B etrieb & P raxis Alternative mit Marktreife In puncto Kältemittel besteht angesichts der EU-Vorschriften Handlungsbedarf. Notwendige Investitionen in diesen Bereich können sich jedoch zugleich in vielfacher Hinsicht auszahlen, wie die Installation neuer Kälteverbundanlagen durch den Spezialisten Koma in der Bäckerei Mildenberger unterstreicht. Die bislang in der Backbranche eingesetzten Kältemittel, vor allem das überwiegend verwendete Gemisch R404a, sind durch eine Verordnung der Europäischen Union (517/2014) über fluorierte Treibhausgase ins Abseits geraten und dürfen ab 2020 in Kälteanlagen nicht mehr eingesetzt werden, wenn ihr GWP-Wert (Global Warming Potential, also das Maß für den unerwüschten Beitrag eines Kältemittels zur Globalen Erwärmung) den Wert 2 500 überschreitet. Die Gesetzgebung erfordert es also, dass sich die Kältetechnikspezialisten und in der Folge auch die Bäckerkunden mit Alternativen zu den HFKW-Kältemitteln beschäftigen. Als Ersatz werden verschiedene „natürliche“ Kältemittel (wie Kohlendioxid) gehandelt, aber auch Kombinationen sind möglich. Als sichere und serienreife Lösung präsentiert der niederländische Hersteller Koma Kältekonditionierungsanlagen mit dem Kältemittel XP40 (alias R-449A) für gewerbliche und industrielle Kälteanlagen, das eine Verbindung von fluorier- ten Kohlenwasserstoffen (CO2) mit Propangas darstellt und bei ähnlichen thermodynamischen Eigenschaften mit einem GWP von nur 1 397 brilliert (65% weniger als R404a). Koma legt großen Wert darauf, keine Feldversuche bei Kunden zu unternehmen, sondern testet neue Verfahren im hauseigenen Technikum, um dann funktionierende Produkte ohne erhöhtes Gefahrpotenzial in den Markt zu bringen. So war es auch bei den Anlagen mit XP40: Zwischenzeitlich gibt es bereits zahlreiche Anlagen mit dem neuen Kältemittel und die Erfahrungen sind nach übereinstimmender Aussage von Anwendern und Außendienst sehr positiv. Anwender- und Produktsicherheit Der erste Backbetrieb, der von Koma mit dem Kältemittel XP40 (R-449A) ausgestattet wurde, ist die Bäckerei Mildenberger in Backnang (www.mildenberger.eu) mit ihren knapp 30 Filialen, die von Inhaber Bernd Mildenberger gemeinsam mit den Söhnen Friedrich und Richard geleitet wird und in diesem Jahr eine neue Produktion einweihte. Umweltfreundliche und Energie sparende Technik spielte dabei neben größerem Raumbedarf die wesentliche Rolle. Die Entscheidung kam zustande, nachdem auf der Kältemesse in Nürnberg 2015 das Kältemittel XP40 erstmalig präsentiert wurde und erfahrene Maschinenhersteller wie Bitzer u. a. schon positive Erfahrungen damit vorweisen konnten. XP40 ist in der Gefahrenklasse 1 eingestuft, also ungiftig, es ist nicht brennbar und bedarf keiner besonderer Schutzmaßnahmen. Die Entscheidung der Bäckerei Mildenberger, dieses Kältemittel als Ersatz für R404a einzusetzen, fiel nach intensiven Gesprächen. Während der Planung wurden auch natürliche Kältemittel in Betracht gezogen, da Koma hier ebenfalls auf Erfahrungen aus diversen Referenzanlagen zurückgreifen kann. Letztlich fiel die Entscheidung zugunsten der Ausführung mit XP40. Berücksichtigt wurden sowohl die Belange der hoch angesetzten Betriebssicherheit durch Nutzung bewähr- 1 2 3 4 1– 4| Die Kälteinstallation in der Bäckerei Mildenberger umfasst drei Verbundeinheiten und besteht aus Gärräumen, Normalkühlung, Tiefkühlung, Schocksystem, automatischem Wagentransport, Gärvollautomaten und „Recovery“-Zellen. 122 BÄKO-magazin 9 / 15 Die Steuereinheit in der Haube visualisiert das „Slow Recovery“-Verfahren. ter Technik als auch die Einhaltung zukünftiger Standards in puncto Umweltverträglichkeit. Es wurden schließlich drei Verbundeinheiten gebaut, für die Koma höchste Betriebssicherheit und geringen Energieverbrauch garantiert. Die Gesamtanlage besteht aus Gärräumen, Normalkühlung, Tiefkühlung, Schocksystem, automatischem Wagentransport, Gärvollautomaten und „Recovery“-Zellen. Jeder Verbund enthält eine frequenzgeregelte Maschine für die Regulierung der Leistung. Ergänzt wird das System durch eine von Koma den Bedürfnissen der Bäcker angepasste SPS-Steuerung für die Regelung des Verbunds; diese wird auch optisch ansprechend visualisiert. Es gibt also eine einheitliche Steuerung an allen Anlagen, ob Kühlhaus oder Gärvollautomat. Vorteile des neuen Systems Auch im Hinblick auf die A-Artikel des Unternehmens wird auf Prozesssicherheit sehr viel Wert gelegt, daher hat sich die Bäckerei Mildenberger für eine automatische Wagentransportanlage für die Ladenteiglinge entschieden. Zwei mal sechs Gärplätze, zwei mal drei Wagen im Absteifbereich, drei Wagen im Schnellfrierbereich sowie zwei mal drei Wagen im Auslauf sorgen für einfaches Handling, kurze Wege und Prozessabläufe mit absoluter Gleichmäßigkeit. Geheizt wird bei den Gärräumen, „Recovery“Anlagen und Gärvollautomaten mit Glykol, was eine spürbare Stromeinsparung zur Folge hat. In allen Räumen des Kälteverbunds wurde zudem das „Bluecat“-System von Koma eingebaut. Die Hygieneleuchten bekämpfen und unterdrücken Schimmelbefall, sparen dadurch Reinungs- und Wartungskosten und verlängern die Lebensdauer der Verdampfer erheblich. Die Bäckerei Mildenberger kommt mit dieser Kälteanlage in den Genuss von BAFA-Fördermitteln, da der Energieverbrauch im Vergleich zu den Altanlagen um weit über 25% reduziert werden konnte. Neben den verfahrenstechnischen Veränderungen werden aus der Bäckerei Mildernberger inzwischen auch Verbesserungen in den Produktionsabläufen berichtet. „Wir hatten bei der kompletten Planung immer die Wege der Mit arbeiter fest im Blick. Denn die Bäckerei Mildenberger ist ein Handwerksbetrieb, der nur dort, wo es Erleichterung bringt, Maschinen einsetzt, aber sehr viel Wert auf Handarbeit legt. Es ist uns gelungen, die Wege bis zu den Übergabepunkten der Kälte auf ein Minimum zu verkürzen. Daher steht die Kälteanlage nicht links oder rechts angebaut, sondern zentral mitten in der neuen Bäckerei“, erklärt Willy Schmid, der für Koma die Umsetzung der Anlage betreute. Es sei deutlich geworden, dass es absolut richtig war, die Wege genau zu durchleuchten und die Anlage in Zentrum der Bäckerei zu setzen. Es wurde auch in der Konditorei so weiter verfahren, dass genügend Kältefläche genau im Warenfluss positioniert wurde. „Die neue Gäranlage hat die Gleichmäßigkeit gesteigert und die Mitarbeiter von Wegstrecken entlastet, sodass sie wesentlich mehr Zeit am Tisch zur Aufarbeitung der handwerklich gefertigten Ware haben“, freut sich Willy Schmid über das punktgenaue Ergebnis. Qualitative Steigerung Die Qualität der Ware wurde weiter gesteigert und vor allem gleichmäßiger, da die Produktion zuvor den Schwankungen der oft zu kleinen Anlagen unterlegen war. Zudem wurde komplett auf das „Slow Recovery“-Verfahren von Koma umgestellt, was die Möglichkeiten erweitert, über sehr lange Zeiträume nach Programm ablauf abzubacken, variabel ganz nach Bedarf der Filialen. Die Produkte aus den „Recovery“Zellen und Gärvollautomaten präsentieren sich bei +20 °C Endtemperatur wesentlich gärstabiler und haben einen schöneren Ausbund. Kurzum: Die Kältetechnikinvestition macht sich vielfach bezahlt und leistet einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. sts
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