VDI nachrichten · 9. Januar 2015 · Nr. 1/2 VDI nachrichten · 9. Januar 2015 · Nr. 1/2 Ingenieurfonds: In der neuen Runde wird’s international Die wieder aufkeimende Angst vor dem „Grexit“ Das neue Börsenspiel der VDI nachrichten hat begonnen. Erstmals können sich die Ingenieure internationale Werte ins Depot legen. -Seite 36 Die Debatte um den möglichen Euro-Ausstieg Athens ist voll entbrannt. Dass es nicht die schlimmste Alternative ist, weiß Stefan Wolff. -Seite 36 Foto: Miguletz photo istock 2015 gibt es zahlreiche Neuregelungen etwa bei Krankenversicherung, Elterngeld und Unterhaltszahlungen – ein Überblick. -Seite 35 [M] Foto: TECHNIK & FINANZEN Was sich im neuen Jahr für Verbraucher alles ändert Foto:imago/Jochen Tacke 32 33 Gründerzeit Marktwert: US-Konzerne beherrschen Weltbörsen – Europa fällt zurück Konzerne aus den USA bauen ihre Dominanz an den Weltbörsen aus: Acht der zehn teuersten Unternehmen der Welt stammen zum Jahresende 2014 aus den Vereinigten Staaten. Die Zahl der US-Gesellschaften in den Top 100 der höchst bewerteten Unternehmen der Welt liegt heute bei 54 – vor einem Jahr waren es nur 47. Europa ist in den Top 100 nur noch mit 28 Unternehmen vertreten – vor einem Jahr waren es noch 33. Deutschland stellt davon fünf: Bayer, VW, Siemens, Daimler und SAP. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. sta Startkapital: Gründer unterschätzen Bedarf Rund 70 % aller Gründer, die einen Businessplan geschrieben haben, unterschätzen ihren Finanzbedarf im Gründungsjahr. Im Mittel brauchen diese Gründer mehr als doppelt so viel Geld wie veranschlagt. Das zeigt eine Studie der KfW. Auffällig ist, dass insbesondere Gründer, die zugleich Mitarbeiter einstellen, von ihrem tatsächlichen Finanzbedarf überrascht werden: Sie haben im Vergleich zu ihrem Planansatz einen Mehrbedarf von 172 %, Gründer ohne Mitarbeiter liegen „nur“ 44 % über Plan. sta - www.kfw.de/kompakt Neuer Inkubator: Berger und Samwers starten Joint Venture Die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants und die Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet wollen einen „Super-Inkubator für große Unternehmen“ gründen. Der soll „wie eine Fabrik funktionieren und eine Firma mit digitalem Geschäftsmodell nach der anderen produzieren“, so Berger-Chef Charles-Edouard Bouée im Interview mit dem Manager Magazin. Berger und Rocket Internet, geführt von den Samwer-Brüdern, halten je 50 % am Brutkasten. Starten soll dieser Mitte 2015. Am Finanzmarkt wurde die Kooperation positiv aufgenommen. „Das fügt der schnelllebigen Internetsache eine beständige Komponente hinzu“, sagte ein Händler dem Nachrichtensender N-TV. An der Seite der traditionsreichen Beratung steige für Start-ups die Aussicht, etablierte Firmen als Kunden gewinnen zu können. sta VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 1. 15 [email protected] Wird Europa zum Frühstück für US-Investoren? Gedruckte Chips, Displays und Solarzellen Start-up-Porträt: Die Darmstädter GT+W GmbH entwickelt Maschinen samt Messtechnik zum Drucken von Chips, Displays, organischen Leuchtdioden und Solarzellen. Das Unternehmen wächst bewusst in kleinen Schritten. Erste Zielgruppe sind Forscher – doch die Industrialisierung ist das erklärte Ziel. Start-up-Finanzierung: Gründungsexperten befürchten, dass Deutschland im Wettrennen um innovative Technologien den Anschluss verliert, wenn Start-ups weiterhin kaum Zugang zu Wagniskapital haben. Unterschiedliche Lösungsansätze sind in der Diskussion. VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 1. 15, sta „Wir sind Zeugen eines nie da gewesenen disruptiven Wandels“, sagt Amit Pau, Director des Londoner VC-Investors Ariadne Capital. Die digitale Revolution werde jede Branche umkrempeln – vor allem auch die Venture Capital Branche. Pau macht seine Analyse an Start-ups wie WhatsApp fest. Das Unternehmen habe mit 53 Beschäftigten in nur 4,5 Jahren eine halbe Milliarde Kunden gewonnen. Es wuchs damit deutlich schneller als Facebook und Twitter. Der Wert des Startups sei innerhalb weniger Monate von 3,5 Mrd. $ auf 18 Mrd. $ gestiegen. VC-Investoren in den USA sind laut Pau längst dabei, ihr Geschäftsmodell an diese Dynamik anzupassen. „Während die Gesamtsumme, die sie 2012 einwarben, um 10 % sank, lenkten sie 51 % mehr Kapital in Early-Stage-Fonds: 9,73 Mrd. $. Damit haben sie das Dreifache der Gesamtsumme aller VC-Fonds in Europa allein für Early-Stage-Finanzierungen“, sagt er. Zugleich würden die US-Investoren ihre Strukturen von informellen Netzen über veränderte Due-Dilligence-Prozesse und operative Begleitung an die immer jüngeren Unternehmen anpassen. Es gelte, Chancen in Geschäftsideen früher zu erkennen und mit höherem Risiko in Start-ups zu investieren. „Wenn wir diesen Trend in Europa nicht aufgreifen, werden wir eine ganze Generation von Innovatoren verlieren“, warnt Pau. Europa drohe dann Frühstück für Investoren aus den USA und aus Asien zu werden, die bereit seien, sich mit ihrem Kapital an die Spitze der Disruption zu stellen. Schon jetzt gebe es Abwanderungstendenzen in Richtung Silicon Valley. Und das, obwohl es in den USA ohnehin eine weit höhere Zahl von Technologie-Ausgründungen aus Hochschulen gebe. Das liege auch daran, dass dort Entrepreneure ihre Erfahrungen an Studierende weitergeben – während in Europa Wissenschaftler theoretische Grundlagen vermittelten. Pau ist nicht der einzige Experte, der vor dem Mangel an Wagniskapital und den Folgen warnt. Dirk Honold, Experte für Unternehmensfinanzierung im Biotechverband BIO Deutschland, schlägt in die gleiche Kerbe. Weil Venture Capital für deutsche Biotech-Start-ups weitgehend unerreichbar sei, würden sich diese zunehmend in Richtung USA orientieren. In den USA ist sowohl der Zugang zu Wagniskapital als auch zur Börse viel einfacher. Beides hängt direkt miteinander zusammen: Ist die Börse ein realistischer Exit-Kanal, sitzt Investoren das Geld lockerer. Während sich 2014 die Börsengänge hierzulande an zwei Händen abzählen ließen, wagten in den USA bis zum 1. No- vember 242 Firmen den Schritt aufs Parkett. Auch in London ging es 2014 weiter bergauf. Schon in den ersten drei Quartalen 2014 waren dort 126 IPO´s zu verzeichnen, gegenüber 94 im gesamten Jahr 2013. Als Zugpferd gilt dort der Alternative Investment Market (AIM) – ein Segment für kleinere, wachstumsstarke Firmen. Seit Gründung 1995 wurden dort 3000 Firmen notiert. Ulla-Martina Bauer, UK-Expertin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, verweist in einem Aufsatz darauf, dass dem UK-Börsenboom Strukturen zugrunde liegen, die sich deutlich von Deutschland unterscheiden. Aktien hätten im angelsächsischen Raum eine zentrale Rolle in der Alterssicherung von Privatanlegern, die sich in Deutschland noch weitgehend auf das staatliche Rentensystem verlassen und deshalb Unternehmensbeteiligungen scheuen. Bremsen also behäbige Sparer die Gründer aus? Auch wenn es niemand so drastisch formuliert, geht die Debatte aktuell in diese Richtung. Kurz vor Weihnachten lud Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch zu einem runden Tisch, bei dem sich Vertreter aus Finanzwirtschaft und Start-up-Welt über Wege zur Wiederbelebung des Neuen Marktes berieten. Die Deutsche Börse möchte allerdings vorerst nur eine vorbörsliche Plattform einrichten, auf der sich Start-ups institutionellen Investoren vorstellen sollen. Das geht Florian Nöll, Chef des Bundesverbands Deutsche Startups e.V., nicht weit genug. „Wenn wir zu lange damit Venture-Capital in Deutschland Investitionen in Mio. € 409 397 321 285 283 1 2 2011 1 2 2012 Grafik: VDI nachrichten 1-2/2015, Gudrun Schmidt 293 285 1 2 2013 1 2014 Quelle: BVK Kein Aufschwung: Während in den USA immer mehr Geld in frühe Unternehmensphasen fließt, stagniert die Summe in Deutschland. Gründern fehlt Geld. Sparer haben reichlich, rücken es aber nicht raus. Verschiedene Initiativen wollen das ändern. Foto: pathdoc/Fotolia warten, einen Index für Wachstumsunternehmen zu schaffen, werden sich Technologiegründer für andere Börsenplätze entscheiden oder zum Unternehmensverkauf gezwungen sehen“, warnt er. Der Verband fordert seit Langem ein Börsensegment, in dem Gründer mit deutlich abgeschwächten Regularien und Kosten um Beteiligungen von privaten und institutionellen Anlegern werben können. Eine weitere Initiative um Holger Zinke, CEO des Biotech-Unternehmens Brain AG, schlägt vor, dass 1 % jedes Vermögens oder 1 % aller Lebensversicherungsanlagen in Hightech-Firmen investiert wird. Vorbild dafür sind Bürgerinnovationsfonds in Frankreich, in denen Privatanleger Investments bis zu einer festgelegten Höhe steuerlich abschreiben können und etwaige Renditen nicht besteuert werden. Schnelle Lösungen sind bisher nicht in Sicht. Der nächste runde Tisch von Gabriel zum Thema ist für Mitte 2015 geplant. Bis dahin sollen Arbeitsgruppen an konkreten Lösungsvorschlägen arbeiten. Derweil haben Investoren aus den USA und Asien die europäische Gründerszene im Fokus. Europäische VC-Fonds berichten, dass sie beim Fundraising zuletzt über 60 % ihrer Mittel außerhalb Europas akquirieren konnten. Dagegen tendiere der Beitrag bisheriger Großinvestoren aus der heimischen Banken- und Versicherungswirtschaft gegen null. Auch USPensionsfonds sind nach Angaben des Europäischen Private Equity und Venture Capital Verbandes (EVCA) auf dem Rückzug. Erfeulicherweise gebe es aber stark steigendes Interesse von anderen Anlegergruppen aus USA und Asien, die das ruhige Fahrwasser und die verlässlichen Rahmenbedingungen in Europa zu schätzen wissen. PETER TRECHOW VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 1. 15, sta bei bis zu 15 cm Bearbeitungsbrei„Wir haben unsere Druckmaschi- te und zwischen und 50 μm ne nicht gebaut, um zu gründen. Schichtdicke. Schon wenige ml Sondern wir haben gegründet, Fluid reichen, um Versuche zu fahweil wir eine Maschine entwickelt ren. Um Verunreinigungen bei hatten, die mehr kann als andere“, Fluidwechseln auszuschließen, sagt Jürgen Willmann. Mit seinen hat die Maschine ein SchnellPartnern Robert Thieme und wechselsystem für die äußere, Christian Göbel hat der promo- strukturierte Lauffläche des vierte Wirtschaftsingenieur letztes Druckzylinders – die eigentliche Jahr die GT+W GmbH ins Leben Druckform. gerufen. Im Tiefdruckverfahren rotiert Das Spin-off der TU Darmstadt der Zylinder und durchläuft dabei ist auf den Druck von Schaltkrei- ein Fluidbecken, in dem sich die sen, Displays, Solarzellen und Vertiefungen der Druckform mit Leuchtdioden spezialisiert. Statt Fluid füllen. Eine zweite rotierenTinte bringt sein de Walze drückt „Superproofer“ leidas zu bedruckentende Fluide auf Vier Business Angels de Substrat auf die Metallbasis oder steuerten ingesamt benetzte Druckverflüssigte Halbform, wobei das Fluid aufs Substrat leitermaterialien übertragen wird. auf Folie, Glas oder Im Flexodruck ist Silizium auf. Teure eine zweite strukMaterialien, die bei und ebneten so turierte Walze im bisher oft nur im den Weg zu Spiel. Erhebungen Labormaßstab vereinem Bankkredit. auf ihr nehmen arbeitet werden. das Fluid von der „Wir haben seit 2009 im Zuge unserer Forschung ersten Walze ab und stempeln es einige Drucktechniken erprobt exakt dosiert auf das Substrat. und waren so unzufrieden, dass „Wir bedienen uns etablierter wir eigene Lösungen entwickelt Druckverfahren, die wir an die haben“, berichtet Technikchef Materialwelt der Printed ElectroThieme. Resultat ist ein variables, nics anpassen“, so Willmann. Die wahlweise auf Tief- oder Flexod- großen Herausforderungen seien die präzise Positionierung der ruck basiertes Verfahren. Fluide werden mit Geschwin- Substrate und das exakte Dosieren digkeiten bis zu 5 m/s gedruckt, der Fluide. 200 000 € Venture Capital – zuweilen unverzichtbar - Hightech-Gründer können die immensen Kosten für Maschinen, hoch qualifizierte Entwickler, Produktzulassungen und Patentierung fast nie alleine schultern. - Banken ist das Risiko für etwaige Kredite mangels Sicherheiten zu hoch. - Gründerverbände fordern deshalb bessere Rahmenbedingungen für Venture Capital und eine Wiederbelebung des Neuen Markts. - Im Koalitionsvertrag hat die große Koalition angekündigt, die Rahmenbedingungen für Wagniskapital zu verbessern. pt Die Gründer Robert Thieme und Jürgen Willmann umrahmen ihren „Superproofer“. Die Druckmaschine bringt leitende Fluide auf Metallbasis oder verflüssigte Halbleitermaterialien auf Folie, Glas oder Silizium auf. Foto: gt+w Bisher kommen die Kunden aus der wissenschaftlichen und industriellen Forschung. Markt und Produkte sind erst im Entstehen. Druckverfahren versprechen sinkende Kosten für Funkchips, Antennen, Displays oder großflächig druckbare Solarzellen und Leuchtdioden. Das Start-up plant, mit der neuen Materialwelt zu wachsen und setzt dabei auf enge Kooperation mit Kunden. „Wir haben erste Maschinen verkauft und sind in konkreten Verhandlungen mit weiteren Kunden“, berichtet Willmann. Das bringt dem Team neben Einnahmen Feedback, das in die für 2017 geplante zweite Maschinengeneration einfließt. Daneben treibt das Team sein patentiertes Schichtdickenmesssystem zur sekundenschnellen Ana- lyse der Drucke voran. „Wir entwickeln es parallel, da unsere Kunden exakte Messtechnik benötigen und wir künftig Fertigungslinien samt Inline-Qualitätskontrolle anbieten wollen“, so Thieme. Christian Göbel, der schon vor GT+W unternehmerisch aktiv war, steuert die Fertigungskapazitäten für den Bau der Druckmaschinen in Kleinserie bei und ist an der Entwicklung beteiligt. Zudem arbeiten zwei branchenerfahrene Vertriebsexperten für das Team; einer davon in den USA. Die Reife des Spin-offs ist zugleich Segen und Fluch. Für eine erhoffte Förderung im Exist-Forschungstransfer war es schon zu weit. Dafür konnte Willmann, der vor seiner Promotion fünf Jahre als Berater tätig war, vier befreundete Unternehmer aus seinem Netzwerk davon überzeugen, sich als Business Angels mit insgesamt 200 000 € an dem Start-up zu beteiligen. Dazu sind 20 % Zuschuss aus dem Programm „Invest – Zuschuss für Wagniskapital“ geflossen. Zusammen mit Verkaufserlösen und einem Bankkredit, den das Team aufgrund der guten Eigenkapitalbasis erhalten hat, steht die Finanzierung für die nächste Etappe. „Wir verstehen uns als Lean Start-up, gehen schrittweise voran und versuchen, Feedback aus dem Markt umgehend in die Entwicklung einfließen zu lassen“, sagt Willmann. Geschäftsmodell und Technik sollen reifen, ehe sich das Team für die weitere Skalierung um Venture Capital bemüht. PETER TRECHOW Kapital mit Risiken und Nebenwirkungen Start-up-Finanzierung: Mit Blick auf die lebendige US-Gründerszene fordern deutsche Verbände ein besseres Umfeld für Risikokapital. Erfahrungen aus den USA lehren aber, dass ein früher Geldsegen nicht immer zielführend ist. VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 1. 15, sta Eric Ries hat das Scheitern von zwei Start-ups analysiert. Eins hat er selbst gegründet, in einem war er Entwicklungschef. Seine überraschende These: „Wir hatten viel zu viel Geld.“ Gerade im zweiten Unternehmen, das als Pionier im Bereich Avatare durchstarten wollte, hätten frühe, mit 50 Mio. $ gefüllte Kapitalspritzen von VC-Investoren das Team überfordert. Ries hat diese Erfahrungen in seinem Buch „The Lean Start-up“ verarbeitet. Das Start-up hatte eine typische Silicon-Valley-Karriere hingelegt: Es wuchs wie ein Pilz im Treibhaus. Bald waren 200 Mitarbeiter an Bord. Sie erreichten einen Mei- lenstein nach dem anderen. Das Unternehmen bewegte sich exakt im Gleis, das der Businessplan vorgab. Perfektion in der Programmierung war angesagt – und wurde von schnell und teuer angeheuerten Top-Entwicklern umgesetzt. Das böse Erwachen kam nach dem Markteintritt. Die Gründer hatten in ihrem gut gepolsterten Elfenbeinturm komplett am Markt vorbei entwickelt und ein Produkt perfektioniert, das niemand brauchte. Organisation und Entwicklung waren zu weit fortgeschritten, um das Ruder noch herumzureißen. Resümee: Zu viel Geld führte zur schnellen Einstellung zu vieler Programmierer – und zum schnellen Ende. Ries rät Start-ups einen anderen Weg. Statt sich auf die Ideen aus ihrem Businessplan zu verlassen und früh große Beteiligungssummen zu akquirieren, sollen sie Schritt für Schritt vorgehen und ihr Produkt schon während der Entwicklung oft mit möglichen Kunden diskutieren. Das schütze auch davor, Erwartungen zu schüren, die sich nicht einlösen lassen. Zudem habe das schrittweise Vorgehen psychologische Vorteile: Der Fall ist nicht so tief, wenn die Idee scheitert. Teammitglieder können das Vorgehen auf einzelnen Etappen leichter hinterfragen als den großen perfekten Businessplan des Inner Circle. Und nicht zuletzt können Teams bei organischem Wachstum im Gleichschritt über alle Funktionen hinweg lernen, was Start-ups unempfindlicher gegen Abgänge macht. Zu viel Kapital birgt laut Ries auch die Gefahr, dass sich Grün- der verzetteln. Sei es in der Entwicklung zu vieler Produkte, Features oder in verfrühter Internationalisierung. „Gründer müssen lernen, nein zu sagen“, sagt er. Dafür bräuchten sie konzeptionelle Klarheit. Nur wer herausfinde, welchen relevanten Nutzen sein konkretes Produkt für Kunden hat, und was diese dafür zu zahlen bereit sind, könne sich aufs Wesentliche konzentrieren. Er zieht die Analogie zum wissenschaftlichen Experiment: „So wie kein Forscher mehrere halbe, schlecht vorbereitete Experimente durchführt, so sollten Gründer Experimente gut planen, die Ergebnisse bei Misserfolg und Erfolg gründlich analysieren und sich erst dann dem nächsten Experiment zuwenden.“ Erst wenn dieses Trial-and-Error-Verfahren zu einem vom Markt gewünschten Produkt führe, sei die Zeit reif für Venture Capital. P. TRECHOW
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