Die heimische Biodiversität wird um eine weitere Tierart reicher

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Die heimische Biodiversität wird um eine weitere Tierart
reicher
Im Zuge des Klimawandels wird viel über die Einwanderung neuer Tierarten in unsere
Breitengrade gesprochen. Besonders die Asiatische Tigermücke (Stegomyia albopicta), eine
Verwandte unserer heimischen Bodenseeschnake, der Stechmücke Aediomorphus vexans,
findet dabei immer wieder Erwähnung. In ihrem Herkunftsgebiet ist sie dafür bekannt,
gefährliche Krankheiten wie das Denguefieber zu übertragen. Nun sind Exemplare der Mücke
auch in Südbaden registriert worden.
Fühlt sich vielleicht bald auch bei uns wohl: die Asiatische Tigermücke Stegomyia albopicta. © pixabay/Wikilmages
Der Klimawandel ist mittlerweile eindeutig messbar und hat auch in Baden-Württemberg zu
einer Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur geführt. Dies bedeutet auch, dass die
Biodiversität des Landes längerfristig neue Arten dazugewinnt, denn durch die erhöhten
Temperaturen fühlen sich auch Tiere aus südlichen Gebieten bei uns heimisch.
Am Bodensee beginnt mit dem Sommer jedes Jahr erneut die Stechmückensaison. Hier
könnten sich in Zukunft auch Stechmückenarten ansiedeln, die unter Umständen aus
subtropischen Gebieten eingeschleppt werden. Dass eventuell neue Arten hinzukommen, heißt
aber nicht zwangsläufig, dass dadurch die bereits vorhandenen Tiere verdrängt werden.
„Schon früher gab es Einwanderung von Tieren, auch von Stechmücken, die aus wärmeren
Gebieten nach Europa gekommen sind. Die Bodenseeschnake kam vor circa 300 Jahren aus
Nordafrika zu uns und hat sich seither in der gesamten nördlichen Welt verbreitet", erklärt Dr.
Rainer Bretthauer. Der promovierte Naturwissenschaftler hat Zoologie, Botanik, Chemie und
Physik studiert und war zuletzt an der Universität Konstanz als Akademischer Direktor tätig.
Heute ist Bretthauer im Ruhestand, aber noch ehrenamtlich als Naturschutzbeauftragter des
Landkreises Konstanz sowie als Umwelt- und Klimaschutzbeauftragter der Stadt Radolfzell
aktiv. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Gewässerfragen mit einem speziellen Interesse an
Stechmücken.
Ansiedelung anderer Arten durch Klimawandel möglich
Der promovierte Naturwissenschaftler Dr. Rainer
Bretthauer ist heute als Naturschutzbeauftragter des
Landkreises Konstanz sowie als Umwelt- und
Klimaschutzbeauftragter der Stadt Radolfzell aktiv. ©
privat
Die heute bei uns heimischen
Stechmückenarten werden einen gemäßigten
Klimawandel gut überstehen. Neue Arten
können aber zusätzlich hinzukommen.
Subtropische Insekten wie Stechmücken
wurden bisher nur durch den internationalen
Reise- und Warenverkehr nach BadenWürttemberg gebracht. In Zukunft ist es aber
möglich, dass sie sich auch durch
Einwanderung bei uns ausbreiten. „Dass sich
diese Arten dauerhaft bei uns halten wird
befürchtet", bestätigt Bretthauer. Strenge
Winter mit längeren Frostperioden können die
Population aber auf niedrigem Niveau halten.
„Darüber hinaus ist die Aufmerksamkeit der
Bevölkerung gefragt", so der
Naturschutzbeauftragte weiter. So sollten
Brutmöglichkeiten wie offene Regentonnen
abgedeckt und gegebenenfalls vorkommende
Larven in solchen offenen Stillwassern mit
einem biologischen Mittel (BTI) bekämpft
werden. „Hier ist der Einsatz dieses
Vernichtungsmittels unbedenklich, weil es – im
Gegensatz zum Bodensee – im
abgeschlossenen Bereich der Regentonne keine
Gefahr für andere Tiere darstellt", stellt
Bretthauer fest.
Doch trotz solcher Maßnahmen ist die Möglichkeit, dass sich die Asiatische Tigermücke
(Stegomyia albopicta) bei uns ansiedelt nicht von der Hand zu weisen. Sie wird aber die
heimische Fauna nicht wesentlich verändern. „Die Biodiversität wird um eine weitere Tierart
reicher", beschreibt Bretthauer die Situation, denn eine Gefahr für andere Insekten ist derzeit
kaum erkennbar. Nur vereinzelt wurde beobachtet, dass die Asiatische Tigermücke andere
Stechmückenarten mit ähnlichen Eiablagebiotopen verdrängt hat. Als Nahrungskonkurrent
stellt diese Tigermücke aus Fernost für die heimische Stechmücke aber keine Gefahr dar.
Keine Gefahr durch gefährliche Krankheiten
In ihrem Herkunftsgebiet ist die Tigermücke für die Übertragung des Denguefiebers
verantwortlich. Bei uns ist die Angst vor solchen Übertragungen durch die Mücke im Moment
aber unbegründet. „Bevor die Tigermücke die Fieberviren übertragen kann, muss sie diese aus
dem Blut eines infizierten Menschen aufgesogen haben", erklärt Bretthauer den
Ansteckungsvorgang. Da es in Deutschland aber so gut wie niemanden gibt, der unter diesen
Krankheiten leidet, kann das Virus durch die Mücken auch nicht an andere Menschen
weitergegeben werden. „Um eine echte Gefahr darzustellen, muss in der Bevölkerung zunächst
ein erhebliches Erregerpotenzial vorliegen", betont Bretthauer. Selbst vereinzelte
Erkrankungen, eingeschleppt durch Reisende aus dem tropischen Ausland, stellen noch keine
Gefahr dar.
Ein gutes Beispiel dafür, dass ein potenzielles Überträgerinsekt noch lange kein Herd für
gefährliche Ansteckungen sein muss, ist die Fiebermücke Anopheles maculipennis, die 20
Prozent des Mückenbestandes am westlichen Bodensee ausmacht und Malaria übertragen
kann. Trotzdem gibt es am Bodensee keine Ausbreitung des Malariafiebers, da in der
Bevölkerung kein Erregerpotenzial vorhanden ist. Genauso verhält es sich mit der Asiatischen
Tigermücke. Solange in der Bevölkerung kein signifikanter Anstieg an Erkrankungen
auszumachen ist, stellt die Asiatische Tigermücke auch keine Gefahr dar.
Noch deutlich entfernt von subtropischen Verhältnissen
Anders verhält es sich bei Reisen ins tropische Ausland. „Hier sollte man sich bei Tropenärzten
oder -instituten erkundigen, welche Krankheiten in der gewählten Region insbesondere durch
Mücken übertragen werden", rät der Schnakenexperte. Meist kann man sich dann durch
Impfungen oder die prophylaktische Einnahme von Medikamenten schützen. Doch auch wenn
es durch den gestiegenen Reiseverkehr vereinzelt zu Übertragungen kommt, besteht keine
Gefahr, dass Krankheiten aus den Tropen bei uns eine wesentliche Verbreitung erfahren. „Die
meisten Ärzte erkennen aus den Subtropen oder Tropen eingeschleppte Krankheiten oder
lassen diese von Spezialisten feststellen", weiß Bretthauer. Im Anschluss werden Maßnahmen
getroffen, welche die Verbreitung des Krankheitserregers verhindern, so dass sich im Blut der
Bevölkerung kein infektiöses Potenzial ausbilden kann.
„Der Klimawandel ist zwar eindeutig, von subtropischen Verhältnissen sind wir aber noch weit
entfernt. Deshalb ist die Gefahr einer Ansteckung durch eingeschleppte Insekten bei uns im
Moment minimal", sagt der Klimaschutzbeauftragte abschließend.
Fachbeitrag
01.09.2015
Eva Botzenhart-Eggstein
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Biodiversität in der Krise
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