Chefsache Komplexitätsmanagement Organisationen ganzheitlich entwickeln Neue Wege gehen – Wer Komplexität beherrscht, gewinnt: gestern, heute und morgen Da machen wir es doch lieber gleich richtig! Produktvielfalt beherrschen Auch ein perfekter Schnitt hält nicht ewig – Dauerhafter Erfolg verlangt nach einer regelmäßigen Pflege des Produktprogramms Komplexitätsmanagement in der Automobilindustrie Variantenmanagement: Der Complexity Manager schafft Transparenz Produktion optimal ausrichten Komplexitätsbeherrschung durch wandlungsfähige Produktion Mit dem Produktionsaudit die eigene Position bestimmen Prozesse zielsicher gestalten Leistungsfähiges Prozessmanagement: Prozesse beschleunigen, Profitabilität erhöhen und Qualität sichern Wertstrom im Unternehmen: Prozesse sehen lernen Innovation vorantreiben Lean Innovation – Entwicklungsproduktivität signifikant steigern Den Wert verstehen, das ist das A und O – F&E-spezifische Wertstromanalyse Schuh & Co. Komplexitätsmanagement Inhalt 3 Editorial Chefsache Komplexitätsmanagement Beiträge 4 Neue Wege gehen – Wer Komplexität beherrscht, gewinnt: gestern, heute und morgen Dr. Stephan Krumm 8 Da machen wir es doch lieber gleich richtig! Dr. Stephan Krumm (Schuh & Co. GmbH) und Dr. Peter Fischer (fgi) im Gespräch 12 Auch ein perfekter Schnitt hält nicht ewig – Dauerhafter Erfolg verlangt nach einer regelmäßigen Pflege des Produktprogramms Norbert Große Entrup 17 Komplexitätsmanagement in der Automobilindustrie Dr. Stephan Krumm / Marcus Rennekamp 26 Variantenmanagement: Der Complexity Manager schafft Transparenz Michael Friedrich 30 Komplexitätsbeherrschung durch wandlungsfähige Produktion Es gilt den Fit zwischen Komplexität und Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems einzustellen Dr. Gregor Tücks / Jan Eilers 34 Mit dem Produktionsaudit die eigene Position bestimmen Dr. Gregor Tücks 37 Leistungsfähiges Prozessmanagement: Prozesse beschleunigen, Profitabilität erhöhen und Qualität sichern Dr. Stephan Krumm / Jan Eilers 44 Wertstrom im Unternehmen: Prozesse sehen lernen Norbert Große Entrup 48 Lean Innovation – Entwicklungsproduktivität signifikant steigern Dr. Stephan Krumm / Dr. Stephan U. Schittny Bildnachweise: Seite 1: ©istockphoto.com/ramihalim; ©istockphoto.com/josh webb; ©istockphoto.com/gerenme; ©istockphoto.com/Carl Swahn; ©istockphoto.com/gilles lougassi; Seiten 4, 5: ©istockphoto.com/ramihalim; Seiten 8, 11: ©Heiko Schulz; Seite 12: ©istockphoto.com/josh webb; Seite 18: ©Getty Images; Seite 30: ©istockphoto.com/gerenme; Seite 33: ©istockphoto.com/gerenme; ©istockphoto.com/Sparky2000; ©istockphoto.com/i.A.a. Gies (2009), Elektromobilität; Seite 34: ©WZL; Seite 35: ©DMG; Seite 38: ©istockphoto.com/Carl Swahn; Seite 49: ©istockphoto.com/gilles lougassi; 2 52 Den Wert verstehen, das ist das A und O – F&E-spezifische Wertstromanalyse Dr. Stephan U. Schittny 56 Top Executive Seminar mit Prof. Günther Schuh Lean Innovation Entwicklungsproduktivität signifikant steigern – eine Top-Management-Aufgabe! Editorial Nicht selten, wenn wir uns im privaten oder im beruflichen Leben mit undurchsichtigen und unerwarteten Situationen konfrontiert sehen, benutzen wir den Begriff der „Komplexität“. Das betrifft den Kunden eines Cafés, der mittlerweile vor einer erschlagenden Produktpalette verschiedener Kaffee-Variationen steht, genauso wie den Manager, der unter ständig wechselnden Randbedingungen wegweisende Entscheidungen treffen muss. Für uns Grund genug, sich dauerhaft mit den Fragen zu beschäftigen, was Komplexität eigentlich ist, warum sie uns so zu schaffen macht und was gutes Komplexitätsmanagement ausmacht. Kommen Sie mit auf eine Themenreise. Fragen? Gerne! Herzlich Ihr Dr. Stephan Krumm Geschäftsführender Partner 3 Neue Wege gehen – Wer Komplexität beherrscht, gewinnt: gestern, heute und morgen Dr. Stephan Krumm CEO’s sind sich mittlerweile einig, dass die Komplexität in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird. Das Management dieser Komplexität wird mehr und mehr zum eigentlichen Kern der Führungsaufgabe. Was nun gefragt ist, sind Lösungen. Ein ganzheitliches Fünf-Punkte-Programm an den wichtigsten Brennpunkten Produkt, Prozess, Produktion, Innovation und Personal soll Entscheidern dabei helfen, Komplexität im eigenen Unternehmen zu identifizieren und zu beherrschen. Wer Top-Entscheider deutscher Unternehmen nach den aus ihrer Sicht wesentlichen unternehmerischen Herausforderungen der nächsten 20 Jahren befragt, stößt nicht selten im ersten Satz auf den Begriff der Komplexität. Und das nicht ohne Grund: Unternehmen setzen noch immer auf die Konzentration auf Kernkompetenzen, die tendenziell zur Reduktion von Wertschöpfungsstufen und damit zu einer massiven Veränderung der Zulieferstruktur führt. Wertschöpfung erfolgt nicht mehr lokal an einem Standort sondern in einem globalen Wertschöpfungsnetz: Beschaffungs-, Herstellungs- und Distributionsprozesse sowie deren Schnittstellen verändern sich massiv. Produktlebenszyklen werden kürzer, die Frequenz der Produktwechsel höher. Der Ruf des Kunden nach individuellen Lösungen lässt immer neue Nischenmärkte und Produktvarianten wie Pilze aus dem Boden schießen. Gemeinsamkeit all dieser Entwicklungen sind drei Dinge: Vielfalt, Dynamik und Interdependenzen. Wenn alles zusammenkommt, sprechen wir von „Komplexität“. Komplexität stiftet im Unternehmen nicht zwangsläufig Nutzen, beispielsweise in Form von neuen Marktanteilen, sondern verursacht oft genug auch 4 vermeidbare Aufwände. Unbedachte Komplexität im Unternehmen hat deshalb enorme Auswirkungen auf die Produkte, die Mitarbeiter oder gar auf den Profit. So lässt sich zum Beispiel nachweisen, dass Unternehmen mit einer Reduktion ungewollter Komplexität EBIT-Steigerungen von drei bis fünf Prozentpunkten erzielen können. Die Antwort auf die Frage, welches Ergebnis im Einzelfall erzielt werden kann, hängt davon ab, wie gut ein Unternehmen in der Lage ist, individuelle Komplexitätstreiber, deren Wechselwirkungen und nicht zuletzt deren Kostenwirkung ganzheitlich zu erkennen und zu verstehen. Hierzu bedarf es dem Zusammenspiel von Methoden des Komplexitätsmanagements; und genau darin haben wir in über 20 Jahren Erfahrungen gesammelt. Deswegen empfehlen wir Ihnen ein bewährtes fünf-Punkte Programm, das auch Ihr Unternehmen die künftige Komplexität beherrschen lässt: 1. Produkt: Aufräumen und Altlasten bereinigen. Wenn nicht jetzt, wann dann? 2. Prozess: Endlich Verschwendung abstellen und alte Gewohnheiten kritisch hinterfragen! 3. Produktion: Richtig dimensionieren und flexibilisieren. Konsequent und schnell! 4. Innovation: Den Pfad für die Zukunft legen und dann durchstarten! 5. Personal: Freunde identifizieren und sich gemeinsam auf die Zukunft vorbereiten! 1. Produkt – Aufräumen und Altlasten bereinigen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Sie sollten Ihr Produktportfolio periodisch immer wieder kritisch hinterfragen. Zu glauben, dass Produkte gut laufen, ist gut, sich wirklich zu vergewissern, ist besser. Oftmals lassen verdeckte Kosten Produkte profitabler erscheinen als sie wirklich sind oder etablierte Produkte werden bei Neueinführungen nicht richtig angepasst. Nehmen Sie eine radikale Bestandsreduzierung vor und verkaufen Sie Ladenhüter. Ein hoher Bestand ist unnötig festgelegtes Kapital. Bleiben Sie souverän bei der Preisgestaltung. Der Fokus liegt jetzt nicht mehr auf Umsatz, sondern auf Ertrag. Oftmals ist ein Preisnachlass schädlicher als ein Rückgang in Verkaufsmengen. GM hat im Vergleich zu Toyota in den letzten Jahren enorme Rabatte für den Verkauf ihrer Autos gewährt und konnte sich nie davon erholen. Das Ende ist bekannt. Nehmen Sie eine Sortimentsbereinigung vor. Welche Produkte lohnen sich denn wirklich? Betrachten Sie beispielsweise Porsche gegen Anfang der 90er. Porsche erfuhr einen drastischen Einsturz der Profite, obwohl die Produktpalette damals so breit wie nie war. Nachdem Porsche einen Radikalschnitt wagte, entstand die Erfolgsgeschichte. Identifizieren Sie Lücken im Produkt- und Dienstleistungsportfolio und schließen Sie diese schnell. Hat etwa der Wettbewerb Leistungen im Angebot, die den Unterschied in der Käufergunst ausmachen? Dann sollten Sie schnell reagieren. Das gesamte Portfolio Ihres Angebotes inkl. bepreister und verschenkter Dienstleistungen muss auf den Prüfstand. Bündeln Sie Dienstleistungen und Servicepakete. Sie geben dem Kunden das Gefühl, ein gutes Geschäft zu machen und verkaufen gleichzeitig mehr Produkte. Sehen Sie den Aftermarket als Chance. Wenn Kunden schon Ihre Produkte besitzen, nutzen Sie Ihre Chance auf dieses Vertrauen weiter aufzubauen und auch den notwendigen Service dazu anzubieten. Identifizieren Sie neue Anwendungen und Märkte der eigenen Produkte und Technologien. Springen Sie nicht zu kurz, wenn es um die Ausweitung von Geschäftsoptionen geht. „Leveragen“ Sie Ihre Kompetenzen. 2. Prozess – Endlich Verschwendung abstellen und alte Gewohnheiten kritisch hinterfragen! Wie sehen Ihre Prozesse eigentlich wirklich aus? Wo gibt es Verbesserungspotenziale, wo können Sie einsparen und was ist nun wirklich nicht nötig? Diese Betrachtung wird Ihnen helfen, radikal schneller zu werden. Sie sollten Ausreden verbieten und Ihre Produktions-, Logistik- und Administrationsprozesse beschleunigen. Jeder weiß, wo sofort Potenziale erschlossen werden können. Nun muss es getan werden. Entwickeln Sie eine Wertstromorientierung. Hier lautet die Devise schlicht: Sehen lernen. Und das in allen Bereichen. Auch die Administration sollte sich nicht länger verstecken. Beschleunigen Sie die Markteinführung. Je länger Sie warten, ein Produkt oder eine Serviceleistung einzuführen, desto mehr Zeit geben Sie der Konkurrenz. Hinterfragen Sie Ihre Schnittstellen und Aufbauorganisation. Langsame und inflexible Prozesse sind nicht selten Resultat veralterter Strukturen. Stellen Sie Ihre Schnittstellen in Frage, prüfen Sie die Leistungsspannen, schaffen Sie mehr Transparenz und sorgen Sie für klare Verantwortlichkeiten. 5 Ein akzeptiertes und gelebtes Prozessmodell kann Wunder wirken. Analysieren Sie Ihre Prozesstreiber. Prozess- und Komplexitätstreiber bestimmen Ihre Kostenstruktur. Viele davon sind unnötig. Hier gilt es anzusetzen. Beispiele: Anzahl der Buchungsvorgänge im Finanzund Rechnungswesen, Anzahl kurzfristig geänderter Reisebuchungen, Anzahl von Lieferanten in gleichen Themenfeldern, Anzahl veralteter, nicht genutzter Artikelnummern, Anzahl überflüssiger und ergebnisleerer Sitzungen, usw. Sie haben bestimmt sofort eigene Beispiele im Kopf! Legen Sie Ihre Wettbewerbsposition fest. Fokussieren Sie sich auf das Wesentliche, denn nur wer eine klare Wettbewerbsposition hat, kann sich auch erfolgreich durchsetzen. 3. Produktion – Richtig dimensionieren und flexibilisieren. Konsequent und schnell! Mit einem gesunden Maß an Realismus und eben nicht der „wünsch‘ Dir was“ Haltung sollten Sie Ihre Produktion durchleuchten. Was ist denn wirklich Ihre Kernkompetenz und was hält auch noch in Zukunft den neuen Herausforderungen stand? Halten Sie Kapazitäten in überschaubarem Rahmen. Typischwerweise geht es auch mit weniger. Schon manches Unternehmen ist ins Stolpern geraten, weil es die eigenen Kapazitäten nicht im Griff hatte. Überprüfen Sie Ihre Wertschöpfungsstruktur und misten Sie Ihre Supply Chain aus. „Make or Buy“ stellt sich heute ganz anders dar als vor einigen Jahren. Nutzen Sie Ihre Kapazitäten besser; auch die der Zulieferer. Stellen Sie Investitionen auf den Prüfstand. Investieren Sie dort, wo es sinnvoll ist; Zukäufe können ein gesundes Unternehmen enorm stärken. 4. Innovation – Den Pfad für die Zukunft legen und dann durchstarten! Komplexe Unternehmen haben sich nicht selten u. a. verzettelt und Innovationstrends verschlafen. Das darf nicht passieren. Prüfen Sie Ihre Positionierung und legen Sie fest, auf was Sie sich konzentrieren wollen. 6 Schaffen Sie eine fokussierte Innovationsoffensive. Ohne Innovationen werden Sie keine Zukunft gestalten können. Aber Achtung: Es muss ein fokussierter Ansatz sein. Niemand kann alles alleine. Außerdem setzen Sie mit Innovationsmanagement Zeichen für Ihre Mitarbeiter und schaffen dringend benötigtes Vertrauen. Binden Sie daher Ihre Mitarbeiter ein und fordern Sie deren Beiträge. Führen Sie strategische Innovationen konsequent fort. Bestenfalls können Sie sich einen zeitlichen Aufschub leisten, aber kein Anhalten. Beschleunigen Sie Innovationsprozesse. Unter Druck geht vieles schneller. Das ist der beste Beweis, nun die Potenziale zu heben. Market Pull und Technology Push ist immer noch die richtige Grundhaltung. Kundenbefragungen, um die Kundenbedürfnisse und den Markt zu verstehen, reichen nicht. Märkte wollen auch geschaffen werden. Innovations- und Technologiemanagement sind die richtigen Mittel. Wer in der heutigen Zeit überrascht wird, hat tief und fest geschlafen. „Probleme von heute lassen sich nicht mit den Methoden von gestern lösen. Die Welt ist nun mal komplex und braucht daher Komplexitätsmanagement.“ Dr. Stephan Krumm 5. Personal – Freunde identifizieren und sich gemeinsam auf die Zukunft vorbereiten! Erinnern Sie sich? Personal – dies sind die Damen und Herren, die Ihr Unternehmen repräsentieren, sei es auf oberster oder unterster Ebene. Geschäftserfolg fängt hier an. Wenn Sie Loyalität bei Ihren Mitarbeitern schaffen, dann stellen Sie die Weichen für den Erfolg. Binden Sie engagierte und fähige Mitarbeiter. Sie sollten in Fortbildung für solche Mitarbeiter investieren und ihnen neue Chancen ermöglichen. Sie sollten sich auch darüber im Klaren sein, dass der Unternehmenserfolg immer mehr vom Wissen Ihrer Mitarbeiter abhängt. Dieses Wissen ist auch eine Kompetenz, die nur schwer von Ihren Konkurrenten imitiert werden kann. Verlässt also ein Know-howTräger das Unternehmen, hinterlässt er eine Lücke, die nur schwer wieder zu schließen ist und hohe Kosten verursacht. Halten Sie Ausschau nach neuen Talenten. Sie sollten immer auf der Suche nach neuen Talenten sein. Vor allen Dingen im Hinblick auf die kommenden demographischen Veränderung in Deutschland, besonders der kommenden Pensionierung zahlreicher „Baby Boomer“ wird sich der Wettbewerb um junge Arbeitnehmer intensivieren. Verabschieden Sie Low Performer. Das hätten Sie schon lange tun sollen. Kommunizieren Sie offen, ehrlich und zeitnah. Aber lassen Sie Kommunikation von Profis machen. Ingenieure, Betriebswirte und Juristen machen das nicht mal so nebenher. Fazit Der Mensch ist von Natur aus stets bemüht, Komplexität zu vermeiden oder zu reduzieren. Doch gerade im Unternehmen ist Komplexität in vielen Fällen nicht nur hinderlich, sondern auch effektives Instrument um Wettbewerbsvorteile, beispielsweise durch ein möglichst kundenindividuelles Produktprogramm, zu erzielen. Beim „Komplexitätsmanagement“ geht es also vielmehr darum, den Komplexitätsgrad des Unternehmens ständig zu hinterfragen und stetig zu einem Optimum zu führen. in Alternativen zu denken, um in unübersichtlichen Entscheidungssituationen angemessen reagieren zu können Dazu braucht es aus Sicht des Entscheiders ein tiefgehendes Verständnis davon, welches die wesentlichen Komplexitätstreiber des Unternehmens sind, durch welche Wechselwirkungen diese zusammenhängen und welchen Beitrag jeder Einzelne von ihnen zum Unternehmenserfolg leistet. Nur so ist es möglich, wertschaffende von wertvernichtender Komplexität zu unterscheiden. Gelingt es nicht, den optimalen Grad der Komplexität zu finden, wird Komplexität schnell zum „stillen Tod von Profit und Wachstum“. Eine alte Weisheit des Konfuzius sagt: „Die eigenen Fehler erkennt man am besten mit den Augen anderer!“. Wenn Sie also noch Fragen haben zu unseren Lösungsvorschlägen, helfen wir gerne. Systematisch, menschlich, schnell. Weiterführende Literatur: Nedopil C.; Steger U.; Amann W.: Managing Complexity in Organizations, Text and Cases, Palgrave Macmillan, Houndmills 2011 Steger U.; Amann W.; Maznevski M.: Managing Complexity in Global Organizations, John Wiley & Sons Ltd, West Sussex 2007. Manager, die dieses Handwerk beherrschen, sind in der Lage, die Unternehmensressourcen fokussiert einzusetzen und sich nicht zu verzetteln Wesentliches von Unwesentlichem und Wichtiges von Dringlichem zu trennen Kontakt Einzelentscheidungen mit Blick auf das gesamte Unternehmen zu treffen Dr. Stephan Krumm Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 7 „Da machen wir es doch lieber gleich richtig!“ Dr. Stephan Krumm und Dr. Peter Fischer im Gespräch über Wirkungsnetze, Komplexitätsberatung, gelernten Respekt und das Ringen um die beste Lösung. aus, dass es einen spezifischen Grund geben muss, warum er uns braucht. Das gemeinsam mit Stephan Krumm von Schuh & Co. herauszuarbeiten, ist hoch spannend. Denn was wir gemeinsam hinkriegen müssen, ist: Unsere Unterschiedlichkeit zu bewahren, von unserem Fachwissen und von unseren Kulturen her. fgi hat ja eine sozialwissenschaftliche Heimat und bei Schuh & Co. gibt es eine klassische ingenieurs-technische und betriebswirtschaftliche Heimat, mit entsprechend unterschiedlichen Menschentypen und kulturellen Merkmalen. Das in eine respektvolle und fruchtbare Zusammenarbeit zu bringen, ist die Kunst. Dr. Stephan Krumm, Dr. Peter Fischer Herr Dr. Fischer, warum arbeiten Sie ausgerechnet mit Schuh & Co. zusammen? Fischer: Weil wir eine Menge Übereinstimmungen haben. Das fängt ganz simpel bei der vergleichbaren Unternehmensgröße an, die Grundvoraussetzung für eine gelungene Kooperation ist. Hinzu kommt, dass wir das gleiche Geschäftsverständnis haben; nämlich eins, in dessen Mittelpunkt Qualität und ein hoher methodischer Anspruch stehen. Und: Wir haben beide einen systemischen, Kompetenz unterstellenden Zugang zu unseren Kunden. Wir glauben, dass unsere Kunden sehr viel können und wissen, nur in bestimmten Projekten, Prozessen, Situationen nicht in der Lage sind, dieses Können und Wissen ideal zusammenzubringen. Das Gegenteil von einem Besserwisseransatz. Fischer: Richtig. Ich habe Respekt vor den Fähigkeiten und Leistungen meiner Kunden und gehe davon 8 „Wir arbeiten gemeinsam an einem Change-Design, das jeder von uns allein so umfassend nicht hätte gestalten können.“ Dr. Stephan Krumm Herr Dr. Krumm, warum arbeiten Sie mit fgi zusammen? Krumm: Weil ich feststellen musste: Mit unserem Ansatz allein können wir gerade bei großen Veränderungsprozessen nicht alles abdecken und damit auch nicht genug bewirken. Um Menschen, Unternehmer und Führungskräfte von großen Veränderungen zu überzeugen, brauche ich eine andere Perspektive – neben der inhaltlich-technischen Lösungssicht eben auch die Sicht auf kulturelle, verhaltensmäßige Veränderungen und ähnliche Dimensionen. Wir arbeiten mit fgi also zusammen aus der inneren Offenheit und Notwendigkeit heraus, eine andere Perspektive zuzulassen; und mittlerweile auch aus gelerntem Respekt voreinander. Bei so viel Übereinstimmung: Werden Sie in Zukunft überhaupt noch separat tätig sein? Krumm: Sicher wird es weiter reinrassige Beratungsthemen und -Projekte für uns geben. Wenn uns Unternehmen zum Thema Komplexitätskosten und Variantenmanagement anfragen, da werden wir natürlich entsprechende Studien und dergleichen anbieten. Da brauchen wir fgi nicht. Fischer: Und wenn wir nach einem Mentoring-Projekt gefragt werden oder nach einer Einführung von 360° Feedback, da brauchen wir Schuh & Co. nicht. Aber für alle großen Veränderungsprozesse inhaltlichfachlicher und kultureller Art, da werden in Zukunft beide Perspektiven gebraucht. Beschreiben Sie diese beiden Perspektiven etwas näher, skizzieren Sie kurz Ihren Beratungsansatz. Krumm: Um es mit Adjektiven und in einer wertfreien Reihenfolge zu sagen, Schuh & Co. ist: inhaltlich. Methodisch. Umsetzungsorientiert. Und noch ein entscheidendes Adjektiv: ganzheitlich. Strukturen, Aktivitäten und Verhalten müssen im Einklang stehen – das ist die St. Gallener BWL-Schule, aus der viele von uns bei Schuh & Co. kommen. Wir denken grundsätzlich in Wirkzusammenhängen und Werten wie Kostentreiber, Prozessressourcen usw. Uns interessiert weniger, ob 5 Führungskräfte als Team wirklich gut funktionieren. Wir merken es im Wirkungsnetz, aber ... ... das kann Ihnen jetzt egal sein. Das ist die Aufgabe von fgi? Krumm: Genau. Endlich kann mir das egal sein. Denn das ist eine andere Disziplin. Und das sollen die machen, die das am besten können. Was ist wesentlich für den fgi-Beratungsansatz? Fischer: Es gibt auch bei uns das Wort und den Wert der Ganzheitlichkeit. Als ein Unternehmen, das ein systemisches Beratungsverständnis hat, sind für uns unterschiedlichste Facetten (strukturelle, strategische, kontextuelle, verhaltensmäßige und kulturelle) wichtig. Wir können ein Unternehmen nur „ganz“ sehen. Darüber hinaus arbeiten wir ressourcenorientiert. Und wir sind weniger expertenhaft. Wir wissen nicht immer, wie etwas zu lösen ist. Aber wir wissen sehr genau, wie ein Prozess zu gestalten ist. Was haben Sie Ihren Kunden gemeinsam zu bieten, was Sie allein nicht bieten können? Was ist das neue, veränderte Angebot? Fischer: Die Reflektion aus 2 Perspektiven. Wir, fgi und Schuh & Co. zusammen, verkörpern, dass harte Faktoren – sprich Dinge, die man konkret verändern kann: Strukturen, Prozesse – und weiche Faktoren wie Kulturmerkmale, Einstellungen, innere Haltungen und Verhaltensweisen gleichzusetzen und gleichzeitig zu bearbeiten sind. Die Grundregel also: nicht mehr im Hintereinander denken, sondern in Gleichzeitigkeit. Nicht zuerst strukturell beraten und dann irgendwann ein Führungspersönlichkeits-Coaching hinterherschieben. Nur wenn man beides (Strukturelles und Kulturelles) von Anfang an gleichzeitig macht, macht man es richtig. Krumm: Und da machen wir es doch lieber gleich richtig. Fischer: Damit stoßen wir natürlich Lernprozesse an, auch intern. fgi hat zu lernen, dass man auch weiche Dinge hart, sprich: messbar zu machen hat. Umgekehrt muss Schuh & Co. sich darin entwickeln, dass Dinge, die scheinbar total hart sind, weich werden, weil sie von Menschen gemacht werden. Wenn Schuh & Co. mit einer Zahl arbeitet, dann reden sie allerdings schon jetzt nicht so, als wäre die hart. Sondern sie durchleuchten den Prozess, wie diese Zahl zu Stande kommt. Und da sind wir völlig beieinander, denn das ist das, was ich gelernt habe und weiß: Die Zahlenschlachten, die viele Unternehmen führen, haben mit Zahlen nicht so viel zu tun wie mit Macht, Hierarchien, Beziehungen ... Krumm: Womit wir beim Thema Komplexitätsmanagement wären. Komplexitätsmanagement heißt: sich mit Wirkungsnetzen und den Wechselwirkungen zu beschäftigen, und zwar vor dem Hintergrund von Dynamik. Es kann ja heute keiner voraussagen, wohin sich Unternehmen, Branchen, Konzerne entwickeln, wie sich Wettbewerbsparameter verschieben usw. Deshalb rate ich übrigens auch immer zur Vorsicht im Umgang mit Benchmarking. Wenn einer nach einer Kennzahl ruft, bin ich immer sofort im Alarmzustand. Ein Personalchef will zum Beispiel mit 10 Personalern 1000 Leute managen, weil er gehört hat: 5 sind zu wenig, 30 sind zuviel. Das ist zwar eine harte Zahl, sie ist aber nichts wert, wenn der Bezug zur aktuellen Unternehmenssituation fehlt. Denn ich muss ja vor allem die Komplexität des Geschäfts verstehen und auf besondere Notwendigkeiten reagieren. Also sind Zahlen ohne Zusammenhang und ohne die Interpretation des Zusammenhangs ... Krumm: Wertlos. Ja. 9 Was ist das Wichtigste bei Change-Prozessen – so wie Sie sie jetzt gemeinsam angehen? Krumm: Nehmen wir ein Beispiel. Da gibt es einen neuen Vorstand und ein neues Produkt, das gerade dabei ist, etabliert zu werden. Würde fgi den Change allein betreuen, würden sie wahrscheinlich zunächst eine große Veranstaltung realisieren, die Mitarbeiter zusammenbringen, den Chef möglichst glaubwürdige Botschaften senden lassen, eine Aufbruchsstimmung kreieren. fgi würde sich aber nicht darum kümmern, ob dieses Großprojekt rein fachlich vielleicht 7 Teilprojekte braucht oder nur 3; ob es wichtig ist, Produktions- und Supply-Management zusammenzubringen; oder bereichsübergreifend die Mitarbeiter mit Innovationsmanagement zu verknüpfen und ähnliches mehr. Schuh & Co. allein würde sich aber auf genau das konzentrieren. Wir würden dabei sicher mit Elementen einer Mobilisierung und des Einbindens der Leute arbeiten, aber niemals eine hochprofessionelle 400-Leute-Motivations-Veranstaltung inszenieren. „Ich brauche den genauen Blick: Was laufen da in der Organisation eigentlich für Produktionsprozesse?“ Dr. Peter Fischer Weil Sie es nicht können? Krumm: Eher weil in meiner Wahrnehmung die Gefahr der Überkomplexität besteht. Wir pflegen dann die Komplexität zu entzerren, uns auf unverrückbare Fachthemen zu stürzen, zum Beispiel Entwicklungsmanagement als separates Thema zu gestalten. Sie gucken also die Produktion fachlich-ganzheitlich an, aber nicht die Kultur. Krumm: Genau. Und da kommt fgi ins Spiel. Um Innovation und Entwicklung einerseits sowie Kommunikation und Motivation im Sinne eines wirksamen Changes zusammenzuführen, sagen Schuh & Co. und fgi jetzt gemeinsam: Wir brauchen Interventionspunkte. Wir müssen die Mitarbeiter gemeinsam mit den Botschaften des neuen Chefs vertraut machen und die geballte Kompetenz aller nutzen, damit sie sich wechselseitig befruchten. Dafür braucht es eine Veranstaltung mit speziellem Design, mit spezieller 10 Dramaturgie. Von uns kommen dann Überlegungen wie: Wir brauchen vier harte Teilprojekte, die wir auf einem Spannungsbogen miteinander verknüpfen. Von fgi kommen Überlegungen motivationaler, atmosphärischer, psychologischer Art. Wie Einstellungen, innere Haltungen und Verhaltensweisen zu ändern sind etc. Wir arbeiten also gemeinsam an einem Change Design, das jeder von uns allein so umfassend und zielgerichtet nicht hätte gestalten können. Weil es nicht unserer Erfahrung und Ausbildung entspricht. Nun aber ringen wir teamintern und gleichzeitig interdisziplinär um die beste Lösung. Nicht: erst die Struktur, dann die Kultur. Das wäre im übrigen auch gar nicht lean, so wie wir „lean“ verstehen. Ein Grundgedanke des Lean Management ist für uns nämlich von großer Bedeutung: keine Zeit verlieren! Fischer: In der Tat: Ohne die gemeinsame Arbeit mit Schuh & Co. würden wir auf die Hälfte der Interventionsmöglichkeiten in einer Organisation verzichten. Und nur auf die unternehmenseigenen Ressourcen zu vertrauen, reicht heute einfach nicht. Es ist immer klug, an der richtigen Stelle in einer Organisation auf die richtige Weise zu intervenieren. Hätten Schuh & Co. und fgi nicht früher zusammenkommen müssen? Krumm: Müssen vielleicht schon. Aber ich bin 48. Für mich hätte es nicht früher passieren können. Vielleicht war auch die Geschäftswelt noch nicht so weit. Fischer: Ich habe jetzt gar keine Lust mehr, ein großes Veränderungsprojekt ohne die Brille von Schuh & Co. anzugehen. Weil ich ungern einäugig durch die Welt gehe. Ich brauche das zweite Auge, das Realitätsauge. Ich brauche den genauen fachlichen Blick darauf: Was laufen da in der Organisation eigentlich für Produktionsprozesse? Passt das überhaupt noch in die Welt? Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Schuh & Co. deshalb als lustvoll für mich und als hochgradig effizient, effektiv und zielführend für die Unternehmen. Ist Nachhaltigkeit bei Changes möglich? Wie erreicht man sie? Krumm: Durch Zuverlässigkeit und Ausdauer. Bestimmt nicht durch Schnellschüsse. Ein Change in drei Tagen ist eine Unmöglichkeit. Deshalb wollen wir auch gar keine Kostenkiller sein. Wir möchten weiterführend gestaltend einwirken. Dafür nutzen wir unsere Intelligenz. Nicht für Schnellschüsse und Adhoc-Changes. Fischer: Durch Ganzheitlichkeit. Nur wenn es gelingt, in Veränderungsprozessen auf allen Ebenen und in allen Phasen ein gemeinsames Verständnis der angestrebten Veränderungen zu erzielen, gelingt es auch, die richtigen Schritte zu machen. Ganz entscheidend dabei ist die Berücksichtigung der vielen psychologischen Variablen wie Ängste, Machtverhältnisse, Unsicherheiten. Sonst kommt es fast automatisch zu rückwärtsgerichteten Bewegungen. Kann man Changes messen? Wie? Krumm: Changes kann man im Gesamtkontext messen, ja. Voraussetzung: Man kennt das Wirkungsnetz. Aber ohne Wirkungsnetz: nein, keine Chance. Fischer: In dem Bereich, um den wir uns traditionell kümmern, also kulturelle Veränderungen oder Veränderungen von Einstellungen und Verhalten, ist das schwierig: Ich kann, wenn ich das Thema Führung angehe, 360° Feedbacks einholen und Indizes berechnen. Aber die Zahlen sind dann ähnlich interpretationsbedürftig wie die „harten“ Zahlen, die Schuh & Co. erhebt. Wovon ich überzeugt bin, ist, dass wir uns viel mehr mit Messbarkeit beschäftigen müssen; und dass man sich zum Beispiel für das Thema „Führung“ oder das Thema „Diversity“ messbare Kriterien einfallen lassen muss, um genügend Dampf in den Veränderungsprozess zu bekommen. Das ist etwas, das man zu lange vernachlässigt hat in unserem Segment. Auf den Prozess bezogene Messwerte... Fischer: ... Ja. Performance Indicators: An welchen Variablen kann ich quantitativ erfassen, ob eine Entwicklung in die richtige Richtung geht? Sind Sie ein Veränderer, Herr Dr. Fischer? Fischer: Sieht so aus. Zumindest behaupten das die Leute. Ich glaube, mein unternehmerisches Herz lässt mir gar keine andere Wahl. Es fällt mir einfach schwer zu akzeptieren, dass etwas nicht gehen soll. Wen oder was wollen Sie verändern, Herr Dr. Krumm? Krumm: Wie wär’s mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Einstellung dazu in der Gesellschaft? Das erstere entschieden, das zweite zumindest ein bisschen. Dr. Peter Fischer ist Gründer und Managing Partner von fgi – Fischer Group International. fgi ist ein internationales Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg und Satelliten oder Partnern in Boston, Singapur, Tokio und Wien. Es hilft Top Executives und globalen Konzernen – darunter 20 der 30 DAX-Unternehmen in Deutschland – bei der Bearbeitung von Managementthemen aller Art: im Rahmen des Leadership Development, bei Mergers & Acquisitions oder umfassenden Cultural Changes. Als „Management Consultants for Individual and Organizational Development“ fokussiert fgi auf die Menschen und das Unternehmen. fgi interessiert sich einerseits für die Möglichkeiten des Einzelnen, sich im Unternehmen einzubringen - und unterstützt ihn mit vielfältigen Angeboten bei seiner Entwicklung. Andererseits beschäftigt fgi sich mit der zentralen Frage, welche organisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen ein Unternehmen schaffen muss, um erfolgreich zu sein. Auf diese immer auch interdisziplinäre Weise verknüpft fgi Mensch und Organisation. Kontakt Dr. Stephan Krumm Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 11 Auch ein perfekter Schnitt hält nicht ewig – Dauerhafter Erfolg verlangt nach einer regelmäßigen Pflege des Produktprogramms Norbert Große Entrup Die Schuh & Co. bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Gestaltung der Produktkomplexität an: von der Strategischen Zieldefinition bis zur Beherrschung der Life-Cycle-Performance und der Einbeziehung und intrinsischen Motivation aller relevanten Mitarbeiter. Vielfalt beherrschen ist wie Haare schneiden. Einmal im Jahr oder zur Balz ist einfach zu wenig. Wenn man sich nicht kümmert, verkümmern die Chancen. Kunden werden durch neue Produkte in zum Teil neuen Märkten bedient und so mancher noch so individuelle Kundenwunsch wird auch noch berücksichtigt. Über die Zeit steigt die Produktkomplexität in den angestammten Geschäftsfeldern immer mehr und wird fast unüberschaubar. Verschärft wird dieser Zustand noch durch die immer häufiger werdenden Zyklen der Modellwechsel. Schaut man weit genug in der Historie der Unternehmung zurück, findet sich häufig ein Bild eines gesunden Unternehmens mit stabilem Wachstum und ausgeglichenem Produktportfolio. Je näher man jedoch bei seinen Betrachtungen an die Gegenwart 12 herankommt, desto mehr erkennt man, dass sich das Wachstum verlangsamte und schließlich auszubleiben drohte. Man versuchte durch neue Artikel Nischen zu erschließen und mehr Absatz zu generieren. Zusätzlich wurde das Angebotsportfolio erweitert (Werbemittel, Services, etc.). Die Anzahl der Produktionsstätten und der Vertriebsorganisationen vermehrte sich durch Akquisitionstätigkeit und Umsatzsteigerung. Zusätzlich verleitete der gestiegene Qualitätsanspruch zu aufwendigen Problemlösungen. Letztendlich: die Komplexität wuchs, ohne das sich gezielt Gedanken um die sich hierdurch ergebenden Auswirkungen im gesamten Unternehmen gemacht wurden. Immer wieder wird dann versucht, die so gestiegene Produktkomplexität durch klassische Vorgehensweisen zu reduzieren: aus dem Kontext losgelöste ABC-Analysen für einzelne Produktgruppen, Standardisierungsund Modularisierungsansätze, Deckungsbeitragsanalysen, die die wahren Kosten der Vielfalt nicht richtig berücksichtigen, usw. zum Thema Produktkomplexität haben wir eine Vorgehensweise entwickelt, die die Erfolge bisheriger Ansätze übertrifft. Die Schuh & Co. begleitet seit Jahren Maßnahmen und Projekte zur Optimierung der Produktkomplexität. Wir stellen immer wieder fest, dass die klassischen Ansätze nicht ausreichen und auch keine dauerhafte Wirkung erzeugen. Um bei der Analogie zu bleiben: nach erfolgter Frisur liegen zwar Haare auf dem Boden, aber die Kontur stimmt immer noch nicht. Der Kunde, aber auch der Friseur, sind nicht zufrieden. Die im Kern dieser Vorgehensweise liegenden Gestaltungsebenen sind: Ganzheitliche Sichtweisen sind gefordert Alle Anstrengungen sind vergebens, wenn nicht eine ganzheitliche Sicht und eine ganzheitliche Vorgehensweise angewendet werden. Aus unseren Projekterfahrungen der letzten Jahre und aktuellen Studien Die Vorgehensweise besteht aus vier Gestaltungsebenen, die aufeinander aufbauen und sich ergänzen (Abb. 1). 1. Die Produktstrategie: Ziele und Visionen, die sich aus den strategischen Unternehmenszielen ableiten und Auswirkungen auf die Produkt- Prozess- und Organisationsgestaltung haben 2. Die Produktdifferenzierung: diese leitet sich aus externen und internen Gestaltungsoptionen ab und bildet die Basis für die Produktarchitekturgestaltung 3. Die Produktarchitektur: ist die Umsetzung der externen und internen Gestaltungsoptionen in produzierbare wirtschaftlich erfolgreiche Einheiten Gestaltungsebene Elemente Gestaltungsebene Produktstrategie Elemente Ziele & Vision Ziele & GeschäftsVision feldstrategie Produktstrategie GeschäftsWettbewerbsarena feldstrategie Produktdifferenzierung Produktdifferenzierung Produktarchitektur Kultur & Mitarbeiter Kultur & Mitarbeiter USP Markt- und USP Technologieanalyse Markt- und Produktprogramm und Technologieanalyse -funktionen Produktprogramm Funktions- und Architektur-funktionen struktur szenarien FunktionsArchitekturstrukturProduktprogrammkommunalität szenarien SEP Produktprogrammkommunalität Life-Cycle-Performance Life-Cycle-Performance Engagement und Change r ktu stru ons sati ani stem nssy Org uktio Prod r ktu stru ons sati ani stem nssy Org uktio Prod Produktarchitektur Wettbewerbsarena SEP Engagement und Change und Kultur Führung, Steuerung Führung, Steuerung und Kultur Legende: SEP: strategische Erfolgsposition USP: Unique Selling Proposition Legende: SEP: strategische Erfolgsposition USP: Unique Selling Proposition Abb. 1: Gestaltungsebenen auf dem Weg zur optimalen Produktkomplexität 13 4. Die Kultur und die Mitarbeiter: Veränderungsprojekte müssen durch die Betroffenen getragen werden. Neue Denkansätze, sich selbst tragende Entscheidungen und der Wille zur Umsetzung sind wichtige Erfolgsfaktoren bei der langfristig wirksamen Optimierung der Produktkomplexität. Der Rahmen wird durch eine angepasste Organisationsstruktur und ein adäquates Produktionssystem gebildet. Über eine von der Schuh & Co. und der RWTH Aachen gemeinsam entwickelte und in der Praxis bewährte Workshopreihe, inklusive der hierfür erforderlichen vorbereitenden Analysen, werden die Voraussetzungen geschaffen, eine komplexitätsoptimale Produktdifferenzierung herbeizuführen. Hierbei geht es um die strikte Ausrichtung und Fokussierung auf die innovationsträchtige und vom Markt geforderte Vielfalt. 3. Die Produktarchitektur 1. Die Produktstrategie erkennen und gestalten Die Produktstrategie ist eine Ableitung aus der Unternehmensstrategie. Sie legt mittel- bis langfristig fest, wie sich die Produkte erfolgreich am Markt positionieren sollen. Damit hat sie starken Einfluss auf die gesamten Produktdifferenzierungsvorhaben, die Produktionssystemgestaltung und die Organisationsstruktur und muss somit am Anfang jeglicher Überlegungen stehen. Hierbei bedarf es bei der Ableitung der Produktstrategie aus der Unternehmensstrategie einer besonderen Sorgfalt. Genügend Unterstützung bringen hier u. a. wesentliche Bausteine des St. Gallener Managementkonzeptes. Über seine drei Ebenen (das normative, das strategische und das operative Management) lässt sich ein zur Unternehmensstrategie konformes Gesamtbild erzeugen, das gerade im Hinblick auf eine geeignete Komplexitätsstrategie die Produktstrategie ableiten lässt. 2. Die Produktdifferenzierung als Voraussetzung für eine optimal gestaltete Produktkomplexität Die bedienten Märkte haben unterschiedliche Anforderungen an die Produkte. Daher ist bei der Festlegung der Produktdifferenzierung eine adäquate Herangehensweise erforderlich (Abb. 2). Abgrenzung der Geschäftsfeldstrategie Analyse der Wettbewerbsarenen Identifikation der SEPs Abb. 2: Sechs Schritte zur Produktdifferenzierung 14 Bei der Gestaltung der komplexitätsoptimalen Produktarchitektur kommen weitere vier Schritte zum Einsatz. Bildung der Funktionsstruktur Aufbau von Architekturszenarien Festlegung der Produktprogrammkommunalität Sicherstellung der Life-Cycle-Performance Bei der Produktarchitekturgestaltung gilt es, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Es geht hier rein um die Umsetzung der geforderten Produktprogramme und Produktfunktionen. Doch häufig findet sich hier in der Industrie der Hang zum „Happy Engineering“. Gibt es doch keine Aufgabe an die Umsetzung, die nicht noch eleganter und ausgefeilter realisiert werden kann. Ganz vergessen werden hier häufig die Nutzwertanalyse und die Fokussierung auf das wirklich Geforderte. Zur Gestaltung der geeigneten Funktionsstruktur und zur Bildung und Bewertung von Architekturszenarien hat die Schuh & Co. einzigartige softwareunterstützte Methodenbausteine entwickelt. Zunächst werden über ein Matrizengeflecht die geforderten Produktfunktionen in physische Komponenten unter Berücksichtigung von Architekturszenarien umgesetzt (Abb. 3). Hierbei kommt die Software „Complexity Manager“ zum Einsatz. Die Funktionsstruktur wird zur weiteren Optimierung aufgenommen und visualisiert. Ist hier Identifikation der USPs Markt- und Technologieanalyse Produktprogramm und -funktionen Kunden Märkte Technologien Wettbewerber Gesetze Anforderungen Konzepte Technische Funktionen Architekturdefinition Produktprogramm Kommunalität Produkt- Physikalische spezifikation Komponenten Schnittstellendefinition Physikalische Komponenten Abb. 3: Die Produktarchitektur ist mit ihrer Regellogik kundengerecht, konfliktfrei und durchgängig zu gestalten ein Optimum erreicht, geht es im nächsten Schritt um die Umsetzung des Geforderten in physische Komponenten. Auch hierbei hilft der Complexity Manager, der es überhaupt erst ermöglicht, in einer frühen Phase Vielfaltsauswirkungen auch in der Produktion und der Supply Chain zu visualisieren und zu optimieren. Auf der Basis der getroffenen Entscheidungen wird die Produktprogrammkommunalität festgelegt. Diese regelt die Verwendung und Wiederverwendung von einzelnen Bauteilen und Modulen im gesamten Produktprogramm. Ebenso werden KPIs festgelegt, die zur Erreichung einer hohen Life-Cycle-Performance notwendig werden. Auch wenn man in einem bestehenden Produktprogramm die Produktkomplexität noch verbessern möchte, ist das Instrument der Life-Cycle-Performance das Richtige. Abbildung 4 zeigt die Vorgehensweise und die wesentlichen Methodenbausteine hierzu. 4. Die Kultur und die Mitarbeiter Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass beim Aufbau einer neuen Produktfamilie oder bei der Erhöhung der Life-Cycle-Performance einer bestehenden, Barrieren in der Kultur, in der Zusammenarbeit und in der Führung auftreten. Diese Barrieren verhindern es, dass ein nachhaltig komplexitätsoptimales Produktportfolio entstehen kann. Bei solchen Veränderungsprojekten, denn das sind solche Komplexitätsoptimierungsvorhaben wahrlich, kommt es in besonderer Weise auf die sensible Einbeziehung der Organisationen und deren Mitarbeiter an. Ist doch die Vielfalt ehemals bewusst und zum Wohle der Unternehmung entschieden worden. Warum sollte eine Optimierung jetzt herbeigeführt werden, wo doch das Geld für die Entwicklung und Realisierung bereits ausgegeben wurde und sich immer wieder Kunden finden lassen, die die karierten Maiglöckchen bevorzugen? Unter der Einbeziehung von Expertenwissen über Menschen in Veränderungssituationen wurden Vorgehensweisen entwickelt, die an das jeweilige kulturelle Umfeld eines Unternehmens angepasst werden können. Nur wenn dies gelingt, kann eine nachhaltige optimale Produktkomplexität erreicht werden. 15 Life-CyclePerformance Werthebel Variantenmanagement etablieren Innovationsprozessgestaltung Rollout ABC-Analyse DB-Analyse Gemba-Walk Produktdifferenzierung 4-6 Wochen KPKVP Nachhaltigkeit der Maßnahmen Marktkonforme Produktkomplexität Effiziente Zusammenarbeit Vertrieb / Entwicklung / Produktion Bewertungssystematik Rollout KPI´s Bewertungsmethodik Sortimentsbereinigung Rollout Erhöhung des Deckungsbeitrags Steigerung der Liquidität Rollout Quick-Wins konkrete Handlungsempfehlungen Analyse der Produktkomplexität Instrumente: (Auszug) Rollout Produktfunktionsanalyse Produktarchitekturanalyse Wertanalyse Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung BSC 3-6 Monate Legende: BSC= Balanced Scorecard KPKVP= Kontinuierlicher Produktkomplexitäts-Verbesserungs-Prozess Zeit Rollout Management Prozessanalyse Mental Milestones 6-9 Monate laufend 4-6 Monate Pilot Rollout Abb. 4: Bausteine zur Erreichung einer hohen Life-Cycle-Performance Der Rahmen Produktkomplexität bleibt nicht von alleine optimal, sie wächst immer wieder nach. Daher ist es erforderlich, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen. Es müssen Verantwortlichkeiten geschaffen werden, um eine fortwährende Optimierung zu betreiben. Es verhält sich wie bei den Haaren: hört man über ein paar Wochen, sogar Monate auf, zum Friseur zu gehen, ist die optimale Kontur nicht mehr zu erkennen. Ein erneuter Radikalschnitt ist erforderlich, der in Summe zu höherem Aufwand und zu geringeren Chancen führt, aber letztendlich unabdingbar ist. Nachhaltig erfolgreich sein – Vier Handlungsempfehlungen Damit die Produktkomplexität nachhaltig optimal gestaltet bleibt, sind vier wesentliche Aspekte zu berücksichtigen: 1. Die Produktstrategie muss konform zur Unternehmensstrategie sein. 2. Die Produktkomplexität muss klar an Markt und Kunde ausgerichtet sein. 3. Die Umsetzung der Produktfunktionen in physische Komponenten muss nach einer nachvollziehbaren Systematik erfolgen. Ziel ist eine hohe Life-CyclePerformance. Kontakt Norbert Große Entrup Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 16 4. Die Unternehmenskultur und die Mitarbeiter sind adäquat einzubeziehen. Komplexitätsmanagement in der Automobilindustrie Dr. Stephan Krumm / Marcus Rennekamp „Es sieht so aus, als ob ein komplexes Zusammenspiel zwischen Produktionskapazitäten, Produktkomplexität, Fehlern, Pech und Arroganz zu den gegenwärtigen Problemen geführt hätte. […] Im weiteren Sinne sind die Probleme bei Toyota für mich Teil eines größeren „Krieges“, nämlich zwischen Komplexität von Produkten und organisatorischen Fähigkeiten“ (Prof. Fujimoto, Tokyo-University, Produktionsexperte und Toyota-Kenner) Wer Top-Entscheider in der Automobilindustrie nach den aus ihrer Sicht wesentlichen unternehmerischen Herausforderungen der nächsten 20 Jahren befragt, stößt nicht selten im ersten Satz auf den Begriff der Komplexität und deren stetiges Anwachsen, dem gegenüber man sich machtlos fühlt. Steigende Komplexität als unternehmerische Herausforderung in der Automobilindustrie Doch woher kommt diese Wahrnehmung? Gern zitiertes Beispiel für diesen Anstieg ist z. B. die Steigerung der Produktprogrammkomplexität in Form der Steigerung der Vielfalt von Modellen sowie Aufbauund Ausstattungsvarianten in den letzten 30 Jahren. Während früher ein übersichtliches Sortiment, beispielsweise aus Mittelklasse- und Oberklasse-Limousine, Coupé, Cabrio und Geländewagen ausreichte, den Markt für Automobile zu bedienen, ist heute eine deutliche Fragmentierung der Märkte zu verspüren, auf die die Automobilhersteller mit einer Vielzahl von Modellen reagieren. Allein in Deutschland sind zurzeit über 500 verschiedene Modelle auf dem Markt. Auf dem hier stark gesättigten Automobilmarkt richten die Hersteller Modelle und Ausstattungsvarianten immer spezifischer an den individuellen Bedürfnissen einzelner Nischenmärkte durch individuelle Mobilitäts- und Lifestyle-Lösungen jenseits des Standards aus. Während früher der Anteil der Nischenfahrzeuge, wie zum Beispiel SUV, Geländewagen, 4-sitzige Cabriolets und Modelle an der Schnittstelle von PKW und Nutzfahrzeug, 15 % der Zulassungen ausmachte, sind es heute schon über 27 %. So hat beispielsweise Mercedes Benz seine Produktpalette an Personenkraftwagen von ursprünglich 5 Typen in den 80er Jahren bis heute auf über 20 Modelle erweitert. Eine weitere Auffächerung steht bevor. Doch damit nicht genug. Nicht nur die Vielfalt an Produkten und Produktvarianten hat deutlich zugenommen, sondern auch die Dynamik der ModellLebenszyklen. Während die Lebensdauer des ersten VW-Golf noch bei 10 Jahren lag, liegt sie heute nur noch bei ca. 6 Jahren. Diese enorme Steigerung der Produktkomplexität hat zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Wertschöpfungsprozesse der gesamten Zulieferkette. Eine erschlagende Vielzahl von verschiedenen Bauteilen und Komponenten muss vorgehalten und bewirtschaftet werden. So ist es nicht selten, dass selbst innerhalb einer Modellreihe eine unüberschaubare Komponentenvielfalt in der Montage entsteht. Diese Montagekomplexität verursacht im Unternehmen zum einen enorme Aufwände in Form von Komplexitätskosten in den indirekten Bereichen, zum anderen werden mit jeder zusätzlichen Bauteilvariante wertvolle Potenziale zur Nutzung von Skaleneffekten in der Beschaffung und Produktion verschenkt. Doch auf der anderen Seite entsteht gerade durch Wettbewerber in asiatischen Ländern wie China ein enormer Wettbewerbsdruck auf die Herstellkostenstrukturen der europäischen, nord-amerikanischen und japanischen Hersteller, der gerade ein Nutzen solcher Skaleneffekte nahezu zwingend erforderlich macht. Auch die Funktions- und Technologiekomplexität des Automobils steigt weiter stark an. Ursachen hierfür sind unter anderem in der stärkeren Vernetzung der einzelnen Fahrzeugkomponenten, z. B. von aktiven und passiven Sicherheitssystemen und der Verschmelzungen der Fachdisziplinen „Mechanik“, „Elektronik“ und „Software“ bei der Forschung und Entwicklung zu finden. Ein weiterer Komplexitätstreiber ist die zunehmende Bedeutung alternativer elektrischer Antriebskonzepte. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie wird erwartet, dass der Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben in Deutschland bis zum 17 Jahr 2020 auf bis zu 375.000 pro Jahr steigen wird. Die Zunahme der hierfür zu beherrschenden meist neuartigen Produkt- und Produktionstechnologien wird ebenfalls einen Komplexitätstreiber der nächsten Jahre darstellen. Komplexitätstreiber für die Automobilindustrie sind nicht zuletzt auch die Effekte der Globalisierung und die zunehmend stärkere Integration der Zulieferer in den Wertschöpfungsprozess, die hohe Anforderungen an die Funktionsweise der Unternehmensprozesse in Bezug auf die Koordination verteilter Standorte und die Beherrschung kultureller Probleme stellen. Gegenüber Anfang der 90er Jahre hat sich die Anzahl der ausländischen Fertigungsbetriebe und Lizenznehmer deutscher Automobilunternehmen mehr als vervierzehnfacht und ist auf 2.000 Betriebe angestiegen. Allein deutsche Zulieferer sind an 600 Fertigungsstätten in Westeuropa und jeweils 300 Standorten in Mittel- und Osteuropa und im NAFTA-Raum engagiert. Dieser Trend ist zweifelsfrei nicht branchenspezifisch: Allein eine moderne elektrische Zahnbürste hat auf ihrem Weg zum Kunden, rechnet man die Transportwege jeder einzelnen Komponente zusammen, einen Weg von mehr als 27.000 km zurückgelegt. Wir sprechen hier von einer weiteren Dimension unternehmerischer Komplexität, der Netzwerkkomplexität. All diese Effekte resultieren in einer Gesamtkomplexität, die exponentiell ansteigt und dadurch eine neue Abb. 1: Dimensionen unternehmerischer Komplexität 18 Herausforderung für die unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Prozesse darstellt (Abb. 1). Besonders in der exportorientierten deutschen Automobilbranche sind Produktinnovationen und eine effiziente Produktentwicklung auch in Zukunft von wettbewerbsentscheidender Bedeutung, um auch zukünftig internationale Spitzenpositionen sichern und verteidigen zu können. Die Beherrschung der hieraus resultierenden Komplexität wird damit zum wesentlichen Faktor für den Markt- und Unternehmenserfolg im Verbund zwischen OEM’s und Zulieferunternehmen und zur zentralen Aufgabe des Top-Managements dieser Unternehmen. Zur Beherrschung der unternehmerischen Komplexität unterscheiden wir dabei vier Handlungsfelder des Komplexitätsmanagements (Abb. 2): 1. „Optimale Vielfalt am Markt“ meint die konsequente Ausrichtung des Produktportfolios auf die Anforderungen des Marktes durch aktive Gestaltung von Sortimentsbreite und -tiefe. 2. „Optimale Produktstruktur“ meint die Abbildung der vom Markt geforderten Produktvielfalt mit einer möglichst geringen internen Teilevielfalt durch intelligente Produktstrukturen in Form von Integralbauweisen, Plattformen und Baukästen. 3. „Optimaler Wertstrom“ meint die Ausrichtung aller Wertschöpfungsprozesse auf den Wert aus Sicht des Kunden und die Vermeidung prozessbedingter Überkomplexität und Verschwendung mit dem Ziel einer möglichst gleichmäßigen Kapazitätsauslastung sowohl in direkten als auch in indirekten Unternehmensbereichen. 4. „Optimale Ressourcenstruktur“ meint die Anpassung der globalen Standort- und Organisationsstruktur auf die Anforderungen des Marktes unter bestmöglicher Nutzung lokaler Know-how- und Faktorkostenvorteile. An dieser Stelle wird deutlich, dass Komplexitätsmanagement keinesfalls als isolierte Methode zur Reduzierung von Produktvarianten und Sachnummern verstanden werden darf, sondern vielmehr als ein effektives Instrument zur Ausrichtung der im Unternehmen vorgehaltenen internen Komplexität auf die durch Markt- und Wettbewerbsbedingungen erforderliche externe Komplexität. Oder anders gesagt: „Es kommt auf den Fit an!“. Die Frage, welche spezifischen Problemstellungen in den jeweiligen Handlungsfeldern für Unternehmen relevant und welche Lösungsmöglichkeiten geeignet und sinnvoll sind, ist ohne Zweifel nicht für die gesamte Automobilbranche einheitlich zu beantworten: Aus Sicht des Komplexitätsmanagements lassen sich drei Segmente mit jeweils völlig unterschiedlichen Herausforderungen und Problemstellungen in Bezug auf das Management von Komplexität unterscheiden. Herausforderungen in den Innovationsmärkten der Triade: Westeuropa, Japan und Nordamerika Innovationsmärkte zeichnen sich durch einen hohen Innovationsdruck aus, der durch einen verschärften Differenzierungswettbewerb der Anbieter erzeugt wird. Typisches Beispiel hierfür ist der Premium-Markt für PKW, den sich zur Zeit vor allem die deutschen Hersteller teilen. Der Zeitraum, für den technologische Innovationen ein Alleinstellungsmerkmal sicherstellen, wird hier immer kürzer. Bestes Beispiel hierfür ist das ABS. Das einst revolutionäre und der Oberklasse vorbehaltene Antiblockiersystem hat nach ca. 20 Jahren eine nahezu vollständige Marktdurchdringung erreicht. Zum Vergleich: ESP erreichte diese Durchdringungsrate bereits nach 10 Jahren! Abb. 2: Gestaltungsbereiche des Komplexitätsmanagements Der Premium-Anspruch der deutschen Hersteller bedingt, technologisch einen Schritt vor dem Markt zu sein. Gleichzeitig müssen einerseits die gegenüber dem Kunden mit einer stets starken Marke gegebenen Qualitätsversprechen eingehalten und andererseits die eigenen Kosten in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Aus den bisher genannten Gründen sind Konzept- und Technologieinnovationen für Anbieter in Innovationsmärkten wesentlich wichtiger als schlichtweg die Einführung neuer Modelle. Als wichtigste Komplexitätsmanagement-Fähigkeit, vor allem in Innovationsmärkten, hat sich die Vielfaltsbeherrschung in Form von Wiederverwendungsstrategien erwiesen, die eine intelligente modulare Produktarchitektur voraussetzt. Das Komplexitätsmanagement dieser Unternehmen muss daher ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung derivatfähiger Produktarchitekturen legen, und zwar in allen Architekturdimensionen: Physisch, aber gerade auch technologisch und in Bezug auf den Produktionsprozess. Die Beständigkeit einer solchen Produktstruktur wird maßgeblich durch den Lebenszyklus des Produktes beeinflusst. Aufgrund der immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen und des steigenden Kostendrucks wird jedoch zunehmend versucht, den Produktstrukturlebenszyklus vom Produktlebenszyklus zu entkoppeln. Dazu wurde in der Vergangenheit auf Plattformkonzepte zurückgegriffen, die die Nutzung von Kommunalitäten in Form von Gleichteilen über mehrere Produktlebenszyklen hinweg ermöglichen. Plattformkonzepte sind heute bei nahezu allen Automobilherstellern üblich. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich das Plattformkonzept von Volkswagen. 19 In der Vergangenheit wurden Baureihen insbesondere in der europäischen Automobilindustrie nach unterschiedlichen Vorgaben auf der Basis unterschiedlicher Architekturen bzw. Strukturen sowie unter Einsatz unterschiedlicher technischer Lösungen individuell entwickelt. Risiken der Plattformstrategie liegen in der Gefahr der fehlenden Differenzierung durch Entwicklung immer mehr ähnlicher Varianten auf einer Plattform unter verschiedenen Marken, wodurch eine Kannibalisierung innerhalb des Produktspektrums auftreten kann. Zudem hat sich eine Spreizung der Preise und Durchsetzung einer klaren Preishierarchie mit plattformähnlichen Produkten in einem Segment als schwierig erwiesen. Ohnehin wird der ersten Generation von Plattform-Ansätzen eine zu starke Orientierung an Segmenten und Fahrzeugklassen vorgeworfen. Zukünftig werden Unternehmen stärker dazu übergehen, die unterschiedlichen Baureihen aus einem gemeinsamen, skalierbaren Modulkasten heraus zu entwickeln (Abb. 3). Das Baukastenprinzip erweitert das Kommunalitätsverständnis gegenüber dem Plattformansatz, in dem unter anderem Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Produktfamilien berücksichtigt werden. Kommunalitäten können sowohl im aktuellen Produktprogramm als auch zwischen Vorgängern und Nachfolgern realisiert werden. Durch eine Entkopp- Abb. 3: Prinzip des Modulbaukastens 20 lung der Entwicklungszyklen im Sinne eines „ReleaseEngineering“ ergibt sich eine hohe Aktualität bzw. Innovativität aller Produkte, die aufwandsoptimal umgesetzt werden kann. Diese Kommunalitäten können auf verschiedenen Ebenen erzielt werden. Neben der physischen Kommunalität sind ebenso Kommunalitäten in Bezug auf Anforderungen, Funktionen oder Produkteigenschaften denkbar. Je heterogener die im Baukasten umgesetzten Anforderungen, desto eher sind neben der physischen Kommunalität auch weitere Kommunalitätsebenen zu erschließen. Die technologische Kommunalität ermöglicht die Maximierung des Technologie-Benefits, während die Kommunalität auf der Ebene der Anforderungen, Funktionen und Produkteigenschaften die schnelle Realisierung gewährleistet (Abb. 4). Der wesentliche Vorteil einer Modulstrategie liegt in der fahrzeugklassen- und typenübergreifenden Nutzung von Modulen. Dadurch ergeben sich erhebliche Synergien bei der Entwicklung der Module einerseits und der Einführung neuer Produkte andererseits. Diese machen sich in einer drastisch reduzierten Time-to-market und kontinuierlichen Kostensenkung bemerkbar. Ferner lassen sich durch einen Modulbaukasten wesentlich leichter und vor allem kostengünstiger Nischenmodelle ableiten. Durch die verbesserte Nutzungsdauer von Technologien lassen sich erforderliche Investitionen besser ausschöpfen. Abb. 4: Ebenen von Kommunalitäten Die kommunale Produktarchitektur eines Baukastens muss mit einer Regellogik kundengerecht, konfliktfrei und durchgängig aufgebaut werden. In der Praxis sehen sich Unternehmen hierbei enormen Herausforderungen gegenübergestellt. Zum einen ist die Entwicklung von Fahrzeugen in der Regel traditionell in spezifischen, baureihengebundenen Projekten organisiert, was die konsequente Nutzung von Kommunalitäten durch unabgestimmte Prozesse in der Vor- und Serienentwicklung behindert. Zum anderen erfolgt die Entwicklung von Baukästen heute methodisch noch vielfach eher auf rein intuitiver Basis – systematische Prozesse sind selten etabliert. Lösungsmöglichkeiten bestehen in der Gestaltung und organisatorischen Implementierung eines übergreifenden Produktarchitektur-Entwicklungsprozesses (PAEP), dem zweiten wichtigen Erfolgsfaktor. Kennzeichen dieses „PAEP“ ist, dass dieser neutral von den eigentlichen Produktentwicklungsprozessen verläuft und diese vielmehr in Form von Zeit- und Strukturvorgaben dominiert (Abb. 5). Komplexitätskostenpotenziale in der Produktion können nur durch die Synchronisation der Produktbaukästen mit sogenannten Prozessbaukästen vollständig erschlossen werden. Hierbei werden die Auswirkungen der Änderungstreiber in der Produktstruktur auf die einzelnen Bearbeitungsschritte in der Fertigung und Montage analysiert und hinsichtlich ihrer Kostenwirkung bewertet. Aufgrund der auf diesem Wege gewonnen Transparenz lassen sich nicht nur Herstellkosten und Investitionen in Betriebsmittel, ausgehend von der Produktstruktur, ganzheitlich optimieren, sondern auch eine messbare Steigerung der Prozessreife und -qualität erzielen (Abb. 6). Eine weitere wichtige Herausforderung in den Innovationsmärkten betrifft die Ressourcenstruktur der Unternehmen. So müssen sich OEM’s in diesem Segment stark auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, ihre Integrationsfähigkeit von Zulieferern erhöhen und diese, wo möglich, zu Modullieferanten weiterentwickeln. Ein Fall, bei dem diese Integration besonders fruchtbar war, ist das Beispiel der Firma BROSE. Während BROSE in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts namhafte Automobilhersteller mit zunächst manuellen, später auch mit elektrischen Fensterhebern belieferte, begann man in den 80er Jahren, den Lieferumfang kontinuierlich in Richtung kompletter Module zu erweitern: So wurde 1987 erstmals ein integriertes Türmodul bestehend aus Fensterheber, Scheibe, Scheibenführung und Aufprallschutz, damals in einem AUDI 80, verbaut. Bis heute hat BROSE durch enge Kooperation mit seinen OEM’s weitere Funktionen, wie Lautsprecher, Schließsysteme, Dichtungen und Steuerungselemente in das Tür-Modul integriert und sich so zu einem erfolgreichen Systemlieferanten entwickelt. Herausforderungen in den Volumenmärkten wie den BRIC-Staaten Kennzeichen der Volumenmärkte ist eine hohe Preissensitivität der Kunden, die zu einem starken Kostendruck auf Anbieterseite führt. Beispiel hierfür ist der recht neue Markt für PKW im Ultra-Niedrigpreis- 21 Abb. 5: Prinzip des Produktarchitektur-Entwicklungsprozess (PAEP) Segment deutlich unter 10.000 Euro. Auch in Europa, aber vor allem global in Märkten wie Indien, verzeichnet dieses Segment ein enormes Wachstum. Anbieter, die sich in diesem Märkten behaupten wollen, stehen vor ganz anderen Herausforderungen: Billigstfahrzeuge verändern die Entwicklungs-, Fertigungs- und Einkaufsparadigmen der globalen Fahrzeugindustrie. Bis vor wenigen Jahren war es ausreichend und sehr lukrativ, die Chancenmärkte wie Brasilien, China oder auch Südafrika mit Fahrzeugmodellen zu bearbeiten, „Dreh- und Angelpunkt des Komplexitätsmanagements in Innovationsmärkten ist eine flexible modulare Produktarchitektur, die Kommunalitäten auf allen Ebenen ermöglicht.“ 22 Dr. Stephan Krumm die in den hart umkämpften Märkten der Triade aus Gründen des Designs und der technischen Ausstattung nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Beispiel hierfür ist der VW-Käfer, der nach Auslauf im Heimatmarkt für den Markt in Brasilien und Mexiko weiterhin produziert und verkauft wurde, oder analog der Golf 1 in Südafrika oder VW Santana in China. Anbieter und auch Zulieferer in diesem Segment müssen Produkte heute jedoch aus den Heimatmärkten nicht nur technisch „entfeinern“, um die Kosten den lokalen Kaufbereitschaften anzupassen, sondern gleichzeitig in Anmutung und in der Ausstattung dafür Sorge tragen, dass die Kunden dort nicht das Gefühl haben, in einem Auslaufmodell zu fahren. Die Zauberformel lautet hier „Punktgenaues Treffen von technischen Kundenanforderungen und Preisniveau“. Wichtiger Ansatzpunkt ist auch hier die Produktarchitektur, jedoch unter einer anderen Prämisse: Nämlich Kostenvorteile aus den Skaleneffekten eines integriertem Produktdesigns sowie Sourcing und Produktion an Low-Cost-Standorten ausreichend nutzen zu können. Hierzu ist in der Regel eine angepasste Entwicklungsorganisation jenseits der sonst üblichen Konzernprozessen und -strukturen erforderlich. Herausforderung der Investitionsgüter-Märkte Die Märkte für Investitionsgüter, wie zum Beispiel die der schweren LKW, folgen wiederum gänzlich anderen Abb. 6: Prinzip des Prozessbaukastens am Beispiel eines „Weiße-Ware“-Produktes Wettbewerbsmechanismen, die eher mit denen der Werkzeugmaschinen-Branche zu vergleichen sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass die dominanten Kaufargumente hier, stärker als in anderen Automobilmärkten, in wirtschaftliche Überlegungen wie den Total-Cost-of-Ownership liegen und damit wesentlich andere Produktanforderungen, wie zum Beispiel die „Langlebigkeit“, in den Vordergrund treten. Allein die vielfältigen national und regional festgelegten gesetzlichen Regelungen stellen einen wesentlichen Komplexitätstreiber dieser Unternehmen dar, da sich hierdurch oft zwangsläufig die Notwendigkeit zur Einführung neuer Produktvarianten ergibt. Gerade im Bereich regulatorischer bzw. technischer Anforderungen gibt es teilweise willkürliche Regelungen, die gegen Fahrzeug-Importe gerichtet sind und die inländische Produzenten vor ausländischer Konkurrenz schützen. Die Vielzahl von gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen machen häufig kostenintensive Produktanpassungen oder Zulassungsverfahren notwendig. Komplexität entsteht dadurch einerseits durch die Heterogenität und andererseits durch die häufigen Änderungen fahrzeugtechnischer Vorschriften. Herausforderungen im Komplexitätsmanagement dieser Unternehmen liegen daher in der intelligenten Nutzung von Kommunalitäten über Länder, Regionen und Marken hinweg. Die Realisierung von Kommunalitäten im nationalen und internationalen Kontext weist fundamentale Unterschiede auf. Im internationalen Kontext ist die Zahl der Einflussfaktoren, die darüber bestimmen, ob die Realisierung einer Kommunalität möglich und sinnvoll ist, um ein Vielfaches größer. Gleichzeitig ist die Umsetzung von Kommunalitäten schwieriger, da die Landesgesellschaften häufig eine gewisse Autonomie in Fragen der F&E besitzen. „In Volumenmärkten geht es um ein punktgenaues Treffen von Kundenerwartungen und Preisniveau durch eine variantenarme Produktstruktur.“ Marcus Rennekamp 23 Abb. 7: Ein Schalenmodell zur Charakterisierung und Priorisierung von Kommunalitäten Wesentlicher Erfolgsfaktor hierfür ist die Frage, inwiefern es Unternehmen gelingt, Informationsasymmetrien in der Entwicklungsorganisation zu überwinden. In der Praxis hat sich für die methodische Unterstützung durch die Visualisierung, Charakterisierung und Priorisierung von Kommunalitäten ein Schalenmodell bewährt. Auf Basis der Unterscheidung verschiedener Kommunalitätsformen und Koordinationsmechanismen kann eine Charakterisierung einzelner Module bzw. Komponenten im Schalenmodell vorgenommen werden. Die Charakterisierung dient dazu, den Umgang mit einzelnen Modulen bzw. Komponenten zu bestimmen und diese global verbindlich zu deklarieren, den Landesgesellschaften zur Verfügung zu stellen oder Informationsaustausch vor und während der Entwicklung zu organisieren (Abb. 7). Fazit Die dargestellten Beispiele und Methoden zeigen, dass die Frage, wie Unternehmen der Automobilindustrie den zunehmenden Komplexitätsanstieg in ihren Produkten, Technologien und ihren Wertschöpfungsnetzwerken beherrschen können, nicht für die gesamte 24 Branche einheitlich beantwortet werden kann, sondern stark abhängig ist vom Markt und Wettbewerbsumfeld des Unternehmens (Abb. 8). In Innovations-Märkten liegt die Herausforderung in der Realisierung von Kommunalitäten auf verschiedenen Ebenen durch Produkt- und Prozessbaukästen mit dem Ziel einer gesteigerten Innovationsfähigkeit. In Volumenmärkten wie den BRIC-Staaten ist hingegen ein präzises Treffen von Kundenanforderung bei gleichzeitiger Erschließung von Skaleneffekten durch möglichst variantenarme Produktstrukturen und die Nutzung lokaler Kostenvorteile sicherzustellen. Nicht nur, aber „In InvestitionsgüterMärkten muss Komplexitätsmanagement die intelligente Nutzung globaler Kommunalitäten gewährleisten.“ Dr. Stephan Krumm Abb. 8: CEO-Agenda zur Schwerpunktsetzung des Komplexitätsmanagements gerade auch in Investitionsgüter-Märkten gilt es, durch den Aufbau variantenarmer Produktarchitekturen die intelligente Nutzung von globalen Kommunalitäten zu ermöglichen. Doch so unterschiedlich die Anforderungen jedes Einzelnen sein mögen: Komplexitätsmanagement ist und wird in den nächsten Jahren ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Automobilindustrie sein. Wer sich dabei auf eine bloße Reduzierung von Sachnummern beschränkt, wird langfristig verlieren, denn es kommt, wie so oft, auch hier auf den „optimalen Fit“ an: Und zwar von Vielfalt am Markt, Produktstruktur, Wertstrom und Ressourcen. Weiterführende Literatur: Schuh, G.; Arnoscht, J.; Lenders, M.; Rudolf, S.: Effizienter innovieren mit Produktbaukästen: Studienergebnisse und Leitfaden - ein Beitrag zu Lean Innovation, WZL-RWTH Aachen Eigendruck, Aachen, 2010 Schuh, G.; Deger, R.; Jung, M.; Meier, J.; Lenders, M.: Managing Complexity in Automotive Engineering: Ergebnisse der Studie, WZL-RWTH Aachen Eigendruck, Aachen, 2008 Schuh, G.: Produktkomplexität managen: Strategien - Methoden – Tools, 2. überarb. und erw. Aufl., Hanser Verlag, München, 2005 Gottschalk, B.; Kalmbach, R. (Hrsg.): Mastering the automotive challanges; sv coporare media, München, 2006 Wimmer, E.; Schneider, M.; Blum, P.: Antrieb für die Zukunft: Wie VW und Toyota um die Pole Position ringen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 2010 Krumm, S.; Rennekamp, M.: Baukasten für Erwachsene - Bei der Entwicklung innovativer Autos muss die Komplexität beherrscht werden; in: Innovationsmanager , Heft 15, 09/2011 Kremer, A.; Rennekamp, M.: Komplexitätsbeherrschung erfordert gezielte Architekturentscheidungen, in: Complexity Management Journal, Ausgabe 3/2011, Schuh & Co. Komplexitätsmanagement, Aachen, 2011. Kontakt Dr. Stephan Krumm Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 25 Variantenmanagement: Der Complexity Manager schafft Transparenz Michael Friedrich Zahlreiche Anwendungsfälle aus der Praxis zeigen immer wieder, wie mühsam der Umgang mit der Variantenvielfalt nach wie vor ist. Seien es die Prozesse im Unternehmen, die von der Produktvielfalt geprägt sind, seien es die Kosten, die ausufern, oder sei es die ungeheure Datenvielfalt und -komplexität: Die dringend notwendige Transparenz über die anwachsende Produktvielfalt scheint unerreichbar weit weg. Wo soll man da beginnen? Wo ist der Anfang des „roten Fadens“, an dem man sich erfolgreich orientieren kann? Operative Planung und Beherrschung der Variantenvielfalt bung des Problems, sondern auch zu seiner Verschlimmerung. Das Problem weicht nicht, es wächst! Man steht vor einem riesigen Berg Arbeit und wagt kaum, den ersten Schritt zu tun. Eine Vorsicht, die Zweiflern und Bewahrern Tür und Tor öffnet: Soll man nicht lieber alles beim Alten lassen? Die Geschäfte laufen doch, man hat doch gar keine Zeit, sich um so heikle Themen wie Variantenbereinigung zu kümmern. Nachher werden Kunden abgeschreckt, wenn sie „ihre“ Produkte nicht mehr bekommen. Das ist doch fatal für den Umsatz! Den Einstieg zu finden ist bekanntlich am schwierigsten. Gerade hier bildet der Einsatz der geeigneten Methoden und Werkzeuge genau die Brücke, um die Untiefen der „Angst“ vor dem Lostreten einer „Variantenlawine“ zu überwinden. Vorausschauendes Handeln ist gefragt, gerade wenn es einem Unternehmen (noch) gut geht. Aktion statt Reaktion ist das Leitmotiv. Ertrags- statt Umsatzdenken steht im Vordergrund. Ein „lieber nicht dran rütteln“ führt dagegen nicht nur zu einer zeitlichen Verschie- Zwei-Sichten Ansatz im Variantenmanagement In mehr als 20 Jahren und in über 100 Projekten, die die Schuh & Co. in verschiedenen Branchen durchgeführt hat, haben sich zwei Betrachtungswinkel der Produktvielfalt bewährt: Die externe und die interne Komplexität (Abb. 1). Abb. 1: Externe und interne Komplexitätssicht auf die Produktvielfalt 26 Die Marktsicht (externe Komplexität): Die Beschreibung des Produktes durch die kundenrelevanten Merkmale und Ausprägungen liefert zunächst den Überblick, wie viele Varianten für das Produkt zu berücksichtigen sind. Die Leitfragen hier sind: Was ist am Markt hinsichtlich Produktausstattung notwendig, was wird vom Kunden wirklich gewünscht und was ist überflüssig? Durch diese Sichtweise wird sichergestellt, dass eben das Angebotsspektrum für die tatsächlichen Marktbedürfnisse keineswegs eingeschränkt wird, es wird lediglich vom Ballast befreit, den ohnehin niemand wollte und der keinen Beitrag zum Betriebsergebnis geleistet hat. Der Leitsatz hier lautet also: „So wenig Varianten wie möglich, so viele wie nötig“. Die Transparenz über die externe Komplexität kann mit dem Complexity Manager Modul F (dt. Merkmalbaum oder engl. Feature Tree) schnell geschaffen werden. Die Definition der variantenrelevanten Merkmale, ihrer Ausprägungen sowie die Formulierung bestimmter Regeln, die technische oder marktseitige Einschränkungen in der Kombinatorik der Merkmalsausprägungen berücksichtigen, ist zügig eingearbeitet. Im Falle importierter Daten werden diese Regeln auch auf Wunsch automatisch generiert. In Abbildung 2 wird verdeutlicht, welche Merkmalsausprägungen eines Ölfilters für den Kunden wichtig sind, welche der Kunde also aus seiner Sicht am Produkt wahrnimmt. Ohne Einschränkungen in der Kombinierbarkeit der einzelnen Merkmalsausprägungen kommt es sehr schnell zu einer hohen Anzahl möglicher Ölfiltervarianten. Jedoch gibt es in der Regel technische Einschränkungen oder auch Erkenntnisse, dass einige Kombinationen am Markt gar nicht angeboten werden müssen. Die Formulierung der Regeln geschieht mit wenigen Mausklicks einmal durch Kombinationsverbote oder Kombinationszwänge. Je nach Sachverhalt wählt man die Rubrik, mit der sich die Regel am leichtesten formulieren lässt. Jede Regel lässt sich mit logischen UND bzw. ODER Verkettungen definieren. Im Beispiel der Abbildung 3 gelangt man durch wenige Regeln daher zu 26 Ölfiltervarianten (anstatt 324 theoretisch möglichen Varianten). Mit der Definition der Regeln sind die benötigten Daten für die reine Visualisierung im Merkmalbaum bereits vollständig erfasst. Abb. 2: Produktbeispiel Ölfilter Auf Basis dieser Daten bietet der Complexity Manager nun Möglichkeiten zur Simulation beispielsweise folgender Punkte: Änderung der Variantenvielfalt bei teilweisem Ersetzen, Hinzufügen neuer oder Streichen alter Ausprägungen Berechnung der Auftrittswahrscheinlichkeit einzelner Varianten aufgrund von Absatzprognosen (hilft bei der Früherkennung möglicher Schwach- oder Nullläufer-Varianten) ABC-Analyse aufgrund realisierter Absatzzahlen (weist die „Spreu vom Weizen“ aus) Kosten- und Preisvergleiche Die Unternehmenssicht (interne Komplexität) Ist die externe Sicht des Marktes auf das Produkt nun hinreichend beleuchtet und jede Variante hinterfragt, gelangt man schließlich zu einem Produktspektrum, das am Markt aktiv angeboten werden soll. Die interne Sicht, die mit dem Complexity Manager Modul V (dt. Variantenbaum oder engl. Variant Tree) unterstützt wird, geht nun der Frage nach, wie man jetzt diese geforderte Vielfalt möglichst schlank durch die Fabrik schleusen soll. Hier lautet der Leitsatz „So wenig Teile wie möglich, so viele wie nötig“. Wie in der Abbildung 4 deutlich wird, können im System schrittweise die Teilevarianten, die benötigt werden, in der Reihenfolge ihres Verbaus entlang der Montagelinie entsprechend ihrer Verwendung zugeordnet werden. 27 Abb. 3: (Modul F) Visualisierung der Marktsicht (externe Komplexität) im Merkmalbaum Selbstverständlich können entsprechende Daten auch via Schnittstelle in Modul V importiert werden. Die Übersicht im Variantenbaum gibt z. B. Aufschluss über besonders variantentreibende Bauteile, sie verdeutlicht, an welcher Stelle der Montagelinie die eigentliche Varianz entsteht und welche Baugruppen und Bauteile sich aus Sicht der Variantenoptimierung für eine Vormontage eignen oder gar ausgelagert werden sollten. Darüber hinaus lassen sich gerade im Falle der Planung von Neuprodukten frühzeitig Aussagen über die „drohende“ Teilevielfalt und -menge treffen, was die Materialbedarfsermittlung unterstützt. Kosten, die durch die Variantenvielfalt beeinflusst werden, können mit in die Analyse einfließen. So lassen sich auch Ergebnisse aus separat durchgeführten Komplexitätskostenanalysen im Modul V integrieren. Seltene bzw. exotische Varianten werden dadurch nach dem Kosten-Verursacher-Prinzip mehr belastet als Standardvarianten, die „schlank“ und nahezu „unbemerkt“ durch die Wertschöpfungskette laufen. Auch diese Kostentransparenz unterstützt ganz maßgeblich die Entscheidung über das Für und Wider einer Variante! Als Simulationsbeispiele sind folgende Punkte zu nennen: Auswirkungen einer Vereinheitlichung von Bauteilen (Integralteil) auf die Vielfalt unterschiedlicher Halberzeugnisse entlang der Montagelinie 28 Mögliche Umstellungen der Montagereihenfolge zur optimalen Verschiebung des Variantenentstehungspunktes Auswirkungen durch den Wegfall einzelner Varianten oder Ausprägungen aus dem Merkmalbaum auf die Teile- und Erzeugnisvielfalt im Variantenbaum. Zusammenfassung In den zahlreichen Anwendungsfällen, in denen die Schuh & Co. den Complexity Manager eingesetzt hat, wurde deutlich, dass sowohl die Transparenz über die vorhandene Ist-Varianz einer Produktfamilie als auch die Vorausschau auf die Varianz eines zu planenden Produktprogramms mit absolut vertretbarem Aufwand zu erlangen ist. Es zeigte sich außerdem, dass der Variantenvermeidung grundsätzlich Priorität vor der Variantenbereinigung eingeräumt werden sollte, da sie größere Hebelwirkungen hinsichtlich Einsparungspotenzialen aufweist. Frühzeitig im Planungsstadium integriert, hilft das Variantenmanagement, unnötige Investitionen in Infrastruktur, Werkzeug und Maschinen zu vermeiden. Bei der damit verbundenen rechtzeitigen Entdeckung potenzieller Nullläufer-Varianten durch Verrechnung der Absatzprognosen auf die einzelnen Varianten der zu planenden Produktfamilie werden darüber hinaus nicht benötigte Entwicklungsaufwände vermieden. Abb. 4: (Modul V) Variantenbaum-Aufbau durch Zuordnung der Bauteile zu den Produktvarianten Wird dagegen ein bestehendes Produktprogramm bereinigt, sind die Effekte wesentlich geringer, allerdings auch nicht unbedeutend. Jedoch ist völlig unstrittig, dass bereits getätigte Investitionen in oben genannte Betriebsmittel zu großen Teilen unwiderbringlich „verloren“ sind und durch nachträgliches Streichen von unnützen Varianten nicht mehr als Potenziale erschlossen werden können (Abb. 5). nels“ erkennbar wird und dass Variantenmanagement sogar Spaß machen kann. Das sind jedenfalls unsere Erfahrungen und die unserer Kunden aus mehr als 20 Jahren Projektdurchführung. Es bleibt festzuhalten, dass sich die Implementierung eines durchgängigen Variantenmanagements immer lohnt. Den ersten Schritt zu tun ist bekanntlich das Schwierigste. Zu groß scheint der Variantenwildwuchs, zu groß ist oftmals die Angst, die eingangs erwähnte „Variantenlawine“ loszutreten. Da sich das Problem der Variantenvielfalt aber nicht von alleine löst, ist schnelles Handeln dringend notwendig. Sehr schnell wird man beim Einsatz geeigneter Methoden und Hilfsmittel, wie dem Complexity Manager, feststellen, dass erste Teilerfolge rasch sichtbar werden, dass Licht am Ende des „Variantentun- Abb. 5: Potenzial durch Vermeiden von Variantenvielfalt Kontakt Michael Friedrich Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 29 Komplexitätsbeherrschung durch wandlungsfähige Produktion Es gilt den Fit zwischen Komplexität und Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems einzustellen Dr. Gregor Tücks / Jan Eilers Diversifizierung und Ressourceneffizienz sind Megatrends unserer Zeit. Was bedeutet das für eine Produktlinie, die typischerweise kapitalintensive Anlagen bewirtschaftet? Es ist Chance und Risiko zugleich. Es gilt den Grad der Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems auf die Systemkomplexität abzustimmen und richtig einzustellen. Als weiterführende Literatur wird der Tagungsband zum AWK [1] empfohlen. Viele Kernaussagen dieses Artikels basieren auf dort gehaltenen Vorträgen. Herausforderungen, denen sich produzierende Unternehmen in Hochlohnländern gegenüber sehen, sind nicht nur vielfältig, sondern in zunehmendem Maße komplex. Durch unternehmens-externe und -interne Faktoren entsteht dabei ein Umfeld, geprägt durch Vielfalt, Dynamik und Unsicherheit, in dem das Unternehmen seine Leistungserbringung ausrichten muss. Die Komplexität der Problemstellung, der sich ein Produktionssystem gegenüber sieht, lässt sich in den folgenden Dimensionen beschreiben: Vielfalt im Produktionssystem –– Individualität und Heterogenität der Produkte –– Verschiedenheit der Wertschöpfungsprozesse –– Heterogenität des Ressourcenbedarfs bei Restriktionen der Ressourcenbelegung Dynamik im Produktionssystem –– Kürzere Produktlebenszyklen und veränderliche Kundenwünsche –– Schwankung der Nachfragemenge und abnehmende Auftragsgrößen 30 Unsicherheit im Produktionssystem –– Art und Menge der Nachfrage / Aufträge –– Störanfälligkeit von Prozessen und Ressourcen Spannungsfelder komplexer Produktionssysteme Alle Entscheidungen, welche die Produktionsumgebung eines Unternehmens betreffen, werden auf der Grundlage der beiden Spannungsfelder „Planung der Produktion“ und „Betrieb der Produktion“ getroffen. Beide Spannungsfelder sind jeweils durch zwei sich widersprechende Ziele beschrieben. Bezogen auf das Spannungsfeld „Planung der Produktion“ wird einerseits eine Optimierung der Wertschöpfungsprozesse mit entsprechend anspruchsvollen und kapitalintensiven Simulations- und Planungsinstrumenten angestrebt („Planungsorientierung“). Andererseits sollen die Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen flexibel und wandlungsfähig gestaltet werden („Wertorientierung“). Der Haupteinflussfaktor für die Positionierung innerhalb des Spannungsfeldes „Betrieb der Produktion“ ist die bestehende Markt- und Kostenstruktur. Bei der Produktion in Niedriglohnländern liegt der Fokus dabei häufig auf der Erschließung von Skaleneffekten („Economies of Scale“), während die Optimierung in Hochlohnländern vielfach auf eine Individualisierung der Produkte abzielt, um den heterogenen Kundenanforderungen gerecht zu werden („Economies of Scope“). der Produktion berücksichtigt werden. Aus Kundensicht ist dabei ein hoher Individualisierungsgrad im Sinne einer Kosten-Nutzen-Abwägung relevant. Aus Sicht der Produktion ergibt sich jedoch die Forderung nach einem sinnvollen Maß an standardisierten Produktionsfaktoren und -abläufen, mit denen individualisierte Produkte erzeugt und damit hinreichend große Kundenmärkte erschlossen sowie größtmögliche Skaleneffekte realisiert werden können. Das durch diese vier Dimensionen aufgespannte Gebiet wird als Polylemma der Produktion bezeichnet (Abb. 1) [2]. „Die Produktionsstruktur folgt der Produktstruktur.“ Der Schlüssel, um den zuvor genannten komplexen Anforderungen gerecht zu werden, liegt darin, das Produktionssystem derart einzustellen, dass zum einen die Gegensätze in den Spannungsfeldern weitestgehend aufgelöst werden. Gleichzeitig gilt es, einen Fit zwischen der gegebenen Systemkomplexität im Unternehmen und dem Grad der Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems richtig einzustellen. Jüngste Entwicklungsstufen von Produktionstechnologien wie dem Selective Laser Melting (SLM) sind Beispiele, wie das Dilemma zwischen Scale und Scope überwunden werden kann, da sie eine enge Kopplung von Produktstruktur und Produktionsprozess ermöglichen und dennoch eine wirtschaftliche Fertigung auch kleiner Losgrößen erlauben. Handlungsfelder für die Einstellung komplexer Produktionssysteme Aus den zuvor genannten Spannungsfeldern lassen sich die Handlungsfelder zur Einstellung des Produktionssystems ableiten. Diese können als praxisorientierte Realisierung der Wandlungsfähigkeit von Produktionssystemen angesehen werden. Im Vordergrund stehen dabei Branchen und Themen, die insbesondere für produzierende Unternehmen in Hochlohnländern eine hohe Relevanz besitzen (Abb. 2). Prof. Günther Schuh Somit werden Unternehmen in die Lage versetzt, bei steigender Komplexität der Maschinen und Anlagen, individuelle Kundenwünsche zu erfüllen und gleichzeitig Skaleneffekte in Entwicklung, Produktion sowie im weiteren Verlauf des Lebenszyklus zu realisieren [2]. Individualisiertes Produktionssystem. Die Forderung nach heterogenen und individualisierten Produkten wird durch das Konzept des individualisierten Produktionssystems adressiert, in dem die gegensätzlichen Produktionskonzepte der Massenfertigung und der Einzelfertigung verbunden werden. Dabei steht im Vordergrund, die wirtschaftliche Fertigung individualisierter Produkte zu ermöglichen. Gerade in Hochlohnländern besteht die komplexe Herausforderung vielfach darin, individualisierte Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu können. Die Auflösung des Dilemmas zwischen Economies of Scale und Economies of Scope kann dabei nur erfolgen, wenn die strukturrelevanten Elemente von Produkt und Produktion bestmöglich aufeinander abgestimmt sind. Bei der Einstellung der Individualisierung der Produktion müssen sowohl die Sicht des Kunden als auch die Abb. 1: Polylemma der Produktion [2] 31 Als Beispiele können virtuelle Manufacturing Systeme genannt werden, die unter anderem durch eine Kombination von NC-Steuerung, Regelkreisen, mechanischer Maschinenstruktur und Prozesskräften eine virtuelle Vorhersage sowohl von Einzeleffekten als auch von Wechselwirkungen ermöglichen [2]. Abb. 2: Handlungsfelder zur Einstellung komplexer Produktionssysteme [2] Virtuelles Produktionssystem. Im Spannungsfeld der „Planung der Produktion“ ist eine kontinuierliche Optimierung der Produktionsprozesse hinsichtlich Effizienz und Qualität anzustreben. Gerade im Falle der zusehends komplexeren Produktionsprozesse bei Unternehmen in Hochlohnländern ist diese Aufgabe nicht trivial und vielfach nur durch den Einsatz von Simulationssystemen zu realisieren. Da die Durchführung einer Simulation an sich jedoch keinen wertschöpfenden Prozess darstellt, muss deren Leistungsfähigkeit kontinuierlich erhöht werden. Insbesondere die Qualität der erzeugten Ergebnisse und die Durchgängigkeit der technischen Unterstützung innerhalb der Produktentstehungskette müssen in diesem Zusammenhang gesteigert werden. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei auf die durchgängige Planung des Produktionssystems unter Verwendung übergreifender Simulationsansätze zu legen, um die nächsthöhere Stufe der Simulationsqualität zu erreichen. Vielversprechende Ergebnisse sind in diesem Zusammenhang durch eine Integration verschiedenster Modelle und Simulationsmöglichkeiten zu erzielen. Aus der Verbindung unterschiedlicher Systeme zu integrativen Simulationswerkszeugen resultiert eine genauere Vorhersage von Prozessergebnissen, da Effekte zu Tage treten, die bei isolierter Simulation unsichtbar blieben. Dabei darf die weitere Optimierung der Einzeldisziplinen jedoch nicht außer Acht gelassen werden. 32 Selbstoptimierendes Produktionssystem. Bei der Selbstoptimierung von Produktionssystemen liegt der Fokus auf einer Verlagerung der Planungsaktivitäten hin zu dezentralen Einheiten, die direkt in den Wertschöpfungsprozess integriert sind. Eine zentrale Eigenschaft von selbstoptimierenden Produktionssystemen ist die Fähigkeit, autonom auf komplexe, d. h. sich schnell und häufig ändernde Umweltbedingungen, Benutzereingriffe oder Systemeinwirkungen reagieren zu können. Im Gegensatz zu einfachen Regelkreisen, bei denen eine Regelung oder die Anpassung von Regelparametern die Einhaltung extern vorgegebener Ziele sicherstellt, besitzen selbstoptimierende Systeme eine weitere zentrale Eigenschaft. Sie sind in der Lage, das Zielsystem eigenständig zu dynamisieren und verfügen damit über eine weitaus größere Wandlungsfähigkeit. Grundlage für die Funktionsfähigkeit ist dabei eine kontinuierliche Analyse der IST-Situation, Bestimmung der Ziele sowie eine Anpassung des Systemverhaltens zur Erreichung der Ziele. Voraussetzung für eine erfolgreiche Selbstoptimierung eines Produktionssystems ist jedoch die exakte Beschreibung der meist hoch komplexen Produktionsprozesse sowie die Identifikation aller wesentlichen zu beeinflussenden Parameter [2]. Hybrides Produktionssystem. Vorteile für die Produktion ergeben sich unter anderem durch die Integration verschiedener Fertigungstechnologien zu einem hybriden Produktionssystem. Beispielweise können durch diese Verfahrensintegration Prozessketten verkürzt und schnelle Wechsel bei den Bearbeitungsverfahren mit lediglich einmaliger Aufspannung realisiert werden. Neben der Vermeidung von Umspann- und Einrichtungszeiten kann so auch eine höhere Bauteilqualität durch die flexible Anwendung aller Fertigungsverfahren in einer Aufspannung erzielt werden. Größte Herausforderung bei dieser Hybridisierung ist die Vermeidung von Kollisionen der unterschiedlichen Technologieträger während der Bauteilbearbeitung. Dies erfordert eine hochgenaue Synchronisation der Bewegungen aller an der Bearbeitung beteiligten Partner, was wiederum eine hochgetaktete Verschaltung der üblicherweise weitgehend autonomen Steuerungseinheiten voraussetzt. Realisiert wird eine solche Hybridisierung beispielsweise in einer Multitechnologie-Plattform, bei der ein Fräsbearbeitungszentrum Abb. 3: Lösungshypothesen für die Produktion der Zukunft mit einem Roboter sowie einer Laserschweißanlage zu einem hybriden Bearbeitungszentrum kombiniert werden [2]. Fazit / Handlungsempfehlung Um den Anforderungen eines komplexen Marktumfeldes gerecht zu werden, gilt es, ein Produktionssystem richtig einzustellen. Es muss also folgende Frage beantwortet werden: „Wie viel Wandlungsfähigkeit braucht meine Produktion?“ Dabei ist darauf zu achten, das der Fit zwischen der gegebenen Systemkomplexität und dem Grad der Wandlungsfähigkeit eines Produktionssystems aktiv eingestellt wird. Nur so können stabile und robuste Ergebnisse erzielt werden. Dies funktioniert nur durch einen integrierten Komplexitätsmanagement-Ansatz, der die vier Handlungsfelder der integrierten und wandlungsfähigen Produktionstechnik gleichermaßen berücksichtigt (Abb. 3). Zusammenfassend können folgende Handlungsempfehlungen zur zielgerichteten Umsetzung ausgesprochen werden: Die Produktionsstruktur folgt der Produktstruktur –– schaffen Sie Transparenz in den Abhängigkeiten und definieren Sie den Grad der Wandlungsfähigkeit! Technologie-, Material- und Prozessinnovationen synchronisieren –– stimmen Sie Innovationen in der Produktion im Sinne eines Frontloading nach vorne gerichtet ab! Kompliziert, komplex und pseudokomplex unterscheiden –– klassifizieren Sie die Produktion, einige Dinge scheinen nur komplex! Quelle: [1] Tagungsband „Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium 2011“, ISBN: 978-3-8440-0087-0, Shaker Verlag Aachen, 2011 [2]: C. Brecher, S. Kozielski, O. Karmann: „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“, in: „Wettbewerbsfaktor Produktionstechnik – Aachener Perspektiven“, Shaker Verlag Aachen, 2011 Kontakt Dr. Gregor Tücks Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] Jan Eilers Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 33 Mit dem Produktionsaudit die eigene Position bestimmen Dr. Gregor Tücks Wie „Lean“ ist Ihre derzeitige Produktion wirklich? Diese Frage beantwortet Ihnen das Lean Enterprise Institut (LEI) gemeinsam mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Innerhalb von nur einer Woche wird hierzu in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus ein standardisiertes Produktionsaudit durchgeführt, welches die spezifischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Branche berücksichtigt. Im Produktionsaudit werden die praktischen Erfahrungen aus dem Bereich Lean-Training und -Coaching mit den aktuellen Lean-Forschungsergebnissen zusammengeführt, wobei sowohl harte als auch weiche Faktoren betrachtet werden. Nach dieser Analyse wissen Sie, wo Sie stehen und was Sie konkret als nächstes tun müssen. Auf die Produktionen des Maschinen- und Anlagenbaus wirken vor allem die Einflüsse des zu produzierenden Produkts bzw. des Leistungsangebots. Diese Einflüsse können auf die Schlagworte „Bedarfsdynamik“ und „Individualität“ reduziert werden, was konkret heißt: Die hohe Volatilität des Bedarfs erschwert die Planbarkeit und Produktionsauslastung –– Schwankungsbreiten im monatlichen Auftragseingang von ca. 20-30 % sind branchenüblich Niedriger Vorleistungsgrad erschwert die Stabilisierung der Prozesse –– Bis zu 85 % der Wertschöpfung muss auftragsspezifisch produziert werden Produktvielfalt erzeugt Prozessvielfalt –– Eine ausgeprägte Qualifikationsbreite der Produktionsmitarbeiter ist notwendig Weitere Reduzierung der Fertigungstiefe –– Die Fertigungstiefe wird sich im Schnitt unterhalb von 50 % bewegen 34 Die Potenziale liegen in der Umsetzung des Lean Managements Erfolgreiche Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus stellen sich den oben genannten Herausforderungen in ihrer Leistungserstellung mit den Prinzipien des Lean Managements. Also mit konsequenter Kundenorientierung, hoher Transparenz im Wertstrom, exzellenten Koordinations- und Reaktionsmechanismen nach dem Fluss- und Zieh-Prinzip, standardisierten und stabilen Prozessen, einer aktiv gestalteten Fertigungstiefe sowie dem ewigen Streben nach Perfektion. Dies führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen, die in quantifizierbaren Kenngrößen aus den Bereichen Effizienz, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sichtbar werden. So weisen Unternehmen, welche Lean Production eingeführt haben eine hohe „Liefertermintreue“ von über 85 % auf, liegen beim „Bestand zum Umsatz“ unterhalb 25 % und besitzen eine signifikant höhere „Personalproduktivität“. Unter dem Strich erfolgt ein gleichmäßiges „EBIT- zu Umsatz-Wachstum“. Um zu erkennen, wo das eigene Unternehmen vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen positioniert ist, bieten das Lean Enterprise Institut und das Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen ein umfassendes Produktionsaudit an. Es besteht aus verschiedenen Bausteinen, die zusammengesetzt eine ganzheitliche Beurteilung der Leistungserstellung erlauben. Es wird unterschieden zwischen einer Breitenund einer Tiefenanalyse. Die Breitenanalyse dient dem Benchmarking mit der Lean-Datenbank und umfasst die Aufnahme der relevanten Kennzahlen und eine Interviewserie mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens. Die Datenbank basiert auf den Ergebnissen der Studie „Strategien im Maschinen- und Anlagenbau“, welche vom VDMA und dem WZL durchgeführt wurde. Um die Aktualität des Benchmarkings sicherzustellen, nutzt das Produktionsaudit auch relevante Kennzahlen aus dem jährlich erscheinenden VDMA Kennzahlenkompass. Darüber hinaus sind die aktuellen Ergebnisse des Konsortialbenchmarking-Projekts „Production Systems“ des LEI und des WZL im Benchmarking berücksichtigt (weitere Informationen zum Konsortialbenchmarking „Production Systems“ erhalten Sie unter [email protected]). Dabei sind Kennzahlen nur dann aussagekräftig, wenn sie in Verbindung mit dem jeweiligen Unter- nehmenstyp, dem angebotenen Produktprogramm, der spezifischen Wertschöpfungsverteilung und der existierenden Führungs- und Personalstruktur gesehen werden. Weiche Faktoren sind für die Erreichung hochgesteckter Produktivitätsziele entscheidend Es werden aber nicht nur Fragen zu den „harten Faktoren“, wie beispielsweise dem Einsatz von Lean-Methoden gestellt, sondern auch weiche Faktoren bezüglich Motivation, Verhalten und Veränderungskultur in der Produktion berücksichtigt. Vor allem die weichen Faktoren werden bei Analysen oftmals vernachlässigt, sind aber für die Erreichung hochgesteckter Produktivitätsziele entscheidend. In der Tiefenanalyse werden die Ergebnisse aus der Breitenanalyse überprüft und detailliert. Zum einen finden Wertstrom- und Prozessschnittstellen-Workshops mit den Mitarbeitern der relevanten Produktionsabteilungen statt. Zum anderen werden Begehungen „vor Ort“ in der Produktion durchgeführt, wobei die Mitarbeiter des Unternehmens aktiv eingebunden werden. Die anschließende Potenzialbewertung fasst die Analysen zusammen und liefert greifbare Zahlen zur Leistungssteigerung. Die Erkenntnisse aus den Analysen werden schließlich im Status „Lean Production“ dokumentiert und in konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung überführt. Abb. 1: Aufbau des Produktionsaudits 35 Abb. 2: Das Vorgehen teilt sich in drei Phasen Das Produktionsaudit bietet einen Überblick über Optimierungspotenziale und die spezifische Position der Produktion im Spannungsfeld Effizienz, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit vor dem Hintergrund der Lean Production Philosophie. Darüber hinaus zeigt das Audit einen echten Vergleich mit anderen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Man kann also herausfinden, ob man ein Vorreiter oder ein Nachzügler in der Umsetzung von Lean Production ist. Das Produktionsaudit liefert vier wichtige Ergebnisse: 1. Identifikation der eigenen Position im individualisierten Vergleich mit Ihren Wettbewerbern und den Top-Performern auf Grundlage unserer umfassenden Benchmarking-Datenbank 2. Eine detaillierte Bewertung der Lean-Umsetzung in den für den Maschinen- und Anlagenbau entscheidenden Lean-Prinzipien „Wertorientierte Koordination“, „Sichere Reaktionsfähigkeit“, „Einfache Stabilität“ und „Streben nach Perfektion“ 3. Konkrete Aussagen zur Förderung der Veränderungsbereitschaft in Richtung Lean Production und eine entsprechende Führungskultur in der Produktion 4. Eine Potenzialbewertung und einen auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Umsetzungsplan mit der Festlegung der durchzuführenden Aktivitäten, der benötigten Ressourcen und Kompetenzen, des Umsetzungszeitraumes sowie der Bewertungsgrößen zur Erfolgsmessung 36 Drei Phasen in einer Woche Die erste Phase wird als Kick-off Veranstaltung organisiert. Hier trifft sich das Audit-Team mit allen Beteiligten, um zum einen in das Thema Lean Production einzuführen und zum anderen die Vorgehensweise mit einem detaillierten „Fahrplan“ für das Audit vorzustellen. Darüber hinaus werden Best Practice Lösungen aus der Produktion im Maschinen- und Anlagenbau vorgestellt, um die Beteiligten für mögliche Zielbilder zu sensibilisieren. In der zweiten Phase findet die eigentliche Analyse inklusive dem Benchmarking statt. Der Ansatz umfasst intensive Befragungen von Mitarbeitern auf der Grundlage eines strukturierten Fragebogens und Kennzahlenkatalogs sowie Workshops und Vor-OrtBegehungen. Alle Ergebnisse werden präsentationsfähig aufgearbeitet und im Projektteam abgestimmt. In einem abschließenden Management-Workshop werden die Ergebnisse vorgestellt und mit dem Management-Team gemeinsam diskutiert. Schließlich wird ein Maßnahmenplan zur Umsetzung übergeben. Kontakt Dr. Gregor Tücks Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] Leistungsfähiges Prozessmanagement: Prozesse beschleunigen, Profitabilität erhöhen und Qualität sicherstellen Dr. Stephan Krumm / Jan Eilers Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Schuh & Co. mit dem Thema Prozessmanagement. Das Thema ist somit weder neu noch trendy. Die Relevanz aber ist ungebrochen, die Probleme so akut wie eh und je und die ganzheitliche Beherrschung der Disziplin nach wie vor begrenzt. Die Begründung für die überragende Relevanz sowie die andauernde Aktualität des hier diskutierten Themas ist im Grunde ganz einfach. Ein zufriedener Kunde entsteht dadurch, dass die von ihm nachgefragten Leistungen in der vereinbarten Zeit, in der vereinbarten Menge und zum vereinbarten Preis vom Unternehmen erbracht werden. Und dies nach Möglichkeit nicht nur einmal, sondern so häufig wie nachgefragt und in der stets gleichen oder besseren Performance. In aller Regel ist hierzu das koordinierte und reibungsfreie Zusammenspiel unterschiedlichster Funktionen, Bereiche, Abteilungen, Teams und Mitarbeitern eines Unternehmens notwendig. Womit wir bereits am Kern des Problems angekommen sind. Prozesse haben die unangenehme Eigenschaft, genau quer zu den etablierten Unternehmensstrukturen zu liegen. Nur leider interessiert das den Kunden in aller Regel nicht. Oder haben Sie schon häufiger Aussagen gehört wie z. B. „Die Produkte sind ja in Ordnung, aber das Produktmanagement, die Elektronikentwicklung sowie der After-Sales von denen müsste man wirklich mal aufräumen.“? So differenziert setzt sich der Kunde mit den Gründen und Ursachen seiner Unzufriedenheit üblicherweise nicht auseinander. Das ist aber auch nicht seine Aufgabe, sondern die des Unternehmens. Es ist daher nur konsequent, wenn der Kunde das Unternehmen dann auch als Ganzes in Sippenhaft nimmt. Es macht für Unternehmen folglich sehr viel Sinn, sich intensiv und explizit mit den Prozessen im Unternehmen auseinanderzusetzen und Fragen zu beantworten wie: Welche unterschiedlichen Bedürfnisse und Anforderungen haben meine Kunden an meine Prozesse? Welche unterschiedlichen Prozesse habe ich überhaupt im Unternehmen und wie laufen diese im Detail ab? Welche wirklich durchgängigen Prozesse benötige ich? Unterstützt oder hemmt meine Organisation die reibungslose Abwicklung eben dieser Prozesse? An welchen Stellen kann und sollte ich organisatorische Anpassungen vornehmen, um die prozessuale Leistungsfähigkeit meines Unternehmens zu erhöhen? Wenn Sie sich nun gar nicht ertappt fühlen, dann schauen Sie doch mal kritisch in ihr QM-Handbuch und versuchen dort Antworten auf die von uns soeben gestellten Fragen bzgl. prozessualer Durchgängigkeit und überfunktionaler Zusammenarbeit zu finden. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit werden Sie feststellen, dass sich die dort beschriebenen Prozesse konsequent an den Strukturen des Unternehmens orientieren und die Beschreibung an den kritischen Schnittstellen zu wünschen übrig lässt. Alternativ sind dort zwar die überfunktional notwendigen Prozesse auch durchgängig beschrieben, funktionieren im Tagesgeschäft aber trotzdem nicht optimal. Die Schnittstellen entlang der Prozesse sorgen für erstaunlich große Reibungsverluste. Eine bereits etwas ältere aber bis heute aktuelle Analyse der Universität St. Gallen (HSG) ist den Ursachen hierfür auf den Grund gegangen und identifizierte dabei zwei Themen als wesentliche Treiber für die meisten Prozessschwächen und Reibungsverluste. 37 Einerseits sind dies Barrieren, die durch die hierarchische Ordnung und Struktur von Unternehmen entstehen. An den Schnittstellen zwischen den Managementebenen gehen nicht nur Informationen verloren, sie sind häufig auch der Austragungsort von politischen und taktischen Machtspielen, die einer effizienten Koordination und Steuerung von Prozessen nicht immer dienlich sind. Andererseits sind dies Barrieren, die durch die funktionale, fachspezifische Organisation von Unternehmen entstehen. Auch die Schnittstellen zwischen Unternehmensfunktionen bieten durchaus Potenzial für Reibungsverluste. Dies liegt nicht nur in fachlichen Inkompatibilitäten begründet sondern durchaus auch an menschlichen Herausforderungen, die oftmals in den sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und Menschentypen begründet liegen, welche die verschiedenen Disziplinen üblicherweise repräsentieren. Man denke exemplarisch z. B. an typische Vertreter des Vertriebs und der Entwicklung. Häufig satirisch überzeichnet steckt aus Prozesssicht an dieser Stelle dennoch ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial. Das Resultat dieser beiden Phänomene bezeichnet man als „operative Inseln“, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass sie durch ihre hierarchischen sowie funktionalen Schnittstellen abgegrenzt sind. Die Mitglieder dieser operativen Inseln könnte man auch als den jeweils innersten Kreis des Vertrauens bezeichnen. Diese operativen Inseln sind nicht nur im laufenden Tagesgeschäft häufig suboptimal aufeinander abgestimmt, sondern tendieren dazu, sich relativ unabhängig voneinander zu entwickeln und zu optimieren, ohne dabei immer das Gesamtoptimum im Blick zu haben. Ein bis heute in fast allen Unternehmen zu beobachtendes Phänomen. Auf das Thema Prozesse übertragen ist also darauf zu achten, welche Art von Kundenbedürfnissen durch 38 welche Art von Prozessen durchgängig, das heißt von Hierarchie und Funktion unabhängig, bedient werden sollten. Ein griffiges Beispiel hierfür ist stets der Auftragsabwicklungsprozess, den es in sehr unterschiedlichen Ausprägungen in jedem Unternehmen gibt. Ebenso durchgängig wie Ihre Prozesse selbst sollte das methodisch konzeptionelle Vorgehen sein Von Durchgängigkeit im Rahmen von Prozessverbesserungen sprechen wir erst dann, wenn es gelingt, die Strategie eines Unternehmens wirkungsvoll und gewinnbringend mit der operativen Ebene zu verzahnen und aufeinander abzustimmen. Diese Idee klingt logisch bis trivial, ist aber in der Praxis ein ausgesprochen anspruchsvolles Unterfangen. Es gibt nur wenige Unternehmen, die es verstehen, ihre Strategie systematisch über die Prozesse hinweg bis auf die Ebene der Aktivitäten herunter zu brechen und dabei gleichzeitig Ideen und Impulse von Seiten der Mitarbeiter nicht nur zuzulassen, sondern effektiv in die Diskussion mit einfließen zu lassen und auch umzusetzen. Oftmals fehlt es an dieser Stelle bereits an einer geeigneten, konzeptionellen Vorgehensweise in Form geeigneter Prozesse, Plattformen und Gremien. Top-down ist es möglich, auch weitreichende, strategisch notwendige Veränderungen im Unternehmen zu treiben. Die aktive, auch inhaltliche Einbindung der Mitarbeiter dagegen bringt in aller Regel Ideen und Veränderungen zur evolutionären Weiterentwicklung der Ablaufprozesse des bestehenden Geschäfts hervor. Es braucht top-down die Leitplanken und Richtungen nicht zuletzt in Form klarer Zielvorgaben, während es auf der Aktivitätsebene notwendig ist, die operationelle Exzellenz des Tagesgeschäfts im Sinne eines KVP immer weiter zu entwickeln. Dies ist nur mit der aktiven Beteiligung möglichst vieler Mitarbeiter umsetzbar. Zur erfolgreichen Durchführung von Initiativen und Projekten, welche dieser Durchgängigkeit Rechnung tragen, ist es hilfreich, einem klaren Bezugsrahmen folgen zu können, der einem Orientierung und Leitplanken gibt. Wir empfehlen und nutzen in einem solchen Fall den Prozessmanagement-Navigator. Er verbindet alle notwendigen Projektbausteine zu einem Gesamtkonzept, stellt den inhaltlichen Bezug zwischen ihnen her und schafft damit die Grundlage für ein systematisches und aufeinander abgestimmtes Vorgehen (Abb. 1). Eine der Besonderheiten des Prozessmanagement-Navigators besteht darin, dass er die Analysephase nicht mehr wie sonst üblich strikt von der Gestaltungs- und Umsetzungsphase trennt. Die jeweils notwendigen Aktivitäten werden soweit wie möglich parallelisiert, um auch durch schnelle Erfolge die Motivation und Energie für das Vorhaben insgesamt aufrecht zu erhalten. Weiterhin besteht der Navigator aus einzelnen Vorgehensmodulen, die in Summe stimmig ineinander greifen und sich somit wirkungsvoll zu einem Gesamtkonzept verzahnen. Auf die einzelnen Module wird nachfolgend kurz eingegangen. Die inhaltlich aufeinander abgestimmten und ineinandergreifenden Module des Prozessmanagement-Navigators stellen die Wirksamkeit des gesamten Vorhabens sicher und helfen, den Überblick zu bewahren Strategieklärung: In diesem Modul geht es vor allem darum, dass die Unternehmensleitung eine klare Bedarfssituation und Zielvorstellung für die Initiative entwickelt. Die wirkungsvolle Kommunikation dieser Ausgangslage bildet dabei den Startpunkt zur Neugestaltung der Unternehmensprozesse. Im Rahmen dieser Kommunikation ist es notwendig, den Mitarbeitern auch ein gewisses Gefühl von Dringlichkeit zu vermitteln, da Dringlichkeit einer der wesentlichen Treiber für Veränderungsbereitschaft ist. Dies ist vor allem in Situationen vordergründiger Stärke des Unternehmens von besonderer Bedeutung, da eine fehlende Veränderungsbereitschaft bei Mitarbeitern ein ernsthaftes Problem für das Veränderungsvorhaben darstellen wird. Nach Möglichkeit wartet man aber mit derartigen Aktivitäten nicht solange, bis der Handlungsbedarf für alle klar erkennbar wird, da es unter Umständen dann bereits zu spät sein kann. Die wesentliche Aufgabe des Top-Managements in diesem Modul besteht darin, eine Strategie zu definieren oder eine bestehende zu überprüfen und auf Basis einer Analyse des Umfelds sowie der eigenen Stärken und Schwächen auf ihre Tauglichkeit und Umsetzbarkeit hin abzuklopfen. Die Diskussion auf Leitungsebene führt dazu, dass vormals implizit vorhandene Annahmen explizit gemacht werden und das gemeinsame Verständnis für Sinn und Zweck der Ausrichtung des Unternehmens hergestellt resp. vertieft wird. Die Dokumentation der Diskussionen und Ideen schafft zusätzlich die Grundlage für deren Kommunizierbarkeit in die Breite. Das konkrete Ergebnis des Moduls sind klare Handlungsprioritäten in Form Strategischer Erfolgspositionen (SEP), in denen das Unternehmen dank besonderer Fähigkeiten oder gezielter Aufbauarbeit mittel- bis langfristig überdurchschnittliche Erträge erzielen kann. SEP repräsentieren somit auf besonders anschauliche Weise die externe Kundensicht Abb 1: Leistungsfähiges Prozessmanagement mit dem Prozessmanagement-Navigator 39 auf die Prozesslandschaft eines Unternehmens. Sie bilden folglich auch die Grundlage dafür, die Strategie in den nachfolgenden Schritten systematisch auf Prozesse und Aktivitäten herunter zu brechen, dabei den Kunden ins Zentrum der Betrachtung zu stellen und auf diese Weise erfolgreich und für alle verständlich operationalisierbar zu machen. Somit entspricht dieses Vorgehen vollständig dem Leitgedanken von Lean-Management, nämlich nach Möglichkeit alle Aktivitäten auf das zu fokussieren, was aus Sicht des Kunden wertig ist. Prozessarchitektur, -portfolio und -strategien: Die Prozessarchitektur stellt eine Visualisierung der Prozesslandschaft des Geschäftsmodells des Unternehmens auf einer hoch aggregierten Ebene dar. Diese Prozesslandschaft ist oftmals nur scheinbar allen Beteiligten klar und erst die definierte und eindeutig beschriebene Visualisierung führt zu deren Diskutierbarkeit und Kommunizierbarkeit, ohne das die Diskussionen schon auf der Ebene von Missverständnissen zum Scheitern verurteilt sind. Ist sie erstellt, können alle Prozesse vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung zur Erreichung der formulierten SEP reflektiert und strategisch gewichtet werden. Kombiniert mit einer Einschätzung der aktuellen Leistungsfähigkeit der Prozesse im Vergleich zu den jeweils besten Wettbewerbern ergeben sich klare Handlungsprioritäten, welche Prozesse in welche Richtung umzustrukturieren sind. Das Hilfsmittel zur Unterstützung und Visualisierung dieser Diskussion stellt das Prozessportfolio dar. Das Portfolio wird durch die beiden Achsen Prozesseffektivität und Prozesseffizienz aufgespannt. Effektivität steht in diesem Fall für den relativen Beitrag des Prozesses zur Erreichung der dem Prozess prioritär zugeordneten SEP. Konkret kann das der Beitrag des Prozesses zur Erfüllung bestimmter Kundenanforderungen sein, wie z. B. Betreiberwirtschaftlichkeit. Effizienz hingegen steht für das relative Maß an Mitteleinsatz, welches für den entsprechenden Beitrag zur SEP-Erreichung notwendig ist. Die Mitte des Portfolios wird entlang beider Achsen jeweils durch die Leistungsfähigkeit des besten Wettbewerbers definiert. Im Rahmen der Diskussion werden alle Prozesse der Architektur vor dem Hintergrund dieser drei Aspekte diskutiert und in das Portfolio eingetragen. Darüber hinaus können die Prozessstrategien, welche zur gezielten Steigerung von Effektivität und Effizienz verfolgt werden sollen, unmittelbar eingezeichnet, begründet und mit konkreten Maßnahmen zu deren Umsetzung belegt werden. Diese Maßnahmen sind mit den folgenden beiden Aspekten abzugleichen: 40 1. Im Rahmen der partizipativen IST-Prozessanalyse sollen und werden zusätzliche Maßnahmenvorschläge von den Mitarbeitern kommen. Dies ist gut und richtig. Am Ende des Tages müssen aber alle zur Umsetzung verabschiedeten Maßnahmen in sich stimmig sein. Es dürfen also keine sich widersprechenden Maßnahmen verabschiedet werden, noch sollten solche umgesetzt werden, die keinen klaren Beitrag zur Zielerreichung liefern. Dieser Abgleich ist explizit durchzuführen. 2. Die Maßnahmen müssen den Ansprüchen und Prinzipien operationeller Exzellenz genügen. Es ist zu überprüfen, ob alle notwendigen Treiber zur Erreichung von prozessualer Exzellenz adressiert und mit Maßnahmen belegt sind. Hierzu bedient man sich z. B. eines Bezugsrahmens zur operationellen Exzellenz (kurz: OPEX), der Vollständigkeit und sinnvolle Chronologie der abgeleiteten Maßnahmen sicherstellt. Das Ergebnis ist ein Maßnahmenpaket, welches in Summe die strategische Ausrichtung mit der evolutionären Entwicklung der operationellen Exzellenz kraftvoll verbindet. Das Portfolio stellt somit den entscheidenden aber meist fehlenden Brückenkopf zwischen strategischer und operativer Ebene dar (Abb. 2). Prozessanalyse und -optimierung: Die Mitarbeiter des Unternehmens müssen bereits in die Gestaltung des Wandels zwingend einbezogen werden. Die Prozessanalyse stellt hierfür das wesentliche Vehikel dar. Im Rahmen der Prozessanalyse werden zunächst für die wichtigsten Prozesse die IST-Zustände mit allen ihren Schwächen erfasst und modelliert. Hierbei stehen heutzutage fünf Leitfragen im Vordergrund: 1. Was soll der Prozess erreichen? Welche z. B. SEP`s oder Kundenanforderungen sollen übergreifend durch den Gesamtprozess und im Einzelnen durch die Prozessschritte realisiert werden? 2. Sind die einzelnen Prozessschritte sinnvoll und mit ihren Inputs sowie Outputs klar definiert? (Sicherstellung eines optimalen Prozessschrittgerüstes) 3. Sind die Prozesse zur Vermeidung chronischer Engpässe kapazitativ synchronisiert? (Sicherstellung des Flussprinzips) 4. Wie wird die Prozessdurchführung zur Erreichung einer bestmöglichen Prozessleistung aktiv geplant Abb. 2: Das Prozessportfolio zur Visualisierung strategischer Prioritäten und gesteuert? (Sicherstellung von Planung und Steuerung z. B. durch PULL-Prinzipien) 5. Wie wird die Prozessleistung gemessen und wie wird die Rückkoppelung, also der Abgleich von ISTzur SOLL-Prozessleistung, zur Absicherung und Weiterentwicklung des Leistungsniveaus verarbeitet? (Sicherstellung der fortlaufenden Leistungssteigerung) Ohne ein klares Verständnis über die wahre ISTSituation der Prozesse im Unternehmen ist die Identifikation der korrekten Ursachen von Fehlern und Verschwendung nicht möglich. Es können keine wirkungsvollen Maßnahmen, welche auf genau diese Ursachen abzuzielen haben, abgeleitet werden. Ferner braucht es die wahre IST-Situation, um die Differenz zwischen einem zu erreichenden SOLL- und dem ISTZustand sauber beschreiben zu können. Genau diese Lücke ist es nämlich, die es mit konkreten Maßnahmen zu belegen gilt. Es bleibt noch festzuhalten, dass es an dieser Stelle nicht ausreichend ist, die Prozesse auf Basis ihrer Beschreibungen in den QM-Handbüchern und SOPs zu beurteilen. Diese weichen vom gelebten Tagesgeschäft fast immer substantiell ab und dürfen daher auf keinen Fall zur Ursachenanalyse und Maßnahmenentwicklung herangezogen werden. Das Ergebnis dieses Moduls besteht schlussendlich aus zwei Bausteinen. Einerseits bilden die im Rahmen der Prozessanalysen erstellten Maßnahmenlisten die Grundlage zum Abgleich mit den Top-down Maßnahmen. Hieraus leitet sich eine ganzheitliche Umsetzungsroadmap ab. Andererseits muss das im Rahmen dieses Moduls eingeübte Vorgehen in einen internen Prozess „Prozessmanagement“ überführt werden, damit es nicht bei einer Einmalaktion unter Hinzuzug externer Ressourcen bleibt, sondern das Unternehmen „Prozessmanagement“ als eigenen Prozess unternehmensweit etabliert. Als wichtig erweist sich bspw. die klare Verankerung von Prozesseignern und die Einführung prozessorientierter Leistungsdialogen. Die Begleitung durch erfahrene, externe Berater ist zunächst empfehlenswert. Sie bringen die methodisch konzeptionelle Erfahrung mit, haben vergleichbare Situationen schon in anderen Unternehmen erlebt und gemeistert und können daher Stabilität, Ruhe und vor allem auch Sicherheit in die anstehende Veränderung mit einbringen. Das Ziel muss es aber sein, die Mitarbeiter im Rahmen von Schulungen zu befähigen, die kontinuierliche Prozessanalyse und -optimierung mittel- bis langfristig selbstständig durchführen zu können. In großen Unternehmen bietet sich an dieser Stelle häufig ein Train-the-Trainer Konzept an, über 41 welches das Wissen schlussendlich in die gesamte Organisation getragen und umgesetzt werden kann. das durch die Mitarbeiter auch als echte Teamleistung wahrgenommen wird. Umsetzungs- und Erfolgscontrolling: Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg von Prozessverbesserungen stellt ein sauber aufgesetztes Umsetzungs- und Erfolgscontrolling dar. Dieses muss in der Lage sein, mindestens die folgenden drei Aspekte transparent zu machen: Zur Unterstützung der Punkte 2 und 3 nutzt Schuh & Co. das „Value Tree“-Konzept, welches auf die spezifischen Herausforderungen im Prozessmanagement adaptiert wurde. Es stellt sicher, dass der neu zu gestaltende Prozess auf die 1-2 wichtigsten Ziele konzentriert wird und leitet hieraus für jede Prozessphase den spezifischen Ergebnisbeitrag ab. Das Ergebnis ist kein Datenfriedhof, sondern ein extrem fokussiertes, prozessual aufgesetztes Instrument, welches eine Geschichte erzählt und daher verstanden und als Steuerungsinstrument akzeptiert wird. 1)Umsetzungserfolg auf Maßnahmenebene in Abhängigkeit ihres Beitrags zur Gesamt-Zielerreichung 2)Leistungsfähigkeit der Prozesse anhand der generierten Prozess-Outputs 3)Leistungsfähigkeit der einzelnen Prozessphasen in Abhängigkeit ihres Beitrags zum Prozess-Output Punkt 1 dient der Sicherstellung der Umsetzung auf Ebene der einzelnen Maßnahmen. Da die Summe der Maßnahmen zur Erreichung des Änderungserfolgs beitragen soll, ist es auf dieser Ebene wichtig, den jeweiligen Ergebnisbeitrag der einzelnen Maßnahmen zur Gesamt-Zielerreichung im Blick zu haben. Die Gesamt-Zielerreichung ist häufig auf Ebene der Outputs von Prozessen definiert wie z. B. die Durchlaufzeit eines Auftragsabwicklungsprozesses. Insofern muss Punkt 2 sicherstellen, dass Transparenz bzgl. der jeweiligen Zielerreichung auf Ebene dieser ProzessOutputs herrscht. Der konzeptionell entscheidende Schritt ist nun Punkt 3, der Transparenz darüber herstellt, wie sich die Leistungsfähigkeit des GesamtProzesses auf die einzelnen Prozessphasen verteilt und welchen Beitrag jede einzelne Phase somit zum Gesamtergebnis leistet. Punkt 3 sorgt somit für das Verständnis, wie der Gesamt-Prozess ineinandergreift und aus welchen Einzelbestandteilen sich das Prozessergebnis zusammen setzt. Obgleich von überragender Bedeutung, gibt es dennoch kaum Unternehmen, die eine solche Transparenz über ihre End-to-End Prozesse besitzen. In aller Regel findet man Unmengen an KPIs und Kennzahlen, die zwar alle einen gewissen Erkenntnisgewinn beinhalten, in Summe aber keine Geschichte erzählen und auch nicht in wechselseitige Abhängigkeit gebracht wurden. Für den Umsetzungserfolg ist es aber wichtig, dass alle Mitarbeiter den Aufbau der Prozesse verstehen und ihren spezifischen Wertbeitrag genau kennen. Erst die Transparenz hierüber führt zu einem Prozessergebnis, 42 Die Durchgängigkeit des Vorgehens, die aktive Mitarbeiterpartizipation sowie die organisatorische Verankerung des Themas sind die wichtigsten Treiber für den nachhaltigen Erfolg Die Strategie muss konsequent mit den wichtigsten Prozessen und hierüber mit allen erfolgskritischen Aktivitäten verknüpft und in Abhängigkeit gebracht werden. Das wichtigste Instrument hierfür ist das Prozessportfolio, welches die Strategie in ihre Konsequenzen für die Prozesslandschaft übersetzt und von dort den Ausgangspunkt zur Formulierung konkreter Prozess-Strategien und passender Maßnahmenpakete bildet. Diese Top-down gesetzten Vorgaben sind einerseits mit den Ideen und Impulsen der Mitarbeiter und andererseits mit dem Wissen um die Prinzipien operationeller Exzellenz in einem Diskurs zu konfrontieren, abzugleichen und zu einem „Gesamt-Veränderungskunstwerk“, d. h. einer ganzheitlich orchestrierten und aus Maßnahmenpaketen bestehenden Roadmap, zu kombinieren. Das aktive Abstützen auf das Wissen und die Inputs der Mitarbeiter stellt dabei die Akzeptanz für die Veränderung, für die darin notwendigen Maßnahmen und damit schlussendlich für deren erfolgreiche Umsetzung sicher. Für die nachhaltige Wirksamkeit solcher Initiativen ist es schlussendlich unerlässlich, die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, die gemachten Erfahrungen erfolgreich in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu überführen. Dies kann z. B. mittels der weiter oben skizzierten und institutionalisierten Leistungsdialoge geschehen. Ziel ist es, Prozessverbesserungen zum Bestandteil des Tagesgeschäfts eines jeden Mitarbeiters zu machen und nicht nur projektbasiert auf Anordnung des Managements zu erzwingen. Gelingt es aber, die Ideen einer solchen Initiative nachhaltig im Unternehmen zu verankern, so ist ein wichtiger Baustein für die mittel- bis langfristige Überlebensfähigkeit gelegt. Die Erfolgsfaktoren im Überblick 1. Methodisch konzeptionelle Durchgängigkeit des Vorgehens 2. Explizite Strategieklärung und -kommunikation 3. Prozessuale Zielvorgaben (nachvollziehbar aus der Strategie abgeleitet) 4. Systematische Überprüfung der Prozessleistung (inkl. der einzelnen Prozessphasen) 5. Durchgängige Beschreibung der wichtigsten Prozesse bis auf Aktivitätenebene Wenn Sie wissen möchten, wo Sie stehen bzgl. der Leistungsfähigkeit ihres Prozessmanagement-Ansatzes, so stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Im Rahmen eines eintägigen Prozessmanagement-Audits werden wir Ihnen eine klare Vorstellung davon vermitteln, wie Ihr derzeitiger Leistungsstand ist, wo die größten Potenziale für Sie liegen und wie Sie diese erfolgreich heben können. Melden Sie sich bei uns! 6. Aktive und frühe Einbindung der Mitarbeiter 7. Überführung des Projekterlebnisses in einen KVP Unsere Erfahrungen aus über 20-jähriger Projekttätigkeit zeigen, dass teilweise auch dramatische Prozessverbesserungen durch Stabilisierung, Beherrschung und kontinuierlicher Verbesserung nicht unüblich sind. So sehen wir als Ergebnis unserer Projekte regelmäßig drastisch reduzierte Durchlaufzeiten, stark gesunkene Durchlaufzeitschwankungen, reduzierte Bestände sowie eine substantiell gestiegene Liefertermintreue. Nachfolgende Aufstellung zeigt exemplarisch die in einem Projekt erreichte Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Auftragsabwicklungsprozesses: Weiterführende Literatur: Kotter, J. P. (2008): A sense of urgency, McGraw-Hill Professional, 2008 Pümpin, C. (2005): Strategische Erfolgspositionen, Haupt Verlag, 2005 Schuh, G.; Friedli, Th.; Kurr, M. A. (2006): Prozessorientierte Reorganisation, Hanser Verlag, 2006 Kontakt Dr. Stephan Krumm Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] Jan Eilers Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 43 Wertstrom im Unternehmen: Prozesse sehen lernen Norbert Große Entrup Der Geschäftsalltag und seine Hektik, beziehungsweise die auf das Management einströmenden Informationen und Entscheidungsanfragen sorgen dafür, dass viele Manager heute kaum die Zeit finden, sich Gedanken um die operative und strategische Optimierung ihrer Firma zu machen. Das Gefühl für die Steuerung des Schiffes „Firma“ geht verloren und man findet sich oft operativ in der Kommandozentrale damit beschäftigt, die Fahrt zu erhöhen oder zu bremsen, leichte Ruderkorrekturen zu veranlassen oder eine Planung der Routenressourcen wie Spritverbrauch und Mannschaftsversorgung zu planen. Gefangen im Alltag: Managementscheuklappen Lernen zu sehen Der Sinn und Zweck hinter dem Handeln tritt zurück und schafft Platz für „operative Hektik und planlose Reaktionen“. Asiatische Weise fordern nicht umsonst, dass der Mensch zehn Minuten am Tag über sein Handeln und Tun und sein Dasein reflektieren soll. Es sollte ein Lebensbild entstehen, dem man automatisch durch Verinnerlichung nachfolgt und sein Handeln auch dann situativ immer auf diese Zielausrichtung anpasst. Nur so können langfristig gesteckte Ziele erreicht werden, das Bild als Ziel muss immer vor dem inneren Auge präsent sein. Welcher Manager hat das Bild seiner Firma vor Augen? Wo steht sein Schiff im Meer der Wirtschaft? Welchen Zweck erfüllt es, für wen, für welche Kunden und erfüllt es diesen Zweck und die Bedürfnisse der Kunden auf eine „schlanke“ Weise, sprich mit dem minimalsten Ressourcenaufwand? Abb. 1: Beispiel einer Wertstromanalyse 44 Es gibt verschiedene Schiffe, Kreuzfahrtschiffe, Tanker, Segelschiffe, Fregatten, Forschungsschiffe und viele weitere Arten, die alle unterschiedliche Kundenbedürfnisse befriedigen. Es gilt herauszufinden, welche Art von Schiff man darstellt und wie dieses Schiff mit seiner Mannschaft die Wünsche der Kunden am effizientesten erfüllt bzw. erfüllen kann. konnten auch keine oder nur suboptimale Verbesserungen erzielt werden. Mit der Wertstromanalyse stellen sie ihre, auf den Kunden gerichteten Prozesse auf den Prüfstand und können diese sukzessiv und im Kontext mit Kreativität und im Team verbessern. Die Methode der Wertstromanalyse als Brille für das Management Was kennzeichnet eine Wertstromanalyse? Die Methodik der Wertstromanalyse erlaubt es dem Management und der Mannschaft, sich so ein Bild zu verschaffen (Abb. 1). Es werden die Prozesse als verknüpfte Landschaft dargestellt und die Beziehungen untereinander. So können schnell lange Durchlaufzeiten, lange Liegezeiten, komplexe und schwierige Schnittstellen erkannt und in einem weiteren Schritt alternative Prozesse und Abläufe definiert werden. Rückfragequoten zeigen auf, wo die Prozesse nicht sauber definiert sind und es ggf. an früheren Stellen in der Prozesslandschaft zu eindeutigen Klärungen und Weitertransport der Information kommen muss. Die Verschwendung wird aufgezeigt, wird transparent und kann somit aktiv beseitigt werden. 2. Alle Beteiligten kennen die Verschwendungsarten, die es gilt zu eliminieren. Überproduktion und Blindleistung, hohe Lagerbestände, unnötige Materialtransportwege, Warte- und Liegezeiten, Technologie- und Prozessdefizite, unnötige Handhabung durch den Menschen, Rückfragen und Qualitätsverlust. Im Rahmen eines Wertstromanalyse-Workshops fangen viele Manager und auch ihre Mitarbeiter erst an zu „sehen“. Sie erkennen an der prozessorientierten und bildhaften Darstellung, wo die Probleme stecken und fangen an, neue Lösungen und Alternativen anzudenken. Im Tagesgeschäft suchte man in der Vergangenheit zwar auch bereits nach Lösungen, aber da die Zeit fehlte, sich den gesamten Zusammenhang darzulegen, 3. Alle Beteiligten kennen die Philosophie des Wertstroms: Alles ist auf den Kunden ausgerichtet und fokussiert, es gilt seine Anforderungen optimal zu erfüllen, d. h. weder zu viel noch zu wenig. Alles fließt als Wertstrom, d. h. auch Lieferanten und ausgelagerte Prozesse fließen mit dem Hauptstrom hinein und werden ganzheitlich mit betrachtet. Alles funktioniert optimal nach dem Pull-Prinzip, der 1. Alle Beteiligten am Wertstrom des Unternehmens haben die Ziele des Wertstromanalyse-Workshops verinnerlicht. Diese Ziele sind, Verfügbarkeit erhöhen, Qualität verbessern, Individualität gewährleisten und Kosten reduzieren. Abb. 2: Wertstromdesign 45 Bedarf „triggert“ die vorgelagerten Aktionen des Systems. Es wird ständig im Kreislauf kontrolliert und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eingerichtet, der sicherstellt, dass der Kunde zufrieden ist und bleibt, auch bei geänderten Rahmenbedingungen. Alle Prinzipien des Wertstroms sind in der bildhaften Darstellung (Abb. 2) zu finden und sollten gemeinsam mit allen Beteiligten immer wieder vor einem Workshop wiederholt werden. 4. Trennung nach Tätigkeitsarten: Alle Tätigkeiten werden analysiert und in Haupt-, Neben- oder Organisationstätigkeiten klassifiziert. Wie ordnet sich die Wertstromanalyse in die ganzheitliche Optimierung hin zu einer schlanken Organisation ein? Analysephase: In dieser Phase wird das Geschäftsmodell hinterfragt und dargelegt, die bestehende Organisation aufgenommen sowie die Auftragsarten des Unternehmens klassifiziert. ABC Analyse teilt die Aufträge nach Umsatz und Menge ein, wobei die XYZ Analyse die Aufträge nach Häufigkeit und Regelmäßigkeit einteilt. In den Wertstromanalyse-Workshops sollten primär die Auftragsarten untersucht werden, die in die Kategorie AX fallen, um schnellstmöglich die größten Verbesserungseffekte zu erzielen. Es gilt nicht, das Zahlen- und Datenmaterial bis auf die letzte Kommastelle genau zu ermitteln. In der Wertstromanalyse kann man und muss man oft (besonders in den administrativen Bereichen, weniger in der Produktion) mit einer gesicherten ggf. 2 x abgefragten Schätzung leben lernen. Der Wertstrom wird skizziert und aufgenommen mit Brown Paper und den Standardprozesskärtchen, die die speziellen Informationen wie Zeitbedarf und Subprozesse beeinhalten. An Stellen, wo nicht sofort transparent wird, wo die Probleme liegen, muss mit einer Prozessfeinanalyse in die Tiefe „gebohrt“ werden. Aus den ersten Wertstromanalyse-Workshops lassen sich oft schon die ersten „quick wins“, also schnell umsetzbare Lösungen definieren, die dann auch zügig per aufgesetztem Maßnahmenplan in Angriff genommen werden müssen. Modularisierungsphase: In dieser Phase prüfen wir, ob und wo wir innerhalb der Prozesslandschaft Module bilden können, die eindeutig sind und wiederholt nutzbar. Diese so definierten Module werden spezifiziert und festgeschrieben und einer weiteren Optimie- 46 rungsprüfung unterzogen. Sind alle möglichen Module definiert, erfolgt die Standardisierung der Information, es werden die Schnittstellen geprüft und eindeutig beschrieben. Informationen werden dort erhoben, wo sie automatisch und ohne großen Mehraufwand abfallen und werden dann auf effiziente Weise durch den Wertstrom mit transportiert. Integrationsphase: In dieser Phase werden die Module in die Prozesslandschaft eingepasst und auf ihre Gesamtfunktionalität untersucht. Umsetzungsphase: In dieser Phase erfolgt die Anpassung der Kapazitäten, Umsetzung der operativen Prozesse und eine damit ggf. verbundene Veränderung der Organisationsstruktur. Idealerweise erfolgt eine parallele Einführung eines Prozesskostenmanagements und die Absicherung durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Der Wertstrom-Workshop und seine Inhalte Die wichtigsten und notwendigen Kundendaten werden erfasst und bereit gestellt. Welche Daten in welcher Tiefe Sinn machen, muss der Workshopmanager und -coach mit dem Kunden vorab definieren und erarbeiten. Es werden die betroffenen Stellen definiert und aufgenommen. Die prozessauslösenden Stellen müssen identifiziert und die einzelnen Prozessschritte auf dem Brown Paper in Schwimmbahnen dargestellt werden. Die Schnittstellen des Informationsflusses werden definiert und ermittelt. Wichtig und elementarster Bestandteil ist die Aufnahme der Prozesszeiten, die Aufnahme der Liege- und Wartezeiten sowie die Zeiten für Rückfragebedarf und Reklamationen. An kritischen Stellen muss eine Prozessfeinanalyse einsetzen, um Details besser herauszuarbeiten und Problemen auf den Grund zu gehen. Aus den im Workshop erlangten Erkenntnissen werden Maßnahmen für sogenannte „quick wins“ geplant und umgesetzt. Dies erhöht die Motivation für alle Beteiligten, an der Optimierung des Wertstroms auch langfristig mitzuwirken. Häufige Probleme bei der Umsetzung in der Praxis 1. Zuviel Theorie. Die Methodik wird zu theoretisch angewendet. Man versteift sich auf das prozedurale Vorgehen und vergisst dabei „das Bild zu zeichnen“, es bedarf hier einer gewissen Kreativität und auch eines gewissen Pragmatismus, damit das Thema nicht zu holzig und frustrierend wird für alle Beteiligten. 2. Zu wenig Zeit und nicht alle beteiligt. Das Tagesgeschäft ruft und wichtige Personen für die Teilnahme am Workshop, deren Know-how um die Abläufe unverzichtbar ist, nehmen nicht teil. Die Häufigkeit der aufeinanderfolgenden notwendigen Treffen wird unterschätzt und wichtige Personen sind durch Reisetätigkeiten oder andere Projekte immer wieder verhindert. Workshops ohne die wichtigsten Ansprechpartner sind wertlos und können keine Lösungen erarbeiten. Die Investition „Zeit“ ist die wertvollste und wichtigste, die ein Unternehmen bereit sein muss zu leisten. 3. Abkürzungen und Fokus auf Teilelemente. Leider wird aufgrund der sich abzeichnenden Aufwändungen und Zeiten für eine WertstromanalyseWorkshopreihe oft eine Abkürzung genutzt. Man fokussiert sich direkt auf identifizierte Problemstellen (1-3 Stück), die man dann angeht und mehr oder minder prozessorientiert versucht zu optimieren. Dies entspricht in keinster Weise der Wertstromanalyse und greift natürlicherweise viel zu kurz. Die grundsätzlichen Riesenpotenziale, die sich oft mit der Wertstrombetrachtung auftun, sind so nicht zu erschließen. 4. Keine professionelle Begleitung. Die Moderation und Vorbereitung der Workshops muss von einem erfahrenen Wertstromexperten erfolgen. Nur so ist sichergestellt, dass man mit dem geringsten Aufwand und zielgerichtet im Team arbeitet. Von einer Eigenmoderation (es sei denn, es hat eine Ausbildung zum Moderator z. B. am Lean Enterprise Institut stattgefunden) ist dringend abzuraten. Auch der Blickwinkel von Außen, wo sind Potenziale zu finden und zu heben, ist wichtig und kann wertvolle Hinweise liefern und die Ergebnisse sehr positiv beeinflussen. Fazit Die Wertstromanalyse ist ein wichtiges und wertvolles Werkzeug zur ganzheitlichen Betrachtung und Optimierung einer Firma oder einer Organisation. Wichtig ist die konsequente Anwendung der Wertstromprinzipien und die bewährte Vorgehensweise. Sind die Optimierungen erarbeitet und wird das neue Firmenbild von allen Beteiligten gepflegt und verinnerlicht, stehen einer Neuausrichtung und einem Erfolg im Markt und im Wettbewerb nichts mehr entgegen. Viele Firmen haben daher die Wertstromanalyse als strategisches Werkzeug für ihre permanente strategische Weiterentwicklung festgeschrieben und wenden die Methodik regelmäßig an. Die Schuh & Co. GmbH setzt diese Methodik in vielen Projekten ein und begleitet die Firmen bei einer einmaligen Reorientierung oder aber auch über Change-Projekte bis hin zur kompletten Verinnerlichung neuer Werkzeuge und Methoden in einer ganzheitlichen Form, die zur neuen Unternehmenskultur wird. Durch die enge Anbindung an die Wissenschaft und Forschung in Aachen und durch den hohen Praxisbezug der Berater ist eine optimale Ausgestaltung und Begleitung der Kunden über Workshopreihen hin zu operativer Exzellenz möglich. Kontakt Norbert Große Entrup Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 47 Lean Innovation – Entwicklungsproduktivität signifikant steigern Dr. Stephan Krumm / Dr. Stephan U. Schittny Im globalen Wettbewerb ist es entscheidend, sich durch erfolgreiche Innovation vom Wettbewerb zu differenzieren und dem Kunden überzeugenden Nutzen anzubieten. Kurze Entwicklungszeiten, vom Kunden honorierte Innovationen und reduzierter F & E-Aufwand muss in den Fokus jeder Produktentwicklung gehören. Tatsächlich aber misslingen die meisten Innovationsversuche in der Praxis: Vielen Unternehmen gelingt es nur unzureichend, echte Einzigartigkeit und überzeugende Differenzierung durch Innovationen zu erzielen. Mehr als die Hälfte aller Innovationsprojekte scheitert auf diese Weise – dies ist Verschwendung mit horrenden Kosten! Die Herausforderung Lean Champions schaffen es, trotz eng begrenzter Entwicklungsressourcen wiederholt und nachhaltig Innovationserfolge zu erzielen. Hierzu ist es notwendig, sich auf die Wertschöpfung der Entwicklungsprozesse zu konzentrieren und Verschwendungen im Prozess sowie in den zu entwickelnden Produkten zu erkennen und zu minimieren. Typische Verschwendungen sind unter anderem: Mangelnde Kundennutzenorientierung, unklare Produktpositionierung, unpräzise Projektziele, unnötige Produkteigenschaften Zu teure Produkte durch ungesteuerte Entstehung von Produktkomplexität und ungenutzte Skaleneffekte Unzureichende Ausnutzung von Entwicklungsressourcen und -kompetenzen Unnötig lange Time-to-Market durch unterbrochene Wertströme Rückfragen und Iterationen aufgrund ungenügender Standards Vermeidbare Defekte und Nacharbeit in der Prototypenphase Vorsicht: Mehr ist nicht immer besser! Auf die Wirkung kommt es an! in Anlehnung an: WZL 48 Das Ziel: Signifikante Steigerung der Entwicklungsproduktivität Lean Thinking beschreibt die Fokussierung auf echte Wertschöpfung und die Vermeidung von Verschwendung als obersten Grundsatz. Dieses Verständnis für Wertgenerierung aus Kundensicht ist für das Innovationsmanagement im Unternehmen besonders entscheidend, aber gerade dort heute noch drastisch unterrepräsentiert. Ziel von Lean Innovation ist es, die Grundsätze des Lean Thinking auf das Innovationsmanagement systematisch zu übertragen. Bislang wurde dieser Übertrag in ersten Ansätzen begonnen, aber keineswegs systematisch vollzogen. Entsprechend zeigt eine Befragung des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen und der Schuh & Co. GmbH unter 165 produzierenden Unternehmen in Deutschland, dass erst ein Drittel überhaupt begonnen hat, eine systematische Identifikation von Verschwendung in der Produktentwicklung durchzuführen. Die Lean Innovation-Systematik beruht auf 12 Prinzipien: 49 12 Lean Innovation Prinzipien Strategische Positionierung mit dominanten Fähigkeiten Proaktiver Aufbau verteidigbarer strategischer Erfolgspositionen und dominanter Fähigkeiten, die zu Wettbewerbsvorteilen im Markt führen Kaskadenförmige Erarbeitung und Kommunikation der Strategie als Rahmen für zielgerichtete verschwendungsfreie Entwicklungsarbeit Klare Hierarchisierung von Kundenwerten und Projektzielen Wertanforderungen der Stakeholder transparent strukturieren Anforderungen und Projektziele eindeutig hierarchisieren, um Kundennutzen exakt zu treffen und Zielkonflikte sowie Verschwendung in Entwicklungsprojekten zu vermeiden Roadmapping für Produkte und Technologien Cross-funktionaler Diskurs zur Festlegung der Produkt-, Technologieund Projektplanung Systematische Technologiefrüherkennung und -planung zur fokussierten, verschwendungsfreien Technologieentwicklung Produktarchitekturgestaltung durch Funktions- und Technologiemodelle Definition von Modulen mit standardisierten und entkoppelten Schnittstellen Wiederverwendung von Anforderungen, Funktionen und Technologien bei der Produktentwicklung Sortimentsoptimierung durch Merkmals-Klassifizierung Bewertung des Nutzens der Produktvielfalt Analyse der Komplexitätskosten Gezielte Fokussierung auf wirtschaftliche Produktvarianten Lösungsraum-Steuerung durch Freiheitsgrade und Design-Sets Systematische, parallele Betrachtung von Lösungsalternativen bei neuen Produktfunktionen („Set Based Design“) Sukzessive Eingrenzung von Freiheitsgraden bei der Entwicklung 50 Wertstromoptimierung durch angepasste Prozessstandardisierung Optimierung der Entwicklungsprozesse Fokussierung des Wertstroms auf kundenrelevante Werte Konsequente Standardisierung repetitiver Prozesse zur Effizienzsteigerung sowie eindeutig definierte Schnittstellen und Übergaben Datenkonsistenz durch zielgerichtete Information Integration und Konsolidierung bestehender Systeme Konsistente Produktdaten, rollenspezifischer Zugriff Hohe Zuverlässigkeit der IT-Systeme Projektkoordination durch Multiprojektmanagement und Taktung Einfache zeitliche Strukturierung des Entwicklungsprozesses Standardisierte Controlling-Charts zur Visualisierung des Projektstatus Frühzeitige Messung von Abweichungen Innovationscontrolling durch Regelkreise für Prozesse Identifikation der Werttreiber in der F & E Aufstellen transparent messbarer Zielgrößen für Regelstrecken Installation kurzer Feedbackschleifen zur kontinuierlichen Verbesserung Release-Engineering durch Derivatisierung Produkte mit längeren Lebenszyklen werden durch Releases aus Kundensicht dauerhaft „frisch“ gehalten Steuerung der Lebenszyklen einzelner Produktfunktionen Fortführung der Produktstrukturierung im Lifecycle-Management Kontinuierliche Verbesserung im Innovationsreifegrad-Modell Beschreibung des Lean Innovation-Reifegrades in fünf Stufen Gemeinsam entwickelte Idealzustände dienen den Mitarbeitern als Orientierung Ständiges Hinterfragen / Messen des Erreichten zur kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse, Strukturen, Verhaltensweisen und Hilfsmittel Kontinuierliches Bemühen, Verschwendungen zu vermeiden Kontakt Dr. Stephan Krumm Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] Dr. Stephan U. Schittny Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 51 Den Wert verstehen, das ist das A und O – F&E-spezifische Wertstromanalyse Dr. Stephan U. Schittny Gerade Unternehmen der Konsumgüterindustrie investieren jährlich große Summen ihres MarketingBudgets nicht mehr nur in Maßnahmen der reinen Absatzförderungen, sondern immer mehr in Marktund Kundenforschung, um die Bedürfnisse und Wünsche des Konsumenten adäquat verstehen und befriedigen zu können. Hier beginnt der Wertstrom, der über die Entwicklung entsprechender Produkte, die Produktion auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen, bis zu Vertrieb und Service letztendlich wieder beim Kunden endet. Mit den Methoden und Werkzeugen der Lean Production und Lean Administration wurden in den letzten Jahren erfolgreich die durch repetitive Tätigkeiten gekennzeichneten Abschnitte dieses Wertstroms optimiert. Die expliziten Herausforderungen der Produktentwicklung, deren Prozesse vergleichsweise stärker durch Kreativität und Einmaligkeit geprägt sind, wurden jedoch nur wenig adressiert. An diesem Punkt setzt die F&E-spezifische Wertstromanalyse (WSA) an. Wert und Verschwendung in der F&E Ausgangspunkt einer Innovation ist die einfache Kommunizierbarkeit des Vorteils eines Produktes. Nur durch transparente, am Wertverständnis aus Kundenperspektive ausgerichtete Entwicklungsziele, können die Prozesse und Abläufe und schließlich die Produkteigenschaften konsequent wertorientiert und verschwendungsfrei gestaltet werden. Die Optimierung von Produktionsprozessen zielt auf eine möglichst effiziente Erzeugung eines vollständig definierten Produktes ab. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu Innovationsprozessen, in denen das Produkt noch gestaltet werden kann und die Optimierung sowohl auf eine effiziente Erstellung als auch auf ein effektives Ergebnis abzielen muss. Daher hat es sich in Analyseprojekten für Innovationsprozesse bewährt, nicht nur die klassischen sieben Verschwendungsformen nach Womack und Jones und ihre Entsprechungen in der Produktentwicklung, wie Wartezeiten, Hand-offs oder Stop-and-go-Bearbeitung zu betrachten (Abb. 1), sondern zusätzlich Defizite der Kundenorientierung, des Innovationsgrades oder des Gleichteileanteils des Produktes zu identifizieren. Diesem Aspekt kommt eine besonders große Bedeutung zu, da ein einmal verabschiedetes Lastenheft, eine Produktarchitektur oder ein fertiges Service-Konzept wesentlich die Freiheitsgrade determinieren, innerhalb derer sich die nachfolgenden Bereiche noch optimieren können. Kurz gesagt, das Ergebnis der Entwicklung legt immer auch einen gewissen Teil an nicht 52 mehr vermeidbarer Verschwendung in nachfolgenden Bereichen wie Montage, Qualitätssicherung oder Serviceleistungen fest. Wie die klassische WSA unterscheidet die F&E-spezifische WSA zwischen wertschöpfenden Tätigkeiten, notwendiger Stützleistung und Verschwendung. Die Identifikation von Verschwendungsformen, wie oben beschrieben, gestaltet sich dabei wesentlich einfacher als die Bestimmung des Wertes einer Tätigkeit in der Produktentwicklung. Wie ist beispielsweise der Output des Prototypenbaus eines großen Automobil-OEM’s zu bewerten? Keiner der drei- bis fünftausend physischen Prototypen, die in ihrem Aufbau ein Vielfaches eines Serienautomobils kosten, erreicht je einen Endkunden. Das durch Aufbau und Erprobung erzielte Know-how steckt jedoch zu einem gewissen Teil in jedem ausgelieferten Fahrzeug. Wie viele Prototypen sollten je Modell oder je ausgeliefertem Fahrzeug im optimalen Fall gebaut und erprobt werden, bevor die Qualität beginnt nachzulassen? Die Problematik, die in der Beantwortung dieser Frage steckt, liegt ganz allgemein in den nicht offensichtlichen Werttreibern der Innovationsprozesskette. Werttreiber stellen beeinflussbare Faktoren dar, die eine hohe Relevanz für das finanzielle Ergebnis eines Unternehmens bzw. einer Unternehmenseinheit besitzen. Der Werttreiber eines Schritts im Innovationsprozess leitet sich dabei aus dem Kundenwert und der Produktstrategie des Unternehmens ab, die in einem Wertesystem zusammengeführt werden sollten. Im Wertesystem werden die Wertvorstellungen der Stakeholder des Wertstroms Abb. 1: Verschwendung im Entwicklungsprozess und im Produkt erfasst und transparent strukturiert. Erst mit der Benennung des eigentlichen Werttreibers für bestimmte Phasen des Innovationsprozesses kann in der Wertstromanalyse letztlich die Bewertung des Wertschöpfungsgrades erfolgen (Abb. 2). Die Wertstromanalyse im Praxiscase Am Beispiel der Optimierung des F&E-Bereichs eines Konsumgüterherstellers wird im Folgenden das Vorgehen in WSA-Projekten näher erklärt. Die Erfolgsposition des Unternehmens besteht darin, seinen Kunden Technologien und Design-Trends in neuen, bedürfnisgerechten Lösungen anzubieten. Übergeordnetes Ziel des WSA-Projektes war es, die Effizienz und Effektivität des Produktentwicklungsprozesses zweier ausgewählter Produktgruppen zu steigern. Im Vorfeld des ersten Workshops wurde als Prozessabschnitt die Konzeptphase und frühe Prototypenentwicklung festgelegt. Anschließend wurde ein repräsentatives Entwicklungsprojekt ausgesucht, anhand dessen der Prozess exemplarisch analysiert werden sollte und die relevanten Stakeholder aus Marketing, Design, Entwicklung und dem Testlabor wurden benannt. In einem ersten Workshop wurde die Aufnahme des Ist-Wertstroms mit den Teilnehmern vorbereitet. Dazu wurde ein kurzes Review des gewählten Entwicklungsprojekts gemeinsam durchgeführt, um erste charakteristische Defizite zu identifizieren. Ergänzend dazu wurde die strategische Top-down-Perspektive des Entwicklungsleiters definiert. Zur Aufnahme des Wertstroms im zweiten Workshop kommt die auch in der Lean Administration übliche Schwimmbahn-Darstellung zum Einsatz, die jedem der Stakeholder des Prozesses eine eigene Bahn zuordnet und so Übergabepunkte durch den Wechsel zwischen den Schwimmbahnen abbildet (Abb. 3). Wichtig ist vor der Prozessaufnahme die Festlegung des Detaillierungsgrades in Abhängigkeit von der Größe und Komplexität des abzubildenden Prozesses. Der im Projekt betrachtete Prozess hatte eine typische Durchlaufzeit von sechs bis neun Monaten, daher kamen für den Detaillierungsgrad nur Prozessschritte mit einer Dauer von ein bis zwei Wochen in Betracht. Für den wichtigen Abstimmungsprozess von Designentwurf und Architekturkonzept wurde jedoch eine etwas feinere Auflösung gewählt, um den Informationsfluss korrekt abbilden zu können. Für die Prozesselemente wurden Prozess-Input und -Output aufgenommen und eine Charakterisierung nach Tätigkeitsart, Wertschöpfungs- und Standardisierungsgrad durchgeführt. Weitere Prozessparameter zur Detaillierung sind die Übergangszeit, die Prozesszeit, eingesetzte Hilfsmittel und Ausschussraten. Zur Festlegung des Wertschöpfungsgrades wurde die übliche Prozess- 53 Abb. 2: Wertesystem und Werttreiber im Innovationsprozess sicht um eine Wertsicht ergänzt, in der die Werttreiber der Stakeholder in den jeweiligen Entwicklungsphasen aufgenommen werden. Dieses Vorgehen trägt der oben beschriebenen Problematik der Wertdefinition in Innovationsprozessen Rechnung. Die Diskussion der Werttreiber im Workshop führt den Teilnehmern dabei den Beitrag ihrer Entwicklungsleistung zur Steigerung des Kundenwertes und die Interdependenzen mit anderen Funktionsbereichen vor Augen. Als besondere Defizite im Prozess wurden, neben langen Durchlaufzeiten und Iterationsschleifen, eine teilweise unsystematische Kommunikation der Kundenwerte durch das Marketing, eine unzureichende Absicherung der ersten Entwürfe der DesignAbteilung durch Kundentests mit Design-Prototypen und eine zu schnelle Festlegung auf ein finales Produktkonzept festgestellt. Letztere konnte daran festgemacht werden, dass erfahrungsgemäß beim Scheitern eines Prototyps im Kundenakzeptanztest weder alternative Produktkonzepte bereitstehen noch genug Zeit für ein vollständiges Re-Design bleibt. Als Konsequenz muss in solchen Fällen das Projekt abgebrochen werden. In der Mehrheit der Fälle wird das Produkt aber dennoch in den Markt eingeführt, da ansonsten hohe Strafen aus Absprachen mit Händlern drohen. Nach Abschluss der Dokumentation des Ist-Prozesses wurden zunächst Verbesserungsmaßnahmen für die erkannten Defizite definiert und anschließend in einem weiteren Workshop in Form eines zu realisie- 54 renden Soll-Prozesses visualisiert. Als wohl radikalste Änderung hat man sich für den Soll-Prozess auf eine konsequent alternativenorientierte Entwicklung im Sinne des Set-Based-Design verständigt. Das bedeutet, dass zukünftig gezielt mehrere sich ausreichend differenzierende Lösungskonzepte in Design und Entwicklung parallel vorangetrieben werden. Die Reduzierung der in Entwicklung befindlichen Anzahl an Konzepten erfolgt dann nur an bestimmten Meilensteinen auf Basis der Ergebnisse aus Markt- und Kundentests. Bei Projekten mit einem besonders hohen Schadenspotenzial wird bis zum Ende der Entwicklungsphase eine Fallback-Lösung mitgeführt. Als weitere Maßnahmen wurden ein neues Vorgehen zur Kommunikation der Kundenwerte in die Bereiche Design und Entwicklung definiert sowie der frühzeitige Einsatz hochwertiger Design-Prototypen und die Anpassung der Testmethoden beschlossen. Die identifizierten Veränderungsmaßnahmen wurden abschließend gemeinsam im Workshopteam detailliert und in einem Aufwand-Nutzen-Portfolio bewertet. Das Ergebnis wird in einer Roadmap-Planung festgehalten, die neben der Terminierung der Maßnahmen insbesondere die Benennung von Verantwortlichen aus dem Workshopteam zum Gegenstand hat, um das Momentum des WSA-Projektes zu erhalten und in das Tagesgeschäft der Beteiligten zu transportieren. Durch den Einsatz der WSA wurde den Teilnehmern das Zusammenwirken der Teilprozesse am Beispiel und auch visuell verdeutlicht, gleichzeitig konnten Abb. 3: Exemplarische Abbildung des Ist-Wertstroms alltägliche Probleme einfach und gezielt im Prozess lokalisiert und neutral diskutiert werden. Neben der rein strukturellen Optimierung des Prozesses fördert die WSA auch die notwendige Integration von unterschiedlichen Fachbereichen in einem gemeinsamen Wertstrom. Ausblick: Fließende Prozesse erzeugen! Die Schaffung von wertorientierten Prozessen in der Produktentwicklung anhand der WSA, wie im obigen Beispiel geschildert, ist ein zentraler Bestandteil jeder Lean Innovation-Initiative. Neben der Optimierung ganzer Entwicklungsprozesse eignet sich die WSA auch für das Re-Design von repetitiven Standardprozessen der Produktentwicklung, wie beispielsweise von Änderungs-, Beschaffungs- oder Test- und Prüfprozessen. Um jedoch fließende Entwicklungsprozesse realisieren zu können, bedarf es noch der Umsetzung der zentralen Methode jedes Lean Production-Systems, der Taktung. Die Taktung adressiert eines der Grundprinzipien industrieller Produktion, die Trennung von Planung und Ausführung. Da komplexe Entwicklungsprojekte jedoch nicht von vornherein vollständig deterministisch planbar sind, wird in nahezu jedem Projekt dieses Prinzip verletzt und neben den Tätigkeiten der Entwicklung beinahe kontinuierlich weiter, um- und neu geplant. Für die Taktung der Produktentwicklung gilt es, eine einheitliche zeitliche Strukturierung der Abläufe zu erzielen und für die Bearbeitung der Entwicklungsaufgabe überschaubare Zeiteinheiten zu schaffen, die durch explizite Planungszeitpunkte separiert werden. Zu den Planungszeitpunkten sind die Aufträge der Produktentwicklung entsprechend des aktuellen Kenntnisstandes und der Kundenwerte zu priorisieren und abgestimmt auf die verfügbaren Ressourcen in den nächsten Takt einzulasten. Flankierend hierzu werden Methoden des Visual Managements in die Planungs- und Steuerungsprozesse des Projektmanagements integriert und die Rollen von Projektleiter und Projektteam neu definiert. Mit der Einführung des Taktprinzips in die F&E wird eine bessere Synchronisation der Prozesse miteinander und eine wachsende Leistungstransparenz erzielt. Kontakt Dr. Stephan U. Schittny Telefon: +49 241 51031 0 [email protected] 55 Die Schuh & Co. Gruppe Die Schuh & Co. Gruppe ist spezialisiert auf strategisches und operatives Komplexitätsmanagement. Mit diesem Ansatz hat sich das Unternehmen als umsetzungsorientierter Problemlöser in der Industrie profiliert. Zum Unternehmen gehören rund 50 Mitarbeiter: Strategie-, Organisationsberater sowie Managementtrainer. Die Heimat des Unternehmens ist Aachen, weitere Standorte sind St. Gallen, Schweiz (seit 1991) und Atlanta, USA (seit 1997). Standorte Schuh & Co. GmbH Campus-Boulevard 57 52074 Aachen, Deutschland Telefon: +49 241 51031 0 Telefax: +49 241 51031 100 E-Mail:[email protected] Schuh & Co. Komplexitätsmanagement AG Rehetobelstrasse 5 9037 Speicherschwendi, Schweiz Telefon: +41 71 243 60 00 Telefax: +41 71 243 60 01 E-Mail:[email protected] Schuh Complexity Management, Inc. 3625 Greenside Court Dacula, GA 30019, USA Telefon: +1 770 614 9384 Telefax: +1 678 730 2728 E-Mail:[email protected] www.schuh-group.com
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