ZÜRICH UND REGION 21 Neuö Zürcör Zäitung Donnerstag, 4. Februar 2016 «Ich werfe nichts über Bord» Gregor Zünd wird neuer Direktor des Universitätsspitals Zürich Am 1. April tritt Gregor Zünd die Nachfolge von Rita Ziegler am Universitätsspital an. Wir sprachen mit ihm über seine Startups, Kooperationen und veraltete Strukturen. schulen. Andererseits auch in der Zusammenarbeit mit anderen Spitälern, insbesondere mit den Stadtspitälern und den Kantonsspitälern Winterthur und St. Gallen. In der Herzmedizin und in der Geriatrie haben wir mit der Stadt schon eine gute Kooperation, diese wollen wir auf weitere Bereiche ausdehnen. Dabei ist es wichtig, dass wir die Eigenständigkeit der Betriebe anerkennen. Es geht nicht um Übernahmen, sondern darum, Win-win-Situationen zu kreieren. Davon profitieren letztlich die Patienten. Herr Zünd, der Direktionsposten im Unispital Zürich gilt als einer der härtesten der Branche. Sind Sie schon nervös? Nervös nicht, aber Respekt habe ich schon. Es ist sicher kein einfacher Job, aber ich freue mich, dass ich mich hier einbringen kann. Es steht uns eine spannende Zeit bevor. Die bauliche Erneuerung des Hochschulquartiers ist ein Jahrhundertprojekt. Welche Chancen bieten sich dadurch? Die grösste Chance besteht darin, gemeinsam mit Uni und ETH das Hochschulquartier zu gestalten. In Europa sind wir die Einzigen, die diese Konstellation mit einer hervorragenden Universität und einer technischen Hochschule direkt auf der anderen Strassenseite haben. In der Vergangenheit gab es aber auch den einen oder anderen Konflikt. Das Universitätsspital besteht aus 43 Kliniken mit sehr eigenständig denkenden Direktoren. Wie führt man einen solchen Betrieb? Mit der harten Hand? Die harte Hand wäre völlig verkehrt. Wir sind in einer Expertenorganisation. Die Mediziner sind unsere Leuchttürme. Hier kommen sie nur weiter, wenn sie die Leute begeistern und von ihren Ideen überzeugen können. Was könnte daraus resultieren? Dass wir auf diesem Weg neue Technologien entwickeln und diese frühzeitig zum Wohle des Patienten einsetzen können. Ausserdem können wir auch Räume gemeinsam nutzen, wie zum Beispiel Hörsäle. Sie haben vier Startups gegründet. Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, in die Privatwirtschaft zu wechseln? Dort gäbe es viel zu verdienen. Ja, das habe ich mir sicher überlegt. Aber ich finde die Aufgabe hier spannender und erfüllender. Hier kann ich etwas bewegen, die Zukunft mitgestalten. Denn die Medizin wird sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren noch wesentlich verändern. Die Bevölkerung wird älter, chronische und komplexe Erkrankungen nehmen zu. In der Medizin wird man vermehrt interdisziplinär arbeiten müssen. Werden Sie jetzt die alten Strukturen über Bord werfen? Ich werfe nichts über Bord, aber es ist schon so, dass wir vermehrt verschiedene Berufsrichtungen zusammenbringen müssen, damit wir die Patienten gemeinsam behandeln können. Dafür müssen wir nicht alles umkrempeln. Aber vielleicht müssen wir vermehrt Zentren schaffen oder Boards, wo sich verschiedene Disziplinen treffen. Das Ziel ist es, dem Patienten die bestmögliche Diagnostik und Therapie bieten zu können. Wir werden uns künftig vermehrt um Krankheiten herum organisieren. Kooperationen gibt es auch nach aussen. Wo wollen Sie Akzente setzen? Einerseits in der Kooperation mit der Universität, der ETH sowie Fachhoch- Gregor Zünd übernimmt in zwei Monaten die Direktion des Unispitals. Zürich ist mit seinen diversen Spitälern und der boomenden Life-Science-Industrie ein Zentrum für Medizin. Wie sehen Sie die künftige Entwicklung? Der Medizinplatz Zürich hat eine grosse Chance, sich attraktiv zu positionieren. Unter den europäischen Universitätsspitälern sind wir an fünfter Stelle. Aber wir haben den Anspruch, weiter nach vorne zu kommen. Das geht nur zusammen mit der Universität und der ETH. Interview: Jan Hudec ANNICK RAMP / NZZ Forschungsdirektor und Startup-Gründer jhu. V Er sei ein durchsetzungsfähiger Mensch, einer der zupackt, der etwas erreichen und verändern will. Das bekommt man zu hören, wenn man in Medizinerkreisen nach Gregor Zünd fragt. Davon zeugt auch der Lebenslauf des neuen Direktors des Universitätsspitals Zürich (USZ). Nach dem Medizinstudium in Bern und Stationen in Texas, Aarau und Obwalden kam er 1991 ans Universitätsspital Zürich (USZ). Drei Jahre später wechselte er in die USA, wo er Oberarzt an der Klinik für Herzund Thorax-Chirurgie an der Harvard Medical School in Boston wurde. 1996 kehrte er nach Zürich zurück, wurde 2001 zum leitenden Arzt am Zentrum für Chirurgie und 2004 zum Titularprofessor. Seit 2005 ist er Managing Director des Zentrums für Klinische Forschung und seit 2008 Direktor für Forschung und Lehre am USZ. Neben seiner universitären Tätigkeit ist der 56-jährige Familienvater auch unternehmerisch tätig. Seit 2001 gründete und führte er erfolgreich vier Startup-Unternehmen. Er hat aber seit längerem alle Startups abgegeben. Zünd tritt am 1. April die Nachfolge von Rita Ziegler an, die im letzten September bekanntgegeben hatte, dass sie nach acht Jahren als Vorsitzende der Spitaldirektion im März 2016 zurücktreten werde. Spitalratspräsident Martin Waser zeigte sich zufrieden, dass man mit Gregor Zünd eine führungsstarke Figur gefunden habe, die das USZ bestens kennt. Das garantiere einen reibungslosen Übergang. Gerade in der strategisch wichtigen Phase, in der sich das USZ befinde, sei dies zentral. Erneute Umbrüche im «Kaufleuten» Der Zürcher Betrieb trennt sich vom Küchenchef und positioniert sich in der Klublandschaft anders Nach dem Neustart von 2014 wird im «Kaufleuten» schon wieder anders konzipiert: Der ambitionierte Jungkoch Pascal Schmutz geht bereits. Und der Klub fusioniert mit dem «Jade». URS BÜHLER Mit blumigen Ankündigungen und hochfliegenden Plänen wurde das legendäre «Kaufleuten» vorletztes Jahr von seinen neuen Inhabern frisch aufgestellt. Seither ist es etwas ruhiger geworden um das Haus in Zürichs Innenstadt. Mitunter brodelte es zwar in der Gerüchteküche. So stand zum Beispiel einmal ein neuerlicher Wechsel in der Besitzerschaft im Raum, doch das traf nicht ein. Der ursprünglich eingestellte Gastgeber indes verliess den Betrieb bald, aus gesundheitlichen Gründen. Und jüngst wurde gemunkelt, Küchenchef Pascal Schmutz sei am Abspringen. Das ist nun kein Ondit mehr: Die Geschäftsführung hat am Mittwoch gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bestätigt, man trenne sich von Schmutz. Abgelöst wird er im April von Dimitris Sarlanis, dem bisherigen Souschef der «Kronenhalle», und Cristian Penna vom «Orsini». Schmutz wird sich nun laut Zeitungsbericht auf die Entwicklung innovativer Gastroprojekte konzentrieren, für welche die hiesige Branche zweifellos einigen Bedarf hat. Die Mühen von Stammgästen Nach Zürich gekommen war der heute 31-jährige Bieler mit der Referenz von 16 Gault-Millau-Punkten, die er sich im Hotel Flims Waldhaus erarbeitet hatte, und dem Titel «Deutschschweizer Entdeckung des Jahres 2010» des Gastroführers. Schmutz sei «jung, innovativ und frech» und ein «Glücksgriff», liess damals der neue «Kaufleuten»-Hauptaktionär Marcel Bosshard verlauten. Er werde frischen Wind bringen, und man lasse ihm freie Hand. Damals befürchte- ten wir an dieser Stelle, es könnte etwas viel Verantwortung auf den Schultern eines einzigen jungen Mannes lasten. Nun wird Mitinhaber Marc Brechtbühl mit der Aussage zitiert, einige Stammgäste hätten «Mühe gehabt, sich an die neue Küche zu gewöhnen». Der Jungkoch liess zwar Hausspezialitäten wie das Wiener Schnitzel auf der Karte, wollte aber mit Kreationen wie «Hummer mit Kingfish-Carpaccio, saurer Mango und Wasabi-Sellerie» in andere Ligen vorstossen. Gleichzeitig betonte er seine Bodenständigkeit mit dem Bekenntnis, bei ihm solle «Kartoffelstock nach Kartoffeln schmecken». Lässt man ihn nun fallen wie eine heisse Kartoffel? Brechtbühl, seit längerem am Betrieb beteiligt, sieht das anders. «Wir wussten von Anfang an, dass er nicht ewig bleibt, er zog in seiner Karriere meist nach ein, zwei Jahren weiter.» Der Anstoss sei allerdings nicht von Schmutz selbst gekommen, man habe den Wechsel im Einvernehmen mit ihm angestrebt. «Das Experiment war sehr gelungen, aber nun wollen wir vermehrt das klassische Element unterstreichen», sagt Brechtbühl. Das «Jade» zieht ein Mit der Entwicklung des Hauses seit 2014 zeigt sich Brechtbühl «sehr zufrieden»; das Kulturprogramm mit Lesungen und Konzerten sei «unglaublich gut». Und der Klub, der von seiner legendären Ära der neunziger Jahre zehrt? Ihm steht ein Wandel bevor. Vor Jahresfrist hat die neue Crew verkündet, künftig nach dem Vorbild von Ibiza auf elektronische Musik statt Hip-Hop zu setzen. Nun fusioniert sie Mitte April mit dem auf R’n’B und Hip-Hop spezialisierten «Jade». Dieses muss in der alten Post Selnau einem Hotelprojekt weichen und zieht nun samt Personal ins «Kaufleuten»; dessen Teilhaber Mark Röthlin soll das Angebot im eigens dafür umzubauenden Festsaal als eleganten, freitags und samstags geöffneten Klub weiterführen. Damit sehen sich die Partner gerüstet für die Zukunft des Nachtlebens. LUNCH Das absolute Mehr Urs Bühler V Manche denken, Restau- rantkritiker seien erst zufrieden, wenn sie ein Haar in der Suppe finden. Das ist Unsinn. Geht ein Konzept so richtig auf, macht das jeden Gast froh, ob er aus beruflichen Motiven einkehrt oder privat. Glücklich in diesem Sinn macht den Schreiber gerade das «Più», das in einer Ecke der alten Zürcher Sihlpost den Trend zur Unkompliziertheit so eigenständig interpretiert und sich seinen Namen mehr als verdient. So hat sich das täglich bis Mitternacht offene Lokal in den zwei Monaten seit der Eröffnung prima etabliert. Gerade über Mittag sind kurzfristig kaum mehr Tische reservierbar, aber mitunter an der langen Bartheke noch Plätze zu ergattern. Bei drei Besuchen hat uns das Angebot Mal für Mal überzeugt, vom liebenswürdigen, kompetenten Service über die Hintergrundmusik bis zur Auswahl für grossen und kleineren Hunger zu vernünftigen Preisen. Es wird trotz starkem Andrang nicht zu laut, auch nicht, wenn sonntagnachmittags (italienische) Familien ihre Kinder füttern. Die 4 Millionen Franken, welche die Firma Bindella in den Umbau investiert hat, sind prima angelegt: Der sieben Meter hohe Raum, der die Grosszügigkeit von Bahnhofbuffets mit Italianità vermählt, ist dezent und doch originell gestaltet, die Fenster mit denkmalgeschützten Eisengittern sind geschickt in Szene gesetzt. Neapel samt Amalfiküste spiegeln sich auf und neben der Karte. Nach Art der kampanischen Kapitale zubereitet sind die formidablen Holzofen-Pizze. Sie liegen dem Magen gar nicht auf – für sich schon ein Qualitätszeichen. Der Teig mit Mehl aus einer neapolitanischen Mühle erhält 48 Stunden zum Aufgehen, wird unten knusprig, ohne zu dünn zu sein, und oben küsst leichter Fior-di-LatteMozzarella ein wunderbar reines Tomatensugo. Die Basisversion Margherita (Fr. 17.–) ist mit Zutaten nach Wahl (ab Fr. 2.–) erweiterbar. Auch als «Stuzzichini» aufgeführte Häppchen überzeugen, etwa Focaccia mit rohem Thon und luftiger «Mayonnaise» auf Crèmefraı̂che-Basis (Fr. 12.–); von der originellen Auswahl an Salaten begeistert einer mit Rucola, rohem, fein gehacktem Blumenkohl, Nüssen, Mandeln (Fr. 12.–), und Mini-Arancini (Fr. 2.–) sind aussen knusprigst, ohne innen trocken zu sein. Den Wurf verdankt die Familienfirma ihrer vierten Generation: Verantwortlich zeichnet Rudi Bindella jun., und Inspirationen hat, gestalterisch wie kulinarisch, ein Lokal seines Bruders Christian in Tel Aviv geliefert. Als erster der rund vierzig Bindella-Betriebe hat das «Più» einen Take-away-Bereich, abgetrennt durch den Kubus, der die zentrale Küche umschliesst. Da nimmt man ebenfalls sehr gute Pizze mit, aber aus dem Elektroofen (ab Fr. 8.–), oder feinstes hausgemachtes Süssgebäck wie Cannoli (ab Fr. 2.50). Verbesserungswürdig finden wir höchstens . . ., aber nein, jetzt wird eben nicht das Haar in der Suppe gesucht! Più, Kasernenstr. 48, Zürich, Tel. 044 242 33 22. KULINARISCHES Der «Milchbar» letzte Tage urs. V Als die «Milchbar am Bellevue» 2013 das «Skebe» ablöste, war sie als Intermezzo deklariert vor der Totalsanierung des Hauses. Diese steht nun an, und Ende Februar wird das Lokal geschlossen. Es war speziell bei Jugendlichen beliebt, wie die Péclard-Gruppe als Betreiberin mitteilt. Deren «Milchbar» am Paradeplatz bleibt bestehen.
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