Verrückte Vögel: Jonathan, Katleen, Ann-Christin, Lara, Jonas, Henriette und Jakob (von links) basteln mit Elke Upmeier zu Belzen (4. von links) und Jugendreferent Jürgen Ennen. Kinder- und Jugendgruppen tummeln sich täglich im CVJM-Haus. FOTO: SYLVIA TETMEYER WurzelnimJünglingsverein CVJM feiert 175-jähriges Bestehen, Vereinshaus ist 100 Jahre alt, Posaunenchor 170 VON SYLVIA TETMEYER ¥ Jöllenbeck. Legendär waren die Feste in den 20er und 30er Jahren. „Da wurden nicht selten 1.000 Besucher gezählt“, sagt Friedhelm Wittenberg. Vor allem die „Butterbrode“ seien begehrt gewesen. „Die Menschen konnten sich endlich satt essen“, berichtet der Chronist des Christlichen Vereins junger Menschen. „Hoffnung leben – zusammen wachsen“ lautet das Motto im Jubiläumsjahr: Der Verein wurde vor 175 Jahren gegründet, fünf JungeBläser: Der Posaunenchor feiert dieses Jahr sein 170-jähriges BeJahre später folgte der Posau- stehen. Das Bild entstand 1937. nenchor. Das Haus besteht seit 100 Jahren. „Wo sind unsere Wurzeln? Was hat Bestand?“ Für Wittenberg (69) sind dies Fragen, denen sich der Verein stellen muss, denn „Erinnerungsarbeit“ sei auch ein „Stück Dankbarkeit“. Wichtig sei, dass man sich nicht auf dem Bestehenden ausruhe. Die Erweckungsbewegung habe vor allem die Weber und bäuerlichen Unterschichten angesprochen. Viele fanden durch Pastor Johann Heinrich Volkening zu einem lebendigen Glauben. Die Chronik berichtet, dass zu ihnen auch drei junge Männer gehörten, die sich vor dem Morgenkaffee in einem Wäldchen verborgen haben, um gemeinsam aus der Bibel zu lesen. Der damals 20-jährige Weber Hermann Heinrich Kastrup war auch dabei. Der Kreis wurde größer. Ohne Gründungsversammlung, Satzung und Vorstand ist so in Jöllenbeck der erste evangelische Jünglingsverein in der Region Minden-Ravensberg entstanden. Es folgten der Jungfrauenverein, Missionsvereine sowie der Enthaltsamkeitsverein. Die erste offizielle Vereinssatzung trägt das Datum vom 4. Mai 1851. Nach der bis heute geführten Mitgliederliste sind zwischen 1850 und 1900 insgesamt 673 Männer in den Verein eingetreten, darunter 75 Prozent Leinen- oder Seidenweber. Zum Vergleich: 1932 gab es 140 Mitglieder. Die Vereinsstunden fanden zunächst im Konfirmanden- Ab 1920: Theater spielte in den Anfangsjahren eine große Rolle. Hanna Wittenberg (2.v.r.), Mutter des Chronisten, war auch dabei. Leibesertüchtigung: Handball, Geräteturnen und Schlagball standen hoch im Kurs. saal an der Eickumer Straße statt. Als das Turnen um die Jahrhundertwende einen immer breiteren Raum einnahm, trafen sich die Sportler auf der Wiese am Pfarrholz. „Auf dem Eichen- kreuzsportplatz, der in der Nachkriegszeit gebaut wurde, gab es später richtige Tribünen“, sagt Friedhelm Wittenberg. Leichtathletik und Schlag- und Handball seien damals beliebt gewe- sen. Auch seien die Christen bei Wettbewerben erfolgreich gewesen. 1913 reifte der Plan für den Bau eines eigenen Vereinshauses. Die Verhandlungen mit der Kirchengemeinde scheiterten jedoch. Die Gesamtkosten betrugen 22.000 Reichsmark. „Die Leute hatten damals ganz viel Mut und Optimismus. So haben sie es geschafft, 8.000 Euro Eigenmittel aufzubringen“, sagt die Vereinsvorsitzende Elke Upmeier zu Belzen. Sie ist sich sicher: „Wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht gebaut worden wäre, wäre es nie gebaut worden.“ Nur kurze Zeit später brach der 1. Weltkrieg aus, dann folgte die Inflation. „Es gab in den ersten Jahren allerdings noch keine Stühle“, berichtet Wittenberg. Bohlen und Böcke aus dem Sägewerk seien die einzige Sitzgelegenheit gewesen. In den 20er Jahren gründeten sich die ersten Theatergruppen. Die christliche Jugendbewegung entstand. Dazu gehörten Jungschar und Jungvolk. Wanderungen, Zeltlager, Posaunen, Trommler- und Pfeifenchor standen im Vordergrund. Die Blütezeit dieser Jahre fand mit dem Dritten Reich zunächst sein Ende. Der Posaunenchor konnte bis zum Krieg weiterarbeiten, allerdings gleichgeschaltet unter dem Dach der Reichsmusikkammer. Der Sport wurde völlig verboten. „In Gemeindepastor Ernst Kleßmann hat unsere Gemeinde und unser Verein einen weitsichtigen und weisen Mann, der uns mit viel Mühe durch die stürmischen und gefährlichen braunen Fluten steuert“, heißt es in der Chronik. In den Nachkriegsjahren wurde das Vereinshaus zur Unterbringung von Ostflüchtlingen beschlagnahmt. 1962 verließen die Letzten das Haus. 1998 bewarb sich der Verein um die offene Arbeit im Stadtteil, ein Jugendreferent wurde eingestellt. Die „Förderinitiative Jugendarbeit“ bildet seit 1999 die finanzielle Grundlage für die Mitfinanzierung einer hauptamtlichen Stelle. Dreieck als Symbol für Leib, Seele und Geist ¥ Bereits seit der Gründung des Christlichen Vereins junger Menschen wollten die Mitglieder Leib, Seele und Geist des Menschen ansprechen. Das Dreieck ist bis heute im Logo. Um die Jahrhundertwende nahm das Turnen viel Raum im Programm ein, hinzu kamen Musik und Theater. Die Gottesdienste bilden seit 1838 den Ursprung der Vereinsar- beit, die eng mit dem Amtsantritt von Pfarrer Johann Heinrich Volkening verbunden ist. Damals war schwer vorstellbar, dass Frauen und Männer gemeinsam in einem Verein sind. Deshalb gründete sich neben dem Jünglinsverein der Jungfrauenverein. 1953 wurde der Jünglingsverein in Christlicher Verein junger Männer umbenannt, 1972 gab es den Zusammenschluss mit den Frauen. 1981 folgte dann der bis heute gültige Name. Aus „Männern“ wurden „Menschen“. Den Auftakt im Jubiläumsjahr bildet der Festgottesdienst am 3. Februar um 10 Uhr in der Marienkirche. Zum anschließenden Neujahrsempfang im CVJM-Haus spricht Pfarrer Roland Werner. Weiterer Hö- hepunkt ist am 16. März ein Vortrag über die 100-jährige Geschichte des Hauses – um 9 Uhr. Das Jubiläumskonzert des Posaunenchores findet am 23. März um 17 Uhr statt. „Beerenstark“ heißt das Vereinsfest am 30. Mai ab 12 Uhr. Ab 1. September läuft eine Wanderausstellung in der Marienkirche. Infos im Internet unter: www.cvjm-joellenbeck.de (syl)
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