Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM) H 2085 | Heft Nr. 3 | 2015 Mitteilen ELM Hermannsburg | Partner in Mission Kuba: Tauwetter in der Karibik Das Heft zum Weltgebetstag 2016 Christus in der Stadt Gottesdienst im Hinterhof Mitmachen Kirche in der Mega-City Interkulturelle Gemeinden bei uns Ganß buersch und niederträchtig zum 150. Geburtstag von Ludwig Harms In diesem Heft 4 Schwerpunkt: Kuba 4 Kirchen in Zeiten des Wandels In Kuba brechen neue Zeiten an. Was kann das für die Kirchen bedeuten? Eine Analyse der aktuellen Lage. 7 Verwirrende Doppelwährung 8 Beten für den dritten Weg Es dauerte lange, bis der kubanische Staat die Kirchen akzeptierte. Aber jetzt, In den unsicheren Zeiten des Wandels, wird er sie brauchen. 11 Vier Porträts kubanischer Frauen 14 Die rasende Pastorin Eine kleine, lebendige Gemeinde im Osten Havannas und ihre unermüdliche Pastorin. 16 Porträt: Die Wahrsagerin 17 Kinder sind Vorbilder Juliane Rumpel über das Thema des Weltgebetstags 18 Die starken Frauen Tom Cockrem/Getty Images 21 21 Christus in der Stadt 21 Die Städte der Dritten Welt wachsen, und ihre Probleme ebenfalls. Wie darauf zu reagieren sei, berieten Kirchenleitende aus vier Kontinenten. 26 Gottesdienst im Hinterhof Das Theologenpaar Hildebrandt Rambe berichtet über die Arbeit der Projektstelle „Evangelische Gemeinden anderer Sprache und Herkunft in Bayern“. 30 Mit Geld die Welt fair-ändern Geld anlegen für eine gerechte Welt: Mit dieser Idee startete 1975 die Internationale Genossenschaft Oikocredit. Eine Zwischenbilanz nach 40 Jahren. 35 Ein weltumspannendes Fest V0r 200 Jahren wurde die Basler Mission gegründet. Das wurde nicht nur in der Schweiz gefeiert. 37 Buchbesprechungen 38 Mein Ausland Junge Freiwillige berichten. Der Machismo kubanischer Männer ist legendär. Statt darüber zu klagen, werden Frauen aktiv – und der Kubanische Kirchenrat hilft dabei. 39 Drama in Havanna 20 40 Rezept und Rätsel Interview: Die Gleichstellung der Geschlechter Mitmachen ELM Hermannsburg | Partner in Mission 30 Die Geschichte des Dampfers St. Louis. Mitwirken Teilen bringt Heilen Mitbeten Durban/Südafrika: Gemeindearbeit hat – auch den fremden – Nächsten im Blick 27. Woche 4 7 Hintergrund: Oktober. November. Dezember 2015 Heimatlos ist Christen-Los Mitbeten Global lernen: Fürbittkalender Oktober Menschenrechte November Tradition Dezember Versöhnung Ganß buersch und niederträchtig 12 angedacht - nachgedacht: Kudu und Aloe Mitwirken Spendenaufruf Opmeer Reports Zum Titel: Eine junge Frau in Cárdenas. Wie alle Kubanerinnen und Kubaner spürt auch sie den Beginn des Wandels in ihrem Land. Wohin er führen wird? Foto: Heiner Heine Yamil Lage/AFP/Getty Images Inhalt Leitartikel Der Frühling kommt – vielleicht Manchmal haben sie eben einfach Glück. Die Themen der Weltgebetstage werden von deren internationalem Komitee Jahre in Voraus festgelegt. Niemand weiss, wie sich die Situation der ausgewählten Länder darstellen wird, wenn das jeweilige nationale Komitee die Liturgie für den ersten Freitag im März des Folgejahres erarbeitet. 2016 also Kuba, als Thema entschieden 2012. Wie politisch aktuell es sein würde, sich mit Kuba zu befassen, konnte damals kaum jemand ahnen. Zwar hatte der greise Fidel Castro die Staatsführung schon 2006 in die Hände seines Bruders Rául gelegt, aber dass 2015 die Eiszeit zwischen Kuba und dem grossen Nachbarn USA ihren Ende entgegen gehen würde, war noch ausserhalb der Vorstellungskraft der politischen Analytiker. Martin Keiper ist Chef vom Dienst der Kooperation Missionspresse. Korrektur Der Beitrag über die Seemannsmission in Singapur im letzten Heft stammte von Johannes Minkus. Aufgrund eines Übermittlungsfehlers hatten wir einen falschen Autor genannt. Der Weltgebetstag ist auch eine politische Veranstaltung, nicht nur eine kirchliche. Das zeigt schon ein Blick auf einige Themen früherer Jahre: Ägypten (2014), Südafrika (2006), Libanon (2003) und Palästina (1994) hatten eine herausragende Brisanz: Mitten in Umbrüchen mit ungewissem Ausgang waren die Gruppen des Weltgebetstags herausgefordert, sich politisch zu bilden und Position zu beziehen. Man betet ja nicht nur eine Liturgie herunter, die irgendwo erarbeitet wurde, sondern befasst sich intensiv mit einem bestimmten Land – und schon ist man mitten drin in der Politik. Was Kuba betrifft, ist es zurzeit besonders schwierig, die Lage zu beurteilen – und erst recht, Vorhersagen für die Zukunft zu treffen. Wir haben es mit einem durchaus autoritären System zu tun, das demokratische Rechte wie Meinungs- und Pressefreiheit einschränkt, andererseits aber von den meisten Kubanerinnen und Kubanern für seine umfassende soziale Fürsorge geschätzt wird. Sie haben nicht vergessen, mit welcher Selbstherrlichkeit der an Bevölkerung 90 mal grössere Nachbar USA über Politik und Wirtschaft ihrer Insel www.missionspresse.org | 3/2015 bestimmte und waren in ihrer übergrossen Mehrheit dankbar, dass es 1959 Fidel Castro und seinen Revolutionären gelang, die BatistaDiktatur zu vertreiben. Nur ist dies inzwischen auch zwei Generationen her, und immer weniger Kubanerinnen und Kubaner sind bereit, mit Verweis auf die Geschichte die heutigen Mühen des Alltags im Sozialismus und die fürsorgliche Bevormundung durch den Staat zu ertragen. Es soll sich etwas ändern am System, hoffen wohl die meisten. Kleinere wirtschaftliche Freiheiten gibt es schon, aber ob die Staatsführung bereit ist, die in der Verfassung festgehaltene Führungsrolle der kommunistischen Partei aufzugeben, kann heute niemand voraussagen. Das Tauwetter muss also nicht zwangsläufig in einen politischen Frühling übergehen. Ungewissheiten überall – und genau in die begibt sich jetzt der Weltgebetstag. Das mag unbequem sein, ist aber der richtige Platz für Christinnen und Christen. „Informiert beten – betend handeln“ lautet das Leitmotiv des Weltgebetstages. Und unsere Gebete werden die Kirchen und Christen brauchen – wie auch immer der Wandel in Kuba weitergeht. Das Kuba-Team Für uns unterwegs: Autorin Constanze Bandowski (Mitte) und Fotograf Heiner Heine (rechts), hier zusammen mit Medardo Rosales vom kubanischen Motorradclub LAMA. 1 Swasiland Die Stunde der Wahrheit Berliner Missionswerk Über Swasiland dringt kaum etwas über die Medien in die Öffentlichkeit. Das ist ganz im Sinn von König Mswati III., der über das zweitkleinste Land Afrikas mit absoluter Macht herrscht. Politische Parteien sind verboten, Gewerkschaften nicht zugelassen. Jeder Einsatz für Demokratie und Menschenrechte wird als „Gründung terroristischer Vereinigungen“ diffamiert und mit Gewalt unterdrückt. Zugleich verschlechtern sich die Lebensverhältnisse immer weiter, nicht zuletzt wegen der Verschwendung im königlichen Haushalt. Die „Besorgten Kirchenführer Swasilands“ Seine Majestät möchte investieren. Wer dort wohnt, wird wie diese Familie eben vertrieben, wollten das nicht länger schweigend hinneh- denn der gesamte Grund und Boden des Landes gehört dem König. men. Im März 2015 haben sie sich zur aktuellen Machtanspruches des Königs sehen die ChrisKrise des Landes zu Wort gemeldet. Sie publiten eine grosse Gefahr, zumal, wenn dies mit zierten eine schonungslose Analyse der aktuchristlichen Traditionen sanktioniert wird. ellen Lage und luden alle Verantwortlichen des Es fehlt an einer Gewaltenteilung zwischen Landes zu einem Runden Tisch ein. In ihrem Legislative, Exekutive und Judikative. Missliebi„Kairos-Swasiland“ setzen sie sich im Namen ge Richter werden aus dem Amt entfernt, Mender Kirche ein für die Würde der Menschen, für schen verschwinden oder kommen im PolizeiGerechtigkeit und einen friedlichen Übergang gewahrsam unter ungeklärten Umständen ums von der absoluten königlichen Herrschaft zu Leben – ohne Folgen für die Verantwortlichen. Demokratie und Pluralismus. Den einfachen Menschen werden die ihnen von Der rechte Zeitpunkt zu widerstehen der Verfassung garantierten politischen GrundDamit knüpfen sie an die Tradition eines geistlirechte wie Mitsprache und Teilhabe auf allen chen, kritischen Wortes „zum rechten Zeitpunkt“ Ebenen sowie Versammlungs- und Meinungs(Kairos) an – wie Kairos Südafrika von 1985 oder freiheit verweigert. Kairos Palästina von 2009, in dem Christen in Ebenso gravierend sind die Auswirkungen den von Israel besetzten Gebieten auf ihre verder politischen Verhältnisse auf das Investitionsklima im Land. Die wenigen ausländischen zweifelte Lage aufmerksam machten. Investoren, die bisher Arbeitsplätze schufen, Die Krise Swasilands hat, so die Diagnose haben das Land inzwischen verlassen. Die USA der Kirchenführer, kulturelle, politische, ökohaben ein Freihandelsabkommen auslaufen nomische und juristische Gründe und extreme Der vollständige Text des Kairoslassen, weil der König nicht bereit war, GeAuswirkungen auf alle Bereiche des Lebens. In Dokuments und eine deutsche werkschaften zuzulassen. Der Zusammenbruch der religiösen Überhöhung der Swasi-Traditio- Übersetzung auf der Webseite der Wirtschaft wirkt sich wiederum auf das Genen sowie der daraus resultierenden religiösen des Berliner Missionswerkes: sundheits- und Bildungssystem aus. Die RegieVerherrlichung des Königtums und des totalen www.berliner-missionswerk.de 2 3/2015 | www.missionspresse.org Syrien Ausharren im Kriegsgebiet rung ist nicht mehr in der Lage, die von ihr zu Recht erwarteten Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erbringen. Die Kirchenführer erheben ihre Stimmen für die Stimmlosen: Waisenkinder, deren Zahl wegen der Aids-Pandemie von Tag zu Tag steigt und die in Kinderhaushalten ums Überleben kämpfen; Frauen, die nach traditionellem Recht von Erbfolge und Landbesitz ausgeschlossen sind; von ihrem Land Vertriebene, deren Äcker die Begehrlichkeiten des Königs oder seiner Minister geweckt haben; Alte, Arme und Behinderte, die weder Geld noch Einfluss haben, ihre Rechte und Interessen durchzusetzen. Schulunterricht im Kriegsgebiet? Das geht – in Aleppo muss das gehen. Die presbyterianische Gemeinde hat ihre vor zwei Jahren beschädigte und geplünderte Schule wieder geöffnet. Pfarrer schmerzt dies besonders, denn er fragt sich, was die verbliebenen Menschen seiner Gemeinde ohne ihn machen würden. „Als Kirche sind wir verpflichtet, mit den Leidenden mitzuleiden. Wir können sie trösten, indem wir mit ihnen leben und leiden.“ „In diesen Tagen Pfarrer zu sein, hat wenig mit Predigen zu tun“, sagt Pfarrer die An-Nash‘ al-Jadeed-Schule. Nachdem Ibrahim Nasir am Telefon. Nach Mörseran- Rebellen Ende 2012 das Gebäude beschos- griffen bringe er verwundete Gemeinde- sen, die Einrichtung mitgenommen und Herzstück der Gemeinde ist seit jeher glieder ins Krankenhaus oder suche eine Unterkunft für Menschen, deren Häuser zerstört wurden. „Seit fünf Monaten gibt es kein Internet mehr. Der Strom fällt ständig aus und Mitte Juni ist auch noch die Trinkwasserversorgung zusammengebrochen. Viele Menschen laufen mit leeren Kanistern Hetzjagd auf Kirchenführer durch die Strassen auf der Suche nach etwas Die Darstellung der gleichgeschalteten Medien fiel einseitig aus und führte zu einer Hetzjagd der Polizei auf die beherzten Männer und Frauen. Auch distanzierte sich die Liga der traditionell eng mit dem Königtum verbundenen afrikanischen Kirchen sowie die Allianz der Pfingstkirchen öffentlich von dem Kairos-Dokument – und dies, obwohl unter den Unterzeichnern auch einige aus ihren Reihen sind. Der Versuch des Geheimdienstes, die Lutheraner als „Drahtzieher“ von den „Besorgten Kirchenführern“ zu isolieren, konnte abgewehrt werden. Man hatte den anderen Mitgliedern Straffreiheit in Aussicht gestellt, wenn sie sich von jenen distanzierten. „Überall im Land brodelt es“, schrieb einer der Kirchenführer vor wenigen Tagen – vielleicht angestossen durch den Mut der Kirchenleute, die sich um ihr Land und ihr Volk Sorgen gemacht und diese Erklärung unter Einsatz von Freiheit, Gesundheit und Leben veröffentlicht haben. zu trinken“, erzählt er. Reinhard Kees ist Afrika-Referent In Aleppo kämpfen seit Ende 2012 Re- Ausharren in Aleppo: Pfarrer Ibrahim Nasir gierungs- und Rebellentruppen um die Vor- die Schulbusse zerstört hatten, musste die herrschaft. Die Regierung kontrolliert den Schule schliessen. Im Sommer letzten Jah- Westen der nordsyrischen Stadt, im Osten res wurde sie aber wieder eröffnet. Jeder haben sich die Rebellen festgesetzt. Immer Finanzmensch hätte davon abgeraten, denn wieder startet die eine oder andere Seite die Schule sitzt auf einem grossen Schul- eine Offensive. Jeden Tag fallen Bomben. denberg. Die Schülerzahlen waren aufgrund Jeden Tag gibt es Tote. Drei Viertel der einst der wachsenden Konkurrenz durch islami- 500 Mitglieder der Presbyterianischen Ge- sche Privatschulen drastisch gesunken und meinde haben die Stadt bereits verlassen, damit auch die Einnahmen. Hinzu kommen sind in westliche Länder oder andere Tei- noch Mietschulden in sechsstelliger US- le Syriens geflohen. Gottesdienst kann die Dollar-Höhe. Finanztechnisch gesehen ist kleine Gemeinde nur noch im fünften Stock die Schule ein hoffnungsloser Fall. eines Wohnblocks feiern. Gleich zu Beginn Seit Herbst kommen aber wieder 535 Schü- der Kämpfe im November 2012 wurde die lerinnen und Schüler zum Unterricht. 99 historische Evangelisch-Arabische Kirche in Prozent von ihnen sind Muslime. Und genau der Altstadt zerbombt. Am gleichen Tag traf die gilt es zu erreichen. Seit ihrer Gründung es auch die Umayyaden-Moschee. vor vielen Jahren verfolgt die Schule das Nasir lebt nach wie vor mit seiner Frau Ziel, „eine gebildete, nicht-extremistische und seinen drei Kindern im Alter von acht bis Gesellschaft aufzubauen, eine Generation 13 Jahren in Aleppo. Mittlerweile kämen die mit weitem Horizont heranzuziehen, die den Kinder jede Nacht aus Angst vor den Bom- anderen akzeptiert.“ Das ist genau das, was ben zu den Eltern ins Bett und flehten ihn Syrien heute dringender denn je braucht. an, dass sie die Stadt endlich verlassen. Den Katja Dorothea Buck des Berliner Missionswerks www.missionspresse.org | 3/2015 3
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