Tafel 10 - justitia

Schwört, das einmal geschaffene herrliche
Gesicht eures Traums niemals zu betrügen
oder zu verleumden.
Jelena Guro (1877 - 1913), russische Dichterin und Malerin, um 1910
„SCHWESTERN ZERREISST EURE KETTEN –
MENSCHENRECHTE HABEN KEIN GESCHLECHT” (19./20. JH.)
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis
„MENSCHENRECHTE HABEN KEIN GESCHLECHT” (Hedwig Dohm)
Hedwig Dohm (1831 - 1919) kritisierte in
ihrer Gerechtigkeitsanalyse „Der Frauen
Natur und Recht” (1876) scharf die patriarchale Gesetzgebung und die unerträglichen
männlichen Fremddefinitionen über die
Frauen. Sie forderte wie viele Andere ihre
politische Beteiligung auf allen Gebieten.
Bei den Rechtsforderungen kämpften
Frauen gemeinsam über alle parteilichen
und weltanschaulichen Grenzen hinweg.
Obwohl die Frauen das frauenfeindliche
Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) – in Kraft
getreten 1900 – nicht verhindern konnten,
erreichten sie viele Teilerfolge, z.B. die
Aufhebung des Vereinsverbots für Frauen
1908, den Zugang zur Hochschulbildung
und das allgemeine Wahlrecht 1918. Sie
gründeten in hunderten von Städten
Rechtsschutzstellen für Frauen (ab 1894),
Beratungsstellen für Mutterschutz und
Sexualberatungsstellen, die 1933 abgeschafft wurden. Sie setzten sich für einen
besseren Arbeiterinnenschutz ein und
kämpften gegen den § 218 StGB und gegen
entwürdigende Prostitutionsvorschriften.
1914/1915 schlossen sich vor allem jüdische
Juristinnen zum ersten Mal zusammen und
gründeten den Juristinnenbund. Anita
Augspurg (1857 - 1943) war die erste
deutsche promovierte Juristin. Mit ihrer
Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann
(1868 - 1943) war sie ab 1914 auch in der
internationalen Frauenfriedensbewegung
aktiv. Beide sind ein Beispiel für den unerschrockenen Umgang mit staatlichen Autoritäten und für neue, von Frauen entwickelte
Lebens- und Arbeitsformen.
1933 emigrierten sie in die Schweiz.
Werde, die du bist
Empörung über Unrecht ist die
höchste Sittlichkeit.
Titel einer Novelle von Hedwig Dohm, 1894
Käthe Schirmacher, Die Suffragettes, 1913
Geprägt durch die Erfahrungen der Revolution von 1848 wurde
Hedwig Dohm, Frauenrechtlerin und Sozialistin, eine der
radikalsten politischen Schriftstellerinnen des 19. Jh.
Anita Augspurg auf dem Weg zu Gericht, 1906, aus: Christiane Henke, Anita Augspurg, 2000
Ein Plakat der englischen Frauenrechtlerinnen (Suffragetten) in der
Tradition von Jeanne d´Arc, aus: Die Chronik der Frauen, 1992
Die Frauenfrage ist eine Rechtsfrage.
Anita Augspurg
Anita Augspurg wurde als angebliche Prostituierte „aufgegriffen” und 1906 wegen Beamtenbeleidigung angeklagt.
Anna Schleh, Selbstbildnis mit ihrer Schwester Hedwig Dohm, Mitte des 19. Jh., aus: Der Frauen Natur und Recht, Nachdruck Zürich, 1986
Woran mag es liegen, dass dieselben
zartbesaiteten Gewissen (Befürworter des
§ 218 StGB) mit kaltem Blut und ungerührtem Gewissen 12 Millionen Menschen
im Weltkrieg hinschlachten ließen.
Die Befreiung der Frau,
das bedeutet die Befreiung
nicht einer Klasse,
sondern die Befreiung der Menschheit.
Helene Stöcker, Fort mit der Abtreibungsstrafe!, 1924
Seit das Reichsstrafgesetzbuch 1871 die
Abtreibung unter schwere Strafen gestellt hatte,
kämpften Frauen, aber auch viele Männer,
gegen diese Vorschrift.
Johanna Loewenherz, Prostitution oder Production,
Eigentum oder Ehe?, 1895
Seit Luise Otto-Peters (1819 - 1895) 1865 den
Allgemeinen Deutschen Frauenverein gegründet
hatte, schlossen sich im 19./20. Jh. immer mehr
Frauen trotz aller Widerstände zusammen.
Berliner Frauenversammlung 1890, aus: Die Chronik der Frauen, 1992
Hanna Nagel (1907 - 1975), Der Paragraph (218), 1931