Regensburg Donaumarkt – Eine Detailstudie zum mittelalterlichen Ufer (Arbeitstitel) Text Homepage In den Jahren 2009 bis 2015 fanden am Donaumarkt in Regensburg im Vorfeld des Baus für das Museum der Bayerischen Geschichte verschiedene archäologische Untersuchungen statt. In einer Fläche von mehr als 6.000 m2 konnten nicht nur das spätmittelalterliche und neuzeitliche Stadtviertel rekonstruiert, sondern darüber hinaus verschiedene Uferbefestigungen, Altwasserarme sowie das früh- und hochmittelalterliche Siedlungs- und Handwerksareal erfasst werden. Die Lage unmittelbar an der Donau, nordöstlich des römischen Kastells und im Vorfeld der mittelalterlichen Stadt ermöglicht ganz besondere Erkenntnismöglichkeiten im Bezug zur Entwicklung und Nutzung des Donauufers. Der zeitliche Schwerpunkt liegt im frühen und hohen Mittelalter. Verlandungen, Hochwässer und Landgewinnungsmaßnahmen - Rekonstruktion des Uferverlaufs und der Uferbefestigungen Während der Ausgrabung konnte die heute ca. 20 m landeinwärts liegende Uferlinie des 9./10. Jahrhunderts identifiziert und eine mehrphasige Entwicklung dokumentiert werden. Insgesamt wurden mindestens fünf unterschiedliche Uferbefestigungen an einer Stillwasserzone beobachtet, die eine stetige Verlandung nach Norden in Richtung des heutigen Donauufers anzeigen (Abb. 1). Die gute Feuchtbodenerhaltung macht es möglich, den Verlauf auch durch dendrochronologische Datierungen zu untermauern (Abb. 2). Die fortschreitende Verlandung zeichnet sich durch eine Abfolge von Donausedimenten und Kulturschichten, die von Landseite eingebracht wurden, ab. Sie sind Zeugnis einer schwankenden Uferlinie, die jeweils nach den Bedürfnissen der nutzenden Bevölkerung befestigt wurde (Abb. 3). Mit dem Bau der Stadtmauer um 1320/30 und der damit einhergehenden Integration des Areals in den Kernstadtbereich Regensburgs endet die Entwicklung. Die Stadtmauer am Donauufer ist als letzte Landgewinnungsmaßnahme zu werten, was massive Aufschüttungen belegen. In der gesamten Grabungsfläche finden sich verschiedene bis zu 45 m landeinwärts liegende „Rinnen“ und Sedimentablagerungen, die ehemals wasserführende Seitenarme und Hochwasserereignisse anzeigen. Im Zuge der Auswertung werden die Veränderungen im Relief und in der Landschaft durch Umwelteinflüsse und anthropomorphe Veränderungen nachgezeichnet. Feuchtbodenerhaltung – ein frühmittelalterliches Holzgebäude mit Anlegestelle Einer der spektakulärsten Befunde ist ein Holzhaus in Pfostenschlitz- und Blockbauweise, das sich dem zur Donau abfallenden Gelände anpasst und direkt im Uferbereich errichtet wurde (Abb. 4). Dendrochronologische Datierungen ermöglichen eine Einordnung in das Jahr 985. Offenbar wurde das Haus bereits kurz nach der Errichtung durch ein Hochwasser geflutet. Daraufhin baute man Rundhölzer an der Nordwand ab, nutzte das Gebäude als offenen Unterstand und errichtete 994 auf den vorgelagerten sowie mittlerweile verlandeten und erhöhten Bereich am Ufer einen Bohlenboden. Dieser erstreckt sich im Westen über das Gebäude hinaus und steht dort in baulicher Verbindung mit einem weiteren Haus, dessen Eckpfosten im Jahr 999 gefällt wurden. Die Befunde verdeutlichen die intensive Nutzung des Uferbereichs sowie dynamische Veränderungen. Donauwasser – Gebrauchswasser für vorstädtisches Handwerk Das Areal im Vorfeld der mittelalterlichen Stadt wurde intensiv für feuergefährliches Handwerk genutzt. Belege hierfür fanden sich in Form zahlreicher Öfen und Tennen, die in das 9. bis 12. Jahrhundert zu datieren sind (Abb. 5). Die Stratigraphie zeigt, dass die Ofenstandorte oftmals wiederverwendet wurden und sich viele Anlagen überlagern. Die genaue Funktion der Öfen ist noch nicht geklärt, vermutlich stehen sie in Verbindung mit Schmiedehandwerk. Hierfür sprechen über eine Tonne Schmiedeschlacken, die bei Ausgrabungen in geringer Entfernung östlich des Areals gefunden wurden. Möglicherweise kann hier die Regensburger Waffenschmiede lokalisiert werden. Vom vorstädtischen Handwerksbezirk zum spätmittelalterlichen Stadtviertel Aus der Nutzungsperiode als Handwerksareal konnte auch die Stadtmauer des 11. Jahrhunderts lokalisiert werden, die das Areal noch nicht in die Stadt einbezog. Diese schließt die Lücke in der Stadtbefestigung von der ehemaligen Nordostecke des römischen Kastells zum Donauufer. Im Befund stellt sich die Befestigung zweiphasig mit eine Gründung aus angespitzten Holzpfählen dar (Abb. 6). Die ältere Bauphase ist laut Dendrodaten um 1074 einzuordnen. Ebenfalls konnte der mittelalterliche Stadtgraben mit verschieden Phasen dokumentiert werden. Nach Aufgabe der handwerklichen Nutzung wurde das Areal als mittelalterliches Hochgericht genutzt. Im archäologischen Befund konnte das Fundament eines erhöhten Podestes für den Galgen dokumentiert werden. Bestimmend für die Deutung ist der lokale Name „An der Richtbank“, der 1280 erstmals erwähnt wird. Für die Wahl des Standortes war sicher die gut einsehbare Lage vor den Toren der Stadt in der Nähe zu einer wichtigen Einfallsstraße, der Ostengasse, entscheidend. In der Folge entstand im Areal ein spätmittelalterliches Handwerks- und Stadtviertel, dass mit dem Bau der Stadtmauer nach 1300 in den Stadtbereich Regensburg einbezogen wird. Anhand der Ausgrabungen am Donaumarkt lässt sich die Entwicklung eines vorstädtischen Handwerksareals mit Schwerpunkt auf die Donaunutzung zu einem spätmittelalterlichen Stadtviertel nachvollziehen. Literatur: CODREANU-WINDAUER, Silvia/DALLMEIER, Lutz-Michael 2015: Archäologie am Regensburger Donaumarkt. Eine erste Rückschau auf die Großgrabung 2012-2015, in: Denkmalpflege in Regensburg 14, 7-25. CODREANU-WINDAUER, Silvia/DALLMEIER, Lutz-Michael 2015: Neues zur Vorstadt der alten Metropolis – Endspurt der Großgrabung am Regensburger Donaumarkt, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2014, 121-124.. CODREANU-WINDAUER, Silvia/HERZIG, Franz 2015: Vom Fluss umspült – Holzgebäude am Donaumarkt in Regensburg. Ein Vorbericht, in: MAY, Herbert / WALDEMER, Georg / WEIDLICH, Ariane (Hrsg.), Neues aus der Hausforschung in Bayern (Bad Windsheim) 293-304. CODREANU-WINDAUER, Silvia/DALLMEIER, Lutz-Michael 2014: Donaumarkt. Beginn der Ausgrabungen vor dem Museumsbau, in: Denkmalpflege in Regensburg 13, 318-323. CODREANU-WINDAUER, Silvia/DALLMEIER, Lutz-Michael 2014: Gehängt und gerädert … Ein mittelalterlicher Richtplatz am Regensburger Donaumarkt (Oberpfalz), in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2013, 146-149. CODREANU-WINDAUER, Silvia/DALLMEIER, Lutz-Michael 2014: Galgen am Regensburger Donaumarkt, in: Archäologie in Deutschland 3, 43. CODREANU-WINDAUER, Silvia/REUTER, Stefan 2008: Römer vor der Haustür – Die römische Zivilsiedlung im Osten Regensburgs (Oberpfalz), in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2007, 69-70. CODREANU-WINDAUER, Silvia 2005: Im Osten viel Neues! Neue Ergebnisse zur römischen Zivilbebauung in Regensburg (Oberpfalz), in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2004, 91-93. DALLMEIER, Lutz-Michael 2014: Das Hallertor, in: Denkmalpflege in Regensburg 13, 7-27. DALLMEIER, Lutz-Michael/KIRPAL, Uta 2011: Neue Forschungen am Regensburger Donauufer, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2010, 132-134. DALLMEIER, Lutz-Michael 2009: Von Klöstern und Krautbauern. Archäologische Untersuchungen vor den Toren des hochmittelalterlichen Regensburg, in: Denkmalpflege in Regensburg 11, 32-40. HEILMEIER, Klaus 2002: Vom Zwörnerplatz zum Donaumarkt, in: Denkmalpflege in Regensburg 8, 103-124. SCHERBAUM, Jochen/REUTER, Stefan 2006: Römische Wohnkultur zwischen mittelalterlichen Latrinen. Neue Untersuchungen in den Canabae von Regensburg (Oberpfalz), in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2005, 88-90. SCHULTZE, Joachim 2012: Zur konstruktiven Entwicklung des frühstädtischen Hausbaus in Haithabu und Schleswig, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 24, 99-110. Abb. 1 Regensburg Donaumarkt, Profil im Uferbereich (Sondage 1, westexponierte Profilwand) mit der Stadtmauer um 1320/30 und der spätmittelalterlichen Steinbebauung; 1 Ofen des frühund hochmittelalterlichen Handwerkareals; 2 Stillwassersedimente des verlandeten Uferbereichs; 3 Palisade der ehemaligen Uferbefestigung; 4 Flusssedimente. Grafik: Archaios GmbH; DALLMEIER, Lutz-Michael/KIRPAL, Uta 2011: Neue Forschungen am Regensburger Donauufer, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2010, 135. Abb. 2 Regensburg Donaumarkt, im Planum freigelegte Hölzer im Uferbereich (Sondage 2). Foto: Archaios GmbH. Abb. 3 Regensburg Donaumarkt, Uferbefestigung aus Flechtwerk mit Trittsteinen (Sondage 2). Foto: Archaios GmbH; DALLMEIER, Lutz-Michael/KIRPAL, Uta 2011: Neue Forschungen am Regensburger Donauufer, in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2010, 135. Abb. 4 Regensburg Donaumarkt, Holzgebäude (985) mit vorgelagerten Bohlenboden (994). Foto: Archaios GmbH. Abb. 5 Regensburg Donaumarkt, Ofen des früh- und hochmittelalterlichen Handwerksareals mit gut erhaltener Tenne. Foto: Archaios GmbH. Abb. 6 Regensburg Donaumarkt, Stadtmauer des 11. Jahrhunderts, Pfahlrost der zweiten Bauphase. Foto: Archaios GmbH.
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