Restlos ausverkauft

ton Frequency
Frequency-Festival in St. Pölten
Restlos ausverkauft
Österreich-Premiere für Radiohead
Das FM4 Frequency-Festival ist neben dem NOVA-Festival eines der wichtigsten Open Air
Veranstaltungen für Rock- und Popmusik in Österreich und besteht seit 2001. Auf dem mit
40.000 Besuchern restlos ausverkauften Festival präsentierten sich an drei Tagen fast 100
Bands und Liveacts auf sieben Bühnen. Diesjähriger Ort des Geschehens war das 60 Kilometer
vor Wien0 gelegene St. Pölten.
Headliner und zweifelloser Höhepunkt
für viele Besucher war dieses Jahr zweifellos der Auftritt von Radiohead, die zum
ersten Mal live in Österreich zu sehen
waren. Wie es die fünf Musiker schaffen,
mehr als 70 Kanäle an ihren eigens mitgebrachten VENUE D-Show-Konsole von
digidesign zu belegen, erfahren Sie im
Interviewkasten auf Seite 36. Betrachten
wir nun zu Beginn die tontechnische Seite
des Festivals etwas genauer: Die Hauptbe-
34
pma 7/09
schallungsanlage der Race Stage bestand
pro Seite aus 15 Elementen L-Acoustics VDOSC, die insgesamt mit 48 Subbässen SB
218 des gleichnamigen Herstellers ergänzt
wurden. Für das In-Field kamen zusätzlich
sechs dV-DOSC und als Seiten-PA ebenfalls noch einmal sechs dV-DOSC sowie
drei dV-SUBS zum Einsatz. Um den Sound
ab Höhe des FoH-Towers aufzufrischen,
wurde je eine Delayline aus neun geflogenen dV-DOSC und vier entsprechenden
Bässe gebaut. Basierend auf Simulationsdaten und eigenen Erfahrungswerten
war es mit Hilfe dieses System möglich,
bis zu einer Entfernung von 140 Metern
eine optimale Schallpegelverteilung zu
garantieren. Auf Wunsch von Radiohead
entschied man sich, die Konfiguration der
Bässe am zweiten Tag der Veranstaltung
zu verändern. Robert Struger: „Die Anzahl
der Bässe haben wir für den Auftritt von
Prodigy am Samstag festgelegt. Diese Art
Frequency ton
von Musik braucht einfach ein mächtiges
Bassfundament. Zusätzlich wollten wir
aber auch, dass das System einen gewissen Headroom hat und nicht permanent
am Limit fährt. So eine große Anzahl (48)
hat aber den Nachteil, dass sehr viel Bassenergie auch auf der Bühne zum Wirken
kommt.“ Radioheads Systemtechniker
Sherif el Barbari schlug deshalb vor, einige der mittleren Bässe per Delay zu verzögern, und so ein kardioides Abstrahlverhalten zu erreichen, wodurch die nach hinten
abgestrahlte Energie im Bassbereich verringert werden sollte. Für Bands, die ohne
eigene Mischpulte anreiste, standen am
FoH eine Midas H3000 und auf der Bühne eine Midas XL-3 mit entsprechendem
Outboard zur Verfügung. Als Monitore
kamen L-Acoustics 115XT HiQ und für die
Sidefills je ein d&b Stack, bestehend aus
C4 und B2, zum Einsatz.
Damit die zahlreichen Zuschauer auch in
den hinteren Reihen einen ungetrübten
Blick auf das Geschehen auf der Bühne
werfen konnten, installierte man auf Höhe
des FoH-Towers einen Barco Videoscreen
mit etwa 40m2 Größe. Angeliefert und
aufgebaut durch die Magdeburger Firma
Screen Rent, einem seit 1995 tätigen internationalen Verleiher für LED-Videowände,
Die VersaTubes sind Radioheads Markenzeichen
stellte die Firma auch entsprechende Technik für drei Kamerapositionen mit Personal und den dazugehörigen Bildschnitt.
Darüber hinaus wurden Grafiken und Einspieler der zahlreichen Sponsoren durch
Screen Rent vorbereitet und man konnte
die LED-Wand auch für wichtige Informationen nutzen. So wurde es beispielsweise
notwendig, am Freitagabend die Besucher
vor einer herannahenden Gewitterfront zu
warnen, die eventuell den Ausfall des Radiohead-Konzertes bedeutet hätte. Glücklicherweise zog diese Front am Festivalgelände vorbei und die 40.000 begeisterten
Zuschauer erlebten einen grandiosen und
überzeugenden Auftritt der fünf Musiker
um Frontmann Thom Yorke. Für den hervorragenden Sound unter anderem verantwortlich waren dabei FoH-Ingenieur
Die zwei größten Bühnen stammten von Megaforce aus Weingarten
Jim Warren und sein Kollege Graham Lees
am Monitorpult. Beide begleiten die Band
seit Jahren in diesen Funktionen und waren gerne bereit, uns am Nachmittag vor
der Show einen kleinen Einblick in ihre
Arbeitsweise zu gewähren, lesen Sie dazu
mehr im Interviewkasten auf Seite 36.
Die beiden großen Hauptbühnen, vom
Veranstalter als Race Stage und Green
Stage bezeichnet, wurden dabei von der
Materialliste Frequency 09 Auszug
Main PA
30 L-Acoustics V-DOSC
48 L-Acoustics SB218
06 L-Acoustics dV-DOSC
Side PA
06 L-Acoustics dV-DOSC
03 L-Acoustics dV-SUB
Delay Line
18 L-Acoustics dV-DOSC
08 L-Acoustics dV-SUB
Monitoring
18 L-Acoustics 115XT HiQ
FoH
Midas H3000/48
Bühne Midas XL-340
Licht
02 WHOLEHOG III + Expander Wing
46 Martin MAC 2000 Wash
20 Martin MAC 2000 Spot
24 Martin Atomic 3000 Strobe + Color Changer
04 ACL Unit 8-fach
06 Thomas 8-Lite Blinder
20 Thomas 2-Lite Blinder
04 Fogmachine JEM ZR33
04 Hazer LOOK SOLUTIONS
02 Follow Spot Robert Juliat Aramis
pma 7/09
35
ton Frequency
Megaforce Veranstaltungstechnik GmbH
aus Weingarten geliefert. Die größere
der beiden Bühnen hatte dabei eine Abmessung von ungefähr 40 auf 24 Meter,
bei einer Höhe der Tower von fast 20m.
Megaforce betreut das Frequency-Festival seit sechs Jahren, wobei die Größe der
Bühnen entsprechend den Anforderungen
mitgewachsen ist. Erwähnenswert ist,
dass die Konstruktionsarbeit aller Bühnen
durch Megaforce in enger Zusammenarbeit mit einem eigenen Ingenieurbüro
realisiert wird. Lediglich einige Standardbauteile, wie etwa die Traversenstrecken,
werden über verschiedene Zulieferfirmen
bezogen. Alle anderen Bauteile werden
selber hergestellt. Mittlerweile beschäftig die Firma 25 feste und über 100 freie
Mitarbeiter. Nach Saisonende finden sie
sich zusammen und denken gemeinsam
über mögliche Verbesserungen und Änderungen der Bühnensysteme nach, die
Jim Warren muss bei Radiohead mehr als 70 Kanäle verwalten – bei nur fünf Musikern
sie dann auch umsetzen. Dadurch ist gewährleistet, dass die Bühnen immer dem
sicherheitstechnischen Stand der Zeit entsprechen und Arbeitsabläufe beim Aufund Abbau optimiert werden. Neben den
großen Festivalbühnen besitzt Megaforce
ein breites Spektrum an kleineren Bühnen,
um jede Art von Veranstaltung abdecken
zu können. Schließlich entschied man sich
sogar, eine eigene Logistikabteilung mit
einem 60 LKW umfassenden Fuhrpark in
die Firma zu integrieren.
Federführend für die technische Realisierung und Durchführung des Festivals war,
wie in den vergangen Jahren auch, die
österreichische Firma Backstage. Anhand
der vorliegenden Technikrider der einzel-
„Guter Sound für eine gute Performance“ Im Gespräch mit Graham Lees und Jim Warren
pma: Wie viel eigenes Material wird für die Radiohead-Show auf ein
Festival mitgenommen?
Graham Lees: Bis auf die PA ist komplett alles von uns. Das klingt erstmal
nach viel Aufwand, aber so haben wir für jede Show gleichbleibende Arbeitsbedingungen. Immer dieselben Mischpulte, Mikrofone und natürlich
das Licht. Zum Teil, wie bei den VersaTubes, oder kleinen ferngesteuerten Überwachungskameras, die Bilder der Musiker für den Videocontent
liefern, ist das Material auch einfach zu speziell, als dass wir es vor Ort
dazu mieten könnten.
muss ich mich auf seinen Job zu 100 Prozent
verlassen können. Du kannst ja nicht für jedes
Konzert alle Szenen neu schreiben.
Graham Lees: Im Gegensatz zu Warren arbeite
ich lediglich mit einem Grundsetup der D-Show.
Alles andere ist „Riding Faders“. Ich muss mit
meiner Aufmerksamkeit gleichzeitig bei fünf
Musikern sein, um für jeden von ihnen den bestmöglichen Sound zu schaffen.
pma: Welche Konsolen verwenden Sie?
Jim Warren: Graham und ich benutzen jeder eine Digidesign VENUE DShow, wobei meine etwas größer ist! (lacht). Radiohead sind ja eigentlich
nur zu fünft auf der Bühne, benutzen aber unglaublich viele elektronische
Klangerzeuger, teilweise nur für einen Song oder eine Strophe. Dadurch
kommen wir auf über 70 Kanäle, und ich möchte gerne auf die wichtigsten
physischen Zugriff haben. Deswegen benutze ich ein zusätzliches Sidecar
mit 16 Fadern.
Graham Lees
pma: Welche Effekte werden von Ihnen bevorzugt benutzt?
Jim Warren: Das fantastische ist, dass man alle
möglichen Plug-Ins von ProTools als Effekte für
das VENUE-System benutzen kann. Mittlerweile
gibt es so unglaublich viele und gute Plug-Ins,
dass da eigentlich keine Wünsche offen bleiben.
Wobei in erster Linie die Band auf der Bühne den
Sound macht und ich sozusagen den Feinschliff
übernehme.
Jim Warren
pma: Für den Bühnensound habe ich vorhin sowohl Monitore als auch
In-Ear gesehen.
Jim Warren: Er hat am Soundergebnis entscheidenden Anteil. Er bringt
die Beschallungsanlage quasi in eine Art Grundzustand, mit dem ich dann
arbeiten kann. Er kennt meine Soundvorstellungen sehr genau und versucht daraufhin, das System zu optimieren. Sein Job ist es auch, auf die
veränderten Bedingungen zwischen Soundcheck und Show zu reagieren.
Da ich sehr viel mit Szenenspeichern auch innerhalb der Songs arbeite,
36
pma 7/09
Graham Lees: Bei mir sind es vor allem Effekte, die den Sound für die
Musiker angenehm und transparent machen. Viel wichtiger für mich sind
die richtigen Lautstärkeverhältnisse und die Balance der einzelnen Songs
zueinander, und dass ich intuitiv auf die Wünsche der Musiker reagieren
kann. Nach so langer Zeit weiß man einfach, wie der Sound für jeden
nen Bands musste Projektleiter Robert Struger die erforderliche
Licht- und Tontechnik spezifizieren und den Aufbau des Materials, sowie die reibungslose Zusammenarbeit der einzelnen Gewerke vor Ort sicherstellen. Gerade hinsichtlich der Lichttechnik galt es, einen für alle Beteiligten tragfähigen Kompromiss
zu finden. Robert Struger: „Nachdem wir uns alle Lichtpläne
der Headliner angeschaut hatten, entschieden wir uns für ein
Setup aus drei Haupt-Traversen. Zusätzlich hatten zwei dieser
Traversen noch untergehängte Traversen. Man möchte natürlich
die Anforderungen der Headliner so gut wie möglich erfüllen,
braucht aber eine Lösung, die notwendige Nacht-Umbauten der
Lichttechnik für die Crew auf ein vertretbares Maß reduzieren,
und außerdem soll das Material auch für die Support Acts entsprechend mit nutzbar sein.“
46 Martin Mac 2000 Wash und 20 Mac 2000 Spot wurden letztlich auf der Haupt-Bühne verbaut. Ergänzend kamen diverse
Atomic Strobes mit Farbwechslern, 8-Lite- und 2-Lite-Blinder,
sowie einige ACL-Sätze zum Einsatz. Eine weitere Herausforderung war die von Radiohead zusätzlich mitgebrachte Lichttechnik. Seit ihrer 2008er „In Rainbows“ Tour benutzt die Band
als lichtgestalterisches Elemente VersaTubes der Firma Element
Labs. Es handelt sich dabei um bis zu neun Meter lange LEDRöhren, mit denen Video-Content abgespielt werden kann. Insgesamt 72 solcher Röhren mussten in das Bühnenbild integriert
werden. Robert Struger erläutert die Vorgehensweise: „Es gab
sechs Reihen VersaTubes, die an einem eigenen Schienensystem
installiert waren. So konnten die Tubes nach dem Soundcheck
an die linke und rechte Bühnenseite verschoben werden.“
Zur Steuerung der Moving-Lights und des übrigen Lichts wurden am FoH-Platz zwei komplette Wholehog 3 mit Expander
Wings gestellt, wobei als Kommunikationsprotokoll Art-Net für
die DMX-Datenübertragung genutzt wurde. Die Signalverteilung auf Netzwerkebene oblag dabei Switches und Nodes der
Firma ELC, die sich als sehr robust und zuverlässig im Einsatz bei
Backstage erwiesen haben. Angesprochen auf mögliche Ergänzung in Sachen Frontlicht durch konventionelle Stufenlinsen
antwortet Robert Struger: „Heutzutage schicken alle Headliner
nur noch Pläne, die voll mit Washlights sind. Deshalb supporten
wir dazu eine gewisse Anzahl Spotlights, um das auszugleichen.
Mit diesem System können wir vieles realisieren. Außerdem haben wir auf einem Festival dieser Art und Größe keine richtigen
Moderationen, die ein spezielles Frontlicht notwendig machen
würde. Selbst klassische 6er-BARs werden nicht mehr angefragt
und letztlich sind auch wir an gewisse Budgets gebunden.“
Text+Fotos: Hendrik Göpfert
Text+Fotos: Hendrik Göpfert