneuerbaren Energien.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem EEG 2014
richtige und mutige Schritte getan. Er darf jetzt nicht
nachlassen und muss die im Gesetz schon angelegte
Reformagenda entschlossen abarbeiten. Insbesondere
müssen nun mit der gebotenen Sorgfalt die tech­
nologiespezifischen Ausschreibungsmodelle für die
weiteren relevanten Technologien entwickelt werden.
Die Möglichkeiten grenzüberschreitender Ausschrei­
bungen (Stichwort 5-Prozent-Klausel) sollten nicht
zerredet, sondern entschlossen erprobt werden.
Pilotabkommen mit Nachbarstaaten bieten die
Perspek­tive einer schrittweisen Regionalisierung.
Wettbewerb muss auch für Erneuerbare Energien
zur Normalität werden – unter voller Beachtung des
Ausbaupfads.
Auf europäischer Ebene hat die Politik die Kraft zu
einer Festlegung ambitionierter und verbindlicher
CO2-Ziele für 2030 bewiesen. Auch hier darf sie nicht
nachlassen und muss die begonnenen Reformen
mit aller Entschiedenheit zu Ende führen, damit der
europäische Emissionshandel auch die entscheidende
Lenkungswirkung entfalten kann. Allerdings muss
auch die EU-Kommission ihrem Wächteramt gerecht
werden. Nationale Alleingänge (Stichwort Carbon Floor
Tax) verzerren das Preissignal in der gesamten EU und
wirken der weiteren Integration des europäischen Bin­
nenmarktes entgegen. Nur langfristige, zieladäquate
und europaweite Signale ermöglichen eine effiziente
wettbewerbliche Erreichung der langfristigen Klima­
schutzziele.
In dieser Broschüre wurden deshalb nicht nur Erfolge
des Wettbewerbs, sondern auch gegenläufige Tenden­
zen aufgezeigt. Hier sind Politik und Administration
mit Korrekturmaßnahmen gefragt, um einer sich
ab­zeichnenden Stagnation zuvorzukommen. Es darf
allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass es mit
der einmaligen Korrektur von Fehlentwicklungen getan
ist. Die Erhaltung effektiver und effizienter Rah­men­
bedingungen ist eine Daueraufgabe.
Der BDEW wird seinen Teil dazu auch künftig beitragen.
Aber vor allem die Politik ist gefordert.
Herausgeber
BDEW Bundesverband der
Energie- und Wasserwirtschaft e. V.
Ansprechpartner:
Dr. Stephan Krieger
Geschäftsbereich Strategie und Politik
Telefon: +49. 30. 30 01 99 -1060
[email protected]
Gestalterische Umsetzung
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