Rechtswissenschaftliches Institut Strafprozessrecht Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch 09.06.2015 Seite 1 Rechtswissenschaftliches Institut Inhaltsverzeichnis 1. Grundlagen, Geltungsbereich und Grundlagen der Schweizerischen Strafprozessordnung 2. Strafbehörden, ihre Zuständigkeit und Amtstätigkeit 3. Parteien und andere Verfahrensbeteiligte 4. Beweismittel 5. Zwangsmassnahmen 6. Vorverfahren 7. Erstinstanzliches Hauptverfahren 8. Besondere Verfahren 9. Rechtsmittel 10. Verfahrenskosten, Entschädigung und Genugtuung 11. Rechtskraft und Vollstreckung der Strafentscheide, Übergangsbestimmungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 2 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Am 16. Mai 2013 probiert Peter Muster im Warenhaus «Fashion & Fun» in Zürich einen Pullover an. Er wird von seiner Frau Claudia begleitet. Anschliessend verlässt er das Warenhaus, mit einem Regenmantel bekleidet, ohne seine Frau. Das beobachtet die Verkäuferin Bea. Danach stellen die Angestellten des Warenhauses fest, dass der besagte Pullover fehlt. Sofort kommt der Verdacht auf, dass der Kunde Muster den Pullover unter dem Regenmantel getragen und so aus dem Warenhaus weggeschmuggelt habe. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 3 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Kapitel: Grundlagen, Geltungsbereich und Grundsätze der Schweizerischen Strafprozessordnung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 4 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Grundlagen und Anwendung der Schweizerischen Strafprozessordnung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 5 Rechtswissenschaftliches Institut Begriff und Rolle des Strafprozessrechts Formelles Strafrecht: Gerichtsverfassungsrecht Strafprozessrecht Strafvollstreckungsrecht Recht der internationalen Rechtshilfe 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 6 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Ob die Wegnahme des Pullovers aus dem Gewahrsam des Warenhauses mit Aneignungs- und Bereicherungsabsicht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, den Tatbestand des Diebstahls erfüllt und welche Strafdrohung besteht, sind Fragen des materiellen Rechts. Das formelle Recht regelt das Strafverfahren, in dessen Rahmen der mutmassliche Täter beurteilt wird, nachdem die Strafverfolgungsbehörden den Sachverhalt von Amtes abgeklärt haben. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 7 Rechtswissenschaftliches Institut Überblick über das Strafverfahren gemäss StPO Einleitung der Strafverfolgung Vorverfahren Ermittlungsverfahren Anklageprüfung Hauptverfahren Untersuchungsverfahren Einstellung des Verfahrens 09.06.2015 Verurteilung Anklageerhebung (resp. Strafbefehl) Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Einstellung des Verfahrens Freispruch Seite 8 Rechtswissenschaftliches Institut Quellen des schweizerischen Strafprozessrechts Bundesrecht •Primär: StPO •BV (insb. Verfahrensgrundsätze) •Gesetzes- und Verordnungsstufe (z.B. StGB, JStPO, BGG, MStP, OHG ) Internationale Abkommen •EMRK (inkl. 7. Zusatzprotokoll) •IPBPR 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 9 Rechtswissenschaftliches Institut Anwendung des Strafprozessrechts In Verfahren in denen Bundesstrafrecht von kantonalen oder eidgenössischen Behörden angewendet wird (StPO 1). Räumlich: Schweizerische Strafbehörden wenden ausschliesslich schweizerisches Strafprozessrecht an. Persönlich: Gemäss StGB 3-8 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 10 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 1. Ein Kanton regelt gesetzlich, unter welchen Voraussetzungen Film- und Tonaufzeichnungen vor den kantonalen Gerichten als Beweismittel verwendet werden können. Wie ist dieser Erlass zu würdigen? 2. Richter Konrad überlegt sich während der Urteilberatung, ob die Täterschaft von August anhand der Beweislage hinreichend belegt ist. Handelt es sich um eine Frage des formellen oder materiellen Strafrechts? 3. In einem anderen Verfahren fragt sich Richter Konrad, ob Theo wegen Betruges zu verurteilen ist, wenn die Geschädigte den Schwindel eigentlich mühelos hätte durchschauen können, wenn sie etwas vorsichtiger gewesen wäre. Ist dies eine Frage des formellen oder materiellen Strafrechts? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 11 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 4. Nach einer Schiesserei im Hauptbahnhof wertet die Polizei Aufnahmen von Überwachungskameras aus. Um welches Verfahrensstadium handelt es sich? 5. Können auf kantonaler Ebene einheitlich Rechtsmittel gegen Strafentscheide (betreffend Delikten gemäss StGB) zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäss StPO nicht erfüllt sind? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 12 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Grundsätze des Strafverfahrensrechts 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 13 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Die Verantwortlichen des Warenhauses «Fashion & Fun», die überzeugt davon sind, dass Peter Muster den Pullover gestohlen hat, sind an einem möglichst raschen Verfahren interessiert, in dem Peter Muster verurteilt und ihr zivilrechtlicher Anspruch durchgesetzt wird. Peter Muster hingegen hat Anspruch darauf, dass seine strafprozessualen Verfahrensgrundrechte eingehalten werden und dass er erst dann verurteilt wird, wenn seine Schuld zweifelsfrei feststeht. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 14 Rechtswissenschaftliches Institut Staatliches Straf- und Justizmonopol Justizmonopol des Staates Ausschluss privater Strafverfahren Justizgewährungspflicht des Staates Pflicht des Staates das Strafrecht durchzusetzen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 15 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Das Warenhaus «Fashion & Fun» ist für die Durchsetzung des Strafanspruchs auf die Mithilfe des Staates angewiesen. Die Ausfällung privater Bussen als strafrechtliche Sanktion ist nicht zulässig und lässt sich nicht durchsetzen. Hingegen hat das Warenhaus einen Anspruch gegenüber dem Staat, dass dieser den angezeigten Diebstahl verfolgt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 16 Rechtswissenschaftliches Institut Achtung der Menschenwürde, Fairnessgebot StPO 3 I: Achtung der Würde der vom Verfahren betroffenen durch die Strafbehörden StPO 3 II: a. Grundsatz von Treu und Glauben; b. Verbot des Rechtsmissbrauchs; c. Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren; d. Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 17 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster wird von der Staatsanwaltschaft aufgefordert, innert 10 Tagen Stellung zu nehmen. Dies tut er am letzten Tag per Mail, was aber grundsätzlich nicht möglich ist. Die Staatsanwaltschaft muss Muster nun eine Nachfrist setzen, da ihr ansonsten überspitzter Formalismus respektive eine Verletzung des Gebots von Treu und Glauben vorzuwerfen wäre. Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt aber auch für Muster: So kann dieser etwa nicht im Rechtsmittelverfahren seine ungenügende Verteidigung geltend machen, wenn er bei der Verhandlung bewusst und ausdrücklich auf einen Anwalt verzichtete. Angenommen Muster soll in Untersuchungshaft gesetzt werden, ist ihm dies mit entsprechender Begründung vom Staatsanwalt mitzuteilen. Vor dem Entscheid wird der Haftrichteranhören, was Muster dazu zu sagen hat respektive ihm das rechtliche Gehör gewähren. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 18 Rechtswissenschaftliches Institut Prinzip des gesetzlichen, unabhängigen und unparteiischen Richters Der Anspruch auf einen gesetzlichen Richter Über eine erhobene Anklage und die Sanktion entscheidet ein Richter Anspruch auf ein sachlich und örtlich zuständiges Gericht in gesetzmässiger Besetzung Der Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter Achtung der Gewaltenteilung hierarchische Unabhängigkeit persönliche Unabhängigkeit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 19 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wäre Peter Musters Mutter Staatsanwältin, so könnte sie das Verfahren gegen ihren Sohn nicht selbst leiten. Es würde ihr an der notwendigen persönlichen Unabhängigkeit mangeln. Sie wäre gemäss StPO 56 d befangen und müsste in den Ausstand treten. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 20 Rechtswissenschaftliches Institut Beschleunigungsgebot und Konzentrationsgrundsatz Beschleunigungsgebot StPO 5, EMRK 5 III und 6 I, BV 29 I und 31 III Durchführung und Abschluss des Strafverfahrens ohne Verzögerungen Konzentrationsgrundsatz StPO 5 I und 340 I a Durchführung des Hauptverfahrens ohne unnötige Unterbrechungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 21 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungsgrundsatz und Wahrheitsgrundsatz StPO 6 Untersuchungsgrundsatz Die Erforschung des Sachverhalts von Amtes wegen Wahrheitsgrundsatz Entscheid auf der Grundlage der materiellen oder historischen Wahrheit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 22 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn Muster nach seiner Festnahme fälschlicherweise behauptet, dass er sich nie im Warenhaus «Fashion & Fun» aufgehalten habe, so verstösst er damit nicht gegen seine verfahrensrechtlichen Pflichten respektive seine Lüge kann nicht sanktioniert werden. Indirekt können ihn allenfalls Nachteile treffen, z.B. indem der geständige Täter gemäss StGB 47 günstiger beurteilt werden kann. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 23 Rechtswissenschaftliches Institut Verfolgungs- und Anklagezwang, Offizial- und Legalitätsprinzip, Justizgewährungspflicht Pflicht der Strafverfolgungsbehörden, die Strafgewalt tatsächlich auszuüben. In materielle Hinsicht: Offizialprinzip In formeller Hinsicht: Legalitätsprinzip Strafprozessuales Legalitätsprinzip Pflicht bei genügenden Verdachtsgründen und gegebenen Prozessvoraussetzungen den Täter einer Verurteilung zuzuführen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 24 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Das Offizialdelikt gebietet den Strafverfolgungsbehörden tätig zu werden, sobald sie Kenntnis von der Wegnahme des Pullovers erlangt haben. Eine Einschränkung dieser Pflicht besteht namentlich deshalb nicht, weil es sich beim Tatbestand des Diebstahls gemäss StGB 139 um ein Offizialdelikt handelt (sofern nicht allenfalls StGB 172ter zur Anwendung kommt). Sofern sich der Tatverdacht gegen Muster konkretisiert, sind die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, ein Verfahren gegen Muster durchzuführen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 25 Rechtswissenschaftliches Institut Verzicht auf Strafverfolgung, Opportunitätsprinzip StPO 8 I, Verzicht auf Strafverfolgung… Wenn Schuld und Tatfolgen gering sind (StGB 52) Im Falle einer Wiedergutmachung (StGB 53) bei schwerer Betroffenheit des Täters durch die eigene Tat (StGB 54) StPO II und III, Verzicht auf Strafverfolgung… Wenn der Täter schon in einer Strafuntersuchung steht oder die Bestrafung eines zusätzlichen Delikts überflüssig erscheint (StPO 8 II) Fakultativ, wenn die Straftat bereits durch eine ausländische Behörde verfolgt wird oder die Verfolgung an diese abgetreten wird (StPO 8 III) In beiden Fällen: Nur wenn keine wesentlichen Interessen der Privatklägerschaft entgegenstehen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 26 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Fall von Peter Muster ist die Anwendung des Opportunitätsprinzips nach StPO 8 II und III nicht möglich, da die entsprechenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Allenfalls käme im Fall einer Wiedergutmachung ein Verzicht auf die Strafverfolgung nach StPO 8 I i.V.m. StGB 53 in Frage. Nicht zur Anwendung kommen StGB 54 mangels Betroffenheit des Täters und wohl auch StGB 52, da es sich nicht mehr um ein Bagatelldelikt handelt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 27 Rechtswissenschaftliches Institut Anklagegrundsatz EMRK 6 I und III a, StPO 9 und 325 f. Ein Urteil kann nur gestützt auf eine Anklage ergehen, die ein vom Richter unabhängiger Ankläger erhoben hat. Unvereinbarkeit von Ankläger- und Richterrolle Anklage als Prozessthema 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 28 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Sollte der Staatsanwalt Peter Muster anklagen, so hat er in der Anklage detailliert zu umschreiben, dass Muster einen Diebstahl gemäss StGB 139 begangen hat, indem er am 16. Mai 2013 im Warenhaus «Fashion & Fun» einen Pullover anprobiert und diesen anschliessend, ohne ihn zu bezahlen, unter dem Regenmantel aus dem Warenhaus gebracht hat. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 29 Rechtswissenschaftliches Institut Unschuldsvermutung, freie richterliche Beweiswürdigung EMRK 6 II, BV 32 I, StPO 10 Unschuldsvermutung (StPO 10 I) «Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.» Freie richterliche Beweiswürdigung (StPO 10 II) Keine Rangordnung der Beweise «in dubio pro reo» Beweislast- und Beweiswürdigungsregel 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 30 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft zu beweisen, dass Peter Muster den Pullover gestohlen hat, Muster muss zu seiner Entlastung nichts beitragen. Ist dies nicht möglich, ist Muster aufgrund der Unschuldsvermutung freizusprechen. Sollten verscheiden Zeugenaussagen vorliegen, die besagen, dass Muster den Pullover mitgenommen hat, bestehen wohl nur noch rein theoretische Zweifel an der Täterschaft von Muster. Überlegungen im Sinne dass ein identisch aussehender Täter in Frage kommt, verhindern eine Verurteilung nicht, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte einen solchen Schluss nahelegen würden. Bei mehreren sich widersprechenden Zeugenaussagen sind diese frei zu würdigen. Die Aussage eines unbeteiligten Zeugen wäre insofern glaubwürdig, als er keine persönlichen Interessen verfolgt. Bei der Aussage der Mutter der beschuldigten Person wäre das Naheverhältnis zu berücksichtigen. Für die Aussage der Mutter spräche jedoch, dass eine Verwechslung in diesem Fall üblicherweise ausgeschlossen erscheint. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 31 Rechtswissenschaftliches Institut Verbot der doppelten Strafverfolgung Grundsatz «ne bis in idem», IPBPR 14 VII, ZP 7 zur EMRK 4, StPO 11 Verbot jemanden wegen einer Tat für die er in der Schweiz verurteilt oder freigesprochen wurde, nochmals zu verfolgen oder vor Gericht zu beurteilen. Vorausgesetzt wird ein schweizerisches Urteil bei: Identität der Tat und Identität des Täters 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 32 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn Peter muster von einem Gericht in Zürich freigesprochen wird, kann er nicht in einem anderen Kanton wegen des gleichen Diebstahls noch einmal verfolgt werden. Das Zürcher Urteil entfaltet Sperrwirkung. Wird Muster hingegen von einem deutschen Gericht wegen des Diebstahls im Warenhaus «Fashion & Fun» freigesprochen, so hindert der Grundsatz des Verbots der doppelten Bestrafung ein schweizerisches Gericht nicht, die Sache noch einmal zu beurteilen (StGB 3 II). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 33 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsatz der Öffentlichkeit EMRK 6 I, IPBPR 14 I, BV 30 III, StPO 69-72 Möglichkeit der Parteien, anderen Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit, an der Verhandlung teilzunehmen. Publikumsöffentlichkeit Mittelbare Öffentlichkeit Parteiöffentlichkeit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 34 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit (1/2) StPO 11 II Unmittelbarkeit des Verfahrens Das Urteil wird aufgrund eigener Wahrnehmung der Beweismittel ausgefällt. Mittelbarkeit des Verfahrens Die dem Urteil zugrunde liegenden Beweise wurden im von einer anderen Behörde als dem Gericht zusammengetragen und gelangen dem Gericht in Form von Akten zur Kenntnis, 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 35 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit (2/2) Vorteile Unmittelbarkeit Nachteile Unmittelbarkeit Direkt vom Gericht wahrgenommene ungefilterte Beweise Umfangreiches Verfahren; verfahrensökonomisch kaum vertretbar Persönlicher Eindruck von Zeugen Schwer durchführbar bei aufwändigen Sachverhalten Hauptakzent des Verfahrens in der Hauptverhandlung, wo das Urteil gefällt wird Qualität der Beweise beeinträchtigt (langer Zeitablauf, beeinflussende Publikumsöffentlichkeit) Vorteile Mittelbarkeit Nachteile Mittelbarkeit Verfahrensökonomisch optimal Nicht vom Gericht direkt wahrgenommene ungefilterte Beweise; Fehler und Mängel des Vorverfahrens werden mitgeschleppt Kein persönlicher Eindruck von Zeugen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 36 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Mündlichkeit und Schriftlichkeit StPO 66 Mündlichkeit: Grundsätzlich im erstinstanzlichen Hauptverfahren Schriftlichkeit Grundsätzlich im Rechtmittelverfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 37 Rechtswissenschaftliches Institut Prozessvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt werden kann, z.B: Vorliegen eines Strafantrags bei Antragsdelikten Örtliche und sachliche Zuständigkeit Verfahrenshindernisse sind negative Prozessvoraussetzungen, z.B: Eintritt der Verjährung Tod der beschuldigten Person Sperrwirkung aufgrund von «ne bis in idem» 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 38 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Anlässlich der Hauptverhandlung wird festgestellt, dass das Delikt, das Peter muster in der Anklage zur Last gelegt wird, ein Antragsdelikt darstellt. Da bis zum Ablauf der Antragsfrist Strafantrag gestellt wurde, ist die entsprechende Voraussetzung erfüllt. Das Gericht prüft dies von Amtes wegen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 39 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 6. Robert macht absichtlich die Uhr von Ralf kaputt. Um es ihm «heimzuzahlen» zerkratzt Ralf daraufhin mit seinem Schlüssel die Lackierung von Roberts Auto. Wie ist dieses Verhalten strafprozessual zu würdigen? 7. Staatsanwalt Heinrich zwingt den Beschuldigten Ferdinand zwei Flaschen Rotwein zu trinken und verhört diesen anschliessend, wobei Ferdinand sämtliche Vorwürfe gesteht und anschliessend einschläft. Können die gemachten Aussagen im Verfahren verwendet werden? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 40 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 8. Richter Heino soll ein Verfahren gegen die Prostituierte Alexa wegen schwerer Körperverletzung verhandeln, da diese im Wissen um Ihre HIV-Erkrankung ungeschützt mit Freiern verkehrte und mehrere davon ansteckte. Dies ist Heino jedoch sehr unangenehm, da er ebenfalls regelmässig bei Alexa Kunde war und zudem ist er empört, dass Alexa seine Gesundheit derart gefährdete. Wie ist diese Situation strafprozessual zu würdigen? 9. Wegen Überlastung bearbeitet die Staatsanwaltschaft während sechs Monaten nur noch Verbrechen. Minderschwere Delikte bleiben währenddessen unbearbeitet. Ist dies zulässig? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 41 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 10. Die Beschuldigte Daria meldet sich bei der Polizei und gesteht, dass sie mehrere Passanten ausgeraubt hat. Kann gestützt auf dieses Geständnis bereits Anklage erhoben respektive eine Verurteilung ausgefällt werden? 11. Staatsanwalt Gunter entdeckt am Wochenende während des Rasenmähens die Hanfplantage seines Nachbars. Muss er dies anzeigen? 12. Rupert werden verschiedene geringfügige Verkehrsdelikte vorgeworfen. Kann Rupert Wiedergutmachung i.S.v. Art. 53 StGB leisten, indem er einer Stiftung für Strassenverkehrsopfer einen Monatslohn überweist? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 42 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 13. Die Staatsanwaltschaft hat in der Anklageschrift betreffend zahlreicher Betrugsfälle mehrere Geschädigte vergessen. Kann das Gericht diese anhand der korrekt erstellten Akten im Urteil auch berücksichtigen? 14. Die Verteidigung beantragt die Einvernahme des Bruders der beschuldigten Person, welcher während der Tat ebenfalls am Tatort war. Das Gericht lehnt dies mit der Begründung ab, dass diese Aussage aufgrund des Naheverhältnisses ohnehin nichts beweisen könne. Was ist von dieser Begründung zu halten? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 43 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 15. Die Hausangestellten Kassandra wurde fälschlicherweise wegen Diebstahls verurteilt. Es wurde ihr vorgeworfen, ein Gemälde des Hauseigentümers gestohlen zu haben. Tatsächlich handelte es sich aber um einen Versicherungsbetrug. Nun stiehlt Kassandra zwei Jahre später dasselbe Gemälde tatsächlich. Ist die frühere Bestrafung im Falle eines neuen Strafverfahrens zu berücksichtigen? 16. Kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn dies angesichts der Verfassung des Opfers eines schwerwiegenden Sexualdelikts angezeigt ist? 17. Wie haben die Strafbehörden vorzugehen, wenn die beschuldigte Person aufgrund schwerer Krankheit verhandlungsunfähig ist? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 44 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Kapitel: Strafbehörden, ihre Zuständigkeit und Amtstätigkeit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 45 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Strafbehörden 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 46 Rechtswissenschaftliches Institut Konzept der Behördenorganisation in der StPO Strafbehörden StPO 12: Strafverfolgungsbehörden StPO 13: Gerichte Ermittlungsbehörden (vorab Polizei) Untersuchungs- und Anklagebehörden (Staatsanwaltschaft, Übertretungsstrafbehörden) ↓ Zwangsmassnahmengerichte Erstinstanzliche Gerichte Rechtsmittelbehörde Vollzugsbehörde 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 47 Rechtswissenschaftliches Institut Strafverfolgungsbehörden: Polizei StPO 12 lit. a, 15 Polizeitätigkeit: kriminalpolizeilicher Aufgabenbereich: Gemäss StPO (StPO 15 I) weitere Aufgaben (insb. Gefahrenabwehr): Verwaltungsrecht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 48 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Anruf der Angestellten des Warenhauses Fashion & Fun bei der Polizei löst deren Ermittlungstätigkeit aus (StPO 15 II). Da die Meldung, dass ein Pullover gestohlen wurde, auf eine strafbare Handlung hindeutet, ist die Tätigkeit der Polizei im vorliegenden Fall eine kriminalpolizeiliche und untersteht somit der StPO. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 49 Rechtswissenschaftliches Institut Strafverfolgungsbehörden: Staatsanwaltschaft StPO 12 lit. b, 16 Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft Leitung des Vorverfahrens Durchführung des Untersuchungsverfahrens Anklageerhebung Vertretung der Anklage vor Gericht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 50 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens wird der Fall der Staatsanwaltschaft übergeben. Diese führt den Prozessstoff zusammen. Das heisst, sie befragt Muster und die Angestellten des Warenhauses. Am Schluss des Untersuchungsverfahrens muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie über genügend Beweismittel verfügt, um Peter Muster wegen Diebstahls anklagen zu können. Ist dies der Fall, dann erstellt sie – falls nicht ein Strafbefehl in Frage kommt – eine Anklage, in der sie den Tatvorwurf umreisst und schickt diese zusammen mit den Akten zum Gericht. Vor Gericht wird die Staatsanwaltschaft die Anklage vertreten. Ist die Beweislage ungünstig oder ist die Staatsanwaltschaft aus anderen Gründen der Ansicht, dass eine Verurteilung wahrscheinlich nicht möglich ist, so stellt sie das Verfahren gegen Peter Muster ein. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 51 Rechtswissenschaftliches Institut Strafverfolgungsbehörden: Übertretungsstrafbehörden StPO 12 lit. c, 17, 357 Aufgabenbereich Verfolgung von Übertretungen durch spezielle Verwaltungsbehörden 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 52 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn Peter Muster Tage vor dem Vorfall im Warenhaus «Fashion & Fun» seiner Nachbarin eine Ohrfeige verpasst hat, wird diese Übertretung (Tätlichkeit nach StGB 126 I) nicht (zwingend) von der für den Diebstahl im Warenhaus zuständigen Staatsanwaltschaft verfolgt. Verfügt der zuständige Kanton über eine Übertretungsstrafbehörde, so ist diese für die Verfolgung der Tätlichkeit zuständig. Die Ohrfeige jedoch, die Muster einer Verkäuferin des Warenhauses «Fashion & Fun» gegeben hatte, als sie ihn auf der Flucht aufhalten wollte, steht im Zusammenhang mit dem angeblich von Muster verübten Diebstahl. Die Verfolgung dieser Tätlichkeit obliegt (zwingend) der für die Verfolgung des Diebstahls zuständigen Staatsanwaltschaft. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 53 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Zwangsmassnahmengericht StPO 13 lit. a, 18 Aufgabenbereich Untersuchungs- und Sicherheitshaft Anordnung und Genehmigung weiterer Zwangsmassnahmen, soweit gesetzlich vorgesehen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 54 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Erstinstanzliches Gericht (1/2) StPO 13 lit. b, 19 Aufgabenbereich Beurteilung, ob die beschuldigte Person in objektiver und subjektiver Hinsicht den in der Anklage vorgeworfenen Straftatbestand erfüllt Beurteilung, ob weitere Voraussetzungen der Strafbarkeit erfüllt sind Beurteilung, welche strafrechtliche Sanktion verhängt werden soll 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 55 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Erstinstanzliches Gericht (2/2) StPO 19 II Zuständigkeit Einzelgerichte (sofern vorgesehen) Übertretungen Verbrechen und Vergehen, sofern die Staatsanwaltschaft nicht beantragt: • eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren • eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB • eine Behandlung nach Artikel 59 Absatz 3 StGB • bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 56 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Aufgrund fehlender Bundeskompetenz gemäss StPO 23 und 24 ist der Peter Muster vorgeworfene Ladendiebstahl von einem kantonalen erstinstanzlichen Gericht zu beurteilen. In Zürich handelt es sich dabei um ein Bezirksgericht. Der zur Diskussion stehende Tatbestand des Diebstahls (StGB 139 I) ist (sofern es sich nicht um ein geringfügiges Vermögensdelikt gemäss StGB 172ter handelt) ein Verbrechen gemäss StGB 10 III. Die mögliche Strafe liegt gemäss StGB 139 I zwischen einem Tag und fünf Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe. Je nach dem Antrag des Staatsanwalts (bis zwei Jahre Freiheitsstrafe resp. Geldstrafe oder mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe) ist das Bezirksgericht als Kollegialgericht zuständig oder der Fall kann dem Einzelrichter am Bezirksgericht übertragen werden. Da es sich um einen relativ leichten Fall eines Diebstahls handelt, dürfte die beantragte Strafe zur Zuständigkeit des Einzelrichters führen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 57 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Beschwerdeinstanz StPO 13 c, 20 Aufgabenbereich Beurteilung von Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und Entscheidungen der Polizei, Staatsanwaltschaften, Übertretungsstrafbehörden, Zwangsmassnahmengerichten und erstinstanzlichen Gerichten, welche nicht der Berufung unterliegen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 58 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Berufungsgericht StPO 13 d, 21 Aufgabenbereich Beurteilung von Berufungen und Revisionsgesuchen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 59 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichte: Bundesgericht als eidgenössische Berufungsinstanz Gemäss BGG Beschwerde in Strafsachen (BGG 78 ff.) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 60 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 18. Die Polizei rechnet nach einem Sportanlass mit Ausschreitungen und ist mit einem Grossaufgebot vor Ort. Fällt dies in den Anwendungsbereich der StPO? 19. Können die Kantone mehrere regionale Zwangsmassnahmengerichte vorsehen? 20. Der Kanton X sieht im erstinstanzlichen Strafverfahren auch Einzelgerichte vor. Ist es denkbar, dass Einzelrichter eine ambulante Behandlung gemäss StGB 63 anordnen? 21. Können Kantone ihre Beschwerdeinstanz Anklagekammer nennen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 61 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Zuständigkeit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 62 Rechtswissenschaftliches Institut Begriff, Arten der Zuständigkeit Örtliche Zuständigkeit: Regelt den geographischen Bereich der Zuständigkeit einer Behörde (vgl. StPO 31 ff., wo die örtliche Zuständigkeit Gerichtsstand genannt wird). Sachliche oder materielle Zuständigkeit: Regelt die Frage, welche der im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit vorhandenen Behörden zuständig ist. Funktionelle Zuständigkeit: Beschreibt die verschiedenen zu durchlaufenden Verfahrensstadien. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 63 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster soll die Tat in Zürich verübt haben, entsprechend sind gemäss StPO 340 I die Zürcher Behörden örtlich zuständig. Sachlich für die Untersuchung zuständig ist die Staatsanwaltschaft. Mit Bezug auf die funktionelle Zuständigkeit kann festgehalten werden, dass die erstinstanzliche Beurteilung des Falls dem Bezirksgericht oder dem Einzelrichter obliegt, zweitinstanzlich kommt eine Berufung an das Obergericht in Frage. 09.06.2015 (Titel der Präsentation), Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, (Autor) Seite 64 Rechtswissenschaftliches Institut Sachliche Zuständigkeit BV 123 II Strafverfolgung als grundsätzlich kantonale Angelegenheit, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht (vgl. StPO 23 f.). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 65 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit ist zunächst die Frage zu beantworten, ob eine Bundeszuständigkeit vorliegt. Im Fall von Peter Muster ist das nicht der Fall, denn das zur Diskussion stehende Delikt (Diebstahl) ist weder im Deliktskatalog von StPO 23 noch von StPO 24 enthalten. Ausserdem gibt es kein Spezialgesetz (namentlich VStrR und MStP), das dem Bund die Strafverfolgung in diesem Fall auferlegen würde. Der Fall liegt mithin in der kantonalen Zuständigkeit. 09.06.2015 (Titel der Präsentation), Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, (Autor) Seite 66 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichtsstand (örtliche Zuständigkeit) StPO 31 ff. Interkantonale und innerkantonale örtliche Zuständigkeitsordnung der Strafbehörden. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 67 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Fall von Peter Muster gäbe es verschiedene Anknüpfungspunkte, welche die Zuständigkeit einer bestimmten Strafbehörde rechtfertigen würden: Ort der Tat, Sitz der als erste verständigten Behörde, Wohnsitz des Täters, Sitz der Geschädigten etc. Der Gesetzgeber regelt mit den Gerichtsstandsregeln, welche Behörde im konkreten Fall zuständig ist. Peter Muster wird verdächtigt, im Warenhaus «Fashion & Fun» in Zürich einen Diebstahl verübt zu haben. Nach StGB 3 I ist das StGB anwendbar, wenn die Straftat in der Schweiz verübt worden ist. Die Anwendbarkeit des StGB ist Voraussetzung, dass nach StPO 31 ff. ein Gerichtsstand festzulegen ist. Gleichzeitig besteht die Verpflichtung, für die Strafverfolgung von Muster einen Gerichtsstand nach StPO zu definieren, da der Anspruch besteht, dass die schweizerischen Strafbehörden alle Straftaten verfolgen, die unter den Anwendungsbereich des StGB fallen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 68 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Gerichtsstandsregelungen (1/5) Gerichtsstandsregel: Anwendungsbeispiel: Handlungsort (StPO 31 I): Primärer Peter Muster wird verdächtigt, die Tat in Gerichtsstand ist der Tatort (forum Zürich verübt zu haben. Zuständig sind delicti commissi) entsprechend die für den Tatort zuständigen Zürcher Strafbehörden. Erfolgsort (StPO 31 I Satz 2): Bei Erfolgsdelikten ist der (schweizerische) Ort, wo der Taterfolg eingetreten ist, massgebend für den Gerichtsstand, wenn sich der Handlungsort nicht in der Schweiz befindet. 09.06.2015 Max schiesst von Deutschland aus über die Landesgrenze auf einen Mann, der sich in der Schweiz befindet. Da sich der Erfolgsort, nicht aber der Ausführungsort, in der Schweiz befindet, ist der Erfolgsort für die Zuständigkeit der schweizerischen Behörden massgebend. Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 69 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Gerichtsstandsregelungen (2/5) Gerichtsstandsregel: Anwendungsbeispiel: Mehrere Handlungs- oder Erfolgsorte (StPO 31 II): Zuständigkeit des Ortes, der zuerst Verfolgungshandlungen aufgenommen hat (forum praeventionis). Definition der Verfolgungshandlung: Strafsache wird in einer Weise an die Strafverfolgungsbehörde herangetragen, dass diese aktiv werden muss (z.B. Strafanzeige oder Strafantrag). Kurt erwirkt mit verschiedenen betrügerischen Täuschungshandlungen, dass Otto ihm Geld für fiktive Investitionen übergibt. Die entsprechenden Einzelhandlungen hat Kurt im Kanton Genf und im Kanton Zug verübt. Zuständig ist der Kanton Zug, da dessen Behörden aufgrund einer Strafanzeige als erste tätig geworden sind. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 70 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Gerichtsstandsregelungen (3/5) Gerichtsstandsregel: Anwendungsbeispiel: Beurteilung mehrerer Straftaten eines Täters: Die Strafuntersuchung führt zur Anklage gegen Hans wegen eines Diebstahls, der im Januar 2008 in Dietikon verübt worden ist und wegen eines im Dezember des gleichen Jahres ebenfalls in Dietikon verübten Raubs. Beide Taten werden im gleichen Verfahren beurteilt. Tatverübung am gleichen Ort (StPO 31 III): Vereinigung der Verfahren; Tatverübung an verschiedenen Orten (StPO 34): Vereinigung der Verfahren nach folgenden Regeln: Vereinigung am Ort, wo die schwerste Tat verübt worden ist (schwerste Tat wird eruiert nach folgenden Regeln: 1. angedrohtes Höchstmass des Delikts; 2. höhere Mindeststrafe); Bei gleicher Strafandrohung Vereinigung am Ort, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (forum praeventionis). 09.06.2015 Wäre der Raub im Kanton Glarus verübt worden, so wären dessen Behörden für die Beurteilung beider Taten zuständig, da es sich beim Raub um die schwerere Tat handelt (Höchststrafe bei StGB 140 Ziff. 1 mit 10 Jahren Freiheitsstrafe höher als bei StGB 139 Ziff. 1 mit maximal 5 Jahren Freiheitsstrafe). Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 71 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Gerichtsstandsregelungen (4/5) Gerichtsstandsregel: Anwendungsbeispiel: Straftaten im Ausland oder ungewisser Tatort (StPO 32): Der in Zürich verhaftete Schweizer Bürger Ernst wird verdächtigt, in Thailand eine sexuelle Handlung mit einem 10-jährigen Kind vorgenommen zu haben (vgl. StGB 5 I lit. b). Da er sich nur auf der Durchreise befindet und weder Wohnsitz noch Aufenthaltsort in der Schweiz hat, sind die Behörden des Kantons Bern zuständig, da sich der Heimatort von Ernst im Kanton Bern befindet. 1. 2. 3. 4. Behörden des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Täters; Behörden des Heimatorts des Täters; Behörden des Orts, an dem der Täter angetroffen worden ist; Behörden des Orts, der die Auslieferung des Täters verlangt hat. Mehrere Tatbeteiligte (StPO 33): Anstifter und Gehilfen: Zuständigkeit der Behörden des Orts, der für die Verfolgung des Haupttäters zuständig ist. Mittäter: Für alle Täter Zuständigkeit der Behörden am Ort, an dem einer der Täter zuerst verfolgt wird (forum praeventionis). 09.06.2015 Gustav verübt in Luzern einen Raub. Klaus hat ihn dabei unterstützt, indem er ihm in Basel eine Waffe beschafft hat. Zuständig für die Beurteilung von Gustav und Klaus sind die Behörden von Luzern, des Ortes also, wo der Täter Gustav die Tat ausgeführt hat. Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 72 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze der Gerichtsstandsregelungen (5/5) Gerichtsstandsregel: Anwendungsbeispiel: Weitere besondere Gerichtsstände: August, Geschäftsführer der stark überschuldeten X AG mit Sitz in Zug, schafft unmittelbar vor der Eröffnung des Konkurses Vermögenswerte der X AG auf die Seite und versteckt sie (StGB 163). Betroffen sind Vermögenswerte im Kanton Aargau und im Kanton Solothurn. Die Sache wird bekannt, weil ein Gläubiger bei den Behörden in Solothurn Strafanzeige eingereicht hat. Zuständig sind die Behörden von Zug, da StPO 36 I für Konkurs- und Betreibungsdelikte den Gerichtsstand am Sitz der Schuldnerin vorsieht. bei Straftaten durch Medien (StPO 35) bei Betreibungs- und Konkursdelikten und bei Strafverfahren gegen Unternehmen (StPO 36) bei selbständigen Einziehungen (StPO 37) bei Jugendlichen (JStPO 10). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 73 Rechtswissenschaftliches Institut Gerichtsstandsverfahren StPO 39 ff. Innerkantonaler Gerichtsstandskonflikt Entscheidkompetenz der Ober- bzw. Generalstaatsanwaltschaft oder der kantonalen Beschwerdeinstanz, sofern keine übergeordnete Staatsanwaltschaft vorhanden ist. Interkantonaler Gerichtsstandskonflikt Entscheidkompetenz der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 74 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtshilfe StPO 43 IV: Massnahmen, um die eine Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Unterstützung ihrer Tätigkeit in einem hängigen Strafverfahren ersucht. Nationale Rechtshilfe (StPO 43 ff.) Verfahrenshandlungen auf Verlangen (StPO 49-51) Verfahrenshandlungen in einem anderen Kanton (StPO 52 f.) Internationale Rechtshilfe (StPO 54 f., IRSG, Staatsverträge) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 75 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Die Zürcher Staatsanwaltschaft, die das Verfahren gegen Peter Muster leitet, möchte Akten der KESB Solothurn beiziehen. Diese ist gemäss StPO 44 verpflichtet, die entsprechende Rechtshilfe zu leisten. Die Zürcher Staatsanwaltschaft möchte im Verfahren gegen Muster ausserdem eine Hausdurchsuchung in dessen Ferienhaus in der Lenzerheide vornehmen. Sie ersucht daher die Behörden des Kantons Graubünden mittels Rechtshilfegesuch, die entsprechende Verfahrenshandlungen zugunsten der Zürcher Behörden vorzunehmen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 76 Rechtswissenschaftliches Institut Ausstand (1/3) StPO 56 ff. Ausstandsgründe: Anwendungsbeispiele: Persönliches Interesse in der Sache (lit. a). Richter Meier wird von einem Radfahrer angefahren und leicht verletzt. Er stellt einen Strafantrag. Die zuständige Staatsanwältin untersucht den Fall und erhebt Anklage gegen den Radfahrer wegen Erfüllung des Tatbestands der einfachen Körperverletzung (StGB 123 Ziff. 1). Der Fall kann Richter Meier, obwohl er als Einzelrichter am zuständigen Gericht tätig ist, nicht zugeteilt werden. Vorbefassung (lit. b): Tätigkeit in anderer Funktion in der gleichen Sache. Staatsanwalt Müller untersucht einen Fall. Er schliesst das Verfahren ab und erhebt Anklage. In der Zwischenzeit wird Müller als Richter ans Bezirksgericht gewählt. Der Fall kann ihm aber wegen Vorbefassung nicht zugeteilt werden. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 77 Rechtswissenschaftliches Institut Ausstand (2/3) Ausstandsgründe: Anwendungsbeispiele: Ehe oder vergleichbare Beziehung mit einem Verfahrensbeteiligten (lit. c): Ehe, Partnerschaft oder vergleichbare Beziehung mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder Mitglied der Vorinstanz. Staatsanwalt Hubers Frau ist Rechtsanwältin. Diese verteidigt einen Mann, gegen den Huber eine Untersuchung durchführt. Damit verstösst Huber gegen die Ausstandsvorschriften. Verwandtschaft mit einem Verfahrensbeteiligten (lit. d und e): Verwandtschaft in gerader oder in Seitenlinie bis zum dritten Grad mit einer Partei, bis zum zweiten Grad mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder mit einem Mitglied der Vorinstanz Staatsanwalt Hubers Cousine ist ebenfalls Rechtsanwältin. Sie verteidigt eine Frau, gegen die Huber ebenfalls eine Untersuchung durchführt. Dies ist kein Verstoss gegen die Ausstandsvorschriften, da StPO 56 lit. e den Ausstand nur für die Verwandtschaft mit einem Rechtsbeistand bis zum zweiten Grad in der Seitenlinie (Geschwister) vorsieht, wohingegen die Cousine eine Verwandte vierten Grads darstellt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 78 Rechtswissenschaftliches Institut Ausstand (3/3) Ausstandsgründe: Anwendungsbeispiele: Aus anderen Gründen (lit. f): Generalklausel für andere Fälle, in denen von einer Situation der Befangenheit ausgegangen werden muss. Dies gilt namentlich bei Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand. Richter Kuhn soll eine Mietrechtsstreitigkeit beurteilen, bei der die beklagte Seite von Rechtsanwalt Kobel vertreten wird. Kobels jetzige Frau war in erster Ehe mit Kuhn verheiratet und hat diesen wegen Kobel verlassen. Richter Kuhn ist daher befangen und muss in den Ausstand treten. Ausstandsverfahren (StPO 57 ff.) Durch Hinweis des befangenen Beamten selbst Aufgrund eines Antrags einer Partei 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 79 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Fall von Richter Kuhn (siehe Fallbeispiel zu lit. f) liegt ein Ausstandsgrund gemäss StPO 56 lit. f vor. Dieser kann von einer Partei vorgebracht werden oder auch von Richter Kuhn selbst. Da es sich um einen Fall von StPO 56 lit. f handelt, muss die Ausstandsbehörde entscheiden. Gemäss StPO 59 Abs. 1 lit. b ist dies die Beschwerdeinstanz. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 80 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensleitung StPO 61 ff. Verfahrensabschnitt Behörde Untersuchungsverfahren (bis Einstellung oder Anklageerhebung) Staatsanwaltschaft Hauptverfahren (ab Anklageerhebung bis zum Urteil) Präsident des Kollegialgerichts oder Einzelrichter Übertretungsstrafverfahren Übertretungsstrafbehörde 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 81 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 22. Hans telefoniert von Rorschach aus mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin, welche den Anruf in Wil entgegennimmt, und bedroht diese dabei im Sinne von StGB 180 II lit. b. An welchem Ort sind die Strafbehörden zuständig? 23. Welche Behörde entscheidet im Kanton Zürich über innerkantonale Gerichtsstandskonflikte? 24. Können die Strafbehörden des Kantons Freiburg eine Hausdurchsuchung im Thurgau anordnen? 25. Der beschuldigte Robert äusserte sich mehrmals ehrverletzend über den mit dem Verfahren befassten Staatsanwalt. Liegt ein Ausstandsgrund vor? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 82 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Teil: Verfahrenshandlungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 83 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrenshandlungen, Allgemeines und Begriffe Nach Art der Wirkung: Erwirkungshandlungen Bewirkungshandlungen Abhängig von der Konsequenz fehlerhafter Verfahrenshandlungen: Gültigkeitsvorschriften Ordnungsvorschriften 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 84 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Die Vorladung zur Schlusseinvernahme, die der Staatsanwalt an Peter Muster schickt, ist nicht unterschrieben. Die Einvernahme wird ohne Verteidiger durchgeführt. Ersterer Mangel stellt die Verletzung einer blossen Ordnungsvorschrift dar, wohingegen die Durchführung der Schlusseinvernahme ohne Verteidiger als Verstoss gegen eine Gültigkeitsvorschrift gilt. Letztgenannter Mangel führt zur Nichtigkeit der ganzen Einvernahme. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 85 Rechtswissenschaftliches Institut Mündlichkeit, Verfahrenssprache StPO 66 ff. Mündlichkeit, sofern Schriftlichkeit nicht gesetzlich vorgesehen (StPO 66). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 86 Rechtswissenschaftliches Institut Geheimhaltungspflicht StPO 73 Öffentlich: Verhandlungen vor erst- und zweitinstanzlichen Gerichten und die entsprechenden Urteilseröffnungen Geheimhaltung: Übrige Verfahrenshandlungen, nicht publikumsöffentliche Verfahren (StPO 69 III) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 87 Rechtswissenschaftliches Institut Orientierung der Öffentlichkeit, Mitteilung an Behörden Orientierung der Öffentlichkeit (StPO 74 I): damit die Bevölkerung bei der Aufklärung von Straftaten oder bei der Fahndung nach Verdächtigen mitwirkt zur Warnung oder Beruhigung der Bevölkerung zur Richtigstellung unzutreffender Meldungen oder Gerüchte wegen der besonderen Bedeutung eines Straffalles. Mitteilung an Behörden: Grundsätzliche Geheimhaltungspflicht auch zwischen Straf- und anderen Behörden Ausnahmen gemäss StPO 75 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 88 Rechtswissenschaftliches Institut Dokumentationspflicht, Protokolle StPO 76 ff. Dokumentationspflicht für alle prozessual relevanten Vorgänge. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 89 Rechtswissenschaftliches Institut Entscheide der Strafbehörden (1/2) StPO 80 ff. Endentscheide durch ein Gericht Urteil durch die Staatsanwaltschaft Strafbefehl Verfahrens- oder Prozessentscheide von einer Kollegialbehörde Beschluss von einer Einzelperson Verfügung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 90 Rechtswissenschaftliches Institut Entscheide der Strafbehörden (2/2) Wirkung von Verfahrens- oder Prozessentscheiden verfahrensleitend verfahrenserledigend urteilsabändernd Eröffnung und Zustellung der Entscheide Grundsatz gemäss StPO 84: sofortige Beratung und mündliche Verkündung von Sachurteilen im Rahmen der Hauptverhandlung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 91 Rechtswissenschaftliches Institut Fristen und Termine StPO 89 ff. Gesetzliche Fristen: bestehen aufgrund gesetzlicher Regelung unabänderlich Gerichtliche Fristen: von einer Strafbehörde angesetzt erstreckbar in begründeten Fällen (StPO 92) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 92 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Muster wird vom Staatsanwalt am 5. August 2013 aufgefordert, er solle innert 10 Tagen mitteilen, ob er über einen Wahlverteidiger verfügt. Das Schreiben erreicht Muster am 8. August 2013. Die Frist beginnt am nächsten Tag, am Freitag, den 9. August 2013, zu laufen und endet am 18. August 2013. Zwar sind die 10 Tage schon am 18. August 2013 abgelaufen. Da es sich dabei aber um einen Sonntag handelt, läuft die Frist bis zum nächsten Werktag, den Montag, 19. August 2013. Da es sich um eine gerichtliche Frist handelt, kann Muster bis spätestens am 19. August 2013 um eine Erstreckung der Frist ersuchen, wenn es ihm nicht möglich ist, fristgerecht die Mitteilung an den Staatsanwalt zu machen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 93 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Muster wird vom Staatsanwalt für den 27. August 2013, 14 Uhr, zu einer Einvernahme vorgeladen. Auf dem Weg zum Termin wird Muster Zeuge eines Autounfalls. Er betreut die Verletzten und steht anschliessend der Polizei bis um 15.30 Uhr für die Abklärung des Unfalls zur Verfügung. Der Termin kann neu angesetzt werden, da Muster durch den Verzicht auf die Einvernahme ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsmangel erwachsen würde und weil er an der Säumnis kein Verschulden trägt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 94 Rechtswissenschaftliches Institut Aktenführung, Akteneinsicht StPO 100 ff. Aktenführung in Aktendossiers (StPO 100): Systematische Sammlung der Protokolle und Akten Recht auf Akteneinsicht: Umfassend für Parteien und deren Rechtsbeistände Andere Verfahrensbeteiligte, soweit zur Interessenwahrung notwendig Drittpersonen mit wissenschaftlichem oder anderem schützenswerten Interesse, wenn kein anderes schützenswertes Interesse überwiegt Einschränkungen der Akteneinsicht gemäss StPO 108 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 95 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Beschuldigte Muster hat das Recht, Akteneinsicht zu nehmen, sobald er einvernommen worden ist und die wesentlichen Beweismittel (insbesondere Einvernahme des beteiligten Verkaufspersonals) erhoben worden sind. Dazu hat Muster ein Gesuch an den das Verfahren leitenden Staatsanwalt zu stellen. Die Akteneinsicht kann ihm nicht verweigert werden, wenn keine Kollusionsgefahr mehr besteht, da die Verweigerung der Akteneinsicht weder zum Schutz bestimmter Personen noch zur Wahrung öffentlicher oder privater Interessen notwendig ist. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 96 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 26. Kann die Verfahrensleitung eine Fernsehübertragung der Hauptverhandlung gestatten? 27. Claudia wurde erstinstanzlich verurteilt und ist unsicher, ob sie Berufung einlegen soll (StPO 399 I). Diese müsste sie innert 10 Tagen seit Eröffnung anmelden. Kann diese Frist erstreckt werden? 28. In der Berichterstattung zu einem Tötungsdelikt wird der Nachbar des Opfers als möglicher Täter dargestellt. Die Staatsanwaltschaft sieht aufgrund ihrer bisherigen Erkenntnisse jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür. Darf die Staatsanwaltschaft dazu Stellung nehmen? 29. Robert wird im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Was für ein strafprozessualer Entscheid liegt vor? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 97 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Kapitel: Parteien und andere Verfahrensbeteiligte 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 98 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Allgemeine Bestimmungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 99 Rechtswissenschaftliches Institut Parteien StPO 104, 106 ff. Parteien Beschuldigte Person Privatklägerschaft Staatsanwaltschaft Weitere Behörden, sofern gesetzlich ausdrücklich vorgesehen Verfahrenshandlungen der Parteien (Eingaben gemäss StPO 109) Anträge Erklärungen Aussagen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 100 Rechtswissenschaftliches Institut Andere Verfahrensbeteiligte StPO 105 Geschädigte Person und Opfer Anzeigeerstatter Zeuge und Auskunftsperson Sachverständiger Durch Verfahrenshandlungen unmittelbar beschwerte Dritte StPO 105 II: Verfahrensrechte wie Parteien, nur soweit sie in ihren Rechten unmittelbar betroffen sind. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 101 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 30. Roland hat Anzeige gegen seinen Nachbar erstattet. Hat Roland im anschliessenden Strafverfahren ein Akteneinsichtsrecht? 31. Sandra beschuldigt den Nachbarn Hugo, er habe sie vergewaltigt. Ines, die Ehegattin von Hugo glaubt, dass Sandra die Unwahrheit sagt, kann Ines im Strafverfahren Beweisanträge stellen, um die Unschuld ihres Gatten zu beweisen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 102 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Beschuldigte Person 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 103 Rechtswissenschaftliches Institut Beschuldigte natürliche Person StPO 111, 113 f. Beschuldigte Person ist, wer wegen einer Straftat verdächtigt, beschuldigt oder angeklagt wird (StPO 111 I). Position der beschuldigten Person Objekt des Strafverfahrens: Passiv-duldende Verfahrensrolle (z.B. Untersuchungshaft). Subjekt des Strafverfahrens: Aktiv-gestaltende Verfahrensrolle (z.B. Stellen von Beweisanträgen). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 104 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster wird vom zuständigen Staatsanwalt zur Einvernahme vorgeladen. Er ignoriert die Vorladung und erscheint nicht. In der Folge lässt der Staatsanwalt Muster polizeilich vorführen. Muster muss diese Zwangsmassnahmen über sich ergehen lassen. Des Weiteren kann er aber jede Kooperation und die Aussage verweigern. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 105 Rechtswissenschaftliches Institut Unternehmen als beschuldigte Person Als beschuldigt gilt das Unternehmen, welchem Strafbarkeit gemäss StGB 102 vorgeworfen wird. StPO 112 Bestimmung einer zur zivilrechtlichen Vertretung befugten Person, welche das Unternehmen im Strafverfahren vertritt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 106 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 32. Tom erschiesst an seinem Arbeitsplatz elf Mitarbeiter und versucht anschliessend sich selbst zu erschiessen. Tom überlebt jedoch mit dauerhaften Gehirnschäden mit erheblichen neurologischen Ausfallerscheinungen. Kann Tom Beschuldigter sein? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 107 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Teil: Geschädigte Person, Opfer, Privatklägerschaft und Zivilklage 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 108 Rechtswissenschaftliches Institut Geschädigte Person StPO 115 Geschädigte Person im Strafverfahren ist, wer: durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar tangiert wurde und in jedem Fall, die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person Rolle der geschädigten Person: Anderer Verfahrensbeteiligter gemäss StPO 105. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 109 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Verfahren gegen Peter Muster geht es um den Diebstahl eines Pullovers. Geschädigte Person ist der Eigentümer des Pullovers, dessen Vermögenswerte betroffen sind. Es handelt sich dabei um das Warenhaus «Fashion & Fun», das z.B. als Aktiengesellschaft konstituiert ist. Selbstverständlich kann auch eine Unternehmung, vorab eine juristische Person, Geschädigter sein. Bei den Falschgelddelikten wird hingegen primär das Vertrauen in die Sicherheit des Geldverkehrs geschützt. Die entsprechenden Interessen werden von der Staatsanwaltschaft vertreten. Aufgrund eines Falschgelddelikts kann indes auch eine Privatperson einen Schaden erleiden. In einem solchen Fall ist sie durch das Delikt mitbetroffen und erhält somit ebenfalls Geschädigtenposition. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 110 Rechtswissenschaftliches Institut Opfer StPO 116 f. Opfer ist, wer durch eine Straftat des Bundesrechts in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt wurde. Rolle des Opfers: Anderer Verfahrensbeteiligter gemäss StPO 105 I lit. a mit besonderen Verfahrensrechten gemäss StPO 117 I. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 111 Rechtswissenschaftliches Institut Privatklägerschaft StPO 118 ff. Geschädigte Person, welche sich als Privatklägerschaft konstituiert. Rolle der Privatklägerschaft: Parteistellung gemäss StPO 104 I lit. b 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 112 Rechtswissenschaftliches Institut Zivil- (Adhäsions)klage StPO 122 ff: Möglichkeit der Privatklägerschaft zivilrechtliche Ansprüche aus einer Straftat adhäsionsweise im Strafverfahren geltend zu machen. Keine adhäsionsweise Beurteilung findet statt, wenn (StPO 126 II): das Verfahren eingestellt wird oder ein Strafbefehl ergeht und die beschuldigte Person die Zivilansprüche nicht anerkennt die Zivilansprüche nicht ausreichend begründet oder beziffert wurden die Privatklägerschaft die Sicherheit für die Ansprüche der beschuldigten Person nicht leistet die beschuldigte Person freigesprochen wird, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist Beurteilung der Zivilforderung nur im Grundsatz, wenn die vollständige Beurteilung für den Strafrichter zu aufwändig wäre (StPO 126 III). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 113 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 33. Markus wird der Tatbestand von StGB 319, das Entweichenlassen von Gefangenen, vorgeworfen. Wer ist Geschädigter? 34. Der Geschädigte Heinrich verfolgt die erstinstanzliche Hauptverhandlung und ist mit deren Verlauf unzufrieden. Kann Heinrich auf das Verfahren Einfluss nehmen, indem er sich jetzt als Privatkläger konstituiert? 35. Gegen Henry wurde ein Strafverfahren eröffnet, weil er Gunter erwürgt hat. Können die Kinder von Gunter als Privatklägerschaft zivilrechtliche Ansprüche geltend machen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 114 Rechtswissenschaftliches Institut 4. Teil: Rechtsbeistände 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 115 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsbeistände: Grundsätze StPO 127 Beschuldigte Person, Privatklägerschaft und andere Verfahrensbeteiligte können einen Rechtsbeistand beiziehen. Die Verteidigung der beschuldigten Person im Strafverfahren ist Rechtsanwälten vorbehalten (StPO 127 V). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 116 Rechtswissenschaftliches Institut Verteidigung (1/3) StPO 128 ff. Recht auf Verteidigung (EMRK 6 Ziff. 3, IPBPR 14 II lit. b, BV 32 II, StPO 129 I) Recht der beschuldigten Person in jedem Straffall und jedem Verfahrensstadium einen Verteidiger zu bestellen (Verteidigung im formellen Sinn) und ihre Verteidigungsrechte auszuüben (Verteidigung im materiellen Sinn) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 117 Rechtswissenschaftliches Institut Verteidigung (2/3) Notwendige Verteidigung (StPO 130 f.) Zwingende Bestellung eines Verteidigers, wenn: Untersuchungshaft mehr als zehn Tage dauerte eine Freiheitsstrafe über einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme gemäss StGB droht die beschuldigte Person aus körperlichen oder geistigen Gründen ihre Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann ein Staatsanwalt vor der erstinstanzlichen Gericht oder Berufungsgericht persönlich auftritt ein abgekürztes Verfahren durchgeführt wird 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 118 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster hat das Recht, selbständig einen Verteidiger zu bestellen oder darauf zu verzichten. Ein Fall notwendiger Verteidigung besteht wohl weder aufgrund des zur Diskussion stehenden Delikts resp. der in Aussicht stehenden Strafe. Noch sind die anderen Voraussetzungen, die eine notwendige Verteidigung nach sich ziehen, erfüllt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 119 Rechtswissenschaftliches Institut Verteidigung (3/3) Amtliche Verteidigung (StPO 132 ff.) Staatlich bestellte und bezahlte Verteidigung: Bei notwendiger Verteidigung, sofern kein Wahlverteidiger bestellt wurde StPO 132 I lit. a). Wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, kein Bagatellfall vorliegt und der Straffall tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten bietet (StPO 132 I lit. b, II,III). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 120 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Da im Fall von Peter Muster wohl kein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt, ist eine amtliche Verteidigung nicht möglich. Es dürfte ein Bagatellfall vorliegen, der – unabhängig von der finanziellen Lage von Muster – nicht Anlass zu einer amtlichen Verteidigung gibt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 121 Rechtswissenschaftliches Institut Unentgeltliche Rechtspflege für die Privatklägerschaft StPO 136 ff. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn: Die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Zivilklage zu betreiben und die Zivilklage nicht aussichtlos erscheint. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 122 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 36. Gertrud ist Beschuldigte in einem Strafverfahren wegen Förderung der Prostitution gemäss StGB 195. Kann sie sich von ihrer Nichte verteidigen lassen, welche wenige Tage zuvor ein juristisches Studium mit hervorragenden Noten abgeschlossen hat? 37. Bernd soll als beschuldigte Person von der Staatsanwaltschaft einvernommen werden. Darf die Verteidigung von einem Geständnis abraten, obwohl sie weiss, dass Bernd schuldig ist? 38. Samuel erfährt, dass seine Ehegattin eine Liebesbeziehung mit seiner amtlichen Verteidigung begonnen hat. Kann Samuel einen anderen Verteidiger verlangen? 39. Der einschlägig vorbestrafte Marcel wird beschuldigt gegen StGB 261bis (Rassendiskriminierung) verstossen zu haben. Marcel verfasst eine Schrift mit überwiegend politischem Inhalt und fordert seine amtliche Verteidigung auf, diese in der Hauptverhandlung zu verlesen. Muss die Verteidigung dieser Forderung nachkommen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 123 Rechtswissenschaftliches Institut 4. Kapitel: Beweismittel 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 124 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Allgemeine Bestimmungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 125 Rechtswissenschaftliches Institut Beweise im Allgemeinen (1/2) Beweisgegenstand: Direkter Beweis Indirekter Beweis Hilfstatsachen oder Indizien Unterscheidung nach Art des Beweismittels: Personalbeweise: Z.B. Einvernahmen Sachbeweise: Z.B. Augenschein 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 126 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn die Verkäuferin Bea aussagt, sie habe nicht gesehen, wie Peter Muster den Pullover aus dem Warenhaus mitgenommen hat, dann liegt kein direkter Beweis für den Diebstahl vor. Die Aussage, sie habe beobachtet, dass Muster mit dem Pullover die Umkleidekabine betreten und kurz darauf das Warenhaus verlassen habe, wobei der Pullover weder zurückgegeben noch in der Umkleidekabine zurückgelassen worden sei, kann als indirekter Beweis gewertet werden. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 127 Rechtswissenschaftliches Institut Beweise im Allgemeinen (2/2) Beweisbedürftigkeit: Beweisführung über alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, mit Ausnahme von (StPO 139 II): unerheblichen offenkundigen der Strafbehörde bekannten oder bereits rechtsgenügend nachgewiesenen Tatsachen. Beweisfreiheit: StPO 139 I: Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten und rechtlich zulässigen Beweismittel ein. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 128 Rechtswissenschaftliches Institut Beweisverbote (1/2) Absolute Unverwertbarkeit (StPO 141 I) Beweiserhebung unter Einsatz physischer oder psychischer Gewalt Unverwertbarkeit aufgrund besonderer Regelung in der StPO Relative Unverwertbarkeit (StPO 141 II) Verletzung von Gültigkeitsvorschriften Erhebung auf strafbare Weise Werden bei der Beweiserhebung Ordnungsvorschriften verletzt, sind die Beweise verwertbar (StPO 141 III). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 129 Rechtswissenschaftliches Institut Beweisverbote (2/2) Fernwirkung von Beweiserhebungsverboten (StPO 141 IV) Grundsätzlich verwertbar: Wenn das ursprüngliche, gemäss StPO 141 II unerlaubte Beweismittel, nur zum Auffinden des mittelbaren Beweises führt. Unverwertbar: Wenn ein unerlaubtes Beweismittel gemäss StPO 141 II conditio sine qua non für den mittelbaren Beweis ist. Wenn das ursprüngliche Beweismittel gemäss StPO 141 I und 140 absolut unverwertbar ist. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 130 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 40. Der Staatsanwalt Christian behauptet wahrheitswidrig gegenüber dem Beschuldigten Marc, dass dessen Tochter ihn mit ihrer Zeugenaussage schwer belastet habe. Woraufhin Marc ein umfassendes Geständnis ablegt. Wie ist dieses Geständnis zu würdigen? 41. Der Vorgesetzte Eduard hört die Telefongespräche der ihm unterstellten Angestellten ab, ohne dass diese oder Anrufer darüber informiert sind. Können so erlangte Beweismittel in einem Strafverfahren verwendet werden? 42. Die beschuldigte Person wird von der Staatsanwaltschaft einvernommen und korrekt über ihre Rechte gemäss StPO 158 I belehrt. Welche Auswirkungen auf die Verwertbarkeit hat es, wenn die Belehrung im Verfahrensprotokoll nicht vermerkt wurde? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 131 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Personalbeweis, Einvernahmen als Beweismittel 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 132 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeine Vorschriften zu Einvernahmen StPO 142 ff. Befragung durch Staatsanwaltschaft, Übertretungsstrafbehörde oder Gericht Die Befragung der beschuldigten Person oder Auskunftsperson ist durch die Polizei möglich. Belehrung der zu befragenden Person über: Gegenstand des Verfahrens Die Eigenschaft, in der sie vernommen wird Die Rechte und Pflichten der einzuvernehmenden Person Recht der Parteien auf Teilnahme und Konfrontation 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 133 Rechtswissenschaftliches Institut Schutzmassnahmen StPO 149: Einschränkung von Parteirechten zum Schutz von Verfahrensbeteiligten Zusicherung der Anonymität (StPO 150) Einvernahmen unter Ausschluss der Parteien oder der Öffentlichkeit durchführt Feststellung der Personalien unter Ausschluss der Parteien oder der Öffentlichkeit Veränderung von Aussehen oder Stimme der zu schützenden Person Einschränkung der Akteneinsicht StPO 151 ff: Besondere Massnahmen zum Schutz verdeckter Ermittler, Opfer und Personen mit psychischer Störung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 134 Rechtswissenschaftliches Institut Einvernahme der beschuldigten Person StPO 157 ff. Zwingende Rechtsbelehrung bei der ersten formellen Einvernahme: dass ein Vorverfahren eingeleitet wurde welche Straftat Gegenstand des Verfahrens ist dass ein Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht besteht über das Recht einen Verteidiger zu bestellen oder amtliche Verteidigung zu beantragen über das Recht einen Übersetzer zu verlangen Folge einer mangelhaften Belehrung ist die Unverwertbarkeit der gemachten Aussagen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 135 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster steht es aufgrund seiner Position als Beschuldigter zu, die Aussage zu verweigern. Trotzdem muss er Fragen, die der Feststellung der Personalien dienen, beantworten. Wenn er dies trotz dieser Pflicht aber nicht tut, so sind die zur Feststellung der Personalien notwendigen und angemessenen Zwangsmassnahmen zulässig, verfahrensrechtliche Nachteile resultieren daraus jedoch nicht. Im Rahmen der ersten Einvernahme wird Peter Muster darüber informiert, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Diebstahls eines Pullovers am 16. Mai 2013 im Warenhaus «Fashion & Fun» eingeleitet worden ist. Ausserdem wird er darauf aufmerksam gemacht, dass er die Aussage und jede Mitwirkung verweigern kann. Schliesslich wird er gefragt, ob er die Unterstützung eines Verteidigers in Anspruch nehmen möchte. Da Muster vorläufig auf dieses Recht verzichtet, kann die Einvernahme fortgesetzt werden. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 136 Rechtswissenschaftliches Institut Einvernahme von Zeugen (1/2) StPO 162 ff. Zeuge: An der Begehung einer Straftat nicht beteiligte Person, die über von ihr wahrgenommene deliktsrelevante Tatsachen Aussagen machen kann und nicht Auskunftsperson ist. Zeugnisfähig ist, wer: älter als 15 Jahre und hinsichtlich des Gegenstands der Einvernahme urteilsfähig ist Zeugnispflicht: Zeugnisfähige Personen sind unter Vorbehalt der Zeugnisverweigerungsrecht zum wahrheitsgemässen Zeugnis verpflichtet. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 137 Rechtswissenschaftliches Institut Einvernahme von Zeugen (2/2) Zeugnisverweigerungsrechte absolute/relative Zeugnisverweigerungsrechte Persönliche Beziehung (StPO 168) Zum eigenen Schutz oder zum Schutz nahestehender Personen (StPO 169) Amtsgeheimnis (StPO 170) Berufsgeheimnis (StPO 171) Quellenschutz für Medienschaffende (StPO 172) Weitere Geheimhaltungspflichten (StPO 173) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 138 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Claudia Muster kann sich im Verfahren gegen Peter Muster aufgrund von StPO 168 I lit. a auf ein Zeugnisverweigerungsrecht stützen. Die Strafbehörden müssen sie vor ihrer Einvernahme darauf aufmerksam machen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 139 Rechtswissenschaftliches Institut Aussagen von Auskunftspersonen (1/4) StPO 178 ff. Auskunftspersonen sind gemäss StPO 178 (abschliessend): der gemäss StPO 118 ff. als Privatkläger konstituierte Geschädigte Kinder, die im Zeitpunkt der Einvernahme noch nicht 15 Jahre alt sind Personen, welche wegen eingeschränkter Urteilsfähigkeit nicht in der Lage sind, den Gegenstand der Einvernahme vollständig zu erfassen wer als Täter oder Teilnehmer einer Tat nicht ausgeschlossen werden kann, aber (noch) nicht beschuldigt ist mitbeschuldigte Personen bei Einvernahmen zu Delikten, die ihnen nicht zur Last gelegt werden Beschuldigte in einem anderen Verfahren wegen einer Tat, die mit der abzuklärenden Straftat im Zusammenhang steht Unternehmensvertreter nach StPO 112 sowie deren direkte Mitarbeiter bei einem nach StGB 102 gegen ein Unternehmen gerichtetes Strafverfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 140 Rechtswissenschaftliches Institut Aussagen von Auskunftspersonen (2/4) Privatklägerschaft als Auskunftsperson: Befragung nach den Bestimmungen der Zeugeneinvernahme (StPO 180 I) Übrige Auskunftspersonen: Befragung nach den Bestimmungen über die Einvernahme der beschuldigten Person (StPO 180 II) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 141 Rechtswissenschaftliches Institut Aussagen von Auskunftspersonen (3/4) Rollenwechsel der Auskunftsperson Der Grund für die Einvernahme als Auskunftsperson fällt nachträglich weg Zukünftige Einvernahme als Zeugin, frühere Aussagen verwertbar Eine als Zeugin einvernommene Person, hätte als Auskunftsperson vernommen werden müssen Zukünftige Einvernahme als Auskunftsperson, frühere Aussagen tendenziell unverwertbar 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 142 Rechtswissenschaftliches Institut Aussagen von Auskunftspersonen (4/4) Rollenwechsel der Auskunftsperson Bei einer als Zeugin einvernommen Person erfüllen sich nachträglich die Bedingungen für eine Einvernahme als Auskunftsperson Zukünftige Befragung als Auskunftsperson, frühere Aussagen verwertbar Eine Auskunftsperson belastet sich mit ihren Aussagen selbst Zukünftige Befragung als beschuldigte Person, Aussagen von Auskunftspersonen gemäss StPO 178 lit. a-e unverwertbar 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 143 Rechtswissenschaftliches Institut Sachverständige StPO 182 ff. Staatsanwaltschaft oder Gerichte ziehen eine Person mit besonderem Fachwissen bei, wenn dies zur Feststellung und Beurteilung notwendig ist. Funktion des Sachverständigen Gehilfe der Strafbehörde mit besonderem Fachwissen Keine rechtliche Würdigung des Sachverhalts 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 144 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 43. Ursula ist Beschuldigte in einem Strafverfahren, da sie gegenüber ihrer Tochter Gisela den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt habe. Peter, der Ehegatte von Ursula und Vater von Gisela, möchte als Zeuge die Aussage verweigern. Darf er das? 44. Matthias ist bei den Verwaltungsratssitzungen der in einem Strafverfahren beschuldigten Kataklysmus-AG jeweils Protokollführer. In welcher Rolle ist Matthias einzuvernehmen? 45. Die Mitarbeiterin einer medizinischen Fakultät wird mit der Ausarbeitung eines Gutachtens betraut, in welchem sie hinsichtlich eines Kunstfehlerprozesses das Vorgehen eines hierarchisch übergeordneten Fakultätskollegen medizinisch beurteilen soll. Wie ist das zu beurteilen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 145 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Teil: Sachliche Beweismittel 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 146 Rechtswissenschaftliches Institut Beweisgegenstände, Augenschein StPO 192 ff. Beweisgegenstände (StPO 192) Sachliche Beweismittel, welche den zuständigen Behörden zur Verfügung stehen und unmittelbar zu den Akten genommen werden. Augenscheinbeweis (StPO 193) Sachliche Beweismittel, welche der Strafbehörde aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht unmittelbar zur Verfügung stehen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 147 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Für das Beweisverfahren im Strafverfahren gegen Muster ist ein Augenschein im Warenhaus «Fashion & Fun» wohl entbehrlich. Allenfalls kann es sinnvoll sein, den gestohlenen Pullover in Form photographischer Aufnahme zu dokumentieren und so in die Akten zu integrieren. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 148 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 46. Kann die Staatsanwaltschaft anordnen, dass die beschuldigte Person und Zeugen an der Nachstellung des Delikts am Tatort teilnehmen? 47. Kann die Polizei zu Ermittlungszwecken die Akten eines Verwaltungsverfahrens beiziehen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 149 Rechtswissenschaftliches Institut 5. Kapitel: Zwangsmassnahmen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 150 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Allgemeines 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 151 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeine Bestimmungen (1/2) StPO 196 ff. Voraussetzungen (StPO 197, BV 36) Gesetzliche Grundlage (lit. a) Hinreichender Tatverdacht (lit. b) Subsidiarität (lit. c) Verhältnismässigkeit (lit. d) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 152 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeine Bestimmungen (2/2) StPO 198: Zuständigkeit für die Anordnung von Zwangsmassnahmen Die Staatsanwaltschaft (lit. a) Das mit dem Fall befasste Gericht (lit. b) Die Polizei, sofern die StPO dies explizit vorsieht (lit. c) Beschwerdemöglichkeit (StPO 393 ff.) gegen Anordnung und Durchführung von Zwangsmassnahmen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 153 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 48. Können strafprozessuale Zwangsmassnahmen auch gegenüber Personen angeordnet werden, gegen welche kein Tatverdacht besteht? 49. Welchen Zweck erfüllt die Untersuchungshaft im Hinblick auf StPO 196? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 154 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Zwangsmassnahmen, die das Recht der persönlichen Freiheit tangieren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 155 Rechtswissenschaftliches Institut Vorladung und Vorführung StPO 201 ff: Vorladung Schriftliche und verpflichtende Aufforderung an Personen, welche an einer Prozesshandlung teilnehmen müssen StPO 207 ff: Polizeiliche Vorführung Wenn eine Vorladung versäumt wurde und die Vorführung vorhergehend angedroht wurde Wenn anhand konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass einer Vorladung nicht nachgekommen wird Bei Verfahren wegen Vergehen oder Verbrechen, wenn das sofortige Erscheinen im Interesse des Verfahrens unerlässlich ist Bei dringendem Tatverdacht bezüglich eines Vergehens oder Verbrechens, sofern Haftgründe zu vermuten sind 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 156 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster wird zu einer Einvernahme beim Staatsanwalt vorgeladen. Da er zum besagten Termin einen wichtigen geschäftlichen Termin wahrnehmen muss, kann er um eine Verschiebung des Termins ersuchen. Tut er dies nicht, so riskiert er, polizeilich vorgeführt zu werden. Wenn Muster ohne Entschuldigung der Einvernahme fernbleibt, wird somit zunächst eine zweite Vorladung erfolgen. Erst wenn er auch dieser keine Folge leistet, kommt eine polizeiliche Vorführung in Frage. Angesichts der Geringfügigkeit des Delikts, wird die Polizei mit grösster Schonung vorgehen und beispielsweise auf eine Festnahme auf offener Strasse, am Arbeitsplatz etc. verzichten. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 157 Rechtswissenschaftliches Institut Fahndung StPO 210 f. Ausschreibung zur Aufenthaltsausforschung: Suche nach Wohn- oder Aufenthaltsort der Person (StPO 210 I). Ausschreibung zur Verhaftung und Zuführung: Bei beschuldigten Personen, welche eines Vergehens oder Verbrechens dringend verdächtigt werden, sofern Haftgründe zu vermuten sind (StPO 210 II). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 158 Rechtswissenschaftliches Institut Freiheitsentzug im Allgemeinen StPO 212 ff. Grundsatz: Die beschuldigte Person bleibt in Freiheit. Freiheitsentzug ist nur unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen möglich, solange diese erfüllt sind und keine Ersatzmassnahmen ausreichen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 159 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Aufgrund der Geringfügigkeit des Muster vorgeworfenen Delikts ist die Anordnung der Untersuchungshaft auch dann mangels Verhältnismässigkeit nicht anzuordnen, wenn die Voraussetzungen dafür grundsätzlich erfüllt wären. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 160 Rechtswissenschaftliches Institut Polizeiliche Anhaltung StPO 215 f. Anhaltung einer Person durch die Polizei im Interesse der Aufklärung einer Straftat, um: ihre Identität festzustellen sie kurz zu befragen abzuklären, ob sie eine Straftat begangen hat abzuklären, ob nach ihr oder nach Gegenständen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden, gefahndet wird. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 161 Rechtswissenschaftliches Institut Vorläufige Festnahme Verpflichtung der Polizei zur vorläufigen Festnahme (StPO 217 I) Wenn sie eine Person bei einem Verbrechen oder Vergehen auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung antrifft. Wenn die Person zur Verhaftung ausgeschrieben ist. Berechtigung der Polizei zur vorläufigen Festnahme (StPO 217 II, III) Wenn die Person gestützt auf Ermittlungen oder andere zuverlässige Informationen eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig ist Wenn eine Person bei einer Übertretung auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung angetroffen wird, sofern (alternativ): • die Person ihre Personalien nicht bekannt gibt • die Person nicht in der Schweiz wohnt und nicht unverzüglich eine Sicherheit für die zu erwartende Busse leistet • die Festnahme nötig ist, um die Person von weiteren Übertretungen abzuhalten 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 162 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (1/6) StPO 220 ff. Untersuchungshaft Freiheitsentzug während des Vorverfahrens Sicherheitshaft Freiheitsentzug zwischen dem Eingang der Anklage beim Gericht und der Rechtskraft des Urteils, der Haftentlassung oder dem Antritt einer freiheitsentziehenden Sanktion 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 163 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (2/6) Voraussetzungen der Anordnung von Untersuchungshaft (StPO 221) Dringender Tatverdacht Haftgrund • Fluchtgefahr • Kollusionsgefahr • Wiederholungsgefahr • Ausführungsgefahr 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 164 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (3/6) StPO 237 II und III: Ersatzmassnahmen (nicht abschliessend) Sicherheitsleistung Ausweis- und Schriftensperre Auflage, sich nur oder sich nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten Zur Überwachung: Electronic Monitoring etc. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 165 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (4/6) Verfahren bei Anordnung von Untersuchungshaft Innert 48 Stunden nach Festnahme: Antrag der Staatsanwaltschaft ans Zwangsmassnahmengericht auf Anordnung von Untersuchungshaft oder Ersatzmassnahmen Innert 48 Stunden nach Eingang des Antrags beim Zwangsmassnahmengericht: Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts über die Freilassung, die Anordnung der Untersuchungshaft oder von Ersatzmassnahmen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 166 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (5/6) Haftverlängerungsgesuch Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Haft, nach Ablauf der Haftdauer oder drei Monaten (StPO 227 I) Haftentlassungsgesuch Jederzeitige Möglichkeit der beschuldigten Person die Haftentlassung zu fordern (StPO 228 I) Rechtsmittel gegen Haftentscheide des Zwangsmassnahmengerichts Beschwerdemöglichkeit der verhafteten Person Beschwerdemöglichkeit der Staatsanwaltschaft Danach: Strafrechtsbeschwerde an das Bundesgericht (BGG 78 ff.) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 167 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchungs- und Sicherheitshaft (6/6) Sicherheitshaft Als Fortsetzung der Untersuchungshaft, wenn sich die beschuldigte Person bei Anklageerhebung bereits in Untersuchungshaft befindet (StPO 229 I, III lit. b) Anordnung durch das Zwangsmassnahmengericht auf Gesuch der Staatsanwaltschaft hin. Als neue Haftanordnung, wenn sich die Haftgründe erst nach der Anklageerhebung ergeben (StPO 229 II, III lit. a) Anordnung durch das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag des erstinstanzlichen Gerichts hin. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 168 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 50. Die Polizei wurde von der Verfahrensleitung beauftragt, die Beschuldigte Sarah vorzuführen. Diese verbarrikadiert sich in ihrem Haus und weigert sich, die Polizei einzulassen oder das Haus zu verlassen. Benötigt die Polizei einen Hausdurchsuchungsbefehl, um die Vorführung durchzusetzen? 51. Der Kaufhausdetektiv James erwischt Danielle beim Diebstahl eines Computerspiels mit dem Verkaufspreis von CHF 89.90. Darf James Danielle vorläufig festnehmen, um sie anschliessend der Polizei zu übergeben? 52. Ist Kollusionsgefahr als Haftgrund bei der Anordnung von Sicherheitshaft möglich? 53. Der in Untersuchungshaft befindliche Adrian stellt jeden Tag ein Haftentlassungsgesuch. Müssen die Strafbehörden sich mit jedem davon befassen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 169 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Teil: Durchsuchungen, Untersuchungen und Beschlagnahme 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 170 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeines Durchsuchung Räumlichkeiten, bewegliche Sachen, Aufzeichnungen Personen an Bekleidung, Körperoberfläche und einsehbare Körperöffnungen und Körperhöhlen Untersuchung des geistigen Zustands von Personen des Körperinneren sowie der nicht einsehbaren Körperöffnungen und Körperhöhlen von toten oder lebenden Personen Anordnung grundsätzlich in einem schriftlichen Befehl (StPO 241 I). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 171 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Peter Muster wird auf der Strasse vor dem Warenhaus «Fashion & Fun» von der Polizei angehalten. Sie kann Muster durchsuchen, um festzustellen, ob er den als gestohlen gemeldeten Pullover unter dem Regenmantel trägt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 172 Rechtswissenschaftliches Institut Hausdurchsuchung StPO 244 f. Mit Einwilligung der berechtigten Person Wenn zu vermuten ist, dass in diesen Räumen: • gesuchte Personen anwesend sind • Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind • Straftaten begangen werden. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 173 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn der konkrete Verdacht besteht, dass sich in der Wohnung von Muster weiteres Diebesgut befindet, kann der Staatsanwalt mittels Hausdurchsuchungsbefehl eine Durchsuchung der Wohnung anordnen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 174 Rechtswissenschaftliches Institut Durchsuchung von Aufzeichnungen (1/2) Voraussetzung der Durchsuchung von Aufzeichnungen: Vermutung, dass die Aufzeichnungen Informationen enthalten, welche der Beschlagnahme unterliegen (StPO 246). Siegelung Der Inhaber der Aufzeichnungen macht geltend, dass: Ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht vorliegt Andere Geheimhaltungsinteressen tangiert werden Amtliche Verwahrung unter besonderem Verschluss 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 175 Rechtswissenschaftliches Institut Durchsuchung von Aufzeichnungen (2/2) Entsiegelungsverfahren Entsiegelungsgesuch der Strafbehörde innert 20 Tagen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts im Vorverfahren, des Gerichts in übrigen Fällen, über das Geheimhaltungsinteresse des Inhabers Kein Entsiegelungsgesuch oder ablehnender Entsiegelungsentscheid Rückgabe der Aufzeichnungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 176 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchung Untersuchung des körperlichen oder geistigen Zustands bei: der beschuldigten Person zwecks Feststellung des Sachverhalts und Feststellung der Schuld- Verhandlungs- und Hafterstehungsfähigkeit bei anderen Personen entweder freiwillig oder unfreiwillig sofern bei schweren Delikten gemäss StPO 251 IV unerlässlich Legalinspektion bei aussergewöhnlichen Todesfällen zwecks Feststellung von Todesart und Identität des Toten. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 177 Rechtswissenschaftliches Institut DNA-Untersuchung (1/2) StPO 255 I: Abnahme von DNA-Proben zwecks Aufklärung von Vergehen und Verbrechen bei: der beschuldigten Person anderen Personen um von ihnen stammendes biologisches Material von jenem der beschuldigten Person zu unterscheiden toten Personen tatrelevantem biologischem Material 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 178 Rechtswissenschaftliches Institut DNA-Untersuchung (2/2) Massenuntersuchungen (StPO 256): DNA-Proben bei einer grösseren Anzahl Personen, welche bestimmte, in Bezug auf ein Verbrechen festgestellte Merkmale aufweisen Das Gericht kann die DNA-Erfassung anordnen, bei verurteilten Personen (StPO 257): die wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sind die wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens gegen Leib und Leben oder gegen die sexuelle Integrität verurteilt worden sind gegenüber denen eine therapeutische Massnahme oder die Verwahrung angeordnet worden ist 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 179 Rechtswissenschaftliches Institut Erkennungsdienstliche Erfassung, Schrift- und Sprachproben StPO 260 ff. Erkennungsdienstliche Erfassung Feststellung der äusserlich wahrnehmbaren Körpermerkmale einer Person Schrift- und Sprachproben Festhaltung der Schriftführung und Sprechweise einer Person zu Vergleichszwecken 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 180 Rechtswissenschaftliches Institut Beschlagnahme (1/2) Beweismittelbeschlagnahme (StPO 263 I lit. a) Beschlagnahme zur Sicherstellung von Kosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen (StPO 263 I lit. b, 268) Beschlagnahme zur Rückgabe an den Geschädigten (StPO 263 I lit. c) Beschlagnahme zur Einziehung (StPO 263 I lit. d, StGB 69 ff.) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 181 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der bei Peter Muster aufgefundene Pullover ist gemäss StPO 263 I lit. c zu beschlagnahmen, um ihn an das Warenhaus «Fashion & Fun» zurückzugeben. Vorausgesetzt ist, dass nachgewiesen werden kann, dass es sich beim besagten Pullover um Eigentum des Warenhauses handelt, das Muster unrechtmässig an sich genommen hat. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 182 Rechtswissenschaftliches Institut Beschlagnahme (2/2) StPO 264: Einschränkung der Beschlagnahme zwecks Sicherstellung von Beweismitteln oder der Kosten: Unterlagen aus dem Verkehr der Verteidigung mit der beschuldigten Person Persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Zeugnisverweigerungsberechtigten Seit 1. Mai 2013: Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer anwaltlichen Vertretung, sofern diese im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist. StPO 265: Editionspflicht: Herausgabepflicht des Inhabers von beschlagnahmbaren Objekten Ausnahme: Die beschuldigte Person, Aussageverweigerungsberechtigte sowie Unternehmen gemäss StPO 265 II lit. c 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 183 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Wenn Peter Muster einräumt, dass der Pullover dem Warenhaus «Fashion & Fun» gehört, dann kann der Staatsanwalt den Pullover schon vor Abschluss der Untersuchung dem Warenhaus aushändigen. Sind die Eigentumsverhältnisse unklar, so hat das Gericht diese im Rahmen des Urteils zu klären. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 184 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 54. Im Rahmen einer rechtmässig angeordneten und durchgeführten Hausdurchsuchung wird eine erhebliche Menge Heroin gefunden. Die Hausdurchsuchung war ursprünglich angeordnet worden, um Beweismittel in einem Verfahren wegen Diebstahls zu sichern. Wie gehen die Strafbehörden vor? 55. Die Strafbehörden wissen, dass der Beschuldigte Johann in der Garage seines Nachbarn Beweisgegenstände lagert, welche im Verfahren benötigt werden. Wie gehen die Strafbehörden vor, wenn sie diese Beweise sicherstellen wollen? 56. Wer ordnet bei Fahrzeuglenkern die Erhebung einer Blutprobe an, wenn die Vermutung besteht, der Fahrer sei betrunken? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 185 Rechtswissenschaftliches Institut 4. Teil: Geheime Überwachungsmassnahmen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 186 Rechtswissenschaftliches Institut Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs StPO 269 ff. Voraussetzungen: Dringender Tatverdacht betreffend eines Delikts gemäss Deliktskatalog von StPO 269 II Verhältnismässigkeit: Schwere der Straftat rechtfertigt die Überwachung Subsidiarität: Bisherige Untersuchungen blieben erfolglos oder die Ermittlungen würden ansonsten aussichtlos oder unverhältnismässig erschwert Die Anordnung bedarf der Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 187 Rechtswissenschaftliches Institut Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten StPO 280 f. Voraussetzungen: StPO 281 IV: Entsprechend der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 188 Rechtswissenschaftliches Institut Observation StPO 282 f. Voraussetzungen: aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Verbrechen oder Vergehen begangen worden sind und die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 189 Rechtswissenschaftliches Institut Überwachung von Bankbeziehungen StPO 284 f. Überwachung der Beziehung zwischen der beschuldigten Person und einer Bank oder einem bankähnlichen Institut zwecks Aufklärung von Vergehen oder Verbrechen. Anordnung durch das Zwangsmassnahmengerichts auf Antrag der Staatsanwaltschaft. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 190 Rechtswissenschaftliches Institut Verdeckte Ermittlung StPO 285 ff. Voraussetzungen (StPO 286): bestehender Verdacht, eine Katalogtat sei begangen worden Verhältnismässigkeit: Die Schwere der Straftat rechtfertigt die verdeckte Ermittlung und Subsidiarität: Die bisherigen Untersuchungshandlungen blieben erfolglos oder die Ermittlungen wären sonst aussichtslos oder würden unverhältnismässig erschwert Anordnung durch die Staatsanwaltschaft und Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht (StPO 289). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 191 Rechtswissenschaftliches Institut Verdeckte Fahndung StPO 298a ff. Voraussetzungen (StPO 298b): bestehender Verdacht, ein Verbrechen oder Vergehen sei begangen worden oder befinde sich in Ausführung und Subsidiarität: Die bisherigen Untersuchungshandlungen blieben erfolglos oder die Ermittlungen wären sonst aussichtslos oder würden unverhältnismässig erschwert Anordnung durch die Polizei im Ermittlungsverfahren bzw. die Staatsanwaltschaft ab Beginn des Untersuchungsverfahrens. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 192 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 57. Gegen August besteht der dringende Verdacht, dass er mehrere Betrugsdelikte beging. Kann der Fernmeldeanschluss eines nicht beschuldigten Freundes überwacht werden, wenn die Vermutung besteht, dass August diesen anrufen wird? 58. Der Wiederholungstäter Ulrich wurde soeben aus dem Strafvollzug entlassen. Kann die Polizei Ulrich gestützt auf StPO 282 observieren, wenn die begründete Vermutung besteht, dass Ulrich in Kürze wieder Straftaten begehen wird? 59. Die Staatsanwaltschaft ordnet aufgrund des Verdachts auf qualifizierten Drogenhandel eine verdeckte Ermittlung an, ohne beim Zwangsmassnahmengericht eine Genehmigung einzuholen. Wie sind die Erkenntnisse, welche während der verdeckten Ermittlung gewonnen werden zu würdigen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 193 Rechtswissenschaftliches Institut 6. Kapitel: Vorverfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 194 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeine Bestimmungen zum Vorverfahren Eröffnung des Vorverfahrens: Durch die Aufnahme der polizeilichen Ermittlungstätigkeit Durch die Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft Verfolgungszwang der Strafbehörden bei bekannt gewordenen Straftaten: Aufgrund eingegangener Strafanzeigen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft Aufgrund von Wahrnehmungen der Strafbehörden von Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben bzw. Anzeige an die zuständige Strafverfolgungsbehörde 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 195 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Fall von Peter Muster erfolgt die Strafanzeige durch die Angestellten des Warenhauses «Fashion & Fun», die die Polizei informieren. Damit ist das Vorverfahren eröffnet. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 196 Rechtswissenschaftliches Institut Polizeiliches Ermittlungsverfahren (1/2) Unaufschiebbare Sicherungsmassnahmen (StPO 306 II), wie: • Sicherstellung und Auswertung von Spuren und Beweismitteln • Ermittlung und Befragung der geschädigten und verdächtigen Personen • Anhaltung und vorläufige Festnahme tatverdächtiger Personen (bzw. die Fahndung nach diesen Feststellung, ob ein Offizial- oder Antragsdelikt vorliegt Feststellung, ob bei Antragsdelikten ein Strafantrag gestellt wurde 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 197 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Nach Eingang der Strafanzeige durch die Angestellten des Warenhauses «Fashion & Fun» nimmt die Polizei die Ermittlungen auf. Sie klärt zunächst den Sachverhalt ab und versucht, die strafrechtlich Verantwortlichen zu eruieren. Dazu befragt sie zunächst die Angestellten des Warenhauses, hält Peter Muster vor dem Warenhaus fest und vernimmt ihn anschliessend. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 198 Rechtswissenschaftliches Institut Polizeiliches Ermittlungsverfahren (2/2) Informations- und Rapportpflicht zuhanden der Staatsanwaltschaft: Information bei schweren Straftaten und anderen schwer wiegenden Ereignissen (StPO 307 I) Übermittlung von Rapporten und Akten an die Staatsanwaltschaft (StPO 307 III) Ausnahme: Für die Staatsanwaltschaft stehen weitere Verfahrensschritte ausser Betracht und es fanden keine Zwangsmassnahmen oder formalisierten Ermittlungshandlungen statt 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 199 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im von der Polizei erstellten Rapport wird festgestellt, dass nach übereinstimmenden Aussagen der Angestellten Peter Muster einen Pullover anprobiert und anschliessend das Warenhaus mit einem Regenmantel bekleidet verlassen hat und dass danach der Pullover vermisst wurde. Ausserdem wird festgestellt, dass Peter Muster vor dem Warenhaus angehalten werden konnte und den besagten Pullover unter dem Regenmantel getragen hat. Weiter wird festgehalten, dass Muster die Aussage verweigerte. Der Rapport und die Akten werden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 200 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft (1/3) StPO 309 I: Eröffnung der staatsanwaltschaftlichen Untersuchung, wenn (alternativ) ein ausreichender Tatverdacht vorliegt die Staatsanwaltschaft Zwangsmassnahmen anordnet oder veranlasst oder die Polizei die Staatsanwaltschaft bei schweren Delikten gemäss StPO 307 I orientiert hat Bei aussichtslosen Anzeigen: Erledigung mittels Nichtanhandnahmeverfügung (StPO 310) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 201 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Staatsanwalt eröffnet die Untersuchung wegen Diebstahls gegen Peter Muster, da dieser aufgrund der polizeilichen Akten als Verdächtiger erscheint und ein ausreichender Tatverdacht vorliegt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 202 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft (2/3) Sistierung des Verfahrens: wenn der Täter oder dessen Aufenthalt unbekannt ist oder andere vorübergehende Verfahrenshindernisse bestehen (StPO 314 lit. a) der Ausgang des Strafverfahrens von einem anderen Verfahren abhängt und es angebracht erscheint, dessen Ausgang abzuwarten (StPO 314 lit. b) ein Vergleichsverfahren hängig ist und es angebracht erscheint, dessen Ausgang abzuwarten (StPO 314 lit. c) ein Sachentscheid von der weiteren Entwicklung der Tatfolgen abhängt (StPO 314 lit. d) wenn die Anklage oder die Akten mangelhaft sind (StPO 329 II) wenn das Opfer bei Körperverletzungen unter Ehegatten und Lebenspartnern damit einverstanden ist (StGB 55a I) wenn der Exhibitionist sich ärztlich behandeln lässt (StGB 194 II) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 203 Rechtswissenschaftliches Institut Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft (3/3) Verfahrenserledigung gemäss StPO 316 Vergleich: Möglichkeit der Staatsanwaltschaft bei Antragsdelikten die beschuldigte Person und den Antragssteller zwecks Einigung vorzuladen Verfahrenseinstellung, wenn der Antragssteller nicht erscheint oder eine Einigung gelingt Wiedergutmachung: Verhandlungen zwischen geschädigter und beschuldigter Person, wenn die Wiedergutmachung gemäss StGB 53 in Betracht kommt Verfahrenseinstellung, wenn die Voraussetzungen von StGB 53 erfüllt werden Abschluss der Untersuchung (StPO 318 I) mittels Schlussverfügung oder Strafbefehl 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 204 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Im Rahmen der Schlusseinvernahme bricht Peter Muster angesichts der erdrückenden Beweislage sein Schweigen. Er gibt zu, dass er den Pullover mitgenommen hat, macht aber geltend, dass er dies nicht bewusst gemacht habe. Er habe den Pullover anprobiert und dann nicht mehr daran gedacht, den Regenmantel angezogen und das Warenhaus verlassen, ohne weiter an den Pullover zu denken. Deshalb liege mangels Vorsatz kein Diebstahl vor. Der Staatsanwalt hält Muster vor er sei der Ansicht, dass Muster den Pullover vorsätzlich mitgenommen habe und deshalb den Tatbestand des Diebstahls erfüllt habe. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 205 Rechtswissenschaftliches Institut Einstellung des Verfahrens (1/2) StPO 319 I: Einstellung des Verfahrens Wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a) kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b) Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschlussgründe vorliegen (lit. c) Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können oder Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d) nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung oder Bestrafung verzichtet werden kann (lit. e) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 206 Rechtswissenschaftliches Institut Einstellung des Verfahrens (2/2) StPO 319 II: Das Verfahren kann zudem eingestellt werden, wenn (kumulativ) das Interesse eines Opfers unter 18 Jahren verlangt zwingend die Einstellung des Strafverfahrens dieses Interesse überwiegt das staatliche Strafverfolgungsinteresse offensichtlich das Opfer oder bei Urteilsunfähigkeit seine gesetzliche Vertretung stimmen der Einstellung zu StPO 323: Wiederaufnahme nach der Einstellung eines Verfahrens Bei Bekanntwerden neuer Beweismittel oder Tatsachen, welche (kumulativ): für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschuldigten sprechen und sich nicht bereits aus den früheren Akten ergeben. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 207 Rechtswissenschaftliches Institut Anklageerhebung StPO 324 ff. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, wenn aufgrund eines hinreichend erhärteten Tatverdachts eine Verurteilung als wahrscheinlich erachtet wird und kein Strafbefehl erlassen werden kann. Inhalt der Anklage: StPO 325 f. Wirkung der Anklageerhebung: Übergang der Verfahrensherrschaft an das Gericht Beginn des Hauptverfahrens 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 208 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Staatsanwalt erhebt gegen Muster Anklage. Im entsprechenden Schriftstück umschreibt er den Sachverhalt, der sich im Warenhaus «Fashion & Fun» zugetragen hat und wirft Muster vor, dass er damit den Tatbestand des Diebstahls erfüllt habe und deshalb zu bestrafen sei. Er stellt den Antrag, dass Muster mit einer Geldstrafe in der Höhe von 10 Tagessätzen à CHF 100 zu bestrafen sei. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 209 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 60. Eine Person wurde auf offener Strasse erschossen. Zuerst trifft die Polizei am Tatort ein und befragt Passanten, gleichzeitig werden Sachbeweise gesichert. Die von der Polizei informierte Staatsanwaltschaft trifft wenig später ebenfalls ein und erteilt der Polizei Weisungen. Wann wurde das Vorverfahren eingeleitet? 61. Während einer Schulreise überfährt ein Lehrer mit seinem Fahrzeug einen Schüler und verletzt diesen tödlich. Nachdem eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung eröffnet wurde, möchte die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, weil der Lehrer mit der Schuld, mit welcher er nun zu leben habe, genug bestraft sei. Ist dies möglich? 62. Die Staatsanwaltschaft ist im Begriff eine Strafuntersuchung abzuschliessen, in welchem der beschuldigten Person eine Vergewaltigung vorgeworfen wird. Der Beschuldigte beharrt darauf, dass sämtliche Handlungen einvernehmlich waren. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Beschuldigte lügt, ist sich aber unsicher. Wie hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren abzuschliessen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 210 Rechtswissenschaftliches Institut 7. Kapitel: Erstinstanzliches Hauptverfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 211 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtshängigkeit und Vorbereitung der Hauptverhandlung Eingang der Anklage beim erstinstanzlichen Gericht: StPO 328:Rechtshängigkeit, Verfahrensherrschaft des Gerichts Vorprüfung der Anklage (StPO 329): ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind ob Verfahrenshindernisse bestehen Grundsatz: Immutabilitätsprinzip Ausnahme: StPO 333 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 212 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Mit Eingang der Anklage gegen Muster beim Einzelrichter wird das Verfahren rechtshängig, d.h. fortan ist der Einzelrichter für das Verfahren zuständig. Das Gericht nimmt eine Vorprüfung der Anklage gegen Muster vor. Es befindet die Anklage als den Voraussetzungen entsprechend und hält dies z.B. in einer Aktennotiz formell fest. Der Einzelrichter setzt den Termin für die Hauptverhandlung fest und teilt dies den Parteien mittels Vorladung mit. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 213 Rechtswissenschaftliches Institut Durchführung der Hauptverhandlung (1/2) Gesetzmässige Zusammensetzung des Gerichts (StPO 335 I) Anwesenheit der beschuldigten Person, der amtlichen oder notwendigen Verteidigung gemäss StPO 336 Teilnahme der Staatsanwaltschaft gemäss StPO 337 Persönliches Erscheinen der Privatklägerschaft und von einer beantragten Einziehung betroffenen Dritten gemäss StPO 338 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 214 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Staatsanwalt muss aufgrund der geringen Strafe und dem Umstand, dass er seinen Strafantrag schriftlich in der Anklage gestellt hat, nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen. An der Hauptverhandlung eröffnet der Richter diese, gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt und stellt fest, dass die vorgeladenen Parteien anwesend sind. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 215 Rechtswissenschaftliches Institut Durchführung der Hauptverhandlung (2/2) Ablauf der Hauptverhandlung: Eröffnung Vor- und Zwischenfragen Anträge der Staatsanwaltschaft Beweisverfahren Parteivorträge Urteilsberatung und Urteilseröffnung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 216 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Die Hauptverhandlung gegen Muster wird grundsätzlich nach dem Mittelbarkeitsprinzip durchgeführt. Es findet somit vor Gericht keine Beweisabnahme mehr statt; der Richter stützt sich dabei auf die Akten der Voruntersuchung. Jedoch erfolgt eine Einvernahme von Peter Muster, in der er zu seiner Person und zum eingeklagten Vorwurf des Diebstahls Stellung nehmen kann. Muster bleibt bei der Version, die er bereits im Rahmen der Schlusseinvernahme geäussert hat. Da der Staatsanwalt im Verfahren gegen Muster nicht anwesend ist, hat er auch keine Möglichkeit zu einem Parteivortrag. Es plädiert somit einzig der (Wahl-) Verteidiger von Muster, der geltend macht, Muster habe ohne Vorsatz gehandelt und sei daher vom Vorwurf des Diebstahls freizusprechen. In seinem Schlusswort betont Muster, dass er den Pullover nicht habe an sich nehmen wollen und nach Entdecken der versehentlichen Wegnahme sofort zurückgebracht hätte. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 217 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Einzelrichter kommt zum Schluss, dass die Beweislage soweit klar ist, dass eine Verurteilung Musters wegen Diebstahls erfolgen muss. Angesichts des Verschuldens erachtet er eine Strafe in der Höhe von 20 Tagessätzen (trotz des tieferen Antrags des Staatsanwalts) für angemessen. Die Höhe des Tagessatzes legt er indes aufgrund der persönlichen Verhältnisse von Muster bei CHF 50 fest. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 218 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 63. Bei der Hauptverhandlung fällt ein Richter eines Kollegialgerichts aus. Welche Konsequenzen hat dieser Vorfall? 64. Kann der Staatsanwalt im Parteivortrag von der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts gemäss Anklageschrift abweichen? 65. Der Verteidiger des Beschuldigten Franz möchte eine Zweiteilung des Verfahrens gemäss StPO 342. Wann kann er dies beantragen? 66. Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft im Sinne von StPO 333 I Gelegenheit die Anklage zu ändern. Kann das Gericht der Staatsanwaltschaft Weisungen erteilen, wie die Anklage zu ändern ist? 67. Ein Mitglied eines Kollegialgerichts kann sich hinsichtlich der Urteilsfällung nicht entscheiden. Kann er sich enthalten? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 219 Rechtswissenschaftliches Institut 8. Kapitel: Besondere Verfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 220 Rechtswissenschaftliches Institut Strafbefehlsverfahren Angebot zur Verfahrenserledigung erlassen durch Staatsanwaltschaft Voraussetzungen: • beschuldigte Person hat Sachverhalt eingestanden oder Sachverhalt ist anderweitig ausreichend geklärt • beschuldigte Person wird schuldig gesprochen • eine der folgenden Sanktionen ist ausreichend: Busse in unbeschränkter Höhe Geldstrafe von max. 180 Tagessätzen gemeinnützige Arbeit von max. 720 Stunden Freiheitsstrafe von max. 6 Monaten 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 221 Rechtswissenschaftliches Institut Übertretungsstrafverfahren • Übertretungsstrafbehörden sind ebenfalls zum Erlass von Strafbefehlen befugt • Übertretungsstrafbehörden verfügen über staatsanwaltschaftliche Befugnisse • Überweisung an Staatsanwaltschaft bei Verbrechen oder Vergehen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 222 Rechtswissenschaftliches Institut Einsprache (1/2) • gegen Strafbefehl • durch beschuldigte Person, betroffene Dritte, Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft • innert 10 Tagen • bewirkt Einleitung des gerichtlichen Verfahrens 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 223 Rechtswissenschaftliches Institut Einsprache (2/2) • Staatsanwalt/Übertretungsstrafbehörde hat Untersuchung nachzuholen • Hält Einsprecher nach abgeschlossenem Beweisverfahren an der Einsprache fest, hat Staatsanwalt/Übertretungsstrafbehörde folgende Möglichkeiten: am Strafbefehl festhalten und Überweisung an Gericht Verfahren einstellen neuen, gegenüber dem ersten anders lautenden Strafbefehl erlassen Anklage erheben, wenn Voraussetzungen für Strafbefehl nicht mehr gegeben 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 224 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Staatsanwalt erwägt im Verfahren gegen Muster den Erlass eines Strafbefehls. Die von ihm als angemessen erachtete Strafe würde für ein solches Vorgehen sprechen. Der Sachverhalt wird allerdings von Muster in wesentlichen Teilen (subjektiver Tatbestand) bestritten. Der Staatsanwalt stellt sich die Frage, ob die Beweislage allenfalls als ausreichend geklärt eingestuft werden kann. Da der Sachverhalt aus seiner Sicht nicht ausreichend geklärt ist, entscheidet er sich zur Anklageerhebung und verzichtet damit auf den Erlass eines Strafbefehls. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 225 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 68. In einem Straffall, für welchen Staatsanwältin Meier zuständig ist, hat der Beschuldigte den Sachverhalt eingestanden. Meier hält eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen für ausreichend. Sie möchte aber, dass der Fall von einem Gericht beurteilt wird. Kann die Staatsanwältin Anklage erheben, obwohl die Voraussetzungen für den Erlass eines Strafbefehls erfüllt wären? 69. Staatsanwalt Huber erlässt gegen den Beschuldigten Müller einen Strafbefehl. Müller findet die Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu hoch und erhebt rechtzeitig Einsprache. Darauf veranlasst Staatsanwalt Huber weitere Beweiserhebungen und Einvernahmen. Es kommen weitere Taten von Müller ans Licht. Huber erlässt gegen Müller einen neuen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen. Darf er das? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 226 Rechtswissenschaftliches Institut Abgekürztes Verfahren (1/2) Möglichkeit der gegenseitigen Absprache Voraussetzungen • Antrag der beschuldigten Person • Anerkennung Zivilansprüche • anwaltliche Verteidigung • Geständnis • Freiheitsstrafe bis 5 Jahre 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 227 Rechtswissenschaftliches Institut Abgekürztes Verfahren (2/2) Ablauf • Verhandlungen zwischen Beschuldigtem und Staatsanwalt • Erstellung Anklageschrift durch Staatsanwalt • Eröffnung Anklageschrift an Parteien • Zustimmung zur Anklageschrift durch Parteien • Übermittlung Anklageschrift an Gericht • Hauptverfahren mit öffentlicher Hauptverhandlung durch Gericht • Erhebung Anklageschrift zum Urteil 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 228 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 70. Gegen Silvio wird wegen möglichem qualifizierten Raub ein Strafverfahren eröffnet. Er beantragt dem Staatsanwalt die Durchführung des abgekürzten Verfahrens, da er den Sachverhalt eingesteht und die Zivilforderungen anerkannt. Der Staatsanwalt lehnt dies ohne Begründung ab. Darf er das? Kann Silvio etwas dagegen tun? 71. Welche Grundsätze des Strafverfahrens spielen beim abgekürzten Verfahren eine Rolle? Welche Grundsätze sprechen für das abgekürzte Verfahren, welche dagegen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 229 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren bei selbständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts (Nachverfahren) Begriff Zuständigkeit 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 230 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren bei Abwesenheit der beschuldigten Person Voraussetzungen unentschuldigte Abwesenheit der beschuldigten Person anlässlich einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung trotz ordnungsgemässer Vorladung beschuldigte Person bleibt an erneut angesetzter Hauptverhandlung unentschuldigt fern beschuldigte Person konnte sich zu den Anklagevorwürfen im Vorverfahren äussern Akten- und Beweislage erlaubt eine Verurteilung ohne Anwesenheit der beschuldigten Person beschuldigte Person untersteht dem schweizerischen Strafrecht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 231 Rechtswissenschaftliches Institut Selbständige Massnahmeverfahren Massnahmen können nicht im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens ausgesprochen werden: Verfahren bei einer schuldunfähigen beschuldigten Person Selbständiges Einziehungsverfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 232 Rechtswissenschaftliches Institut 9. Kapitel: Rechtsmittel 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 233 Rechtswissenschaftliches Institut 1. Teil: Begriff und Arten der Rechtsmittel, Anfechtbare Entscheide, Rechtsmittellegitimation und - verfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 234 Rechtswissenschaftliches Institut Begriff des Rechtsmittels Mittel für die Verfahrensbeteiligten, die Aufhebung oder Änderung eines für sie nachteiligen Entscheids zu verlangen Beschwerde (StPO 393 ff.) Berufung (StPO 398 ff.) Revision (StPO 410 ff.) Beschwerde in Strafsachen (BGG 78 ff.) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 235 Rechtswissenschaftliches Institut Arten der Rechtsmittel Ordentliche und ausserordentliche Primäre und subsidiäre Vollkommene und unvollkommene Suspensive und nicht suspensive Devolutive und nicht devolutive Reformatorische und kassatorische 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 236 Rechtswissenschaftliches Institut Anfechtbare Entscheide, Rechtsmittellegitimation Anfechtungsobjekte: behördliche Verfahrenshandlungen Befugnis zur Ergreifung eines Rechtsmittels: • Staatsanwaltschaft und weitere Behörden (StPO 381, 104 I lit.c) • Übrige (private) Parteien (StPO 382) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 237 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsmittelverfahren Frist Begründung Rechtsmittelverzicht/-rückzug Aufschiebende Wirkung Beweise Bindung an Begründung und Anträge der Parteien Verbot der Schlechterstellung (reformatio in peius) 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 238 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 72. Albin wird von der Kantonspolizei Zürich vorläufig festgenommen, weil er auf frischer Tat ertappt wird als er in ein Haus einbricht. Der zuständige Staatsanwalt beantragt Untersuchungshaft, welche vom Zwangsmassnahmengericht angeordnet wird. Kann A etwas dagegen tun? 73. Der Staatsanwalt eröffnet gegen Albin eine Untersuchung. Kann Albin dagegen etwas tun? 74. Albin wird vom erstinstanzlichen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Beat, der eine Zivilforderung gegen Albin geltend macht und sich daher am Verfahren als Privatkläger beteiligt, findet, dies sei viel zu wenig. Seiner Meinung nach müsste Albin für mindestens doppelt so lange ins Gefängnis. Kann Beat etwas tun? 75. Albin legt gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Berufung ein. Das Berufungsgericht verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Darf es das? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 239 Rechtswissenschaftliches Institut 2. Teil: Rechtsmittel nach der StPO 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 240 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde (1/3) Anfechtungsobjekte • Verfügungen und Verfahrenshandlungen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Übertretungsstrafbehörde (StPO 393 I lit. a) • Verfügungen und Beschlüsse sowie Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte (StPO 393 I lit. b) • Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in der StPO vorgesehenen Fällen (StPO 393 I lit. c) Beschwerdegründe • Rechtsverletzungen • Unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts • Unangemessenheit des vorinstanzlichen Entscheids 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 241 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde (2/3) Ausschluss Berufung möglich von der Staatsanwaltschaft oder Übertretungsstrafbehörde abgelehnte Beweisanträge im Vorverfahren, die vor dem erstinstanzlichen Gericht ohne Rechtsnachteil wiederholt werden können gegen Berufungsurteile und Beschwerdeentscheide Beschwerdeinstanz 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 242 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde (3/3) Frist: 10 Tage Form: schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz keine aufschiebende Wirkung devolutiv Beschwerdeverfahren grundsätzlich schriftlich Entscheid reformatorisch oder kassatorisch Strafrechtsbeschwerde ans Bundesgericht gegen Beschwerdeentscheid 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 243 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Der Staatsanwalt erlaubt dem Verteidiger von Muster nicht, diesen an die Einvernahme zu begleiten, weil er meint, dass ein Verteidiger nur die Wahrheitsfindung behindere. Muster kann dagegen eine Beschwerde erheben. Muster ist ausserdem nicht damit einverstanden, dass der Staatsanwalt sich weigert, einen Passanten, mit dem er vor dem Warenhaus gesprochen hat, als Zeugen einzuvernehmen. Dagegen ist die Beschwerde nicht zulässig, da Muster den entsprechenden Antrag in der Hauptverhandlung wiederholen kann (StPO 394 lit.b). 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 244 Rechtswissenschaftliches Institut Berufung (1/3) Anfechtungsobjekte: erstinstanzliche Urteile von Einzel- und Kollegialgerichten Beschwerdegründe: • grundsätzlich sämtliche Mängel des vorinstanzlichen Urteils und Verfahrens • wenn ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des Verfahrens, nur Rechtsverletzung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 245 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Gegen das Urteil des Einzelrichters erhebt Peter Muster die Berufung. Er rügt darin einerseits, dass er verurteilt worden ist, da er nicht vorsätzlich gehandelt habe, andererseits macht er geltend, dass die Einvernahme des Passanten als Zeuge auch vom Einzelrichter abgelehnt worden sei. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 246 Rechtswissenschaftliches Institut Berufung (2/3) Berufungsinstanz Legitimation Verfahren der Berufungseinlegung • Berufungsanmeldung innert 10 Tagen beim erstinstanzlichen Gericht durch appellierende Partei • Begründung des Urteils durch erstinstanzliches Gericht und Übermittlung an Berufungsgericht • Berufungserklärung der appellierenden Partei innert 20 Tagen an Berufungsgericht Beschränkung der Berufung auf einzelne Punkte des Urteils 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 247 Rechtswissenschaftliches Institut Berufung (3/3) Anschlussberufung aufschiebende Wirkung devolutiv Unter Umständen zuerst schriftliches Verfahren ob auf die Berufung überhaupt einzutreten ist Berufungsverfahren Säumnis Entscheid reformatorisch, ausnahmsweise kassatorisch 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 248 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Das Berufungsgericht heisst die Berufung Musters nicht gut, da es die Schuld Musters als erwiesen erachtet und die Meinung vertritt, dass der Verzicht auf die Einvernahme des Passanten als Zeugen mangels Relevanz einer allfälligen Aussage berechtigt war. Das Urteil des Einzelrichters wird durch dasjenige des Berufungsgerichts ersetzt. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 249 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 76. Das erstinstanzliche Gericht verurteilt Mona zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten wegen einfacher Körperverletzung. Sie findet dieses Strafmass zu hoch. Welches Rechtsmittel muss sie erheben und welchen Beschwerdegrund gibt sie an? 77. Nach einer Hausdurchsuchung in Peters Wohnung beschlagnahmt die Kantonspolizei Zürich ein Küchenmesser. Kann Peter die Beschlagnahme anfechten? 78. Hans wird vom erstinstanzlichen Gericht zu einer Geldstrafe wegen Nötigung und Tätlichkeit verurteilt. Er ist mit dem Urteil des Gerichts nicht ganz einverstanden, erhebt aber keine Berufung. Dann erfährt er, dass die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung erhoben hat. Hans will sich nun doch am Verfahren beteiligen. Die 20 Tagesfrist für seine Berufung ist aber schon abgelaufen. Kann er noch etwas tun? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 250 Rechtswissenschaftliches Institut Revision (1/3) Rechtsmittel zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wenn nach Eintritt der formellen Rechtskraft neue Tatsachen und Beweismittel entdeckt werden Anfechtungsobjekte • erstinstanzliche Urteile • Berufungsurteile • Strafbefehle der Staatsanwaltschaft und der Verwaltungsstrafbehörden • nachträgliche richterliche Entscheide nach StPO 363 ff. • Entscheide im selbständigen Massnahmeverfahren nach StPO 372 ff. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 251 Rechtswissenschaftliches Institut Revision (2/3) Revisionsgründe • absolute und relative • Neue Tatsachen und Beweismittel • Widersprechende Strafentscheide • Einwirkung durch eine Straftat • Verletzung der EMRK Revisionsinstanz 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 252 Rechtswissenschaftliches Institut Revision (3/3) Legitimation Revisionsverfahren • Gesuch • Vorprüfung: Wiederaufnahme oder nicht? • Rückweisung an Vorinstanz oder neuer Entscheid der Berufungsinstanz Anfechtung des Revisionsentscheids 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 253 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 79. Oskar wird von einem erstinstanzlichen Gericht wegen Betrug verurteilt. Das Gericht stützte sein Urteil insbesondere auf Urkunden, mit Hilfe denen Oskar seine Opfer getäuscht haben soll. Das Urteil wird rechtskräftig. Nachträglich stellt sich heraus, dass diese Urkunden gefälscht waren. Kann Oskar Revision erheben? 80. Emil wird wegen eines Delikts verurteilt. Jahre später erfährt er zufällig, dass eine Gesetzesänderung in Kraft trat, wonach die von Emil begangene Tat nun nicht mehr strafbar wäre. Kann Emil Revision erheben? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 254 Rechtswissenschaftliches Institut 3. Teil: Weitere Rechtsmittel und Rechtsbehelfe nach Bundesrecht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 255 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde in Strafsachen (1/4) Anfechtungsobjekte: • letztinstanzliche kantonale Strafentscheide • (erstinstanzliche) Entscheide des Bundesstrafgerichts Beschwerdegründe: • Bundesrecht • Völkerrecht • kantonale verfassungsmässige Rechte • interkantonales Recht • offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 256 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Nach dem negativen Entscheid des Berufungsgerichts erhebt Muster eine Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er rügt die Verletzung von Bundesrecht, indem er geltend macht, dass seine Verurteilung wegen Diebstahls mangels Vorsatz unzulässig sei. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 257 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde in Strafsachen (2/4) Anfechtbare Entscheide • Vorinstanz • Endentscheide • Vor- oder Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand • Andere Vor- oder Zwischenentscheide Beschwerde wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung Rechtsmittelbehörde: Bundesgericht 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 258 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde in Strafsachen (3/4) Beschwerdelegitimation: allgemeine Voraussetzungen • Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren • rechtlich geschütztes Interesse Beschwerdelegitimation: Parteien • beschuldigte Person • gesetzliche Vertretung • Staatsanwaltschaft • Staatsanwaltschaften des Bundes • Privatklägerschaft • beteiligte Bundesverwaltungen 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 259 Rechtswissenschaftliches Institut Beschwerde in Strafsachen (4/4) Frist: 30 Tage keine Anschlussbeschwerde Rügeprinzip Novenverbot keine aufschiebende Wirkung Verfahren 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 260 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Das Bundesgericht weist Musters Strafrechtsbeschwerde ab. Es sieht keinen Verstoss gegen Bundesrecht, da es aufgrund der Beweislage eine Verurteilung Musters wegen Diebstahl als korrekt erachtet. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 261 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 81. Das obere kantonale Gericht (letzte kantonale Instanz) tritt nicht auf eine Berufung ein, weil sie zu spät erfolgte. Ist der Nichteintretensentscheid anfechtbar? 82. Fabio findet die Strafzumessung des obersten kantonalen Gerichts zu hoch. Kann er dies mit der Strafrechtsbeschwerde geltend machen? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 262 Rechtswissenschaftliches Institut Weitere Rechtsbehelfe des Bundesrechts gegen Strafentscheide 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 263 Rechtswissenschaftliches Institut Begnadigung und Amnestie Begnadigung Verzicht auf Strafvollzug gegenüber einer einzelnen Person Amnestie Verzicht auf Strafvollzug gegenüber einer Mehrheit nicht einzeln bezeichneter Personen (Massenbegnadigung) Abolition Verzicht auf noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Strafverfolgung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 264 Rechtswissenschaftliches Institut 10. Kapitel: Verfahrenskosten, Entschädigung und Genugtuung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 265 Rechtswissenschaftliches Institut Allgemeine Bestimmungen gesetzliche Grundlage bei mehreren kostenpflichtigen Personen Rückgriff Beurteilung im Endentscheid Anfechtung 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 266 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrenskosten allgemeine Aufwendungen des Staates Auslagen im konkreten Fall Berechnung Tragung der Kosten durch verurteilte Person Tragung der Kosten durch Staat: bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens Tragung der Kosten durch Privatklägerschaft Kosten des Rechtsmittelverfahrens 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 267 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung hat Muster die Verfahrenskosten zu tragen. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 268 Rechtswissenschaftliches Institut Entschädigung und Genugtuung Begriffe Ansprüche bei Verurteilung Ansprüche bei Einstellung des Verfahrens oder Freispruch • Entschädigung für Aufwendungen zur Wahrung der Verfahrensrechte • Entschädigung für wirtschaftliche Einbussen • Genugtuung Herabsetzung oder Verweigerung der Entschädigung oder Genugtuung Überhaft 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 269 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel «Fashion & Fun» Aufgrund des Prozessausgangs hat Muster weder Anspruch auf einen Ausgleich des Schadens noch auf eine Genugtuung. 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 270 Rechtswissenschaftliches Institut Übungsfälle 83. Britta fühlt sich etwas angetrunken und gerät mit dem von ihr gelenkten Auto mehrmals auf die Gegenfahrbahn. Sie wird von einem Polizisten kontrolliert. Der gemessene Blutalkoholgehalt weist jedoch einen gerade noch erlaubten Wert auf. Gegen Britta muss das Verfahren eingestellt werden. Können ihr die Kosten des Tests auferlegt werden? 84. Gegen Lukas wird ein Verfahren wegen sexuellen Handlungen mit Kindern erhoben. Der Fall wirft hohe Wellen und wird in den Medien breit abgehandelt. Lukas wird vom Gericht freigesprochen. Hat er Anspruch auf Genugtuung? 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 271 Rechtswissenschaftliches Institut 11. Kapitel: Rechtskraft der Strafentscheide 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 272 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtskraft Begriff Formelle Rechtskraft Materielle Rechtskraft Auswirkungen der materiellen Rechtskraft • Verbot der doppelten Strafverfolgung • Feststellungswirkung • Bindung an Zivil- und Verwaltungsentscheide 09.06.2015 Strafprozessrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 273
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