Lehrerpersönlichkeit

Lehrerpersönlichkeit
Zwischen wünschenswerter Vielfalt
und notwendiger Kompetenz
Learning in Transition: Fostering Teacher Education
Johannes Mayr, Oldenburg, 4. Juni 2015
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Positionen
Fast alle Praktiker/innen sind überzeugt:
a) Persönlichkeit ist wichtig: „Man hat‘s oder man hat‘s nicht.“
b) Persönlichkeit ist wichtig: „Die Persönlichkeit entwickeln!“
Die meisten Erziehungswissenschafter/innen sag(t)en:
a) Der Persönlichkeitsansatz ist „historisch überholt“.
b) Der Persönlichkeitsansatz ist gefährlich: „Er betont das
Nichtlernbare.“
Viele Psycholog/inn/en finden:
a) Persönlichkeit ist interessant – als Forschungsfeld
b) Persönlichkeit ist nützlich – für Beratung und Bewerberauswahl
Mayr (2014)
Eine Definition
Lehrerpersönlichkeit ist das
„Ensemble relativ stabiler Dispositionen,
die für das Handeln, den Erfolg und das Befinden
im Lehrerberuf bedeutsam sind“
Mayr & Neuweg (2006)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
AngebotsNutzungsModell
Befinden t3
Kontext t3
Handeln t3
Persönlichkeit t1
Wissen t1
Persönlichkeit t3
AngebotsNutzung t2
Können t1
Wissen t3
Können t3
LernAngebot t2
Mayr (2012a)
Das Fünf-Faktoren-Modell
McCrae & Costa (2008)
Kompetenz
Ordnungsliebe
Pflichtbewusstsein
Leistungsstreben
N
E
O
A
C
Selbstdisziplin
Besonnenheit
•
•
•
•
•
N
E
O
A
C
Neuroticism – Neurotizismus (umgepolt: Belastbarkeit)
Extraversion
Openness to Experience – Offenheit für Erfahrungen
Agreeableness – Verträglichkeit
Conscientiousness – Gewissenhaftigkeit
%
70
72
73
74
76
77
78
81
82
85
86
89
90
91
93
94
95
97
98
99
101
102
103
105
106
107
109
110
111
113
114
115
117
118
119
121
122
123
125
Belastbarkeit: Verteilung
7
6
5
4
3
2
1
0
Standardwerte
Offenheit
Erfahrung
Unterricht gestalten
Kooperieren mit
Eltern, Kolleg/innen
Extraversion
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
Kontrollieren und
Beurteilen
Kolleg/innen
Übung
Information
Soziale Beziehungen
fördern
Belastbarkeit
Persönlichkeit
Eingehen auf spez.
Bedürfnisse
Lernwege
im Beruf
Können
Mayr (2010)
I
A
Allgemeine Interessen
Holland (1997)
R
R Realistic – Praktisch-technische Orientierung
z.B. „mit Maschinen oder technischen Geräten arbeiten“
I Investigative – Intellektuell-forschende Orientierung
z.B. „wissenschaftliche Artikel lesen“
A Artistic – Künstlerisch-sprachliche Orientierung
z.B. „sich mit Kunst und Literatur befassen“
S Social – Soziale Orientierung
z.B. „andere Menschen beraten“
E Enterprising – Unternehmerische Orientierung
z.B. „ein Geschäft oder ein Unternehmen führen“
C Conventional – Ordnend-verwaltende Orientierung
z.B. „eine Buchhaltung führen“
S
C
E
Soziale Interessen: Verteilung
%
Mayr (in Druck)
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
77
81
89
93
94
96
98 100 101 102 103 104 106 107 108 109 111 112 113 114 116 118 119 121 122 124 126 129 130
Standardwerte
Lehrer/innen-Profil(e)
I
A
R
ThingOrientation
S
C
E
PeopleOrientation
Prognose der Studien- und Berufsbewährung
Lernstrategien:
rezeptivaktivdiszipliniert kritisch
Notenschnitt*
in den
in den
Klausuren Praktika**
Erleben von Erfolg
in den
im
Praktika** Beruf***
Schulleistung
Notenschnitt*
.13
-
.35
.16
-
-
Persönlichkeitsmerkmale
Belastbarkeit
Extraversion
Offenheit
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
.14
.14
.41
.18
.18
.22
.18
.13
.15
.16
.14
.16
.29
.25
.32
.13
.39
.28
.28
.41
Allgemeine Interessen
Realistic
Investigative
Artistic
Social
Enterprising
Conventional
.18
.17
.22
.15
.16
.30
.24
.15
.29
-
.15
-
.11
.11
-
.30
.22
.16
.13
.12
.28
.29
.13
* umgepolt, ** 1. und 3. Studienjahr, *** 3. Berufsjahr
Mayr (2012b)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Persönlichkeit(en) ....
... verändern
... akzeptieren
... auswählen
Student/in,
Lehrer/in
sich selbst
entwickeln
Stärken nutzen,
mit Schwächen
umgehen
passende
Laufbahn
wählen
Berater/in,
Lehrerbildner/in
Coaching bzw.
Training
anbieten
Begleitung
persönlichkeitsreflexiv gestalten
Unterstützung
bei der
Laufbahnwahl
geben
Hochschule,
Bildungspolitik
persönlichkeitsförderndes
Lernumfeld
schaffen
Individualisierung
und
Differenzierung
ermöglichen
Unterstützung
(...) geben,
Selektionsmaßnahmen setzen
Mayr & Neuweg (2006)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Wirkung von CCT
Mayr, Müller & Nieskens (in Druck)
CCT hat …
… mich auf Aufgabenfelder von LehrerInnen hingewiesen, die ich
zuvor nicht so klar gesehen hatte.
… mich auf berufliche Belastungen aufmerksam gemacht, die mir
bisher nicht so deutlich bewusst gewesen sind
22%
19%
… mein Bild vom Lehrerberuf verändert
informierende
Wirkung
6%
… mich zum Nachdenken angeregt, ob ich auch die Fähigkeiten für
den Lehrerberuf mitbringe.
… mich zum Überlegen gebracht, ob der Lehrerberuf meinen
Interessen entspricht.
40%
33%
… mich veranlasst, mein Berufsziel zu überprüfen.
reflexionsanregende
Wirkung
16%
… mich auf die Idee gebracht, zur Klärung meiner Laufbahnwahl
Praxiserfahrungen aufzusuchen.
… mich animiert, mit anderen über meine beruflichen Ziele zu
reden.
… mich angeregt, weitere Informationen über den Lehrberuf
einzuholen.
… mich erkennen lassen, dass ich lieber einen anderen Beruf
anstreben sollte.
21%
erkundungsanregende
Wirkung
36%
42%
2%
… mich bewogen, nun wahrscheinlich nicht LehrerIn zu werden.
laufbahnsteuernde
Wirkung
4%
… mich bestärkt, den Lehrerberuf zu ergreifen.
89%
… mir bewusst gemacht, auf welchen persönlichen Stärken ich
aufbauen kann.
78%
… mich ermutigt, meine Interessen ernst zu nehmen.
79%
… mir Hinweise gegeben, wie ich mich weiterentwickeln kann.
entwicklungsfördernde
Wirkung
46%
… mir gezeigt, welche Kompetenzen ich erwerben oder ausbauen
sollte.
57%
0%
20%
40%
60%
80%
„trifft (in hohem Maß) zu“
100%
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Persönlichkeit: Entwicklung
z
0,2
0,1
0
-0,1
-0,2
Extraversion
Belastbarkeit
-0,3
Gewissenhaftigkeit
-0,4
Studienbeginn
Studienende
3. Berufsjahr
7. Berufsjahr
Mayr (2010)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Sich unangenehmen Situationen stellen und nicht
ausweichen (z.B. anspruchsvollen Prüfungen).
Herausforderungen annehmen
Handlungskompetenzen
entwickeln
Sich an schwierige
Situationen gewöhnen
Analyse der Aufzeichnungen [aus den
schulpraktischen Studien]; in der
Folge verschiedene Strategien ausprobieren und […] besprechen und
analysieren.
Die vielen Arbeiten, Prüfungen und
Tests haben mich lockerer werden
lassen. Es war meistens nur halb so
wild und irgendwann hat sich diese
Tatsache auch auf meine Nervosität
ausgewirkt.
Mayr (2006)
Unterstützung erfahren…
Ich wurde angenommen. […] Besonders am Anfang des Studiums hatte ich
auch die Gelegenheit, die schrecklichen Erlebnisse meiner Schulzeit vielfältig
aufzuarbeiten, was mir sehr geholfen hat.
[Ich habe gelernt], dass unter Stress die Situation nicht unbedingt leichter
wird. Wenn man sie aber entspannt angeht, kann man viel mehr schaffen.
Durch ein intensives Gespräch mit einem Studienkollegen habe ich meine
Denkweise sehr stark verändert und bin nun viel entspannter und positiver auf
mein Leben eingestellt.
… und Situationen neu interpretieren
Mayr (2006)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Klasse
Lernstrategien
Unterricht
Problemverhalten
Einstellung
zum Fach
Einstellung
zum / zur
Lehrer/in
Führungsverhalten
Lenske & Mayr (2015, in Druck)
Beziehung
Unterricht
Mayr. Eder & Fartacek (1991)
Kontrolle
Beziehung
Unterricht
Mayr. Eder & Fartacek (1991)
Kontrolle
Persönlichkeit
und
Klassenführung
Beziehungsorientiertes
Handeln
LxL
Sicht
SxS
Sicht
Belastbarkeit
.28
.66
Extraversion
.53
.84
.45
Offenheit
.41
.76
.41
.62
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
LxS
Sicht
.46
.30
Mayr & Neuweg (2006)
Lehrer/in
Klasse
Unterricht
Persönlichkeit
Lernstrategien
Problemverhalten
Einstellung
zum Fach
Einstellung
zum / zur
Lehrer/in
Führungsverhalten
Lenske & Mayr (2015, in Druck)
Übersicht
Positionen
Modelle und Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (1)
Folgerungen für die Lehrerbildung
Option 1: Laufbahnberatung
Befunde zur Entwicklung von Persönlichkeit
Option 2: Persönlichkeitsentwicklung
Befunde zur Relevanz von Persönlichkeit (2)
Option 3: Persönlichkeitssensible Lehrerbildung
Beziehung
Kontrolle
Verbesserung
Verschlechterung
Mayr (2008)
Unterricht
DO IT YOUR WAY!
JM
Literatur
CCT – Career Counselling for Teachers. [www.cct-austria.at; www.cct-germany.de; www.switzerland.ch]
Holland, J. L. (1997). Making vocational choices. A theory of vocational personalities and work environments, 3rd Ed. Odessa, FL: Psychological
Assessment Ressources.
LDK – Linzer Diagnosebogen zur Klassenführung. [http://ius.aau.at/projekte/ldk]
Lenske, G. & Mayr, J. (2015). Eigene Wege entdecken. Das Linzer Konzept der Klassenführung. In: Friedrich Jahresheft XXXIII (S. 60-63). Seelze:
Friedrich.
Lenske, G. & Mayr, J. (in Druck). Das Linzer Konzept der Klassenführung (LKK): Grundlagen, Prinzipien und Umsetzung in der Lehrerbildung. In: Jahrbuch
für Allgemeine Didaktik 2015. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Mayr, J. (2006). Persönlichkeitsentwicklung im Studium. Eine Pilotstudie zum Wirkungspotenzial von Lehrerbildung. In A. H. Hilligus & H.-D. Rinkens
(Hrsg.), Standards und Kompetenzen – neue Qualität in der Lehrerausbildung? Neue Ansätze und Erfahrungen in nationaler und internationaler
Perspektive (S. 249–260). Berlin: Lit.
Mayr, J. (2008). Klassen kompetent führen. Ergebnisse aus der Forschung und Anregungen für die Lehrerbildung. Seminar, 14 (1), 76-87.
Mayr, J. (2010). Selektieren und/oder qualifizieren? Empirische Befunde zu guten Lehrpersonen. In J. Abel & G. Faust (Hrsg.), Wirkt Lehrerbildung?
(S. 73-89). Münster: Waxmann.
Mayr, J. (2012a). Ein Lehramtsstudium beginnen? Ein Lehramtsstudium beginnen lassen? Laufbahnberatung und Bewerberauswahl konstruktiv
gestalten. In B. Weyand & M. Justus & M. Schratz (Hrsg.), Auf unsere Lehrerinnen und Lehrer kommt es an. Geeignete Lehrer/-innen gewinnen,
(aus-)bilden und fördern (S. 38-57). Essen: Stifterverband der Deutschen Wirtschaft.
Mayr, J. (2012b). Lehrer/in werden in Österreich. Empirische Befunde zum Lehramtsstudium. In T. Hascher & G. H. Neuweg (Hrsg.), Forschung zur
(Wirksamkeit der) Lehrer/innen/bildung (S. 1-29). Wien: LIT.
Mayr, J. (2014). Der Persönlichkeitsansatz in der Forschung zum Lehrerberuf. Konzepte, Befunde und Folgerungen. In E. Terhart, H. Bennewitz &
M. Rothland (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, 2. Aufl. (S. 189–215). Münster: Waxmann.
Mayr, J. (in Druck). Zwischen Vielfalt und Kompetenz: Überlegungen zum konstruktiven Umgang mit der Heterogenität von Lehramtsstudierenden und
Lehrkräften. In C. Fischer, M. Veber, C. Fischer-Ontrup & R. Buschmann (Hrsg.) Umgang mit Vielfalt. Aufgaben und Herausforderungen für die
Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Münster: Waxmann.
Mayr, J., Eder, F. &. Fartacek, W. (1991). Mitarbeit und Störung im Unterricht: Strategien pädagogischen Handelns. Zeitschrift für Pädagogische
Psychologie, 5, 43–55.
Mayr, J. & Neuweg, G. H. (2006). Der Persönlichkeitsansatz in der Lehrer/innen/forschung. Grundsätzliche Überlegungen, exemplarische Befunde und
Implikationen für die Lehrer/innen/bildung. In M. Heinrich & U. Greiner (Hrsg.), Schauen, was ’rauskommt. Kompetenzförderung, Evaluation und
Systemsteuerung im Bildungswesen (S. 183–206). Wien: Lit.
Mayr, J., Müller, F. H. & Nieskens, B. (in Druck). CCT – Career Counselling for Teachers: Genese, Grundlagen und Entwicklungsstand eines webbasierten
Beratungsangebots. In A. Boeger (Hrsg.), Wer ist für den Lehrerberuf geeignet? Auswahl und Förderung. Wiesbaden: Springer VS.
McCrae, R. P. & Costa, P. T. jr (2008): The five-factor theory of personality. In O. P. John, R. W. Robins & L. A. Pervin (Eds.), Handbook of personality
(pp. 159–181). New York: Guilford Press.