Alber 48729 / p. 1 / 16.6.2015 Jean Grenier Die Inseln und andere Texte VERLAG KARL ALBER A Alber 48729 / p. 2 / 16.6.2015 Mit den Inseln erscheint in einer überarbeiteten und erweiterten Ausgabe ein zentrales Werk von Jean Grenier. Die Inseln sind eine Anthologie von philosophischen Essays, in denen Grenier der grotesken, tragischen Lebenswelt mit humorvoller Finesse begegnet. Mit einem satirischen Erzählduktus wandert Grenier von einer Lebensinsel zu anderen, vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Seine skeptisch-pessimistische Grundeinstellung sucht im Tierwesen des Katers Mouloud und des Hundes Taïaut eine Naturverbundenheit, die eine symbolische Bedeutung für den Menschen bekommt. Mit der symbolischen Einheit der Mensch-zuTier-Perspektive meditiert Jean Grenier eine Einheit mit dem Tier, welche die Einsamkeit in der gemeinsamen Lebenswelt besser ertragen lässt. In den Essays wird spürbar, wie der Mensch in einer abweisenden, paradoxen, absurd erscheinenden Lebenswelt aus Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit Selbstvertrautheit und Antworten auf existentielle Fragen gewinnen kann. Wichtige Texte Greniers (»Tod eines Hundes«, »Die Einsamkeit«, »Zerrissenheit zwischen zwei Lebenswelten«, »Der absolute Sinn«) ergänzen den ursprünglichen Text der Inseln ebenso wie Albert Camus’ Vorwort. Der Autor: Jean Grenier (1898–1971) war Professor für Philosophie in Algier, Lille, Kairo, Paris. Die Herausgeber: Jean O. Ohlenburg, Jg. 1941, Studien der Wissenschaftslehre und Logik im Fach Philosophie verbunden mit allgemeiner Sprachund Literaturwissenschaft in den Fächern Germanistik und Romanistik in Hamburg, Freiburg, Basel und Paris (Sorbonne). Maguy Ohlenburg-Boyer, Jg. 1942, Studium der Psychologie und Pädagogik in Zürich und der französischen Literatur und Sprachwissenschaft und Didaktik in Besançon. Alber 48729 / p. 3 / 16.6.2015 Jean Grenier Die Inseln und andere Texte Herausgegeben von Jean O. Ohlenburg und Maguy Ohlenburg-Boyer Verlag Karl Alber Freiburg / München Alber 48729 / p. 4 / 16.6.2015 Die 1. Auflage der Inseln erschien 1985 im Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. © Éditions Gallimard, Paris, 1959, pour Les Îles. Préface d’Albert Camus © Éditions Gallimard, Paris, 1957, pour Sur la Mort d’un Chien © Éditions Gallimard, Paris, 1968 et 1982, pour »La solitude«, in: La Vie quotidienne © Éditions Fata Morgana, 1985, pour »L’oscillation«, in: Mémoire intime de X © Éditions Fata Morgana, 1985, pour »L’esprit de solitude«, in: Mémoire intime de X © Éditions Fata Morgana, 1985, pour »Le goût de l‘absolu«, in: Mémoire intime de X ® MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen www.fsc.org FSC® C083411 2., durch andere Texte erweiterte Auflage in überarbeiteter Textfassung mit Kommentaren, Nachwort und einem Annex von Maguy Ohlenburg. © VERLAG KARL ALBER in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2015 Alle Rechte vorbehalten www.verlag-alber.de Umschlagmotiv: © Pat on stock – Fotolia.com Satz: SatzWeise GmbH, Trier Herstellung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-495-48729-7 Alber 48729 / p. 5 / 16.6.2015 Inhalt Vorbemerkung (Sonne, Ruhe, Einsamkeit) . . . . . . . . 9 Die Inseln Vorwort von Albert Camus . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die verlockende Leere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Der Kater Mouloud . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Kergueleninseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die glückseligen Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Die Osterinsel 67 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phantastisches Indien . . . . . . . Weder Raum noch Zeit . . . . Indien und Griechenland . . . Die Erleuchtung . . . . . . . . Indien aus Sicht der Psychiater Über den Wert der Erkenntnis Die Gegenwart des Absoluten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 77 81 88 89 90 92 Die verlorenen Tage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5 Alber 48729 / p. 6 / 16.6.2015 Inhalt Die Borromäischen Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Andere Texte Annex 1: Die Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . La Solitude (Die Einsamkeit) . . . . . . . . . . . . . . Isolement et Solitude (Vereinzelung und Einsamkeit) . Die Stufen der Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . Die Möglichkeit des Ausgleichs . . . . . . . . . . . . Wie und mit wem kann ich aus mir herausgehen? . . Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein letztes Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Post-Scriptum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 107 108 109 110 111 113 115 115 Annex 2: L’oscillation (Zerrissenheit zwischen zwei Lebenswelten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Annex 3: Geist der Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . 125 Annex 4: Der absolute Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Essay zu den Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Totentanz eines Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Einige Bemerkungen über das Verhältnis von Tier und Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6 Alber 48729 / p. 7 / 16.6.2015 Inhalt Anstatt eines Nachwortes: Reflexionen . . . . . . . . . . 169 Parallelismus im Gegensatz: Anthologie der Werke von Jean Grenier und Albert Camus . . . . . . . . . . . . 177 Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Angaben zur Edition und zu den Editoren . . . . . . . . . 190 7 Alber 48729 / p. 8 / 16.6.2015 Alber 48729 / p. 9 / 16.6.2015 Vorbemerkung »Sonne, Ruhe, Einsamkeit« 1 … Sie sind Symbole des Menschseins in einer Lebenswelt, die aus dem Schatten eines Hintergrunddenkens, mit einem leichten ironischen Lächeln hervorleuchten und den Anschein von »pudeur métaphysique«, einer scheuen, diskreten Bescheidenheit haben. Der mittelländische Mensch sucht den Schatten, welchen die hohen Mauern werfen: Wie soll er sonst das Extreme ertragen? Wohin soll er gehen unter einem Himmel, der überaus leuchtend klar und blendend hell ist? Die Inseln von Jean Grenier sind eines der seltenen Bücher, die eine enge Pforte zum »clair-obscur« des Geistes und zu einer Weisheit der Ungewissheit öffnen, sie handeln von alltäglichen Problemen, mit einer Vision auf unterschiedliche Erfahrungen, die symbolisch Inseln zugeordnet werden. Eine Odyssee von einer Insel zur anderen, die das Absolute nicht als motivierendes Ziel sieht, stattdessen teilt es das menschliche Schicksal, es ist präsent im aktuellen Leben, in der Liebe wie im Tod. Sie zeichnet den Weg einer schöpferischen Unruhe, die im essayistischen Meditieren – einer vorphilosophischen Art zu denken – seine Jean Grenier, Inspirations méditerranéennes, Paris, Gallimard 1961 (erste Veröffentlichung 1947), S. 55 ff. Jean Grenier, »Silence«, in: La vie quotidienne, Paris, Gallimard 1968, S. 107–129. Vergl. auch Hans Blumenberg, »Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung« (1957), in: Hans Blumenberg, Ästhetische und metaphorologische Schriften, hg. von Anselm Haverkamp. Frankfurt am Main 2001. S. 139– 171. 1 9 Alber 48729 / p. 10 / 16.6.2015 Vorbemerkung eigene Formensprache sucht. Sie ist zugleich Ausdruck der Wahrheit einer Person. Jean Grenier gesteht in diskreter Zurückhaltung gegenüber Albert Camus: »Alle großen Geister führen einen monologischen Dialog.« Besonders, wenn ein tragischer Humanismus die Prämisse einer Lebenswelt ist. Albert Camus und Jean Grenier ziehen daraus verschiedene Konsequenzen, die Gegenüberstellung der Werke beider Autoren am Schluss dieser Publikation mag Anregung für die Kenntnisnahme der wechselseitigen Gedankengänge in den Werken dieser Autoren sein. 10 Alber 48729 / p. 11 / 16.6.2015 Die Inseln Alber 48729 / p. 12 / 16.6.2015 Alber 48729 / p. 13 / 16.6.2015 Vorwort von Albert Camus Mit zwanzig Jahren las ich in Algier zum ersten Mal dieses Buch. Ich kann die Erschütterung, die es auslöste, und den Einfluss, den es auf mich und viele meiner Freunde ausübte, nicht anders als mit dem Schock vergleichen, den André Gides Les Nourritures terrestres [Uns nährt die Erde] einer ganzen Generation versetzte. Aber was die INSELN uns an Neuem eröffneten, war ganz anderer Art. Sie kamen uns entgegen; der Gidesche Überschwang rief bei uns Bewunderung und Ratlosigkeit hervor. Wir mussten nicht erst von den Fesseln der Moral befreit werden, noch mussten wir in die Hymnen auf die Naturfrüchte uns einstimmen. Die Gideschen Früchte hingen greifbar nah vor unseren Augen, wir brauchten nur hineinzubeißen. Einige von uns mussten mit dem Elend und dem Leiden leben. Doch wir lehnten uns mit der ganzen jugendlichen Kraft dagegen auf. Die Wahrheit der Welt lag für uns allein in ihrer Schönheit, in den Freuden, die sie uns bot. Wir lebten also mit dieser Empfindung an der Oberfläche der Welt, zwischen Farben, Wellen und dem starken Duft der Erde. Aus diesem Grunde kamen die Gideschen Les Nourritures mit ihrer Einladung zum Glück viel zu spät. Wir wollten mit Überschwang das Leben genießen. Im Gegenteil, wir mussten ein wenig von unserer Lebensgier abgelenkt werden. Unsere glückliche, primitive Lebensweise musste gezähmt werden. Selbstverständlich, wenn finstere Apostel auf unseren Stränden erschienen und gegen die verderbte Welt und gegen die Menschen, die uns begeistert zustimmten, wetterten, dann hätten wir heftig oder mit Sarkasmus dagegen reagiert. Wir brauchten feinsinnige Lehrer, einen 13 Alber 48729 / p. 14 / 16.6.2015 Vorwort von Albert Camus Mann etwa, der von anderen Ufern kam, der auch das Licht und die Herrlichkeit des Körpers liebte und der uns in einer unnachahmlichen Sprache sagte, dass die Erscheinungen der Natur schön, aber auch vergänglich sind, und dass man auch ohne Hoffnung lieben müsse. Dieses große Thema fand jederzeit bei uns Anklang wie eine umwälzende Neuigkeit. Das Meer, das Licht, die Gesichter, von denen uns plötzlich eine unsichtbare Grenze trennte, rückten in eine große Ferne, ohne dabei ihre Faszination zu verlieren. Das Erscheinen der INSELN hatte einen Prozess der Desillusionierung eingeleitet, und so entdeckten wir die Kultur. Dieses Buch ergänzte tatsächlich die Gefühlswelt, in der wir so heimisch waren, ohne sie zu verneinen, durch eine andere Wirklichkeit, die uns unsere jugendliche Unruhe erklärte. Es waren die Augenblicke des jugendlichen Überschwangs und der Bejahung des Lebens, die wir unbewusst erlebt haben und die auch einige der schönsten Seiten der INSELN von Grenier inspiriert haben. Grenier erinnerte uns zugleich an die Flüchtigkeit der Augenblicke und an ihre unvergängliche Atmosphäre. Dadurch verstanden wir die plötzlich auftretende Melancholie. Jemand, der auf einer unfreundlichen Erde und unter einem trüben Himmel für sein tägliches Brot hart arbeiten muss, träumt sicher von einer besseren Erde unter einem freundlicheren Himmel, wo er sein Brot leichter verdienen kann. Er hat wenigstens Hoffnung. Die Menschen aber, die Tag für Tag in einer lichtdurchfluteten Landschaft leben, haben keine Hoffnung mehr. Sie können nur von einem utopischen Land träumen. Die Menschen aus dem Norden können noch an die Küsten des Mittelmeeres fliehen oder in die Wüsten des Lichts. Aber wo soll denn der Mensch des Lichts hinfliehen, wenn nicht ins Unsichtbare? Die Reise, die Grenier beschreibt, ist eine Reise ins Imaginäre, ins Unsichtbare; rastlos fährt er von Insel zu Insel, wie es Melville mit anderen Mitteln in Mardi beschrieb. Das Tier lebt und stirbt, der Mensch staunt und stirbt, wohin geht die Reise? Das 14
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