Kopenhagen - Europa Louise Prinzessin von Hessen

In einer weiteren Sonderausstellung zur hessischskandinavischen Geschichte geht das Museum der
nordhessischen Stadt Hofgeismar ein auf eine
historisch wie hinsichtlich der handelnden
Personen außerordentlich spannende Epoche.
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Als um die Mitte des 18. Jahrhunderts der spätere
hessische Landgraf Friedrich II. und sein dänischer
Namensvetter Frederik V. zwei Töchter des
englisch-hannoverschen Königs Georg II. (16831760) heirateten, wurde mit dieser
Verschwägerung eine erneute intensive Beziehung
beider Länder auf vielen Ebenen eingeleitet.
In Dänemark fanden z.B. die drei Söhne Friedrichs
1756 für zehn Jahre Zuflucht während des gerade
für Hessen-Kassel so mörderischen Siebenjährigen
Kriegs; Wilhelm und Carl als die beiden ältesten
Söhne heirateten dänische Prinzessinnen. Carl
blieb sogar in Dänemark, wo er als Schwiegersohn,
Schwager und Schwiegervater, später sogar als
Großvater je eines dänischen Königs einen
beispiellosen Aufstieg in dem nordischen
Königreich erlebte. Landgraf Carl wurde u. a.
Oberbefehlshaber des dänischen Heeres,
Gouverneur der Herzogtümer Schleswig und
Holstein mit Sitz in Schleswig; fast vergessen ist,
dass er „Armengärten“ (später „Schrebergärten“
genannt) auf seinen (auch hessischen) Ländereien
einrichtete und z. B. die bedeutende Eisenhütte in
Rendsburg gründete („Carlshütte“).
Die Beziehung beider Länder intensivierte sich
weiter mit der Heirat seines Enkels Christian (von
Glücksburg, 1818 - 1906) mit der in Kassel
geborenen Prinzessin Louise (1817 - 1898). Beide
waren Urenkel Friedrichs II. und besaßen
Thronrechte sowohl in Kassel wie in Dänemark.
Als absehbar war, dass der dänische König
Frederik VII. als letzter der Oldenburgschen
Königsreihe aus drei Ehen keinen männlichen
Nachkommen haben würde, entschied sich eine
internationale Konferenz in London am 8. Mai 1852
für die Thronfolge Christians (und Louises), der
wie seine Frau Erbansprüche auf den dänischen
Thron besaß. Christians Position war durch den
weitgehenden Machtverzicht seines Vorgängers
1849 (weshalb die Dänen diesem ein Denkmal vor
dem Reichstag weihten) deutlich geschwächt,
zumal der dänische Reichstag zunächst die
Londoner Entscheidung nicht akzeptierte. In
Kriegszeiten bestieg Christian IX. 1863 als erster
des Hauses Hessen-Glücksburg den Thron.
Der Weg auf den Thron für die „Deutschen“, wie
man Christian und seine Frau im nationalistischen
Dänemark der Mitte des 19. Jahrhunderts
verächtlich nannte, war lang, schwer und nicht frei
von persönlichen Niederlagen.
Der für Dänemark verlustreiche Krieg gegen
Preußen und andere deutsche Staaten 1863/64, den
Christian in den Tagen der Thronbesteigung
unbedingt noch hatte verhindern wollen, machte
das Königspaar und auch ihre sechs Kinder in den
Augen der Dänen zu allein Verantwortlichen des
Debakels (Verlust von Schleswig-Holstein und
Lauenburg); es kam zu schweren, auch
körperlichen Attacken auf einzelne Mitglieder der
Familie.
Nach wenigen Jahren jedoch änderte sich die
Haltung des dänischen Volkes gegenüber seinem
Herrscherpaar, denn als Preußen gegen Frankreich
1870 sich zu kämpfen anschickte, wollten dänische
Nationalisten die Teilhabe des Landes am Krieg,
um so Schleswig zurück zu gewinnen. König
Christian konnte das verhindern und die schnelle
Niederlage Frankreichs gab ihm alsbald Recht.
Sehr wichtig für das dänische Umdenken waren
außerdem die bereits vollzogenen bzw. sich
anbahnenden Ehen der Kinder, auf die Louise
energisch hingearbeitet und die Dänemark von
ihrer „dänischen Gesinnung“ überzeugt hatten:
Kronprinz Frederik heiratete die einzige Tochter
Karls XV. von Schweden und Norwegen,
Alexandra den englischen Thronfolger Albert
Edward, Dagmar (später Maria Feodorovna) wurde
Ehefrau des Zaren Alexander III., Vilhelm bestieg
als Wahlkönig Georg I. den griechischen Thron
und heiratete die russische Großfürstentochter
Olga. Für Preußen, das sich durch die dänische
Hochzeitsplanung umringt und eingekesselt sah,
waren besondere Ärgernisse die Ehen Thyras mit
Ernst August Herzog von Cumberland (also dem
exilierten Thronfolger des 1866 von Preußen
besetzten Königreichs Hannover) und Valdemars
mit Marie von Orléans, der Tochter des – bei
einem Systemwechsel – möglichen französischen
Thronprätendenten; schließlich wurde auch das
gleichfalls 1866 von Preußen annektierte HessenKassel nie vergessen, wo das dänische Königspaar
Erbrechte besaß.
Russische Bronze-Medaille auf den Zaren Alexander III.
und seine Gemahlin Dagmar/Maria Feodorovna.
Eigentum Stadtmuseum Hofgeismar.
Besonders verdächtig war den Preußen der ganz
außerordentliche Familienzusammenhalt in
Kopenhagen, wenn alle Kinder, ihre Ehepartner
und die Nachkommen, dazu enge Freunde, mit den
Eltern u. a. auf Schloss Fredensborg zu vielen
Gelegenheiten zusammen kamen. Besonders die
ältesten Töchter Alexandra und Dagmar waren
familientreu; der Zarin fiel es dabei leichter als
ihrer Schwester, den Ehepartner nach Dänemark zu
locken, denn Zar Alexander III. mutierte in dem
vergleichsweise freiheitlich-liberalen Land der Zeit
Christians und Louises zu einem von der
russischen Etikette befreiten Hausbesitzer,
Wanderer, Ruderer, Spaziergänger in Kopenhagen
und zum geliebten Spielkameraden aller
Enkelkinder des Königspaars.
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Das mittlere 19. Jahrhundert mit seinen schweren
Konflikten und Krisensituationen - gespiegelt am
Schicksal einer hessisch-dänischen Fürstenfamilie
- steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung des
Stadtmuseums Hofgeismar. Diese wird in
herausragender Weise unterstützt durch die
Sammlungen von Schloss Glücksburg (SchleswigHolstein), dessen Leihgaben den bemerkenswerten
Bestand des Stadtmuseums Hofgeismar zum
Thema „Hessen-Kassel und Dänemark“ auf
wunderbare Weise ergänzen.
Ausstellungsdauer: 15.11.2015 – 05.06.2016
Abb. o.: Die „Großeltern Europas“, Christian IX und seine Königin
Louise. Dänische Lithographien ca. 1875.
Eigentum Stadtmuseum Hofgeismar.
Kassel – Kopenhagen – Europa
Abb. u.: Der gemeinsame Sarkophag der Eheleute Christian IX. und
Louise von Hessen-Kassel im Dom von Roskilde/Dänemark.
Louise Prinzessin von Hessen-Kassel als
dänische Königin und Großmutter Europas
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Hinweise zur geplanten Vortragsreihe finden Sie in
der Tagespresse.
Helmut Burmeister
Museumsleiter
Öffnungszeiten: Mo, Di, Do 10 – 12, Mi 15 – 18,
Fr 17 – 19, So 11 – 13 und 15 – 18 Uhr.
Gruppen resp. Führungen auf Anfrage.
Der Eintritt ist auch bei dieser Ausstellung frei,
Spenden werden sehr gern entgegengenommen.
Tel.: 0 56 71/47 91 oder 3476
www.museum-hofgeismar.de
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Eine Ausstellung im Stadtmuseum Hofgeismar