6 Schlussfolgerungen - Guido Giacomo Preparata

6 Schlussfolgerungen
Man muss nur verstehen (...) ein Meister in Heuchelei und Verstellung zu
sein: Denn die Menschen sind so einfältig und gehorchen so leicht dem
Zwang des Augenblicks, dass ein Betrüger stets jemanden finden wird,
der sich betrügen lässt.
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Niccolo Machiavelli, Der Fürst (XVIII, 3).
«E sono tanto semplici gli uomini ...»
Die deutsche Bedrohung um 1900 zu beseitigen kam England teuer zu stehen:
sie kostete es sein Empire, seine militärische und wirtschaftliche Stärke. Doch
waren die Idee von der Mission der englischsprachigen Völker, der imperiale
Glaube und die Kultivierung der Oligarchie alles Charakterzüge, die es seinem natürlichen insularen Erben vermachte: sie leben im amerikanischen Establishment fort. England hatte diese Entscheidung bewusst gefällt; es wusste
um die damit verbundenen Risiken.
Die gegenwärtige Geopolitik der Vereinigten Staaten ist eine unmittelbare und völlig schlüssige Fortsetzung der alten imperialen Strategie Großbritanniens. Sie beinhaltet jenen unverkennbaren Cocktail aus Aggression, Subversion und Massenmord an den entscheidenden, neuralgischen Punkten der
eurasischen Landmasse – von Palästina und Zentralasien bis hin vor die Tore
Chinas, Taiwans und Koreas. Mit dieser Politik will man jede Bewegung in
Richtung einer Konföderation der Nationen untergraben, die in der Lage wäre,
den kontinentalen Sockel in eine eurasische Union soziopolitischer Kooperation und gemeinsamer Verteidigung (gegen angloamerikanische Angriffe) zu
verwandeln.
Es kostete zwei Weltkriege, um die deutsche Bedrohung zu zerstören.
Der Erste Weltkrieg war eine konventionelle Belagerung, für die das Britische
Reich grob eine Million Männer opferte – das erste Blutvergießen, welches
das Establishment in seinen Grundfesten erschütterte. In der zweiten Runde,
die notwendig wurde, weil das Vaterland im Ersten Weltkrieg tatsächlich
weitgehend ohne Schaden davongekommen war, wäre ein solcher Aderlass
unerträglich gewesen – Großbritannien sollte im Zweiten Weltkrieg 400.000
Soldaten opfern. Daher wurde im großen Stil betrogen, um die Nazis in einem
unentrinnbaren Zweifrontenkrieg zu Fall zu bringen.
«E sono tanto semplici gli uomini ...»
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Dass dies die Absicht hinter Versailles war, kann nicht bezweifelt werden –
die Bestätigung dafür liefert die erstaunliche Prophezeiung Veblens. Auch
wenn das nicht heißt, dass die Intriganten von der Round-Table-Gruppe auch
die «Endlösung» erwartet hätten. Wie im Buch durchgängig gezeigt, zauberten sie eher eine reaktionäre Bewegung hervor, die dann in den russischen
Sumpf hineingezogen werden konnte. Das alleine war finster genug.
Die Rolle des bolschewistischen Russland stellt mit Sicherheit eines der
größten Rätsel in dieser Angelegenheit dar. Selbst seine Entstehung ist höchst
mysteriös. Doch eines ist gewiss: Die Sowjetunion ist niemals, weder während der Zwischenkriegszeit noch sogar während des Kalten Kriegs direkt gegen den Westen vorgegangen. Aus diesem Grund hatte der ägyptische Präsident Anwar Sadat sie «für einen eingebildeten Feind» gehalten. Eher schien
sie die langsamen Bewegungen eines gewaltigen Zirkusbären nachzuahmen,
dessen Dompteur gerade abwesend war. Sie war ein Pfeiler im Osten, der
langsam in sich zusammensackte, während er seine Masse umherschwang,
um eine eurasische Vereinigung unmöglich sein zu lassen. Anders lassen sich
die Trebitsch-Affäre, die geheime deutsch-bolschewistische Entente, der terroristische Agitprop der KPD, die Sabotage der gemeinsamen Front mit den
deutschen Sozialisten zum letztlichen Nutzen Hitlers, das außergewöhnliche
Abschlachten der Roten-Armee-Führung und Stalins Appeasement nicht erklären. Stalin bewegte sich stets entlang der Linie der geopolitischen Pläne
Englands. Abgesehen davon verdankten die Bolschewiki eigentlich alles dem
Westen: die Absetzung des Zaren, das Timing der Ermordung Rasputins, das
politische Vakuum nach Kerenski, die Schmiergelder aus Deutschland und
von anderen Quellen, das Austricksen der Weißen, ihre Kapitalausrüstungen,
gewaltige Investitionen, militärisches Know-how usw.
Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 trat der natürliche Kandidat, der
die Radikalisierung vor Ort anführen konnte, ganz in Erscheinung. Von allen
Aufwieglern in Deutschland war Hitler nicht nur der mit dem größten Charisma, sondern auch der England am freundlichsten gesinnte: für England
war er fast zu gut, um wahr zu sein. Dass Professor Karl Haushofer die Eingebung zu Hitlers Vorliebe für England war, ist keineswegs auszuschließen.
Und Haushofer war selbst ein mysteriöser Charakter, über den wir wesentlich
mehr wissen sollten.* Dagegen ist mit Gewissheit die Behauptung schwachsinnig, Hitler habe das Nazigedankengut und seine geopolitischen Pläne in
*
Wie 1987 der Gefangene Nummer 7 in der Spandauer Festung, der Mann, von dem es hieß, er
sei Rudolf Hess, so scheint auch Haushofer mit seiner Frau vom britischen Geheimdienst an
den Iden des März 1946 ermordet worden zu sein (diese Vermutung äußert zum Beispiel Martin Allen in seinem Buch The Hitler/Hess Deception auf Seite XVIII).
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Schlussfolgerungen
der unruhigen Einsamkeit seines unaufgeräumten Schlafzimmers zusammengetragen.
Der von Norman ausgelöste Kurssturz an der Wall Street war das Signal,
dass Deutschland in der Tat seinen ersten, inoffiziellen Fünfjahresplan zum
Abschluss gebracht hatte; danach war es eine ausgemachte Sache, dass Hitler
Kanzler werden solle. Dennoch war Deutschland zurückhaltender, als die britischen Verantwortlichen sich hatten vorstellen können. Während der gesamten Weimarer Zeit sollten die Nazis in Deutschland niemals mehr als ein Drittel der Stimmen bekommen, und auch das nur unter den katastrophalsten
sozialen Zuständen. Doch schloss sich 1933 mit einem weiteren «Von-außendie-Schrauben-Anziehen» der Kreis.
Die Textur von Großbritanniens Interaktion mit den Nazis bestand in der
Tat aus einem historisch einmaligen Gewebe mehrstimmiger Verstellung, die
sich über mehr als eine Dekade (1931–1943) hinzog und hinter dem Großbritannien seine Ziele vorantrieb. Das Problem war allerdings, dass es sich dabei
nicht um einen harmlosen Schabernack handelte, sondern um ein absichtliches
Herumhantieren mit Kräften «anderer Natur» – und wieder war es Veblen,
der diese unheimliche Entwicklung schon 1915 intuitiv vorausgesehen hatte.
England spielte mit dem Feuer und wünschte sich am Ende den Holocaust, zu
dem es dann auch kam, den des Krieges und den an den Juden.
Die «Bolschewisten» nahmen den Schock der deutschen Offensive in
Kauf und bezahlten dafür mit 20 Millionen Toten, die Hälfte davon Zivilisten.
Das war wahrscheinlich ein Preis, den Tuchaschewski sein Volk nicht zahlen
lassen wollte. Auch sollte man niemals vergessen, dass 3,5 Millionen deutsche
Zivilisten am Ende dieses Spiels umgekommen waren.
Wenn es wahr ist, dass die britischen Verantwortlichen mit Versailles Intrigen gesponnen haben, um eine reaktionäre Bewegung hervorzuzaubern,
die den Radikalismus schüren würde und geneigt wäre, Krieg im Osten zu
suchen; wenn es wahr ist, dass die Angloamerikaner mit den Nazis im großen
Stil Handel getrieben und ihnen finanzielle Unterstützung angeboten haben,
und zwar angefangen mit den Dawes-Darlehen von 1924 bis zu den unübersehbaren Krediten über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in
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Basel Ende 1944 kontinuierlich und absichtlich ; wenn es wahr ist, dass das
Zusammentreffen in von Schröders Villa in Köln am 4. Januar 1933 der entscheidende Faktor für Hitlers Ernennung zum Kanzler war; wenn es wahr ist,
dass die finanzielle Unterstützung gewährt wurde mit dem Ziel, den Nazismus zu einem so starken Feind werden zu lassen, dass der Krieg gegen diesen
Feind eine Reaktion von enormer Zerstörungskraft sein musste – eine Rache,
die den Sieg der Alliierten eindeutig und endgültig machen würde; wenn es
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wahr ist, dass das Appeasement seit 1931 eine Travestie war; wenn es wahr
ist, dass sich Churchill aus Hinterlist drei Jahre lang geweigert hat, eine Westfront zu eröffnen, in der Erwartung, dass die Deutschen so hoffnungslos im
russischen Morast feststecken würden, dass dadurch der anschließende Angriff im Westen für die Briten so schmerzlos wie möglich werden würde; und
wenn es stimmt, dass Hess nach England Pläne für die Evakuierung der
Juden auf die Insel Madagaskar mitgebracht hatte – denn das war der letzte
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politische Plan der deutschen Regierung, bevor man zur Endlösung überging –,
ein Plan, den man offensichtlich nicht ausführen wollte; wenn also all das bisher Gesagte wahr ist, dann ist es nur gerecht, die Verantwortung für das
Hochkommen des Nazismus und für die Planung des Zweiten Weltkriegs und
auch eine indirekte Verantwortung für den Holocaust an den Juden dem angloamerikanischen Establishment zur Last zu legen.
Ganz klar haben die emsigen und so treuen Archivare des Empires mit
der Unterstützung einer Legion von nicht weniger ergebenen Akademikern,
Publizisten und Filmemachern sich in den letzten sechzig Jahren dem Versuch
gewidmet, jede der obigen Aussagen striktest abzustreiten.
Es begann damit, dass Veblens Rezension buchstäblich ignoriert wurde
und Keynes’ Buch über Versailles noch immer der Klassiker schlechthin ist.
«Natürlich ist die Behauptung eine Übertreibung», lesen wir in Lehrbüchern, «die Dawes-Darlehen hätten die Anleihen der Vereinigten Staaten an
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das Ausland in Gang gebracht ...» – eher lassen sich diese Darlehen als eine
weitere Welle kleinerer Beträge aus Amerika auf der Suche nach einem guten
Ertrag und nebenbei noch als etwas «Unternehmensgier» und weiter nichts
beschreiben.
Der Börsensturz und die Krise? Das war, deutet ein anerkannter Nobelpreisträger an, nur das Ergebnis der «zufälligen Mischung aus strukturellen
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Faktoren und Irrtümern der Währungspolitik» .
Andererseits wird uns auch erzählt, an dem Zusammenbruch des Goldstandards und der surrealistischen Abwertung des Pfundes sei nur «ein unvermeidlicher Irrtum der Briten schuld, die [nicht] die Größe des Problems
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erkannt hätten, der sie bei ihren Maßnahmen ausgesetzt waren» : Das soll heißen: der British-Bank-Gouverneur war «zwischendurch zu krank», um in der
Lage zu sein, nach seiner verpfuschten Konstruktion zu gucken, und «sogar
als es ihm gut ging, [wurde er] von anderen, dringenderen Geschäften abge7
lenkt ...» Doch man fragt sich, was jene «anderen, dringenderen Angelegenheiten» wohl gewesen sein sollen ...
So viel zu Montagu Norman. Er war zugegebenermaßen der bedeutendste Zentralbankier der modernen Zeit, er verbrachte ein Vierteljahrhundert
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Schlussfolgerungen
seines Lebens mit der Führung der mächtigsten Finanzeinrichtung seines
Zeitalters – und wir sollen uns mit der Karikatur zufrieden geben, die ihn als
psychopathischen Geizhals der alten Schule zeigt, der nur einen unklaren
Begriff von der moderner Finanzdynamik hatte!
Und von Schröder? Schröder fällt nicht ins Gewicht, hören wir: «Er war
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nur Partner einer mittelgroßen Provinzbank ...»
Angesichts der widerlichen Veranstaltung, genannt das britische Appeasement (Hitlers), sagt man uns, diese sei die irrige Politik eines «schwach9
köpfigen Außenministeriums» gewesen , das versucht habe, «Moral und
Zweckmäßigkeit» zu vereinen, um mit jemandem ein Abkommen zu schlie10
ßen, der sich – leider – als ein unzugänglicher Widerpart erwiesen habe. Und
die späteren Aktionen der Friedenspartei, die absichtlich den Krieg in die
Länge zog, um Zeit zu gewinnen? Ihr Zynismus wird mit dem Grund ent11
schuldigt, das Empire habe um sein eigenes Überleben gekämpft , wo es doch
tatsächlich Millionen opferte, um sich selbst aus dem blutigen Gemetzel herauszuhalten, das es seit 1919 vorbereitet hatte.
Und die Wehrmacht, war sie tatsächlich ein so starkes Luxusding,
bewaffnet bis zu den Zähnen mit Gerät von höchster Qualität? Natürlich nicht,
erwiderte der «Amerikaner» Schacht: «Ausländische, zum Teil sehr sorgfältige Untersuchungen über die Rüstungsfinanzierung Deutschlands besagen
übereinstimmend, wie völlig unzulänglich unsere Aufrüstung und wie ge12
ring die finanzielle Aufwendung dafür gewesen ist.» Der Satz ist ein selbstapologetisches Nachkriegszeugnis jenes Individuums, das zu seinem sechzigsten Geburtstag 1937 das Militär-Wochenblatt – die Wochenzeitung der
deutschen Armee – als den Mann geehrt hatte, «der den Wiederaufbau der
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Wehrmacht möglich gemacht hat» . Der Schaden, den die Wehrmacht anrichten konnte, entging der Geschichte nicht, ungeachtet der Verfälschungen, die
Schacht fabrizierte, um durch schändliche Lügen und Widerrufe seine Haut
und den Namen seiner Beschützer bei den Kriegsverbrecherprozessen in
Nürnberg zu retten. Er versteckte sich hinter den folgenden Lügen: 1) Die
Nazis seien mittels Selbstfinanzierung an die Macht gelangt, 2) die Armee sei
von minderwertiger Machart, 3) die Hitlerleute verstießen gegen die Wirtschaftlichkeit und 4) das Wirtschaftsexperiment der Nazis sei auf der ganzen
Linie ein Misserfolg.
Die professionelle Literatur zu dem Thema hat sich in Schachts Fabrikationen mit Eifer eingeklinkt: Über die deutschen Armee wird noch immer
gesagt, bei ihr habe es sich «um ein Durcheinander konkurrierender Organisationen» gehandelt, das von «Hitlers paranoidem Stil» noch verschlimmert
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worden sei. Dagegen wird das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Nazis als
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eine «fragmentarische» und «dezentralisierte» Unternehmung bezeichnet, die
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der Naziführung nur «den Zwang dahinter» zu verdanken hätte. Selbst der
offensichtliche Kommentar zu dem plötzlichen, steilen Aufschwung, den
Deutschland nach Januar 1933 bei Beschäftigung, Produktion und Versorgung erfuhr – nämlich, dass eine solche außerordentliche Erholung nach so
viel Elend ein willentlicher Kraftakt war, den die deutschen und die angloamerikanischen Finanzeliten in geheimer Absprache mit den Hitlerleuten
zugelassen hatten – wurde in einer grotesken und endlosen Debatte darüber
ertränkt, ob der Naziaufschwung nicht tatsächlich eher ein herber Glücksfall
war statt das Ergebnis absichtlichen Eingreifens und vernünftigen Wirtschaf16
tens.
Es passt natürlich dem Establishment, den alten Aberglauben in Umlauf
zu halten, dass es «in der zweiten Hälfte von 1932 einen zufälligen Um17
schwung, einen natürlichen Wirtschaftsaufschwung» gegeben habe , dessen
Wind Hitler, so wird fantasiert, mit viel Glück auf seine eigenen Segel gelenkt
habe. Diese schädliche Fabel bewältigt auf einen Schlag alle dornenreichen
Fragen, die einem in den beiden Jahren 1932 und 1933 entgegen starren: nämlich die Finanzierung der Nazis durch das Ausland, die manipulierte Erhebung zum Kanzler und die entscheidenden Kräfte hinter dem starken wirtschaftlichen Aufschwung unter dem Dritten Reich.
Mehr noch, die Naziökonomie, die mit einer kraftvollen Mischung aus
freiem Unternehmertum, kommunitarischen Anreizen, industrieller Brillanz,
radikaler Ökologie, Umverteilungspolitik, Wettern gegen die Plutokratie, technischer Virtuosität, straffer Regelung, schnellem finanziellem Eingreifen und
rationeller Planung betrieben wurde, ist offensichtlich ein Phänomen, das keinem recht ins Zeug passt: weder den Apologeten des Wirtschaftsliberalismus
noch den Doktrinären der Linken und nicht einmal den anarchistischen
Reformern des Regionalismus. Sie bringt alle in tiefe Verlegenheit, da sie zu
viele Eigenschaften aufweist, die ihnen allen lieb sind und die daher lieber
unerwähnt oder am besten verfälscht bleiben sollen.
Dies ist umso mehr der Fall, als die Alliierten gewaltige Investitionen im
Dritten Reich versenkt hatten. Dies ist nicht aus zynischer Profitsuche geschehen, sondern in Erwartung des künftigen Wiederaufbaus Deutschlands unter
amerikanischer Regie – die Clubs hatten schon zwei Schritte vorausgedacht.
Dass Hitler zu gegebener Zeit den Krieg verlieren würde, verstand sich – und
dies trotz der Gnadenfrist, die den Nazis durch die derartige «Wirtschaftshilfe» gewährt wurde. Von der neuen Bundesrepublik wurde 1949, als Deutschland entlang der Ost-West-Demarkationslinie gespalten wurde, schließlich
nicht verlangt, irgendwelche Reparationen in Geld zu bezahlen: Sie lieferte
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dafür gerade einmal 4% ihrer Industriekapazität ab. Die Wertpapiere der
Großeigentümer wurden vom Alliierten Kontrollrat zeitweilig in Beschlag
genommen; die riesigen Industriekombinate der Vergangenheit wurden in
kleinere Einheiten entflochten und in den gemeinsamen Europäischen Markt
integriert, der mittels der neuen Clearing, dem Internationalen Währungsfonds und dem Marshallplan fest an die Absatzkanäle des amerikanischen
Empires angedockt wurde. Jetzt besaß Washington Deutschland und den Mittelmeerraum, einschließlich sogar des Papstes, dessen Absolution es sich
dadurch erkaufte, dass es die Bank des Vatikans mit Millionen Dollar ausstat18
tete, die für proamerikanische Aktionen gedacht waren.
Und der Holocaust? Die angloamerikanischen Eliten hatten den SchachtPlan von Ende 1938 abgelehnt. Im Mai 1939 wollten die Vereinigten Staaten –
die spätere Heimat für viele Holocaustmuseen – nicht einmal eintausend
wohlhabenden Juden Zuflucht gewähren, denen Hitler die Abreise aus Ham19
burg erlaubt hatte. Nichts wurde aus dem Madagaskarplan, und als die SS in
die russischen Wälder vordrang, gewährte ihr Churchill aus eigenen Gründen in der Tat drei lange, ununterbrochene Jahre, um ihre «Aufgabe» auszuführen, obwohl er wahrscheinlich um die Absichten der schwarzen Truppe
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wusste, noch bevor sie damit begann, sie zu verwirklichen.
Der bloße Umfang an Lügen, mit denen sich das angloamerikanischen
Establishment an seiner eigenen Öffentlichkeit vergangen hat, um das Märchen aufrechtzuerhalten, der Zweite Weltkrieg sei ein «guter» Krieg gewesen,
der für eine gerechte Sache gewonnen wurde, ist unberechenbar. Die Beweise
liegen in den Myriaden als streng vertraulich klassifizierter Akten, welche die
wesentlichen Phasen dieser Intrige dokumentieren und die bis heute noch
nicht der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen, und zwar
aus Gründen der «nationalen Sicherheit», wie es heißt.
Zusammengefasst haben die Eliten der Alliierten folgende Geschichte
erzählt. Die Deutschen seien schon immer die Friedensbrecher gewesen; sie
hätten ihn einmal gebrochen und wurden dafür bestraft, wenn auch ein bisschen zu hart. Aus einer solchen verfehlten Züchtigung habe sich wie aus dem
Nichts eine böse Macht erhoben, eine Macht, deren Bösartigkeit die kleinliche
Strenge der Alliierten, die dieses Böse entgegen ihren Absichten hatten hochkommen lassen, bei weitem übertroffen habe. Und das Böse, so fährt die Geschichte fort, habe so an Kraft zugenommen, dass ein gewaltsamer, globaler
Konflikt nötig wurde, um es auszurotten.
Mehr noch als eine Lügengeschichte ist das eine Beleidigung. Und was
noch schlimmer ist, es entscheiden sich tagtäglich immer mehr Menschen, sie
aus psychologischer Bequemlichkeit auch zu glauben. Weil Individuen, wie
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es der verruchte Machiavelli in seinem «klassischen» Leitfaden für unmenschliche Führung dargestellt hatte, «einfältig» und bereit sind, dem Wort der
herrschenden Autoritäten zu glauben. Herrschende Autoritäten, von denen
wir glauben, sie würden unseren Willen repräsentieren, während sie in Wirklichkeit nichts anderes sind als hohe Wehrtürme, hinter denen sich eine Oligarchie und ihre Lügen verstecken.
Beides muss aufhören.
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Anmerkungen zu Kapitel 6
Anmerkungen zu Kapitel 6
1 Niccolo Macchiavelli, Der Prinz, Stuttgart, Philipp Reclam jun. 1961, S. 105
2 Charles Higham, Trading with the Enemy: An Exposé of the NaziAmerican Money Plot, 1933 –1949
(New York, Delacorte Press 1983), S. 8 – 20.
3 Alfred Smith, Rudolf Hess and Germany’s Reluctant War, 1939 –1941 (Sussex, Book Guild Ltd.
2001), S. 341– 391.
4 Charles Kindleberger, The World in Depression, 1929 – 1939 (New York, Penguin Books 1987),
S. 39.
5 Paul Samuelson zitiert in Kenneth Mouré, The Gold Standard Illusion. France, the Bank of France,
and the International Gold Standard, 1914 – 1939 (Oxford, Oxford University Press 2002), S. 4
(Hervorhebung hinzugefügt).
6 Kindleberger, World in Depression, S. 32, 52 (Hervorhebung hinzugefügt).
7 Stephen Clarke, Central Bank Cooperation, 1924 – 1931 (New York, Federal Reserve Bank of New
York 1967), S. 142.
8 Henry Ashby Turner Jr., German Big Business and the Rise of Hitler (Oxford, Oxford University
Press 1987), S. 314f (Hervorhebung hinzugefügt).
9 R.H. Knickerbocker, Is Tomorrow Hitler’s? (New York, Reynal & Hitchcock 1941), S. 271.
10 Martin Gilbert, The Roots of Appeasement (New York, New American Library 1966), S. 187.
11 Martin Allen, The Hitler/Hess Deception (London, HarperCollins 2004), S. xviii, 72.
12 Hjalmar Schacht, 1933: Wie eine Demokratie stirbt (Düsseldorf, Econ Verlag 1968), S. 90.
13 Peter Allen, The Windsor Secret. New Revelations of the Nazi Connections (New York, Stein & Day
Publishers 1984), S. 98.
14 Klaus Fischer, Nazi Germany. A New History (New York, Continuum 1996), S. 443.
15 Dan S. Silverman, Hitler’s Economy. Nazi Work Creation Programs, 1933 –1936 (Cambridge, MA,
Harvard University Press 1998), S. 146, 243.
16 F.W. Henning, «Die zeitliche Einordnung der Überwindung der Wirtschaftskrise in Deutschland,» in Harald Winkel (Hrsg.), Finanz- und wirtschaftspolitische Fragen der Zwischenkriegszeit,
Bd. 73 (Berlin, Duncker & Humblot 1973).
17 Pierre Ayçoberry, The Social History of the Third Reich, 1933 –1945 (New York, The New Press
1999), S. 158.
18 John Cornwell, Hitler’s Pope. The Secret History of Pius XII (New York, Viking 1999), S. 328.
19 John Weitz, Hitler’s Banker: Hjalmar Horace Greeley Schacht (Boston, Little, Brown & Company
1997), S. 243.
20 Nach Aussagen des amerikanischen Militärattachés an der Londoner Botschaft, der behauptete, mit Hess gesprochen zu haben, nachdem dieser nach England gekommen war, gestand
der Führerstellvertreter angeblich einem britischen Psychiater, der ihn untersuchen sollte,
dass die Nazis kurz davor waren, die Juden auszulöschen (Louis Kilzer, Churchill’s Deception.
The Dark Secret that Destroyed Germany, New York, Simon & Schuster 1994, S. 60ff.). Zudem
berichtet der Schriftsteller Alfred Smith, Churchill habe am 13. Mai 1941 nur drei Tage nach
der Landung von Hess seinem Kollegen Anthony Eden eine Notiz geschickt, die mit folgenden Worten geendet habe: «Wie die anderen Naziführer ist dieser Mann potentiell ein Kriegsverbrecher und dürfte wie seine Genossen am Ende des Krieges zum Verbrecher erklärt werden können. Somit kommt ihm seine Reue zugute.» Smith stellt nun die Frage: «Warum
bezeichnete Churchill Hess als einen potentiellen Kriegsverbrecher? (...) Die ‹Verbrechen
gegen die Menschlichkeit› und insbesondere der Holocaust fand nicht vor Beginn der Operation Barbarossa im Juni 1941, einen Monat nach dem Hessflug statt.» Smith folgert: «Die einzige Konstruktion, die Sinn aus den Bemerkungen Churchills macht, ist, dass er um die
Kriegsverbrechen, die in der Zukunft begangen werden sollten, gewusst hatte.» (Smith, Rudolf
Hess, S. 341.)