Struktur- und Gefügeausbildung feuerverzinkter höherfester Stahldrähte in Abhängigkeit von der Umformung Baum, Hartmut; TU Bergakademie Freiberg, Institut für Werkstoffwissenschaft Stahldrähte sind in den verschiedensten Gebieten der Technik weit verbreitet. Ihr Anteil an der Stahlproduktion beträgt ca. 6 - 8%. Je nach den Anforderungen der modernen Technik lassen sich durch variierende Umformverfahren, Wärmebehandlungen und Legierungsmaßnahmen die Werkstoffeigenschaften, wie Werkstofffestigkeit, Zähigkeit und Dauerfestigkeit, sowie hohe Belastbarkeit erzielen und verändern. Dadurch ist es möglich, je nach Bedarf zunächst die für die Ver- und Bearbeitung günstigsten Eigenschaften und zum Schluss die für die Verwendung günstigsten Endeigenschaften zu erreichen. Trotz dieser hervorragenden mechanisch- technologischen Eigenschaften des Stahles neigt dieser zur Korrosion, die letztendlich zum Eigenschaftsverlust und bis zur vollständigen Zerstörung der Bauteile führen kann. Das Feuerverzinken gilt als schneller, zuverlässiger und hochwirksamer Korrosionsschutz mit günstigem Preis. Die entstehende Schicht verursacht abgesehen vom erwünschten Korrosionsschutz eine Veränderung der mechanischen Eigenschaften der verzinkten Drähte. Insbesondere die thermischen Belastungen, die während des Feuerverzinkens auftreten, können hohe Eigenspannungen in den Materialien hervorrufen, die wiederum in Verbindung mit Eigenspannungen aus der Herstellung des Drahtes zur flüssigmetallinduzierten Spannungsrisskorrosion an der Stahloberfläche führen, die Ursache des Festigkeitsabfalles von Drähten sein kann. Bild 1 zeigt eine Fe-Zn- Legierungsschicht mit den nach dem Zustandsdiagramm zu erwartenden Phasen: - Der α-Mischkristall mit etwa 96 % Eisen - Die dünne Schicht der kubischen Г-Phase mit 21 bis 28 % Eisen - Die hexagonale δ1-Phase mit 7 bis 12 % Eisen besitzt stahlseitig eine kompakte (δ1k) und oberflächenseitig eine palisadenförmige (δ1p) Struktur - Die monoklin kristallisierte ζ-Phase (Hartzink) mit 5,8 bis 6,2 % Eisen - Die hexagonale η-Phase (Reinzink) mit etwa 0,08 % Eisen Stahl C 80D δ1k-Fe-Zn Phase η-Reinzinkschicht Γ-Fe-Zn-Phase | ξ- Fe-Zn-Phase │ ↓ ______| │ │ ↓↓ δ1p-Fe-Zn Phase ↓ ↓ Bild 1: Schichtfolge einer feuerverzinkten Stahloberfläche Stahl C80 D; Badtemperatur: 430 °C, Tauchdauer: 30 sec Die Untersuchung des Umformverhaltens der verzinkten Drähte sollte zur Klärung des Einflusses der Zinkschichten auf die Gefügeentwicklung und die mechanischen Eigenschaften der Drähte führen. Als Versuchsmaterial dienten Walzdrähte der Güte C80D, C80D+Nb und C80D +CrAlV, die in einer kontinuierlichen Zugfolge an 4 mm Ø bzw. 3 mm Ø gezogen wurden, um unterschiedlich verfestigtes Vormaterial zur Verfügung zu haben. Diese Drähte werden anschließend nach Standardtechnologien verzinkt und an 1,3 mm fertig gezogen. Hier können nur typische beispiele gezeigt werden. Beim Ziehen der Drähte wird die Zinkschicht geschädigt und die Schichtdicke verkleinert. Bei der ersten Ziehstufe Ø=3,70 mm sind zwischen δ- und ζ-Schicht und innerhalb der Teilschichten zusätzliche leichte Risse ersichtlich. Bei der nachfolgenden Umformung vermehrt sich die Rissbildung in der δ- und ζ- Schicht. Zusätzlich werden diese Phasen durch das Ziehen zusammengedrückt und die kleiner werdenden Zinkkristalle z.T. in die Stahloberfläche eingepresst. In den Bildern 2 a) bis d) sind die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen der Längsschliffe der Proben in Abhängigkeit vom Ziehvorgang zusammengestellt. Neben der mit steigendem Umformgrad zunehmenden Zertrümmerung der Zinkschichten zeigen sich vor allem nach den ersten Umformstufen Mikrorisse im Stahlsubstrat, die als Ursache für die Festigkeitsabnahme der Drähte anzusehen sind. a) Ausgangzustand (Ø=4,00mm) b) Ø=3,70 mm c) Ø=3,20 mm d) Ø=1,70 mm Bild 2 a-d: REM-Gefügeaufnahmen der Zinkschicht in Abhängigkeit vom Umformgrad, Schichtzertrümmerung und Mikrorissbildung an Längsschliffen Auch in Querrichtung ist eine auf die Wirkung der Zinkschicht zurückzuführende Rissbildung feststellbar (Bild 3). Bereits im Ausgangszustand existieren Rauhigkeiten an der Stahloberfläche. Beim Verzinken wächst die Zinkschicht in diese Vertiefungen. Wird der Draht gezogen, drückt sich die Zinkschicht weiter in das Stahlsubstrat hinein. Es entstehen „Nasen“. Charakteristisch für diese Nasen ist bei a) Ø=3,20mm; Ausgangszustand b) Ø=3,00mm; εA(Zn) = 6% c) Ø=2,60mm; εA(Zn) = 19% ←Umformungsrichtung Bild 3a-c: Rissbildung in Querrichtung in Abhängigkeit vom Umformgrad εA(Zn) Bild 4: Mikrorissbildung an der Oberfläche des Stahles C80D - vorgezogen-verzinkt und gebeizt Obere Reihe: Ausgangszustand; Mittelreihe: nach dem 1. Zug Untere Reihe: Nach dem 2. Zug εA(Zn)=6% die über der Nase eingefallene ζ-Schicht. Außerdem kommt es zur Rissbildung innerhalb der spröden δ1-Phase. Die Risse breiten sich bis in die ζ-Phase aus. Wird der Draht weiter gezogen, werden bestehende Nasen zusammen gedrückt und der Riss wirkt im Übergang zwischen Stahl und δ1 als innerer Kerb. Durch Untersuchungen der Drahtoberfläche abgebeizter Drähte (Bild 4) sollte die Bildung der Längs- und Querrisse sowie der Kerben und Nasen bestätigt und zugleich nachgewiesen werden, dass ihr Auftreten nicht lokal beschränkt ist. Am Beispiel des höherfesten Stahles C80D, der zur Erhöhung der Oberflächenzugspannung vor dem Verzinken vorgezogen wurde, wird das massive Auftreten der Mikrorisse während der Umformung gezeigt. Im Ausgangszustand, nach dem Verzinken, sind die durch flüssigmetallinduzierte Korrosion entstandenen transkristallin verlaufenden Risse deutlich zu erkennen. Nach dem ersten Zug ist eine starke Stufenbildung zu erkennen, die nach dem zweiten Zug noch stärker hervor tritt. Die ausgeprägte transkristalline Rissbildung ist bei höherer Vergrößerung besonders gut zu sehen. Es ist zu erkennen, das Rissverzweigungen entlang der Korngrenzen auch in Richtungen senkrecht zur Umformungsrichtung, der Richtung der Oberflächenzugspannungen, auftreten. Nach dem zweiten Zug ist die Mikrorissbildung erwartungsgemäß noch stärker ausgeprägt. Neben den aufgeweiteten Primärrissen mit ihren Rissverzweigungen treten zusätzlich in großer Zahl weitere kleinere Risse auf. Fazit Der Festigkeitsverlust feuerverzinkter Drähte gegenüber blankem Material ist auf die Rissbildung durch flüssimetallinduzierte Korrosion zurückzuführen. Die Primärrisse weiten sich während der Umformung auf. Es entstehen zusätzliche Mikrorisse, die auch durch Kerbwirkung durch Oberflächenstufen, die durch das Eindrücken von Hartzinkbröckchen in die Drahtoberfläche entstehen, hervorgerufen werden können. Die Gesamtheit der Ergebnisse ist in dem abrufbaren vollständigen Schlussbericht des Forschungsvorhabens (FV-Nr. 15194 BR/1) mit dem Titel: „Verbesserung der Oberflächenqualität von verzinkten hochfesten Stahldrähten durch Vermeidung der Rissbildung der Stahldrähte beim Feuerverzinken“ ausführlich dargestellt. "Das Forschungsvorhaben 15194 BR/1 der Forschungsvereinigung Kaltformgebung wurde im Programm zur Förderung der "Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die AiF finanziert". Der Autor möchte sich für die Bereitstellung der Fördermittel bedanken. Der Dank gilt weiterhin den Mitgliedern des Projektbegleitenden Ausschusses für die gute und förderliche Zusammenarbeit und den Betrieben „Saarstahl AG“ , „Arcelor Mittal Hamburg GmbH“, „Westfälische Drahtindustrie GmbH – Draht- und Seilwerke Rothenburg“ und „Brand KG Federnwerk“, Anröchte; für die Bereitstellung der Versuchsstähle und Versuchsanlagen, die Durchführung der Verzinkungs- und Zugversuche sowie für die der Untersuchungen zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften der Versuchsmaterialien und der Lebensdauerermittlung der Federn.
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