Predigt Ostern 2015, Oberrieden, Berthold Haerter Gepriesen sei

Predigt Ostern 2015, Oberrieden, Berthold Haerter
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in
seiner grossen Barmherzigkeit neu geboren hat, so dass wir nun durch die
Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben. 1.
Petrus 1, 3
1. Bonhoeffer und Ostern
Es war Ostern vor 70 Jahren.
Genauer: Es war am 8. April 1945 im Schulhaus des Dorfes Schönberg in
Bayern.
Wichtige Häftlinge hatte man aus Berlin hier her gebracht.
Unter ihnen war der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer.
Man bat ihn um eine Osterandacht.
Bonhoeffer, so schreibt sein Biograph, „las den die Bibeltexte, betete und sprach
über die Losung und den Lehrtext des Tages (aus dem Losungsbüchlein):
„Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53, 5) und „Gepriesen sei der
Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner grossen
Barmherzigkeit neu geboren hat, so dass wir nun durch die Auferstehung
Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben. 1. Petrus 1, 3
(neuere Übersetzung benutzt). ...
Da erschienen zwei Männer in Zivil und riefen: ‚Gefangener Bonhoeffer, fertig
machen, mitkommen.’ Bonheoffer packte eilig seine Sachen zusammen.“ Dann
sagte er zu einem Mitgefangenen: ‚Dies ist das Ende, für mich der Beginn des
Lebens.’“ (Ferdinand Schlingensiepen, Dietrich Bonhoeffer, Eine Biographie,
Seite 390)
„Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“
Bonhoeffer fasst zusammen, was der von ihm gelesene Bibelvers aus dem 1.
Petrusbrief sagen will.
Wenn das Leben zu Ende ist, ist das Leben nicht zu Ende.
Gott macht einen Neuanfang.
Wir wissen es seit Jesu Auferstehung.
Dieser Glaube wurde uns mit dem ersten Karfreitag und Ostern anschaulich
bestätigt.
Diese Auferstehungshoffnung feiern wir heute.
Wenn das Leben zu Ende ist, ist das Leben nicht zu Ende.
Gott macht einen Neuanfang.
Das war Bonhoeffers Gewissheit, wenn er sagt, dies ist für mich der Beginn
des Lebens.
Schon in seinem Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ hat er dies
ausgedrückt.
Dieses Gedicht hatte er im Gestapogefängnis in Berlin unter miserablen,
hoffnungslosen Bedingungen geschrieben.
Es heisst dort: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an
jedem neuen Tag.“ Bonhoeffer meint damit nicht nur den heutigen Abend und
den morgigen Morgen sondern er sagt damit: Gott ist am Lebensabend bei uns.
Gott ist aber auch am neuen Auferstehungsmorgen, im neuen Leben, bei uns.
2. Die Situation der ersten Christen z.Z. des 1. Petrusbriefes
Diese Hoffnung, ja, diese Glaubensgewissheit ist und war für Christen immer
wichtig.
Besonders bedrängten Christen gab und gibt es Kraft durchzuhalten.
Damals, vor 70 Jahren, für die Häftlinge am Ende des Krieges, die zwischen
dem Hoffen auf Überleben und der fast grösseren Gewissheit, wir werden vor
der Befreiung noch umgebracht, lebten,
für sie war die Auferstehungsgewissheit, eine grosse Kraft, nicht sich
aufzugeben.
Ähnlich werden es die verfolgten Christen in Syrien heute erleben.
Ähnlich war es auch den ersten Christen zur Zeit des 1. Petrusbriefes ergangen.
Sie wurden verfolgt, bedrängt, angefeindet, Progrome fanden statt, sie wurden
umgebracht.
Ostern gab ihnen die Sicherheit:
So wie Jesus auferstanden ist, so geschieht das auch mit uns.
Wir kommen zu Gott.
Es gilt durchzuhalten und die Hoffnung nach vorn ausgerichtet, nicht zu
verlieren.
Denn diese Hoffnung macht unabhängig, von allem, was mir hier zustösst.
Das Hier ist nur Vorläufig, das Sein bei Gott erwartet uns.
3. Begründung unserer Hoffnung: Good friday
Manchmal helfen einem ja Zufälle oder Zu-Gefallenes etwas neu zu verstehen.
Am Mittwoch im Englischunterricht fragten wir:
„Wie heisst Karfreitag eigentlich auf Englisch?“
„Good friday“, also guter Freitag, meinte die Lehrerin.
Aber warum guter Freitag?
Am Karfreitag erinnern wir uns doch an den schrecklichen Tod Jesu.
Wenn man den Tag aus Jesus Sicht damals sieht, war es ein furchtbarer Tag.
Sieht man den Karfreitag aber von uns heute aus, dann war es ein guter Tag.
Jesus starb unschuldig für Schuld, die wir uns aufladen, immer wieder, bewusst
und unbewusst.
Wir werden mit Jesu Tod und sein Auferwecktwerden befreit.
Wir werden sichtbar befreit von dem, was unser Leben schwer macht, schon
heute.
Es ist ein guter Freitag, ein Good Friday für uns.
Diese Auferstehung das feiern wir heute.
Das ist die Hoffnung, von der in den Ostergeschichten immer die Rede ist.
Die Hoffnung, die mir Standhaftigkeit und auch Gelassenheit geben will, bei
allem, was immer mir passiert.
Es kommt gut.
Wenn das Leben zu Ende ist, ist das Leben nicht zu Ende.
Gott macht einen Neuanfang.
4. Hoffnung im Jetzt
Aber für die meisten von uns ist diese Auferstehungshoffnung für Danach nicht
wichtig, nicht Match entscheidend, wie man so sagt.
Wir brauchen Hoffnung, richtige Auferstehungshoffnung im Jetzt, im Alltag, im
Heute nicht erst fürs Danach.
Wir brauchen Zuversicht und die Sicherheit, dass Gott uns hilft, wenn wir
mitten im Leben sind.
Dietrich Bonhoeffer hat das auch in einem Brief an seinen Freund aus der
Gefängniszelle ausgedrückt:
„Ich glaube,
wir sollen Gott in unserem Leben und in dem,
was er uns an Gutem gibt,
so lieben und solches Vertrauen zu ihm fassen,
dass wir, wenn die Zeit kommt und da ist
– aber wirklich erst dann! –
auch mit Liebe, Vertrauen und Freude zu ihm gehen.“ (Widerstand und
Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft mit Kommentaren,
Anmerkungen und Einleitung, Seite 244, Brief vom 18.12.43 an Eberhard
Bethge)
5. Nelson Mandela
Wie finde und entdecke ich aber diese Freude, dieses Vertrauen, diese Liebe
Gottes zu mir in meinem Leben?
Ich entdecke sie, wenn ich in meinem Leben zurückblicke und sehe: Wo habe
ich Gott erlebt? Wo habe ich eine plötzliche oder eine langsame Auferweckung
im Leben erlebt.
Oder wo sehe ich sie im Leben anderer?
Denke ich an mein Leben, so erinnere ich mich sehr gut an meine Krankheit, bei
der ich nur dank eines SMS zum Arzt ging und so dem Tod entronnen bin.
Oder ich sehe den Mauerfall, der mein Leben total verändert hat.
Oder ich sehe, wie ein mir nahe stehender Mensch, langsam wieder aufersteht,
ja auferweckt wird, seit dem er Hilfe annehmen konnte.
Da habe ich mindestens 3 x Ostern mitten im Leben erlebt, das ist Match
entscheidend.
Sie haben mit Sicherheit schon Ähnliches erlebt.
Ich lese gerade die Autobiographie von Nelson Mandela, dem ersten schwarzen
Präsidenten von Südafrika.
Als man ihm den 2. Hochverratsprozess machte und er und seine Freunde das
Todesurteil erwarteten, da gab man ihnen lebenslange Haft auf einer kleinen
Insel vor Kapstadt.
Hier würden sie langsam sterben und keiner wird nach ihnen fragen, meinte die
Aufseher.
Es gab keine Kontakt zur Aussenwelt, nur eine kleine Zelle und ein Steinbruch.
Das war der Tiefpunkt.
Der langsame Tod.
Demokrit hat gesagt: „Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages.“
Und das war dieser Beginn der Haft, die Mitte der Nacht.
27 Jahre Gefängnis wurde daraus.
Es wurde eine langsame Auferstehung, ein auferweckt werden und dann selbst
wieder die Dinge in die Hand nehmend.
Gott war auch da am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen
Tag.
6. Auferstehung erleben und Hoffnung haben
Auferweckt werden mitten im Leben?
Das gibt es.
Ich behaupte jeder von uns hat das schon erlebt.
Gott zeigt sich mir so.
Für die Zukunft wissen wir damit, dass wir immer wieder mitten im Leben
auferstehen können, ja auferweckt werden.
Wenn das Leben zu Ende ist, ist das Leben nicht zu Ende.
Gott macht einen Neuanfang.
Dieser Glaube lässt mich erkennen, dass alle Liebe, alle Freude, alles Vertrauen,
was mir im Leben begegnet das dies alles kleine Osterfeste mitten im Leben
sind.
Sie sind ein Abglanz vom dem grossen Osterfest das auf mich noch wartet.
Halleluja.
Freude.
Zuversicht.
Vertrauen.
Hoffnung.
Liebe.
Wenn uns etwas von diesem erfasst, dann sind wir auferweckt worden.
Das ist Ostern mitten im Leben – der Beginn des Lebens.
AMEN