Testmarkt Befristete Ausnahme bestimmter chemischer Produkte der

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Verbraucherschutz
Testmarkt
Befristete Ausnahme bestimmter chemischer
Produkte der Gruppe 2 vom Verbot der Abgabe in Selbstbedienung
Testmarkt: Befristete Ausnahme bestimmter chemischer Produkte der Gruppe 2 vom Verbot der Abgabe in Selbstbedienung
Inhaltsverzeichnis
1 Ausgangssituation ....................................................................................... 3 1.1 1.2 1.3 Problemstellung ........................................................................................................3 Rechtliche Lage ........................................................................................................3 Lösungsansatz ..........................................................................................................4 2 Projekt „Testmarkt“ ...................................................................................... 4 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Gegenstand und Dauer des Projektes ....................................................................4 Geltungsbereich .......................................................................................................4 Bedingungen .............................................................................................................5 Voraussetzungen für Teilnahme am Testmarkt .....................................................5 Ausschluss vom Testmarkt .....................................................................................5 Fassung vom 28.5.2015
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Testmarkt: Befristete Ausnahme bestimmter chemischer Produkte der Gruppe 2 vom Verbot der Abgabe in Selbstbedienung
1 Ausgangssituation
1.1 Problemstellung
Bis 2005 war die Abgabe von gefährlichen Chemikalien an die breite Öffentlichkeit im Rahmen der Giftgesetzgebung sehr restriktiv geregelt. So musste man beispielsweise für Produkte bestimmter Giftklassen eine Bezugsbewilligung bei den Gemeindebehörden einholen.
Die am 1. August 2005 in Kraft getretene Chemikalien-Gesetzgebung führte eine umfassendere Kennzeichnung gefährlicher Produkte und dafür eine gewisse Liberalisierung bei der
Abgabe dieser Produkte an die breite Öffentlichkeit ein. Eine Abgabe in Selbstbedienung
blieb jedoch für Produkte mit besonderen Risiken, z.B. giftige oder ätzende, ausgeschlossen.
Im Zuge der Einführung des neuen Einstufungs- und Kennzeichnungssystems für Chemikalien (GHS), müssen in der Schweiz ab 1. Juni 2015 alle chemischen Produkte nach GHS
eingestuft werden. Bei Anwendung der teilweise konservativeren Berechnungsverfahren für
Zubereitungen unter GHS werden einzelne bislang als „hautreizend“ eingestufte chemische
Produkte unter GHS als „hautätzend“ (H314) eingestuft. In der Folge können diese Produkte,
die bislang keiner Abgabebeschränkung unterlagen, nicht mehr in Selbstbedienung abgegeben werden. Auf diesen Umstand wurde bereits 2012 im Rahmen der 4. Revision der Chemikalienverordnung (ChemV, SR 813.11) hingewiesen. Das GHS kennt verschiedene Möglichkeiten, um allfällige aus dem Berechnungsverfahren resultierenden zu strenge Kennzeichnungen ("Überkennzeichnungen") durch zusätzliche Daten (z.B. in-vitro Testergebnisse, Analogieschlüsse) zu bereinigen. Es wurde von allen Beteiligten davon ausgegangen,
dass die hauptsächlich davon betroffene Branche, der Hersteller von Wasch- und Reinigungsmittel, bis zur obligatorischen Einführung von GHS am 1. Juni 2015 in der Lage sein
wird, zu streng gekennzeichnete Produkte zu identifiziert und anzupassen. Leider wurden
von Seiten der Branche bis heute noch nicht die erforderlichen Fortschritte im Bereich der
Ätz-/Reizwirkung auf die Haut erzielt, u.a. deshalb weil es sich bei den resultierenden Abgabebeschränkungen um eine Schweizer Problematik handelt, die sich so im europäischen
Ausland nicht stellt.
Der schweizerischer Kosmetik und Waschmittelverband (SKW), der die Bestimmungen zum
Ausschluss aus Selbstbedienung als weiterer Beitrag zu den hohen Preisen in der Schweiz
bemängelt,fordert von den Behörden rasche Massnahmen um zu vermeiden, dass derzeit in
Selbstbedienung verkaufte Produkte zurückgezogen werden. Gefordert wird auch eine Evaluation des Gesamtkonzeptes in Zusammenhang mit der Gruppe 2.
1.2 Rechtliche Lage
Die ChemV regelt die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von chemischen Stoffen
und Zubereitungen (nachfolgend: Chemikalien). Sie definiert insbesondere die Anforderungen an Einstufung, Verpackung, Kennzeichnung und Erstellung eines Sicherheitsdatenblatts.
Diese Anforderungen sind in den europäischen Verordnungen REACH und CLP weitgehend
harmonisiert. Die ChemV enthält jedoch auch spezifisch schweizerische Bestimmungen zur
Abgabe und Verwendung von Chemikalien, insbesondere sehr gefährlichen. Abgesehen von
spezifischen Verboten für bestimmte Stoffe sehen die europäischen Verordnungen REACH
und CLP keine Massnahmen zur Einschränkung der Abgabe in Selbstbedienung vor.
Deutschland und Österreich wenden ebenfalls verschiedene Einschränkungen bezüglich
Abgabe bestimmter gefährlicher Chemikalien an Privatkonsumentinnen und -konsumenten
an.
Mit der Einführung der Möglichkeit zur Verwendung des GHS bei der Revision der ChemV im
Jahr 2012 wurden die besonders gefährlichen Chemikalien aufgrund ihrer Kennzeichnung in
zwei Gruppen (Gruppe 1 und Gruppe 2) eingeteilt. Um zu berücksichtigen, dass es bis Mai
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2017 zwei Kennzeichnungssysteme auf dem Markt gibt, wurden für die neue und die alte
Kennzeichnung Kriterien festgelegt, die dieselben Produkte abdecken.
Die spezifischen Bestimmungen der ChemV zur Selbstbedienung sind in Artikel 76, 78, 80
und in Anhang 6 festgelegt.
Chemikalien der Gruppe 1 dürfen nicht an die breite Öffentlichkeit abgegeben werden. Chemikalien der Gruppe 2 sind von der Abgabe in Selbstbedienung (an die breite Öffentlichkeit)
ausgeschlossen. Bei der Abgabe einer Chemikalie der Gruppe 2 muss die abgebende Person die Konsumentin oder den Konsumenten über die angemessenen Schutzmassnahmen
und die fachgerechte Entsorgung informieren.
Bei früheren Revisionen der ChemV, inkl. der im Dezember 2012 in Kraft getretenen 4. Revision, haben weder die Industrie noch der Einzelhandel die Bestimmungen zur Selbstbedienung in Frage gestellt. Der erläuternde Bericht zur 4. Revision hielt explizit fest, dass der
Übergang zum GHS zu einer strengeren Kennzeichnung betreffend hautreizende oder ätzende Wirkung führen kann und bestimmte Produkte dadurch neu unter die Gruppe 2 fallen.
1.3 Lösungsansatz
In einer Diskussion mit Vertretern des SKW, der Grossverteiler und der kantonalen Vollzugsbehörden bestand Konsens darin, dass den Unternehmen über einen befristeten Zeitraum
erneut die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, die Situation der „Überkennzeichnung“ zu
bereinigen, und die betroffenen Produkte über diesen Zeitraum weiterhin in Selbstbedienung
abzugeben. Dies unter der Auflage, dass
 die Kundinnen und Kunden auf geeignete Weise am Verkaufspunkt auf die Gefahren
der Produkte aufmerksam gemacht und über die angemessenen Schutzmassnahmen
und die fachgerechte Entsorgung informiert werden; und
 die Wirkung der getroffenen Massnahmen auf die Kundinnen und Kunden evaluiert
wird, um eine Datengrundlage für künftige Diskussionen über eine allfällige weitere
Differenzierung der Abgabebestimmungen zu schaffen.
Unter Berücksichtigung dass diese Produkte schon bislang in Selbstbedienung abgegeben
wurden, bleibt das bisherige Schutzniveau betreffend Gesundheit und Umwelt erhalten. Es
entstehen keine neuen Risiken für die Bevölkerung.
Basierend auf diesen Überlegungen wird in Abschnitt 2 ein konkretes Projekt für einen
„Testmarkt“ vorgestellt. Darin wird festgelegt für welche Produkte und unter welchen Rahmenbedingungen eine weitere Abgabe in Selbstbedienung vorläufig möglich ist.
2 Projekt „Testmarkt“
2.1
Gegenstand und Dauer des Projektes
Chemische Produkte, welche unter den Geltungsbereich nach 2.2 fallen, und dieBedingungen und Voraussetzungen nach 2.3 bis 2.4 erfüllen, dürfen entgegen den Bestimmungen von Art. 78 ChemV bis zum 31.05.2017 weiterhin in Selbstbedienung abgegeben
werden.
2.2
Geltungsbereich
Identifizierte Stoffe und Zubereitungen, welche aufgrund ihrer bisherigen Kennzeichnung
(hautreizend, Xi; R38) nicht der Gruppe 2 zugeordnet werden mussten, die aber wegen einem (oder mehreren) ätzenden Inhaltsstoff ohne spezifischen Konzentrationsgrenzwert bei
Anwendung der Berechnungsmethode unter GHS mit «ätzend», H314 zu kennzeichnen sind.
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Bedingungen
Die Kunden und Kundinnen müssen auf geeignete Weise auf die Gefahren der Produkte hingewiesen und über die angemessenen Schutzmassnahmen sowie die fachgerechte Entsorgung (gemäss Anforderungen der Verordnung über Sachkennntnis)
informiert werden. Dies kann beispielsweise durch Markierung des Regalabschnittes
mit dem Produkt mit einer Signalfarbe, durch Wiederholung der Gefahrensymbole,
durch zusätzliche Krawattenetiketten, Ausgabe zusätzlicher Kassenbon, etc. geschehen, wobei standortbezogene Massnahmen gegenüber Veränderungen am Produkt
selbst zu bevorzugen sind.
Die Wirkung und Wahrnehmung der zusätzlichen Informationsmassnahmen wird
durch gezielte Kundenbefragungen evaluiert. Über deren Ergebnisse muss der Anmeldestelle Chemikalien Bericht erstattet werden.
Das Personal in den Verkaufsstellen muss über den Testmarkt und die davon betroffenen Produkte informiert werden.
Im Unternehmen muss Sachkenntnis vorhanden sein.
Die Einstufungsmodelle für den Bereich der Hautreizung/-ätzung werden weiterentwickelt. Entsprechend erfolgt parallel zum Testmarkt eine laufende Anpassung der Einstufungen der betroffenen Produkte an den Stand der Technik.
Voraussetzungen für Teilnahme am Testmarkt
Grundsätzlich können alle Firmen am Testmarkt teilnehmen, die Produkte nach Absatz 2.2 in
Verkehr bringen, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
 Der Anmeldestelle Chemikalien muss ein Konzeptbeschrieb eingereicht werden, in
dem das Vorgehen und die Massnahmen zur Erfüllung der Bedingungen in Abschnitt
2.3 beschrieben werden.
 Mit dem Konzeptbeschrieb muss eine Liste der betroffenen Produkte (inkl. Sicherheitsdatenblätter) eingereicht werden. Diese Liste wird auf der Webseite der Anmeldestelle veröffentlicht und ist verbindlich.
 Sämtliche Änderungen an der Liste oder am Konzeptbeschrieb sind vor deren Umsetzung in die Praxis zu melden.
 Ebenfalls muss eine Kontaktperson für die Belange des Testmarkts gemeldet werden.
Die Anmeldestelle wird nach Prüfung der Unterlagen ein Bestätigungsschreiben für die Teilnahme am Testmarkt ausstellen.
2.5
Ausschluss vom Testmarkt
Werden die Vorgaben für die Teilnahme am Testmarkt missachtet oder zeigen sich besondere Umstände, so kann die Anmeldestelle bestimmte Produkte oder Firmen vom Testmarkt
ausschliessen.
2.6
Vollzug
Die kantonalen Vollzugsbehörden werden vom BAG angewiesen im Rahmen dieses Testmarktes, die Abgabe der betroffenen gelisteten Produkte in Selbstbedienung zu tolerieren.
Bei Verdacht auf missbräuchliche Teilnahme am Testmarkt informieren sie das BAG. Sie ergreifen die erforderlichen Massnahmen, falls Gefahr in Verzug ist.
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