FIFA GOOD PRACTICE
GUIDE ZU VIELFALT UND
ANTIDISKRIMINIERUNG
FIFA GOOD PRACTICE
GUIDE ZU VIELFALT UND
ANTIDISKRIMINIERUNG
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Teil I
Einleitung und Zielsetzung
1
Vorwort
2
Vielfalt und Antidiskriminierung als integraler Bestandteil von sozialer
Verantwortung und Nachhaltigkeit – eine Einleitung
2.1 Antidiskriminierung als zentrale Säule und Querschnittsthema
2.2 Grundlagen von Antidiskriminierung als nachhaltige soziale Verantwortung
2.3 Fussball als Mittel zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung in der
Gesellschaft
12
Grundlagen und Ziele des FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und
Antidiskriminierung
3.1 Hintergrund und Motivation dieses FIFA Good Practice Guide
3.2 Der strategische Ansatz der FIFA als Vorbild für ihre Mitgliedsverbände
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FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung – ein Überblick
4.1 Zur Philosophie der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung
4.2 Inhalte der bisherigen Sitzungen
4.3 Ausblick
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FIFA gegen Rassismus und Diskriminierung – die Geschichte
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6
Vielfalt und Diskriminierung – eine Annäherung
6.1 Was bedeutet Diskriminierung?
6.2 Was bedeutet Vielfalt für den Fussballverband?
6.3 Beispiele zu Diskriminierung im Fussball
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3
Teil II
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Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und
Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
7
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Reglementierung
7.1 Disziplinarreglement
7.2 Sicherheit in und um Stadien
7.3 Beschäftigung und Einstellungsverfahren
7.4 Beauftragter für Vielfalt und Antidiskriminierung
7.5 Beispiele aus der Weltfussballfamilie
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Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kontrollen und Sanktionen
8.1 Verfahren für Spiele: Erkennung von Risikospielen
8.2 Beobachtung diskriminierender Vorfälle
(Spielbeobachter für Antidiskriminierung)
8.3 Schiedsrichterpflichten
8.4 Training von Spieloffiziellen und Ordnungsdienst
8.5 Beispiele zur Befolgung rechtlicher Grundlagen
8.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie
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Inhaltsverzeichnis
9
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kommunikation
9.1 Branding
9.2 Veröffentlichungen
9.3 Botschafter
9.4 Preisverleihung
9.5 Eigene Veranstaltungen
9.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie
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10 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung
10.1 Ausbildung
10.2 Fortbildung
10.3 Projekte und Kampagnen
10.4 Dokumentation
10.5 Evaluation
10.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie
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11 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Netzwerkarbeit und Kooperation
11.1 Eigene Arbeitsgruppe
11.2 Weitere Arbeitsgruppen und Projektkooperation
11.3 Konferenzen und Publikation
11.4 Beteiligung von Zuschauern
11.5 Internationaler Austausch
11.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie
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67
67
68
69
69
Bibliografie und Verweise
72
Hinweis: Im Sinne der besseren Lesbarkeit verwendet dieser FIFA Good Practice Guide
ausschliesslich die männliche Form. Sie richtet sich jedoch in diesem Fall an Menschen
jeden Geschlechts.
3
Vorwort
Vorwort
„Der Fussball verbindet die Menschen,
erzeugt Hoffnung und hat mehr Kraft,
religiöse und politische Grenzen zu überwinden als jede Regierung“, sagte der
unvergessene Nelson Mandela. Seine Worte
sind aktueller denn je. Dies spüren wir
jeden Tag.
Unser Sport entwickelt dort seine grösste
soziale Macht, wo die Menschen um ihre
Existenz kämpfen, wo sie von Krisen und
Kriegen gebeutelt sind. Diskriminierung
und Rassismus haben in den Stadien und
auf den Spielfeldern nichts verloren.
Dieser Grundsatz ist in unseren Statuten in
Kapitel I unter Artikel 3 klar formuliert:
„Jegliche Diskriminierung eines Landes,
einer Einzelperson oder von Personengruppen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft,
Geschlecht, Sprache, Religion, politischer
oder sonstiger Anschauung, Vermögen,
Geburt oder sonstigem Stand, sexueller
Orientierung oder aus einem anderen
Grund ist unter Androhung der Suspension
und des Ausschlusses verboten.“
1,6 Milliarden Menschen sind direkt oder
indirekt in den Fussball involviert. Spieler,
Schiedsrichter, Trainer, Funktionäre, Fans –
dazu ihre Familien und Freunde. Diese Zahl
macht deutlich, welche Energie im Fussball
steckt. Der Fussball kann selbst in aussichtslosen Situationen Hoffnung vermitteln und
den Anstoss zu diplomatischen Verhandlungen geben.
Deshalb muss immer das Prinzip gelten: Der
Fussball ist für alle da – unabhängig von
Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie
oder Religion. Mit Entwicklungs- und
Nachwuchsprojekten engagiert sich die
FIFA direkt an der Basis und hilft dort, wo
die breite Öffentlichkeit nicht hinschaut.
Sei es durch Infrastrukturprojekte, technische Entwicklung oder die Organisation
von Wettbewerben.
Doch jetzt müssen wir noch einen Schritt
weitergehen und den Kampf gegen
alle negativen Einflüsse im sozialen und
kulturellen Bereich forcieren. Der hier
vorliegende FIFA Good Practice Guide zu
Vielfalt und Antidiskriminierung soll als Instrument zur systematischen Eindämmung
jeglicher Auswüchse dienen. „Nachhaltigkeit“ muss auch in dieser Thematik unser
höchstes Ziel sein.
Die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus
und Diskriminierung hat wertvolle Grundlagenarbeit geleistet. Nun gilt es, diese
Gedanken auf die Fussballfelder dieser
Welt hinauszutragen.
Mit der weltweiten Einführung von
Spielbeobachtern für Antidiskriminierung
setzt die FIFA ein wichtiges Zeichen. Alle
Beteiligten müssen in die Verantwortung
gezogen werden. Vor allem sind auch die
Spieler in ihrer Vorbildfunktion gefordert.
Denn was die Stars im Scheinwerferlicht
machen, wird von den Amateuren und der
Jugend an der Basis kopiert.
Es ist uns ein persönliches Anliegen, dass
wir Intensität und Tempo dieser Anstrengungen weiter steigern. Denn letztlich
geht die Kraft unseres Sports weit über die
Seitenlinie und die Dauer eines Spiels hinaus. Dank der Ausstrahlung und Popularität
des Fussballs haben wir die grosse Chance,
Menschen zusammenzubringen, Respekt
und Verständnis zu vermitteln – Vorurteile
und Missverständnisse abzubauen. Wir
dürfen diese Chance auf keinen Fall
verpassen – und müssen dem Rassismus und
jeglicher Form von Diskriminierung die rote
Karte zeigen. Für immer.
Für das Spiel. Für die Welt.
FIFA
5
TEIL I
EINLEITUNG UND
ZIELSETZUNG
8
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
2 Vielfalt und Antidiskriminierung als integraler
Bestandteil von sozialer Verantwortung und
Nachhaltigkeit – eine Einleitung
Die FIFA will einen Fussball, der auf fairer
und gleichgestellter Behandlung aller
Beteiligten beruht, mit Respekt für die
Würde des Menschen als das höchste Gut.
Die hiermit vorliegende, erste Auflage des
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und
Antidiskriminierung spiegelt die Erfahrungen der FIFA und ihrer Mitgliedsverbände
zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung wider. Zusätzlich bindet
er Erfahrungen ein, die aus der Praxis
von Fussballvereinen und ihrem Umfeld
bekannt sind.
und Bedürfnissen angepasst werden. Ferner
kann angesichts der globalen Vielfalt der
Sachlagen, Möglichkeiten, aber auch Problemlagen kein Anspruch auf Vollständigkeit
erhoben werden. Vielmehr baut dieser
Leitfaden respektvoll und in erheblicher
Weise auf die Kompetenz der zuständigen
Mitarbeiter in den Mitgliedsverbänden.
Für weitere Informationen können sich
FIFA-Mitgliedsverbände jederzeit an die
FIFA-Nachhaltigkeitsabteilung wenden.
Diese Sammlung soll die FIFA-Mitgliedsverbände dazu anregen, aktiv zu bleiben und
noch aktiver zu werden. Dabei sind die
Vorschläge nicht immer als Blaupause für
FIFA-Mitglieder gedacht, sondern sollten
mitunter den regionalen Gegebenheiten
2013, Internationaler Tag
für die Beseitigung der
Rassendiskriminierung:
Navanathem Pillay, Hohe
Kommissarin der Vereinten
Nationen für Menschenrechte,
diskutiert in Genf mit Federico
Addiechi, Leiter der FIFANachhaltigkeitsabteilung.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Lautstarke Botschaften gegen
Rassismus von Un Sim Ra (PRK)
und Emilie Gonssolin (FRA) (2008).
2.1 Antidiskriminierung
als zentrale Säule und
Querschnittsthema
soziale Verantwortung genauso wie die
FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und
Antidiskriminierung.
Die FIFA betrachtet Vielfalt und Antidiskriminierung als eine der zentralen
Säulen ihrer Nachhaltigkeitsarbeit. Vielfalt
und Antidiskriminierung sind damit
ein wichtiger Bestandteil ihrer Konzeptionen zur sozialen Verantwortung und
Nachhaltigkeit. Dies gilt allgemein für
die Ausrichtung der FIFA als Organisation
und im Besonderen für die Ausrichtung
von FIFA-Veranstaltungen wie der FIFA
Fussball-Weltmeisterschaft™. Richtungsweisende Organe der alltäglichen Arbeit
sind die FIFA-Kommission für Fairplay und
Einerseits vervollständigt Antidiskriminierung das Nachhaltigkeitskonzept der
FIFA mit den Schwerpunkten Football for
Hope, Fussball für den Planeten, Fairplay
und der Nachhaltigkeitsstrategie für
die FIFA-Fussball-Weltmeisterschaft™.
Antidiskriminierung gewährleistet sich
global engagierenden Spielern, Trainern,
Schiedsrichtern und auch Fans würdevolle
Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen.
Zu beachten ist dabei, dass ein Mensch von
vielerlei Aspekten seiner Identität bestimmt
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10
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
wird. Niemand ist z. B. nur eine Frau.
Denn diese hat ein bestimmtes Alter und
eine geografische wie soziale Herkunft.
Sie könnte eine Behinderung haben. Das
alles muss berücksichtigt werden. Dann
kann Diskriminierung in ihrer gesamten
Bandbreite erkannt werden. Dies bietet die
beste Voraussetzung zur Schaffung einer
antidiskriminierenden Willkommenskultur
und wirklicher Gleichheit.
Andererseits ist Antidiskriminierung als
integraler Bestandteil aller genannten
Bereiche der sozialen Verantwortung zu
verstehen. Der gegenseitige Respekt von
Verbandsmitarbeitern sollte auf einem Einvernehmen aufbauen, dass Diskriminierung
aufgrund von angenommener Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer
Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion,
politischer oder sonstiger Anschauung,
Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand,
sexueller Orientierung oder aus einem
anderen Grund ausschliesst. In diesem
Kontext bietet die FIFA z. B. Mitarbeiter als
Vertrauenspersonen an, an die sich weitere
FIFA-Mitarbeiter vertrauensvoll wenden
können – ein Modell, das Verbände ebenso
einsetzen können.
Überall, auf dem Fussballplatz und um
ihn herum, gedeiht soziales Leben,
ebenso wie bei der Erbauung eines neuen
Fussballplatzes – von der Planungsphase
eines barrierefreien Stadions bis hin zu
den Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter,
der Spieler. Überall wo Menschen gegen
einen Ball treten und dafür sorgen, dass
dies geschehen kann, spielt es deshalb
eine zentrale Rolle, in individueller Vielfalt
gleichermassen aufgenommen und anerkannt zu werden. Das Vorbild dabei sollte
der Ball sein: Ihm ist es egal, wer mit ihm
seine Tricks vorführt und den genialen Pass
spielt, der zum Tor führt.
2001 verabschiedet der
ausserordentliche FIFA-Kongress
eine richtungsweisende
Erklärung gegen Rassismus.
2.2 Grundlagen von
Antidiskriminierung
als nachhaltige soziale
Verantwortung
Detaillierte Grundlagen für die FIFA
und ihre Mitgliedsverbände lieferte der
ausserordentliche FIFA-Kongress im Jahre
2001, der im argentinischen Buenos Aires
den Schwerpunkt Rassismus im Fussball
hatte. Dieser hat den Grundstein gelegt,
den Bedarf in der Fussballadministration
und anderen Gruppen wahrgenommen,
„mit Regierungsbehörden auf sämtlichen
Ebenen, der Polizei und anderen
Zivilbehörden, Bildungsinstitutionen und
weiteren Instanzen zusammenzuarbeiten,
um angemessene, wirkungsvolle und
effiziente Massnahmen zu finden“.
Ziel der Weltfussballfamilie muss es sein,
dass die viel zitierte „gläserne Decke“
durchbrochen wird. Es muss darum gehen,
den rechtlichen Rahmen, Bildung, Sanktionen, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerke
so einzusetzen, dass jedem Menschen ein
gleicher Zugang zu allen Positionen und
Ämtern gewährleistet ist – ob als Spieler
oder Trainer, Funktionär oder Fan.
Der ausserordentliche FIFA-Kongress
von 2001 folgte damit der Erklärung des
FIFA-Exekutivkomitees von März 2000.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Die getroffenen Aussagen bestimmen
heute mehr denn je die Ansicht der FIFA
zu Rassismus und Antidiskriminierung. Der
ausserordentliche FIFA-Kongress fordert
alle Personen auf, die direkt oder indirekt
mit Fussball – auf sämtlichen Ebenen und
in allen Ländern – zu tun haben, sich einer
gemeinsamen Bewegung zum Austausch
von Informationen und Erfahrungen
anzuschliessen, um somit sämtlichen
rassistischen Kundgebungen – welcher
Art auch immer – während Spielen
wirkungsvoll und endgültig Einhalt zu
gebieten;
– fordert alle Regierungen und
Zivilbehörden auf sämtlichen Ebenen
auf, mit den Fussballbehörden
zusammenzuarbeiten und ihnen
bei diesen Bemühungen ihre
uneingeschränkte Unterstützung zu
gewähren;
– fordert die Fussballbehörden auf, gesellschaftlichen Gruppierungen bei der
Einführung von Bildungsprogrammen
grössere Unterstützung zu gewähren
und ihnen dabei zu helfen, den Dialog
mit Personen herzustellen, die für ihre
rassistische Gesinnung bekannt sind,
um mehr über deren Beweggründe zu
erfahren;
– fordert alle Organisatoren von Fussballspielen auf, entsprechende Weisungen zu
erlassen und durchzusetzen, um sämtlichen
Personen, die an rassistischen Handlungen
beteiligt sind oder der Absicht verdächtigt
werden, sich an rassistischen Handlungen
oder ähnlichen Gewaltäusserungen zu
beteiligen, den Zutritt zu verweigern, und
sämtliche Gegenstände zu beschlagnahmen,
die in irgendeiner Weise eine Botschaft
mit rassistischem Inhalt – sei es in Form von
Texten oder von Symbolen – enthalten;
Präsident Blatter findet beim ausserordentlichen FIFA-Kongress in
Buenos Aires klare Worte gegen Rassismus.
Fussball-Weltmeister Lilian Thuram berichtet von rassistischer
Erfahrung und Lösungsmöglichkeiten.
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12
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
– fordert die Ausrichter von Wettbewerben
auf, für heikle Spiele Beobachter
zu benennen, um rassistische
Manifestationen jeglicher Art und Form
zu überwachen und zu melden;
– fordert die Mitarbeiter der Stadien zur
Zusammenarbeit mit der Polizei auf,
um alle Personen schnell und eindeutig
erkennen und aus dem Stadion weisen
zu können, die gegen diese Regeln
verstossen;
– fordert die Organisatoren von Spielen
auf, erforderliche und wirksame
Massnahmen zu ergreifen, um diese
Übeltäter daran zu hindern, weiteren
Spielen beizuwohnen;
– fordert die Fussballfans auf, die
Organisatoren und Zivilbehörden bei
der Identifikation rassistischer Elemente
und deren Entfernung aus dem
Zuschauerbereich zu unterstützen;
– fordert die Klubs auf, einen Geist der
sozialen Integration unter den Spielern
zu fördern, indem sie sicherstellen, dass
sie Mitspieler, Gegner, Schiedsrichter,
Offizielle, Zuschauer und alle anderen
Personen – ob diese in das Spiel involviert
sind oder nicht – respektvoll und ohne
Diskriminierung ihrer ethnischen
Zugehörigkeit behandeln;
– fordert Mannschaftstrainer und
Vereinsoffizielle auf, wirksame
Strafmassnahmen gegen die Spieler
unter ihrer Obhut zu verhängen, die in
irgendeiner Weise rassistisches Benehmen
an den Tag legen oder dies dulden, sei
es auf dem Spielfeld, während ihres
öffentlichen oder privaten Lebens;
– fordert von allen Fussballgremien auf
allen Ebenen die Sicherstellung eines
ethnischen Gleichgewichts hinsichtlich
Anstellung, Aufstellung und Wahl von
Personen in allen Aktivitätsbereichen
und die Zusammenarbeit mit ethnischen
Gruppen, um diese enger in die
Fussballaktivitäten zu integrieren;
– fordert die Schiedsrichter auf, in Bezug
auf Gesten und verbale Äusserungen
rassistischer Natur zwischen Spielern
und/oder Trainern und/oder der
Öffentlichkeit wachsamer zu sein und
sofortige Strafmassnahmen gegen die
Täter zu ergreifen und solche Vorfälle
unmissverständlich und lückenlos zu
melden;
– fordert die Medien auf, jegliches
rassistisches Verhalten oder
entsprechende Bemerkungen jeder
Person oder Gruppe aufs Schärfste zu
verurteilen sowie davon abzusehen,
über derartiges Verhalten oder
solche Äusserungen in einer Weise
zu berichten, die möglicherweise
weitere Konfrontationen provozieren
könnte; ebenso werden die Betreiber
von Fussball-Websites im Internet
(einschliesslich der Websites von Klubs
und Verbänden) aufgerufen, auf der
Homepage prägnante Botschaften gegen
den Rassismus zu veröffentlichen;
– fordert alle Mitglieder der weltweiten
Fussballgemeinschaft auf, jede
Gelegenheit wahrzunehmen, um den
sozialen Einfluss des Fussballs auszubauen
und die soziale Eingliederung und die
Verbannung des Rassismus aus der
Gesellschaft voranzutreiben;
– fordert alle Konföderationen
auf, sämtliche Anstrengungen im
Zusammenhang mit dem Kampf gegen
Rassismus im Fussball aufmerksam zu
verfolgen und dem FIFA-Exekutivkomitee
regelmässig Bericht zu erstatten.
2.3 Fussball als Mittel zur
Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung in der
Gesellschaft
Immer wieder wird das integrative Potenzial des Fussballs weltweit hervorgehoben.
Benötigt werden zwar nur ein Ball und ein
Fussballfeld, aber ohne die nötigen sozialen
Ingredienzen stets auf ein Neues vernünftig
abzuwägen und jeden Menschen mit
seinen Besonderheiten willkommen zu
heissen, kann Fussball auf Einzelne auch
ausgrenzende Potenziale in Bewegung
bringen. Im Fussball spielen nicht nur elf
Spieler zusammen mit den elf der anderen
Mannschaft. Sie spielen eben auch gegen
sie. Da entstehen Rivalitäten, die sich im
negativen Fall aggressiv steigern können,
bei Spielern wie bei den Fans.
So sehr jeder den grossen Derbys gegen
den Lokalrivalen auch entgegenfiebert,
sollte das Gegenüber auch geschätzt
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
werden. Denn ohne diese andere Mannschaft gäbe es kein Fussballspiel. So ernst es
die Beteiligten auch nehmen: In brenzliger
Lage ist es immer wieder wichtig, sich
daran zu erinnern, dass Fussballvereine in
ihren Farben und mit ihren Wappen vor
gar nicht allzu langer Zeit von wenigen
Pionieren gegründet wurden. Viele grosse
Vereine bestimmten schon früh ihre Tradition, indem sie sich mit anderen Vereinen
zusammenschlossen und somit verstärkten.
So sehr man an sie glaubt und sich auf
die grosse Geschichte beruft, stehen doch
immer wieder neue junge Menschen auf
dem Rasen, die mittlerweile aus der ganzen
Welt kommen können. Und die ihre ganz
eigene Geschichte begründen. Von alledem
lebt der Fussball. Das macht ihn auf den
Rängen und vor den Fernsehgeräten so
attraktiv.
Bill Shankly, Trainer des FC Liverpool,
sagte einst: „Einige Leute halten Fussball
für einen Kampf um Leben und Tod. Ich
versichere Ihnen, dass es viel ernster ist.“
Das Ernstere liegt darin, dass Spieler und
Fans, auch wenn sie am Wochenende
einen kleinen Tod sterben können, am
Montag wieder zum Training oder zur
Arbeit müssen. Die Menschen müssen und
werden weiter miteinander auskommen.
Das Ursprüngliche des Fussballs ist in erster
Linie seine Vorstellungskraft – und nicht
eine aggressive Ausprägung von „wir hier“
und „dort die anderen“. Gerade deshalb
bietet der Fussball als Teil der Gesellschaft
Platz für Kreativität, für internationalen
Austausch, für soziale Inklusion. Richtig
praktiziert, kann Fussball also dabei helfen,
Antidiskriminierung auf der grossen Fussballbühne, aber auch im lokalen Ligaalltag
zu manifestieren.
Das soziale Umfeld des Fussballs sieht sich
in globalen Zeiten mit ständigen Veränderungen konfrontiert. Dazu gehören auch
die Aspekte Vielfalt und Antidiskriminierung.
Fussball entwickelt sich nachhaltiger und
wird erfolgreicher, wenn er alle Menschen
gleichermassen anspricht und einbindet.
So kann das Beste aus allen Ressourcen
genutzt werden. Deshalb ist es von Vorteil,
solche Veränderungen nicht zu fürchten,
sondern sie als Chance zu begreifen.
Zu alledem braucht es Partnerschaften.
Stützende Partner sieht die FIFA in ihren
Mitgliedsverbänden und deren Vereinen.
Ihr Engagement für den Fortschritt in
Sachen Vielfalt und Antidiskriminierung ist
unabdingbar.
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14
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
3 Grundlagen und Ziele des FIFA Good Practice
Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Dieser Good Practice Guide richtet sich in
erster Linie an die Verbände als Mitglieder
der FIFA. Er soll sie dabei unterstützen, zum
einen konstruktiv ihre Vereine zu sensibilisieren, zum anderen die Zusammenarbeit
mit den Konföderationen zu unterfüttern.
Darüber hinaus freut sich die FIFA, wenn sie
Akteuren des Fussballs und seinen Fans eine
Inspiration sein kann, dieses wundervolle
Spiel weiterhin vielfältig und antidiskriminierend, also weltoffen zu gestalten.
3.1 Hintergrund und Motivation
dieses FIFA Good Practice
Guide
Seit 1960 in ihren Statuten, darüber
hinaus im FIFA-Ethikreglement und
im Verhaltenskodex bezieht die FIFA
deutlich wie dezidiert Stellung zu
Vielfalt und Antidiskriminierung. Damit
schafft die FIFA die Grundlagen für ein
respektvolles und friedliches Miteinander
der Weltfussballfamilie. Die FIFA-Resolution
gegen Rassismus des ausserordentlichen
FIFA-Kongresses 2001 in Argentinien, die
FIFA-Resolution gegen Rassismus und
Diskriminierung des 63. FIFA-Kongresses
2013 in Mauritius sowie die seit 2013 tätige
FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und
Diskriminierung liefern dazu kontinuierlich
und mehrheitsfähig die konkreten Inhalte.
Mit alledem entwickelt die FIFA die Vision
einer Weltfussballgemeinschaft, die gleichberechtigt alle Menschen einschliesst. Jede
Person soll mit Respekt und Anerkennung
willkommen sein. Diese Vision setzt voraus,
dass jede Person auf gleiche Weise Zugang
zu allen Ebenen des Fussballs hat.
Viele Millionen Menschen sehen Fussball als
wichtigen Bestandteil ihres Lebens an und
wollen sich deshalb auf die für sie beste
Weise engagieren. Um zu gewährleisten,
dass sie vollwertig ihren Teil zum sozialen
Kevin Prince Boateng (GHA)
redet mit FIFA-Präsident Blatter
am FIFA-Sitz in Zürich über die
rassistischen Anfeindungen, die
er als Spieler in Italien ertragen
musste (2013).
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
1960: Der 32. FIFA-Kongress in Rom
verabschiedet Denkwürdiges zur
Förderung von Antidiskriminierung
im Fussball.
Anlässlich der FIFA FrauenWeltmeisterschaft Deutschland
2011™ präsentieren die Kanadierin
Christine Sinclair, Tatjana Haenni (heute
stellvertretende Direktorin der FIFADivision Wettbewerbe und Leiterin der
FIFA-Abteilung für Frauenwettbewerbe)
und die Deutsche Kim Kulig (von links
nach rechts) die FIFA-Kampagne „Live
your Goals“ zur Förderung von Frauen
und Mädchen im Fussball.
und wirtschaftlichen Teil des Fussballs beitragen können, sollten eventuelle Barrieren
der Partizipation lokalisiert werden, um
schliesslich darüber aufzuklären und sie
letztlich zu beseitigen.
Die FIFA hat und wird es immer deutlich
machen: Im Fussball geht es um Teamwork,
darum, was man macht, und nicht, wer
man ist. Fussball ist für alle da!
Dieses Motto wird auf die Probe gestellt,
wenn sich Gruppen und Einzelpersonen
benachteiligt fühlen. Die Mitgliedsverbände
der FIFA werden dazu aufgerufen, diesen
Wahrnehmungen gewissenhaft nachzugehen und ggf. Massnahmen zu ergreifen.
Dazu versammelt dieser Ratgeber positive
Ansätze und praktische Beispiele, wie ein
Fussball für alle bereits überall auf der Welt
gelebt wird – auf und rund um den Fussballplatz. So bekommen die Mitgliedsverbände
eine weitere Möglichkeit, sich fundiert,
kompakt und zugleich global über gelebte
Vielfalt und Diskriminierung im Fussball
zu informieren. Dieses Kompendium regt
dazu an, voneinander zu lernen, um sich
auf eindrucksvolle Weise als weltoffener
Verband zu präsentieren.
3.2 Der strategische Ansatz
der FIFA als Vorbild für ihre
Mitgliedsverbände
Was für die Regeln des Fussballs gilt, gilt
nicht gleichermassen für die Förderung
von Vielfalt und Antidiskriminierung:
Wenn Vielfalt und Antidiskriminierung
nachhaltig gefördert werden sollen, darf
nicht versucht werden, zentral einheitliche
Detailmassnahmen vorzugeben. Deshalb
wurde folgender Leitgedanke der FIFA
bei der Erstellung dieses Ratgebers stets
mitgedacht: Jeder Mitgliedsverband
folgt seinen landesüblichen Gesetzen
und Religionen, hat seine ganz
eigene Geschichte und Tradition.
Diskriminierungsformen unterscheiden sich
regional z. T. erheblich. Umgangsweisen
damit haben immer eine bestimmte
Entwicklungsgeschichte hinter sich. Nur
wenn diese Aspekte nicht ausser Acht
gelassen werden, kann ein Konzept
greifen. Nur dann können Massnahmen
ihre Zielgruppen wirklich erreichen.
Jedem Mitgliedsverband stellen sich also
auch ganz eigene Herausforderungen im
Hinblick auf die Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung.
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16
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
Deswegen liefert dieser Leitfaden eine Auswahl an Empfehlungen, die in den jeweiligen Mitgliedsverbänden massstabsgetreu
angepasst werden können, um erfolgreicher
sein. Was sich in Verband A bewährt hat,
funktioniert noch lange nicht in Verband B.
Es sind die Organisationen des Fussballs und
ihre Partner selbst, die am besten wissen,
wie Vielfalt und Antidiskriminierung vor Ort
umgesetzt werden können.
Zur Orientierung hat die FIFA ein tragfähiges Modell entwickelt. Es liefert
Handreichungen auf fünf grundlegenden
Säulen, die eine Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung im Fussball übersichtlich strukturieren:
Dieses Modell kann helfen, einen landesspezifischen Aktionsplan zu entwickeln
oder den bestehenden zu optimieren.
REGLEMENTIERUNG
KOMMUNIKATION
VIELFALT UND
ANTIDISKRIMINIERUNG
BEI FIFAMITGLIEDSVERBÄNDEN
NETZWERKARBEIT UND
KOOPERATION
Denn es greift alle Kernbereiche auf, in
denen Mitgliedsverbände bereits aktiv
sind oder aktiv sein können, wenn sie
eigene Positionen und Praxen zu Artikel 3
der FIFA-Statuten (Nicht-Diskriminierung
und Kampf gegen Rassismus) einbringen.
Alle fünf Säulen zusammen bieten in ihrer
KONTROLLE
UND
SANKTIONEN
BILDUNG
ausgewogenen Balance ein erfolgversprechendes Konzept zur adäquaten Beachtung
von Vielfalt und Antidiskriminierung im
Fussball.
Aus den einzelnen Säulen können
Schnittmengen hervorgehen. Ist ein
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Mitgliedsverband z. B. im Bereich Bildung
tätig, bieten sich Netzwerkarbeit und
Kooperation an. Und bei jeder Säule ist
es in jedem Falle tragfähig, den Bereich
Kommunikation hinzuzuziehen: Tu Gutes
und rede darüber!
Zusätzlich werden sich auch positive
Beispiele aus Fanszenen, von staatlichen
und nicht staatlichen Organisationen
finden, die im, um und durch den Fussball
versuchen, Vielfalt und Antidiskriminierung
zu fördern.
Da Formen von Gesellschaften im und um
den Fussball genauso wie Diskriminierungsformen und die Möglichkeiten, sich
für Vielfalt einzusetzen, in jeder Region
unserer Welt in einem ständigen Wandel
begriffen sind, kann es jedem Mitgliedsverband nur zugutekommen, sein einmal
begonnenes Engagement nicht als zementiert anzusehen. Aufmerksamkeit und das
eigene Überprüfen der eigenen Arbeit für
Vielfalt und Antidiskriminierung sind nicht
zu verachten.
Wichtig über allem aber bleibt: Hinter einer
guten Aktion oder Kampagne, hinter einer
sinnvollen Sanktion und einem kooperativen Netzwerk muss sich nicht zwangsläufig
ein hohes Budget oder viel technischer
Aufwand verbergen. Häufig sind die
einfacheren, die direkten Massnahmen
sogar bedeutender. Massnahmen, die die
Aktiven im Fussball und seine Fans vor Ort
persönlich und vertrauensvoll ansprechen
und einbinden, versprechen den grössten
Erfolg.
Es geht vor allem um sehr menschliche
Qualitäten: um das Zeigen von Würde,
Güte und Empathiefähigkeit. Die Weltfussballfamilie wird es respektvoll zu würdigen
wissen, wenn im Kampf für Vielfalt und
Antidiskriminierung jeder Verband nach
seinen eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten sein Bestes einbringt.
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18
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
4 FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und
Diskriminierung – ein Überblick
FIFA-Tage gegen Diskriminierung
2015: Die ehrenamtlichen Helfer
aus Auckland präsentierten
vor dem Halbfinale der
FIFA U-20-Weltmeisterschaft
zwischen Serbien und Mali im
North-Harbour-Stadion das
„SAY NO TO RACISM“-Banner
und komplettierten somit die
Kampagne.
Zur nachhaltigen Förderung von Vielfalt
und Antidiskriminierung im Weltfussball
wurde im März 2013 die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung ins Leben gerufen. Sie basiert auf
einer persönlichen Initiative des FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter.
4.1 Zur Philosophie der
FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und
Diskriminierung
Seitdem geht es in der FIFA-Arbeitsgruppe
darum, aktuelle Vorfälle aufzuarbeiten,
aber auch mittel- und langfristige
Lösungswege zu entwickeln. Getreu
Art. 3 der FIFA-Statuten geht es hierbei
um Diskriminierungen auf der Basis von
angenommener Rasse, von Hautfarbe,
ethnischer, nationaler oder sozialer
Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion,
politischer oder sonstiger Anschauung, von
Bei ihrer zweiten Zusammenkunft
beschäftigt sich die FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und Diskriminierung mit
Möglichkeiten von Sanktionen und Bildung
im Fussball.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand,
sexueller Orientierung oder aus einem
anderen Grund. Diese Lösungswege sollen
konzeptionelle und praktische Elemente
enthalten. Das Motto dabei ist es, proaktiv
und präventiv zu agieren und zu reagieren.
Sich ihrer Stärken bewusst, will die FIFAArbeitsgruppe handeln, anstatt behandelt
zu werden.
Dabei berücksichtigt sie unterschiedliche
Blickwinkel und Expertisen, um sie zielorientiert in konkrete Vorschläge umzuwandeln. Dazu gehört eine gewissenhafte
Prüfung des gesamten Arsenals an Ideen –
eine ständige, gegenseitige Weiterbildung.
Denn um einen Aktionsplan zu Vielfalt
und Antidiskriminierung so aufzustellen,
dass alle FIFA-Mitgliedsverbände ihm etwas
abgewinnen können, müssen bestehende
Massnahmen und Stellungnahmen
überprüft und den gegenwärtigen Entwicklungen angepasst werden. Globale
Einschätzungen und Antworten müssen aus
juristischer und fachlich-praktischer Sicht
regional anwendbar werden.
Hierbei war es immer wichtig, die staatsund verbandsrechtlichen Unterschiede aller
FIFA-Mitgliedsverbände, die unterschiedlichen sportlichen, sportpolitischen, aber
auch sozialen Verhältnisse im Hinterkopf
zu behalten, um schliesslich Ergebnisse zu
produzieren, die gleichermassen realistisch
und progressiv sind.
Vor allem muss man dazu bereit sein,
Bestehendes weiterzuentwickeln oder gar
ganz zu verwerfen. Es geht darum, nicht
nur die institutionelle Sicht auf den Fussball
zu akzeptieren, sondern auch Spieler und
andere Akteure im und um den Fussball
individuell am Dialog zur Findung von
Lösungswegen zu beteiligen. Darunter
müssen sich Menschen wiederfinden, die
Der Arbeitsgruppe gehören verschiedenste
Experten an. Hier abgebildet (von links
nach rechts): Piara Powar (Exekutivdirektor
von Fare network), Theo van Seggelen
(FIFPro-Generalsekretär) und Yury Boychenko
(Leiter der Abteilung zur Bekämpfung von
Diskriminierung beim Hochkommissar der
Vereinten Nationen für Menschenrechte).
Diskriminierung im Fussball beobachten
oder gar auf schmerzhafte Weise erfahren
mussten. Ebenso solche, die Diskriminierung im Fussball fachlich und professionell
entgegentreten oder erforschen. Dazu
sagte ein Mitglied der Arbeitsgruppe im
Jahr 2013: „Die Spieler haben eindeutig
nicht genug Unterstützung erfahren, und
das ist ein Hohn. Die Spieler arbeiten hart,
der Fussball ist ihr Leben und ihr Beruf,
und wir müssen mehr dafür tun, um sie zu
unterstützen.“
Die FIFA-Arbeitsgruppe erörtert Diskriminierung über ihre offensichtlichen
Ausdrucksformen oder deutlich rechtsextreme Ausprägungen wie diskriminierende
Schimpfwörter oder körperliche Angriffe
hinaus. Es geht auch um versteckte Formen der Diskriminierung. Gemeint sind
gefühlte Erniedrigungen, die denen, die sie
ausüben, häufig leider nicht bewusst sind.
Das können z. B. rassistische, sexistische
oder behindertenfeindliche Witze sein. Es
kann sich um die einseitige Bevorzugung
von Menschen einer bestimmten Gruppe
oder eines Geschlechts handeln. Diese
breite Herangehensweise und gegenseitige
Offenheit der eingeladenen Mitglieder und
Berater waren Garanten der bisherigen
Sitzungsergebnisse.
So konnte die FIFA-Arbeitsgruppe neue
Wege bauen und steht der FIFA auch auf
dem Weg zur Seite, den sie derzeit in
Richtung FIFA Fussball-Weltmeisterschaft
Russland 2018™ beschreitet.
19
20
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
4.2 Inhalte der bisherigen
Sitzungen
Die erste Sitzung der FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und Diskriminierung
wurde am 6. Mai 2013 von FIFA-Präsident
Joseph S. Blatter am FIFA-Sitz in Zürich
eröffnet. In seiner kämpferischen Rede
zeigte der FIFA-Präsident Handlungsbereitschaft und machte unmissverständlich
deutlich: „Die Aufgabe des Fussballs ist es,
der Ignoranz mit Wissen, der Engstirnigkeit
mit Vielfalt und dem Egoismus mit Grossmut entgegenzutreten.“ Inhaltlich lotete
die erste Sitzung aus, welche Möglichkeiten
sich gegen Rassismus und Diskriminierung
in den Bereichen Prävention und Kontrolle
einbringen lassen. So schaffte sie die
praktische Grundlage für die noch im
gleichen Monat vom FIFA-Kongress auf
Mauritius verabschiedete Resolution zum
Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Diese erneuerte und vertiefte das
Bekenntnis, das die FIFA-Mitglieder mit
ihrer Erklärung gegen Rassismus beim
ausserordentlichen FIFA-Kongress 2001
in Argentinien vereinbart hatten. Die
Resolution von 2013 umfasst in ihrem Kern
Folgendes:
Bildung – Aktionspläne
Wettbewerbsorganisatoren erlassen einen
konkreten Aktionsplan, der belegt, dass sie
Rassismus und Diskriminierung unter ihren
Spielern, Funktionären und Fans effektiv
bekämpfen wollen.
Prävention – Antidiskriminierungsbeauftragter
In den Wettbewerbsreglements wird der
Einsatz eines Sonderbeauftragten im
Stadion vorgeschrieben, der mögliche rassistische oder diskriminierende Handlungen
erkennt und so Druck von den Schiedsrichtern nimmt und Beweise für eine spätere
Verurteilung durch die Rechtsorgane
sichert.
Der ivorische Fussballprofi Serey
Die bei einem Treffen der FIFAArbeitsgruppe gegen Rassismus
und Diskriminierung.
Massnahmen – striktere Anwendung von Strafen
Die im FIFA-Disziplinarreglement verankerten Strafen, die für alle Mitgliedsverbände
gemäss FIFA-Disziplinarreglement zwingend anzuwenden sind, bieten den jeweiligen Rechtsorganen bei der Beurteilung
von Fehlverhalten von Fans den nötigen
Ermessensspielraum. Zur Vereinheitlichung
der weltweit verhängten Strafen gilt für
Vereine oder Teamvertreter grundsätzlich
ein zweistufiges Strafmass:
• Ein erstes oder ein kleineres Vergehen
wird mit einer Ermahnung, einer
Geldstrafe und/oder einem Spiel unter
Ausschluss der Öffentlichkeit bestraft.
• Für Wiederholungstäter oder schwere
Vergehen sollten härtere Strafen wie
Punktabzug, Ausschluss aus einem
Wettbewerb oder Zwangsabstieg gelten.
Jede Person (Spieler, Funktionär, Spieloffizieller etc.), die ein solches Vergehen begeht,
wird zudem für mindestens fünf Spiele
gesperrt, kombiniert mit einem Stadionverbot gemäss FIFA-Disziplinarreglement.
Darauf konnte die zweite, wiederum in
Zürich abgehaltene Sitzung am 12. September 2013 aufbauen und identifizierte
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
12. Mai 2015, WembleyStadion, London: Federico
Addiechi, Leiter der FIFANachhaltigkeitsabteilung, und
Piara Powar, Exekutivdirektor
von Fare network, präsentieren
ihre Kooperation beim FIFASpielbeobachtungssystem für
Antidiskriminierung.
folgende Schlüsselprioritäten als Empfehlung für die weitergehende Arbeit der FIFA
für Vielfalt und Antidiskriminierung:
den inhaltlichen Fortschritt seit Bildung
der Arbeitsgruppe,
den strategischen Ansatz der FIFA,
den daraus hervorgehenden Aktionsplan, der neben der Umsetzung der
FIFA-Spielbeobachter für Antidiskriminierung auch die Inhalte des hier
vorliegenden FIFA Good Practice Guide
sowie weitere Schritte zur Einführung
von Antidiskriminierungsbotschaftern
und einer Sonderauszeichnung in Form
eines Preises enthielt,
Prävention und Aufklärung in Bezug
auf die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft
Russland 2018™.
Zuweisung von spezifischen Ressourcen
für den Kampf gegen Rassismus und
Diskriminierung
Entwicklung eines Antidiskriminierungshandbuchs, das allen Mitgliedsverbänden als Empfehlung und für
Schulungszwecke zur Verfügung
gestellt wird
Antidiskriminierungsbeauftragte (FIFA
Anti-Discrimination Monitoring System)
Identifizierung von Hochrisikospielen
Ernennung und Einsatz von Antidiskriminierungsbotschaftern
Vorschlag einer speziellen Auszeichnung für Leistungen im Bereich Antidiskriminierung
4.3 Ausblick
Um sich diesen Schwerpunkten angemessen widmen zu können, bewilligte die
FIFA zusätzliche Mittel und stellte einen
Beauftragten für Vielfalt und Antidiskriminierung ein, der seit 2014 ausschliesslich im
Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung
agiert.
„Bildung, es geht um Bildung. Wirkt man
auf die Klubs ein, erreicht man danach die
Stadien, dann die Gemeinschaften. Es muss
mit den Trainern und Spielern beginnen, in
der Umkleidekabine.“
Bei ihrer dritten Sitzung am 2. Dezember
2014 in Zürich analysierte die FIFA-Arbeitsgruppe:
In ihrer inhaltlichen Ausrichtung teilt die
FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und
Diskriminierung die Sichtweise, dass die
Bekämpfung von Diskriminierung und die
Förderung von Vielfalt ein dauerhafter
Prozess sind. Die eigenen präventiven
Potenziale in den Bereichen Sanktionen
und Bildung sollten in diesem Bereich stets
optimiert werden. Es geht um die stärkere
Aktivierung der Mitgliedsverbände, bis hin
zu den lokalen Gemeinschaften.
So macht die FIFA-Arbeitsgruppe immer
wieder deutlich:
Ein respektvoller und gleichberechtigter,
solidarischer und weltoffener Fussball lebt
vom zielorientierten Engagement seiner
Institutionen und der Menschen, die sie
gestalten.
21
22
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
5 FIFA gegen Rassismus und Diskriminierung –
die Geschichte
Überblick über die Massnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung seit der FIFA-Konferenz gegen Rassismus in
Buenos Aires (2001)
Datum
6. Juli 2001
Veranstaltung/Massnahme
FIFA-Konferenz gegen Rassismus in Buenos Aires
Mehrere hundert Delegierte von Mitgliedsverbänden, Konföderationen und Nichtregierungsorganisationen
sowie weitere Vertreter erörtern Wege und Mittel zur Bekämpfung von Rassismus im Fussball. Mit der stärkeren
Förderung von Toleranz und einem gezielten Vorgehen soll Rassismus aus dem Fussball verbannt werden.
7. Juli 2001
Ausserordentlicher FIFA-Kongress verabschiedet Erklärung gegen Rassismus
Der ausserordentliche FIFA-Kongress in Buenos Aires verabschiedet die Erklärung gegen Rassismus, auf die sich am
Tag zuvor die FIFA-Konferenz gegen Rassismus verständigt hatte.
http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2007/m=5/news=au%C3%9Ferordentlicher-fifa-kongress-buenos-airesresolution-518220.html
7. Juli 2002
Genau ein Jahr nach der Verabschiedung der Erklärung gegen Rassismus beim ausserordentlichen Kongress 2001
in Buenos Aires veranstaltet die FIFA den ersten internationalen Tag zur Bekämpfung von Rassismus im Fussball
(FIFA-Tage gegen Diskriminierung).
21./22. Juni 2003
Bei der Gruppenphase des FIFA Konföderationen-Pokals in Frankreich stehen zwei Tage im Zeichen des
Kampfes gegen Rassismus. Erstmals bei einer FIFA-Endrunde ist der Handschlag zwischen den Spielern beider Teams
nach Spielschluss offizieller Teil des Protokolls (zweite FIFA-Tage gegen Diskriminierung).
2004
Änderung der FIFA-Statuten
II – Zweck, Art. 2 Abs. 3 Ziff. 1 der FIFA-Statuten: „Aus Gründen der Rasse, der Religion oder aus politischen
Gründen darf ein Land oder eine Einzelperson nicht diskriminiert werden.“
wird wie folgt geändert:
„Artikel 3 – Nicht-Diskriminierung und Kampf gegen den Rassismus: Jegliche Diskriminierung eines Landes, einer
Einzelperson oder von Personengruppen aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Politik
oder aus einem anderen Grund ist unter Androhung der Suspension und des Ausschlusses verboten.“
18./19. September 2004
Die FIFA verbindet ihr Engagement gegen Rassismus mit dem Weltfriedenstag der Vereinten Nationen (dritte
FIFA-Tage gegen Diskriminierung).
6. Oktober 2004
Erlass des Ethikreglements
Das FIFA-Exekutivkomitee verabschiedet das von der Kommission für Ethik und Fairplay verfasste Ethikreglement.
Dieses wurde 2012 wie folgt überarbeitet:
Artikel 23: Diesem Reglement unterstellten Personen ist es verboten, ein Land, eine Privatperson oder eine Gruppe
von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äusserungen oder Handlungen
in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Ethnie, nationale oder soziale Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politische
Meinung oder andere Meinung, Wohlstand, Geburt oder sonstigen Status, sexuelle Neigung oder aus anderen
Gründen in ihrer Würde oder Integrität zu verletzen.
http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/01/10/77/47/codeofethics2012d.pdf
Juni 2005
Die Halbfinalpartien des FIFA Konföderationen-Pokals in Deutschland und die Viertelfinalspiele der FIFA Junioren-Weltmeisterschaft in den Niederlanden stehen im Zeichen der Kampagne „Nein zu Rassismus“ (vierte FIFA-Tage
gegen Diskriminierung).
30. Juni und
1. Juli 2006
Die Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ bilden den Rahmen für die fünften FIFA-Tage gegen
Diskriminierung und bieten dem Kampf gegen Rassismus im Fussball damit die bestmögliche Plattform.
In allen zwölf Stadien stehen speziell ausgebildete Sicherheitsbeauftragte im Einsatz, die rassistische, politische
oder anderweitig diskriminierende Botschaften aufspüren sollen. Die Fanbotschaften engagieren sich ebenfalls
gegen Rassismus.
2007
Die FIFA U-20-Weltmeisterschaft in Kanada ist Schauplatz der sechsten FIFA-Tage gegen Diskriminierung.
4. Dezember 2008
Im Rahmen der Halbfinalspiele der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft in Chile werden die siebten FIFA-Tage
gegen Diskriminierung gefeiert.
2009
Die Bestimmung zu Diskriminierung im Ethikreglement wird geändert.
Art. 7 – Diskriminierung: Offiziellen ist es verboten, eine Person oder eine Gruppe von Personen durch
herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äusserungen oder Handlungen in Bezug auf Herkunft,
Rasse, Hautfarbe, Kultur, Sprache, Religion oder Geschlecht zu verletzen.
25./26. Juni 2009
Die Halbfinalspiele des FIFA Konföderationen-Pokals in Südafrika bieten dem Weltfussballverband die Bühne für
die achten FIFA-Tage gegen Diskriminierung.
30. Juni und 1. Juli 2010
Die neunten FIFA-Tage gegen Diskriminierung im Rahmen der Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ rücken den Kampf gegen Rassismus im Fussball weltweit ins Rampenlicht.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Datum
Veranstaltung/Massnahme
7. Juli 2011
Die Erklärung gegen Rassismus, die beim ausserordentlichen FIFA-Kongress 2001 in Buenos Aires verabschiedet
wurde, feiert ihren 10. Geburtstag.
13. Juli 2011
Die Halbfinalspiele der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ in Deutschland (Japan – Schweden, USA – Frankreich)
stehen im Zeichen der zehnten FIFA-Tage gegen Diskriminierung.
10. November 2012
Die elften FIFA-Tage gegen Diskriminierung fallen auf die FIFA Futsal-Weltmeisterschaft in Thailand. Im Achtelfinale zwischen dem zweifachen Weltmeister Spanien und Gastgeber Thailand verurteilt der Fussball jede Form von
Diskriminierung – von Rassismus bis zu religiösen Vorurteilen.
März 2013
FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung
Präsident Blatter gibt die Gründung einer FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung bekannt.
http://de.fifa.com/aboutfifa/socialresponsibility/news/newsid=2040421/
6. Mai 2013
Die neu geschaffene FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung trifft sich am FIFA-Sitz in Zürich zu
ihrer ersten Sitzung. Hauptthema sind Sanktionen.
http://de.fifa.com/aboutfifa/socialresponsibility/news/newsid=2074778/
31. Mai 2013
Der 63. FIFA-Kongress unter dem Vorsitz von FIFA-Präsident Joseph S. Blatter verabschiedet die FIFA-Resolution
gegen Rassismus und Diskriminierung. Diese basiert auf den Grundsätzen Aufklärung, Prävention und Bestrafung
(inkl. sportlicher Sanktionen wie Punktabzug und Zwangsabstieg).
http://de.fifa.com/about-fifa/news/y=2013/m=5/news=exekutivkomitee-befurwortet-resolution-gegen-rassismusund-diskriminieru-2085782.html
26./27. Juni 2013
Bei den Halbfinalspielen des FIFA Konföderationen-Pokals Brasilien 2013 machen beide Teams vor dem Spiel auf
dem Spielfeld unmissverständlich deutlich, dass Rassismus im Fussball keinen Platz hat.
12. September 2013
Wichtigste Themen bei der zweiten Sitzung der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung am FIFASitz in Zürich sind Prävention und Aufklärung.
http://de.fifa.com/fifa-world-ranking/news/y=2013/m=9/news=arbeitsgruppe-diskutiert-aufklarung-und-umsetzungder-antidiskriminierun-2172849.html
4./5. Juli 2014
Im Rahmen der Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ feiert die Fussballgemeinschaft die 13. FIFA-Tage gegen Diskriminierung. Neben dem besonderen Spielprotokoll gegen Diskriminierung
lanciert die FIFA in den sozialen Medien eine interaktive Kampagne, um dieses bedeutsame Anliegen in den Blickpunkt zu rücken.
http://de.fifa.com/worldcup/news/y=2014/m=7/news=dwight-yorke-supports-anti-discriminationdays-2398366-2398723.html
http://de.fifa.com/worldcup/news/y=2014/m=6/news=saynotoracism-mit-einem-selfie-2354912.html
2. Dezember 2014
Die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung trifft sich am FIFA-Sitz in Zürich zu ihrer dritten
Sitzung.
http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2014/m=12/news=fifa-starkt-uberwachung-und-pravention-vondiskriminierung-im-fussball-2487341.html
6. März 2015
Im Rahmen des Weltfrauentags organisiert die FIFA in Zürich eine Frauenfussball- und Führungskonferenz. Diese
bietet Referate und Diskussionen zu Gleichberechtigung und Diskriminierungsbekämpfung.
http://de.fifa.com/womens-football/news/y=2015/m=3/news=fussball-experten-formulieren-notwendigkeit-vonfrauenquoten-2555758.html
12. Mai 2015
Zur Vorrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ wird im Londoner Wembley-Stadion das FIFA-Beobachtungssystem für Antidiskriminierung vorgestellt.
http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2015/m=5/news=diskriminierungsbeobachtung-bei-qualifikationsspielender-fifa-fussbal-2604237.html
http://resources.fifa.com/mm/document/afsocial/anti-racism/02/60/42/16/fifaanti-discriminationmonitoringsystem_
summary_may2015_neutral.pdf
Juni 2015
Programm zur Förderung weiblicher Führungskräfte
35 talentierte Frauen aus der ganzen Welt nehmen am neunmonatigen Programm teil, das drei praxisbezogene
Module umfasst. Ein zentrales Element dabei sind individuelle, von den Teilnehmerinnen gewählte Projekte als
Triebfeder für den Mädchen- und Frauenfussball in ihrem Mitgliedsverband.
Oktober 2015
Der FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung wird präsentiert.
23
24
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
6 Vielfalt und Diskriminierung – eine Annäherung
6.1 Was bedeutet
Diskriminierung?
Grundlage für Art. 3 der FIFA-Statuten zur
Nicht-Diskriminierung und zum Kampf
gegen Rassismus ist neben diversen
Menschenrechtsabkommen vor allem die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
der Vereinten Nationen. Diese formuliert
darüber hinaus für alle Menschen deutlich
den „Anspruch auf gleichen Schutz gegen
jede Diskriminierung [–] und gegen jede
Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung“ (Art. 7).
Der Begriff Diskriminierung umfasst
gemeinhin Herabwürdigungen und
Benachteiligungen von Gruppen und
Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder
angenommenen Attribute. Diskriminierung
manifestiert Ungleichheit und soziale
„Jegliche Diskriminierung eines Landes, einer
Einzelperson oder von
Personengruppen aufgrund
von Rasse, Hautfarbe,
ethnischer, nationaler
oder sozialer Herkunft,
Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen,
Geburt oder sonstigem
Stand, sexueller Orientierung oder aus einem
anderen Grund ist unter
Androhung der Suspension
und des Ausschlusses verboten.“ (FIFA-Statuten, Art. 3:
Nicht-Diskriminierung und
Kampf gegen Rassismus)
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Ausgrenzung. Solche Herabwürdigungen
und Benachteiligungen umfassen verbale
und körperliche Handlungen ebenso wie
eine fehlende Gleichberechtigung im
Zugang zum gesellschaftlichem Leben und
seinen Institutionen.
Diskriminierung kann beabsichtigt, aber
auch unbeabsichtigt geschehen.
Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen
in unterschiedlichen Ländern kann zur
Definition von einzelnen, in den FIFA-Statuten formulierten Diskriminierungsformen an dieser Stelle lediglich auf die
Der englische Nationalspieler
John Barnes sah sich
auf dem Rasen oft mit
Rassismus konfrontiert. In
den 1980er-Jahren wandte
er sich als einer der ersten
prominenten Spieler öffentlich
gegen Rassismus.
entsprechenden Resolutionen und Berichte
der Vereinten Nationen verwiesen werden.
Wenn es um Vielfalt und Antidiskriminierung geht, hat die FIFA eine lange Tradition. Nach den Vereinten Nationen war sie
eine der ersten internationalen Organisationen, die bereits 1960 beim FIFA-Kongress
in Italien folgenden Art. 2 in ihre Statuten
aufnahm:
„Der Nationalverband muss allen, die im
Land Fussball spielen, ohne Diskriminierung
aus Gründen der Rasse, der Religion oder
der Politik oder aufgrund von Klassenzugehörigkeit (d. h. Amateur, Nichtamateur
25
26
Teil I / Einleitung und Zielsetzung
oder Berufsspieler) offenstehen. Kraft
Verabschiedung dieser beiden Grundsätze
können fortan nur Verbände, die diese
Grundsätze befolgen, FIFA-Mitglieder
werden.“
6.2 Was bedeutet Vielfalt für
den Fussballverband?
Vielfalt bedeutet Bereicherung. Die Vielfalt
der Kulturen ist das notwendige Erbe der
Menschheit. Die Akzeptanz, der Austausch
darüber und das Lernen davon sichert
Überleben und entwickelt die Menschheit weiter. Das gilt auch für den Fussball.
Vielfalt schafft Chancen und Möglichkeiten,
lässt Kreativität und Innovation entstehen.
Ohne all dies wäre auch der Fussball nicht so
trickreich und rasant, so strategisch ausgefeilt. Ohne dies wäre Fussball heute nicht so
erfolgreich, sondern berechenbar und monoton. Weil er genau dies nicht ist, sondern
vielfältig, lieben wir den Fussball als Sport.
Gruppen haben vielfältige Merkmale, ihre
individuellen Mitglieder ebenso. Gleichheit
in Vielfalt existiert, wenn niemand seine
eigene Freiheit über die eines anderen
stellt. Vielfalt lebt, wenn niemand seine
eigene Freiheit zur Unterdrückung oder
zum Ausschluss eines anderen benutzt.
Unterschiedliche Menschen haben
unterschiedliche Wünsche und Hoffnungen.
Je nach ihrer Lebensgeschichte treibt
sie Unterschiedliches an. Sie haben
vielfältige Erwartungen, Fähigkeiten,
Verantwortungen und Bedürfnisse. All
das spiegelt sich unterbewusst auch auf
und um den Fussballplatz wider. All das
lässt jeden Menschen etwas Eigenes zum
Ganzen beitragen.
Alle Menschen gleichermassen und fair zu
behandeln, zielt darauf ab, sie in all diesen
Eigenschaften wahrzunehmen, diese zu
respektieren und sich im gemeinsamen
Miteinander entsprechend zu verhalten.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
gemalten oder gedruckten Bannern von
Fussballfans. Sie zeigt sich auf verklebten
Stickern und auf Aufnähern. Ebenso gibt
es in einigen Ländern explizite Kleidung
und Marken, die von und für aggressiv
nationalistisch gesinnte, rechtsextrem
geleitete Menschen produziert wird.
Es gilt, den individuellen Wert eines jeden
Menschen zu erkennen und wertzuschätzen – sich selbst zu hinterfragen. So können
die Potenziale der Menschen produktiver
genutzt und miteinander verknüpft werden.
6.3 Beispiele zu Diskriminierung
im Fussball
Leider hat Diskriminierung im Fussball
viele Gesichter. Diskriminierung passiert
offen oder versteckt, laut und leise.
Diskriminierung kann sich auch in Gewalt
äussern, was wiederum nicht heisst, dass
alle gewalttätigen Fussballfans gleichzeitig
diskriminierende Personen oder gar
Rechtsextreme sind.
Ausprägungen von Diskriminierung
können sich verändern und modernisieren.
Offensichtlich wird Diskriminierung
in eindeutigen Gesten und Rufen, auf
Fare network stellt dazu eine online
verfügbare Broschüre bereit, die laufend
aktualisiert wird. Aufgrund des Hausrechts
am Spieltag hat der Veranstalter von
Fussballspielen die Möglichkeit, Personen,
die solche diskriminierende Symbole und
Codes verwenden, zu verbannen.
Aber auch jenseits der Zuschauertribünen
kann Diskriminierung stattfinden.
Spieler und Trainer können z. B. andere
Spieler und Trainer durch Aussagen und
Handlungen diskriminieren. Viele davon
wurden von den zuständigen Instanzen
ermahnt oder bestraft.
Manche Aussagen und Handlungen
prominenter Figuren des Fussballs lösen
eine zweischneidige öffentliche Debatte
aus. Häufig werden Aussagen oder
Handlungen, die betroffene Personen
z. B. als sexistisch, rassistisch, antisemitisch
oder homophob empfinden, von den
auslösenden Personen nicht als solche
bewertet. Hierbei ist es ratsam, Menschen,
die Diskriminierung fühlen, ernst zu
nehmen und der Sache auf den Grund zu
gehen und im Zweifelsfall zu vermitteln.
27
TEIL II
STRATEGISCHER GESAMTANSATZ
ZUR FÖRDERUNG VON VIELFALT
UND BEKÄMPFUNG VON
DISKRIMINIERUNG IM FUSSBALL
30
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
7 Vielfalt und Antidiskriminierung durch
Reglementierung
Nachfolgend werden die genannten fünf
Aktionssäulen der FIFA für ihre Mitgliedsverbände detailliert beschrieben. Beispiele,
die in diesem Kapitel genannt werden, sind
aus den FIFA-Mitgliedsverbänden und den
Kenntnissen der FIFA um Praktiken in den
Vereinen bekannt.
Am Ende jedes Unterkapitels finden sich
Beispiele aus den Verbänden. Aber auch die
Darstellung der FIFA-Arbeit für Vielfalt und
Antidiskriminierung öffnet den Verbänden Türen, um eine lokale Aneignung zu
fördern.
Die Organisationspolitik eines Mitgliedsverbands legt den Grundstein für eine in
sich geschlossene und erfolgversprechende
Reglementierung zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie formuliert eine rechtlich
einheitliche Basis, auf der die Mitarbeiter
aller Abteilungen und die Kommissionen
agieren können. Dies gilt für den Bereich
der Kommunikation genauso wie für den
der Sanktionen, der Bildung oder der Netzwerkarbeit und Kooperation. Andersherum
kann auch die Praxis Veränderungsvorschläge generieren, um Reglementierungen der
Vereine und Ligen zu modifizieren.
Der Platz, um Beispiele in der gebotenen
Breite darzustellen, ist leider begrenzt. Die
FIFA plant, ihren Mitgliedsverbänden in
Zukunft weitere Beispiele online zur Verfügung zu stellen. Damit dies qualitätsgerecht passieren kann, können alle FIFA-Mitgliedsverbände ihre Ideen und Erfahrungen
einreichen.
Am Beispiel der FIFA lässt sich dies strukturell beleuchten. Leitdokument für die
Hauspolitik eines Verbandes ist dabei
Art. 3 der FIFA-Statuten, aus dem sich das
FIFA-Ethikreglement und der FIFA-Verhaltenskodex ableiten. Massgeblich beeinflussen die Statuten auch Aufbau und Wortlaut
des FIFA-Disziplinarreglements sowie des
FIFA-Präsident Blatter
unterzeichnet die Brighton Plus
Helsinki Declaration on Women
and Sport.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Das Home of FIFA,
Zürich, Schweiz.
FIFA-Reglements für Stadionsicherheit.
Dank dieser Struktur kann vor allem die
FIFA-Nachhaltigkeitsabteilung im Bereich
Vielfalt und Antidiskriminierung verlässlich
Initiative ergreifen.
Ein Verband hat aus sportlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen
ein Interesse daran, Fussball als Spiel des
internationalen Austauschs auf all seinen
Ebenen weltoffen und zugänglich für jeden
Menschen zu gestalten. Der erste Schritt
dazu ist es, diskriminierende Vorfälle nicht
zu ignorieren oder herunterzuspielen,
sondern sie proaktiv zu prüfen. Nur dann
kann glaubwürdig und nachhaltig agiert
werden.
Wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung
ist, wenn sich Vielfalt auch in der personellen Zusammensetzung der eigenen Orga-
nisation widerspiegelt. Mit ihrer ersten
Frauenfussball- und Führungskonferenz
2015 und der dortigen Unterzeichnung der
Brighton Plus Helsinki 2014 Declaration
on Women and Sport durch FIFA-Präsident
Joseph S. Blatter hat die FIFA einmal mehr
unterstrichen, dass sie bereit ist, den nötigen Weg zu beschreiten.
7.1 Disziplinarreglement
Um einem Mitgliedsverband auf sportjuristischer Stufe eine praktische Handlungsebene zur Reaktion auf diskriminierende Vorfälle im Fussball und in seinem
direkten Umfeld zu eröffnen, sind strikte
Sanktionen zu empfehlen. So demonstriert
ein Verband allen Akteuren, dass er zum
Handeln bereit ist.
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Reglementierung
Disziplinarreglement
Sicherheit
Beschäftigung und
Einstellungsverfahren
Beauftragter
31
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
7.2 Sicherheit in und um
Stadien
Spieler, Trainer, Offizielle und Zuschauer
müssen in und um Stadien vor Diskriminierung geschützt werden. Verlässliche Regeln
zur Stadionsicherheit wirken präventiv.
Darüber hinaus legen sie fest, wie in
akuten Situationen von Diskriminierung
eingeschritten werden kann. Dies betrifft
die Hauptverantwortlichen für Sicherheit
bis hin zum Ordnungsdienst und zu den
Stadionsprechern. Dazu beinhaltet das
FIFA-Reglement für Stadionsicherheit eine
zu empfehlende Risikobeurteilung durch
die relevanten Sicherheitskräfte (Art. 7). Sie
ermöglicht es, eventuelle diskriminierende
Aspekte vorher zu lokalisieren und sich
darauf gezielt vorzubereiten. Des Weiteren
können im Reglement zur Stadionsicherheit
auch bauliche Aspekte Berücksichtigung
finden, die ein barrierefreies Stadionerlebnis ermöglichen.
Anhang C des FIFA-Reglements für Stadionsicherheit weist den Weg zu einem empfehlenswerten Antidiskriminierungsparagrafen
als Teil von Spieltags- und Musterstadionordnungen. So wurden Karteninhaber
in einem Verhaltenskodex für die FIFA
Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™
darauf hingewiesen, dass „Materialien mit
beleidigendem, rassistischem, fremdenfeindlichen, auf Wohltätigkeits- oder
ideologische Belange bezogenem Inhalt,
Aus
FIFADisziplinarreglement
onsicherhe
it
FIFAment
Ethikregle
gabe 2012
Ausgabe 2011
A Reglement
für Stadi
Diese Regelungen sollten transparent
kommuniziert werden. Das gilt gegenüber
den Spieloffiziellen genauso wie gegenüber den Stadionbesuchern. Dazu könnten
Strafgelder so verwendet werden, dass sie
der sozialen Verantwortung im Fussball
zugutekommen. Werden diese Punkte im
Umgang mit dem Disziplinarreglement
befolgt, entfalten sie nicht nur reaktive,
sondern auch präventive Wirkungen und
sozialverantwortliche Förderung.
Eine Vorlage für Reaktionen auf diskriminierende Vorfälle formuliert insbesondere
Art. 58 (Diskriminierung) des FIFA-Disziplinarreglements. Aber auch grundlegende
Passagen der dortigen Art. 57 (Ehrverletzung und Fairplay) und 67 (Haftung für das
Verhalten von Zuschauern) steuern hierzu
entsprechende Kriterien bei. Sie werden im
Kapitel zu Vielfalt und Antidiskriminierung
durch Sanktionen in diesem Good Practice
Guide detailliert ausgeführt (Kap. 8).
ziplinarreglement
32
einschliesslich u. a. Transparente, Fahnen,
Schilder, Symbole und Flugblätter, sowie
Gegenstände und Kleidung, die die Freude
anderer Zuschauer am Turnier beeinträchtigen, vom sportlichen Fokus des Turniers
ablenken oder irgendeine Form von
Diskriminierung fördern könnten“, verboten sind.
Um präventiv zu handeln und in den entscheidenden Situationen verhaltenssicher
einzugreifen, sollten je nach örtlicher Gesetzeslage staatliche Organisationen einbezogen werden. Das gilt für ihre polizeilichen
wie auch für ihre sozialpräventiven Kräfte.
So lässt sich Sicherheit hinsichtlich diskriminierender Vorfälle eher gewährleisten.
7.3 Beschäftigung und
Einstellungsverfahren
Innerhalb eines Mitgliedsverbands eine
sozial inklusive Beschäftigungspolitik zu
betreiben, bedeutet, ein respektvolles, solidarisches Verständnis zwischen den Mitarbeitern zu kreieren. Sie regelt den harmonischen, von gegenseitiger Rücksichtnahme
geprägten Umgang miteinander. Dies wirkt
sich nicht nur erfolgreich auf die Arbeit des
Mitgliedsverbands aus, sondern auch auf
sein äusseres Erscheinungsbild und die Art
von Kooperation.
Der Verhaltenskodex der FIFA gibt ein
Beispiel zur Sicherung der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter (Art. 3). Unter den
dort aufgeführten elf Verhaltensgrundsätzen der FIFA-Familie bilden Integrität und
ethisches Verhalten, Respekt und Würde
sowie Nulltoleranz gegenüber Diskriminierung und Belästigung die drei Punkte, die
Vielfalt und Antidiskriminierung erfassen.
Neubeschäftigte werden über diese Grund-
FIFA-Regleme
nt
für Stadions
icherheit
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
lagen informiert und erhalten dazu z. B.
eine Richtlinie gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz.
Ein Verhaltenskodex, der Vielfalt und
Antidiskriminierung in einschlägiger Weise
berücksichtigt, wirkt sich ebenso auf die
Einstellungspolitik aus.
Mit jeglichen Limitierungen aufgrund einer
angenommenen Rasse, aufgrund von Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer
Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion,
politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen
Grund würde man seinen Talente-Pool
beschneiden. Die Leistungsstärke sowie
die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Verbands wären somit
eingeschränkt. Können unterschiedliche
persönliche Hintergründe und Fähigkeiten
gleichberechtigt einfliessen, bereichern sie
die eigenen Arbeitsweisen.
Insofern macht es Sinn, schon in einer
Stellenausschreibung die eigene weltoffene
und sozial inklusive Haltung hervorzuheben. Werden neue Mitarbeiter gesucht
und neue Arbeitsplatzbeschreibungen
kreiert, sollte die Zusammensetzung des
bestehenden Teams bedacht werden, um
eine teamfördernde Vielfalt zu sichern.
Verbände sollten sich bei der Auswahl ihrer
Mitarbeiter versichern, dass sie Vorurteile
oder andere Ausschlussgründe vermeiden,
die Art. 3 der FIFA-Statuten zu Nicht-Diskriminierung und zum Kampf gegen Rassismus betreffen.
7.4 Beauftragter für Vielfalt
und Antidiskriminierung
Um die eigene Strategie zu bündeln, kann
es für einen Mitgliedsverband entscheidend
sein, einen Ansprechpartner für Vielfalt
und Antidiskriminierung zu ernennen. Zum
einen sichert ein Verband so die innere
Koordination seines Engagements. Zum
anderen signalisiert er seine kontinuierliche
Zuständigkeit, die nötige Expertise sowie
eine nachhaltige Aussage in der Öffentlichkeit gegenüber den Sponsoren und
weiteren Partnern.
Die eigenen Vereine erhalten damit eine
Kontaktstelle, an die sie sich bei Fragen zur
sozialen Inklusion im Fussball wenden können. Auch der internationale Austausch zu
Vielfalt und Antidiskriminierung bekommt
ein Gesicht, ebenso wie die diesbezügliche
Vernetzung mit der eigenen Konföderation
und der FIFA.
33
34
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
Ein solcher Beauftragter sichert, dass zwischen allen fünf genannten Säulen der Verbandsarbeit zu Vielfalt und Antidiskriminierung eine Balance entstehen kann. Ebenso
kann dieser Beauftragte sicherstellen, dass
alle Formen und Ausprägungen von Diskriminierung im Fussball ihre Berücksichtigung in der Entwicklung der Strategie und
der Aktionen des Verbands finden.
Der Antidiskriminierungsbeauftragte
bereitet Trainingskurse für Trainer und
Schiedsrichterteams vor, sichtet mögliche
Aktionen, Projekte und Kooperationspartner, verfasst Jahresfortschrittsberichte und
beantwortet externe Anfragen. Darüber
hinaus kann die beauftragte Person zu
Einladungsveranstaltungen gesandt werden, wo sie kompetent die Position und
die Aktionen des Verbands zu Vielfalt und
Antidiskriminierung inhaltlich und öffentlichkeitswirksam stärkt.
Organisationsintern sammelt die zuständige Person zunächst Hintergrundwissen.
Dann kann sie Vorschläge zur Optimierung
der eigenen Organisationspolitik machen.
Sie kann die Zuständigen für Öffentlichkeitsarbeit mit der Perspektive von Vielfalt
und Antidiskriminierung beraten. Beauftragte für Vielfalt und Antidiskriminierung können auch als Ansprechpartner im
Mitarbeiterkreis eingesetzt werden, mit
dem Mitarbeiter vertrauensvoll ihr kreatives Feedback und auch Krisen in Bezug auf
soziale Inklusion besprechen können.
7.5 Beispiele aus der
Weltfussballfamilie

Beschilderung und Durchsagen für
Stadionsprecher
Zur Förderung der Sicherheit vor diskriminierenden Vorfällen kann bspw. eine
Beschilderung angebracht werden, die auf
unerwünschte, diskriminierende Symbole,
Gesänge und Banner hinweist. Die Stadionbesuchenden können aktiv daran erinnert
werden, dass sie sich im Falle diskriminierender Vorfälle in ihrem Umfeld an den
Ordnungsdienst wenden können. Ebenso
kann eine Hotline installiert werden, auf
der Stadionbesuchende diskriminierende
Vorfälle aus ihrem Umfeld melden können.
Es können Empfehlungen für Durchsagen
der Stadionsprecher formuliert werden, die
im Falle diskriminierender Vorfälle bedacht
und sicherheitsfördernd wirken.
Einbindung in Lizenzierungsverfahren
Es sind Beispiele bekannt, in denen Verbände bzw. Ligaverbände Vielfalt und Antidiskriminierung zu einem festen Bestandteil
ihres Lizenzierungsverfahrens gemacht
haben. Denkbar ist z. B. ein zwingender Antidiskriminierungsparagraf in der
Vereinsordnung. Ebenso gibt es Musterstadionordnungen, die einen Antidiskriminierungsparagrafen einbauen.

Gleichstellungsmassnahmen und
Quoten
Quoten sollten nicht nötig sein. Aber in
manchen Situationen helfen sie, Chancen
zu ergreifen und organisatorische Veränderungen einzuleiten. Wenn in Verbänden
Quoten angewandt werden, dann nur, um
sie im Laufe des nachfolgenden Etablierungsprozesses überflüssig zu machen.
Vereinzelt sind Beispiele bekannt, in denen
zeitweise eine Quotenregelung z. B. für
Schiedsrichterteams ausprobiert wurde, die
sich verstärkt aus Angehörigen von Minderheiten zusammensetzen. Ebenso gibt
es Verbände, die im Sinne eines Ausgleichs
versuchen, gezielt Frauen in (höheren)
Verbandspositionen, z. B. als Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen, einzusetzen.

Verbreitung eines Gütesiegels
Verbände können ein System entwerfen,
nach dem Vereinen ein Gütesiegel für Vielfalt und Antidiskriminierung zugesprochen
wird. Dazu sollten die Vereine bestimmte
Grundsätze in ihrer sozial inklusiven Praxis
erfüllen. Die Basis einer solchen Zertifizierung bietet z. B. der in diesem Good
Practice Guide vorgestellte strategische
5-Säulen-Ansatz der FIFA.

Aufarbeitung der eigenen Verbandsgeschichte und Gedenkpolitik
zur Förderung der organisatorischen Glaubwürdigkeit eigener
Reglementierungen
Es bereichert einen Mitgliedsverband mehrfach, wenn er die eigene betriebliche Vergangenheit auf eventuelle Fehler im Kontext von Diskriminierung überprüft und sich
ihnen somit aktiv stellt. Daneben sollten
auch die positiven Taten zusammengestellt
werden. Beides zusammen stärkt nicht nur
nach innen die Glaubwürdigkeit und die
soziale Identität der eigenen Organisation,
sondern wirkt sich mittelfristig auch positiv
auf gegenwärtige und zukünftige Kooperationspartner aus. Bei der Aufarbeitung
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
der eigenen Vergangenheit geht es darum,
sich eines eigenen Missverhaltens in der
Verbands- oder Vereinsgeschichte bewusst
zu werden, um es in Zukunft auszuschliessen und auch nach aussen hin authentisch
zu vermeiden.
Zur Aufarbeitung der Vergangenheit
gehören Veranstaltungen wie thematisch
damit verknüpfte Podiumsdiskussionen.
Veröffentlichungen von Erklärungen oder
Büchern sind genauso möglich wie die
Beauftragung unabhängiger Historiker mit
einem Gutachten. Es kann aktiv gepflegt
werden, dass ein Verband bzw. ein Verein
interessierten Studierenden sein Archiv
diesbezüglich zur Verfügung stellt. Jährliche Erinnerungstage, also ein würdiges
Gedenken in Anerkennung, formen eine
Möglichkeit, um zu vergangenheitsbewussten Aktionen zu motivieren. Turniere oder
Preise können den Namen einer Persönlichkeit tragen, die in der Vergangenheit für
Vielfalt und Antidiskriminierung stand.

Vertrauenspersonen
Es können Vertrauenspersonen für Vielfalt
und Antidiskriminierung ernannt werden, die z. B. auch für Fragen im Zusammenhang mit rassistischer oder sexueller
Belästigung zur Verfügung stehen. Die
Namen und Kontaktdetails dieser Personen
werden periodisch und auf Anfrage allen
Verbandsmitarbeitern mitgeteilt. Solche
Personen sollten speziell geeignet sein und
einer Schweigepflicht unterliegen. Zu ihren
Aufgaben sollte es gehören,
• die betroffene Person anzuhören, zu
beraten und zu unterstützen,
• auf Wunsch der betroffenen Person und
in Zusammenarbeit mit ihr Massnahmen
durchzuführen, um den Belästigungen,
Bedrängungen, Verleumdungen etc. ein
Ende zu setzen, z. B. mittels Gespräch
mit der belästigenden Person und den
zuständigen Vorgesetzten,
• die betroffene Person über die strafbzw. zivilrechtlichen Möglichkeiten zu
informieren,
• auf Wunsch der betroffenen Person
oder gemeinsam mit ihr höhere
Instanzen innerhalb des Verbands zu
informieren und eine Untersuchung der
Vorkommnisse zu verlangen,
• die Beschwerdekommission auf deren
Verlangen hin jährlich in anonymer Form
über die Anzahl von Konsultationen
und – im Hinblick auf die Ergreifung
etwaiger Verbesserungsmassnahmen –
über den wesentlichen Inhalt ihrer
Beratungstätigkeit zu informieren.
Die zuständige Beschwerdekommission sollte in Bezug auf Gleichstellung ausgeglichen
besetzt sein.
35
38
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
8 Vielfalt und Antidiskriminierung durch
Kontrollen und Sanktionen
Kontrollen und Sanktionen sind bedeutende Aspekte, wenn es darum geht, die
rechtlichen Grundlagen umzusetzen. Eine
Situation, in der ein Spieler oder ein Team
möglicherweise den Platz verlässt, weil diskriminierende Handlungen erlebt werden,
sollte gar nicht erst passieren. Deshalb ist
die sicherheitsspezifische Vor- und Nachbereitung, dementsprechend also die Kooperation der relevanten Verbandsabteilungen
und Spieloffiziellen, besonders am bzw.
nach einem Spiel von entscheidender Bedeutung. Dem zugrunde liegen sollte, dass
Art. 3 der FIFA-Statuten Teil von Verbandsregeln ist.
Der FIFA geht es nicht darum, Leidenschaft
und die daran geknüpften Emotionen aus
dem Stadion zu verbannen. Sanktioniert
und verbannt werden sollen lediglich diskriminierende Herabwürdigungen. Wird eine
weltoffene Willkommensatmosphäre
geschaffen, kann positive Leidenschaft
friedlich und miteinander entstehen. Um
einem Mitgliedsverband hier Handlungssicherheit zu verschaffen, müssen eindeutige
Kategorien für Diskriminierung bestimmt
werden. Der entsprechende sportgesetzliche
Rahmen, inklusive der damit verknüpften
Sanktionen, sollte den Spielern, Trainern
und Offiziellen, aber auch den Zuschauern
vor einem Spiel bewusst sein.
8.1 Verfahren für Spiele: Erkennung von Risikospielen
Die FIFA versucht nach Möglichkeit, Risikospiele mit Diskriminierungspotenzial sechs
bis zehn Wochen vor Spielbeginn zu lokalisieren. Die Erkennung von Risikospielen
involviert nicht nur alle in den FIFA-Statuten genannten Diskriminierungsformen,
sondern auch vielfältige Bewertungskriterien. Einzubeziehen sind gemeinsame Bezugspunkte der Geschichte der beteiligten
Länder bzw. Teams, genauso wie aktuelle
geopolitische Einschätzungen. Ebenso wird
der Grad des Wettbewerbs bei der Einschätzung berücksichtigt. Hierzu zählt die
Bedeutung des Wettbewerbs genauso wie
z. B. Rivalitäten, die sich aufgrund eines
aktuellen Turnier- bzw. Wettbewerbsstands
ergeben könnten. Besonders zu berücksichtigen ist, wenn es in einer früheren Partie
zweier Teams bereits diskriminierende
Vorfälle gegeben hat. Hinzu kommt eine
Bewertung gegenwärtiger Fankulturen,
insbesondere im Hinblick auf historische
und aktuelle Rivalitäten oder z. B. auf
besondere Ereignisse, die aus Sicht der Fans
mit einem jeweiligen Spielort verknüpft
werden könnten. Kenntnisse über den Einfluss von organisierten Gruppen aus einem
diskriminierenden Milieu auf die Fanszenen
sind hier nützlich.
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Sanktionen
Identifikation
von Risikospielen
Spielbeobachtung
Schiedsrichterpflichten
Training von
Spieloffiziellen
und
Ordnungsdienst
Befolgung
rechtlicher
Grundlagen
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Lionel Messi (ARG) richtet sich vor
dem Viertelfinale der FIFA FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™
gegen Diskriminierung im Fussball.
Zu beachten ist ebenfalls, wie viele Fans,
insbesondere Auswärtsfans, zu einem Spiel
erwartet werden. Zusätzlich könnten die
Konföderationen vor den Spielen ihrer
Wettbewerbe auch Einschätzungen zur
Zusammensetzung der Fans einholen. Über
die o. g. Möglichkeiten hinaus geben Mitgliedsverbände bekannt, dass sie präventive Einschätzungen zu Diskriminierung vor
den Spielen auch mit Hilfe der Vereine, der
Polizei, externer Experten und einer Medienanalyse vornehmen, um ihren Sicherheitsplan dementsprechend einzustellen.
8.2 Beobachtung
diskriminierender Vorfälle
(Spielbeobachter für
Antidiskriminierung)
Mit dem Ziel, die Schiedsrichterteams
zu entlasten und die Verfügbarkeit von
Beweislagen für die Entscheidungen
rechtsprechender Organe zu optimieren,
stimmte der 63. FIFA-Kongress 2013 in
seiner Resolution zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung der Einführung
von Antidiskriminierungsbeobachtern zu.
Mit dem Beginn der Qualifikation zur FIFA
Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™
identifiziert die FIFA in Kooperation mit der
Organisation Fare network Spiele, die ein
Risiko in Sachen Diskriminierung bergen
können. Bei diesen Risikospielen setzt die
FIFA Spielbeobachter für Antidiskriminierung ein. Diese werden von der FIFA und
Fare network rekrutiert, trainiert und
eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, der FIFA auf
einer sicheren Beweisgrundlage diskriminierende Vorfälle zu melden.
Nach den Erfahrungen der CONCACAF
und der UEFA mit einem entsprechenden
Beobachtungssystem ist es ratsam, dass
die Konföderationen und Verbände in den
Wettbewerben, für die sie verantwortlich
sind, ebenso Antidiskriminierungsbeobachter einführen.
2013: Tokyo Sexwale,
Menschenrechtler und
Gründer der Organisation
Global.
39
40
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
8.3 Schiedsrichterpflichten
Es ist ratsam, Handlungsanweisungen für
Schiedsrichterteams stets weiterzuentwickeln, um ihnen die nötige Grundlage für
ein sicheres Verhalten im Falle diskriminierender Vorfälle verbaler oder physischer Art
zu bieten. Dies bezieht sich auf die Beteiligung von Spielern und Trainern an diskriminierenden Handlungen bis hin zu anderen
Spieloffiziellen und den Zuschauern.
Generell lässt sich an dieser Stelle auf die
Regel 5 –Schiedsrichter verweisen, die
es dem Schiedsrichter auferlegt, „disziplinarische Massnahmen gegen Spieler
zu ergreifen, die ein verwarnungs- oder
feldverweiswürdiges Vergehen begangen
haben“. Es folgt, dass er „Verwarnungen
und Platzverweise auch während der
Pause, nach dem Schlusspfiff, während der
Verlängerung und während des Elfmeterschiessens aussprechen kann, da er auch
dann die Entscheidungsgewalt über das
Spiel besitzt“. Ergänzend heisst es ebenso:
„Der Schiedsrichter hat auf Hinweis eines
Schiedsrichterassistenten über Ereignisse
zu entscheiden, die er selbst nicht gesehen
hat.“
Darüber hinaus heisst es in Regel 5 eindeutig: „Der Schiedsrichter hat die Partie bei
jedem Eingriff von aussen zu unterbrechen,
vorübergehend auszusetzen oder ganz
abzubrechen.“ Dies bezieht sich auch auf
das Verhalten von Zuschauern.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
2014: Claudio Sulser (links), Vorsitzender
der FIFA-Disziplinarkommission,
informiert die FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und Diskriminierung
über Sanktionen zur FIFA FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™.
Darüber hinaus hat er „Massnahmen gegen
Teamverantwortliche zu ergreifen, die sich
nicht verantwortungsbewusst verhalten,
wobei er sie vom Spielfeld und dessen
unmittelbarer Umgebung entfernen lassen
darf“.
8.4 Training von Spieloffiziellen
und Ordnungsdienst
Jede Region produziert unterschiedliche,
sich stets entwickelnde Symbole und Codes,
Rufe und Gesänge, die Diskriminierung
offen und versteckt zum Ausdruck bringen.
Dementsprechend ist es ratsam, z. B. die
Spielkommissare und Sicherheitsbeauftragten, aber ebenso den Ordnungsdienst
für mögliche Diskriminierungsvorfälle zu
sensibilisieren. Hierzu kann eine Broschüre
entwickelt werden, die den aktuellen Stand
der diskriminierenden Ausdrucksformen
zusammenfasst und besonnene Reaktionen und Kooperationen je nach regionaler
Erfahrung und Kenntnis aufzeigt.
8.5 Beispiele zur Befolgung
rechtlicher Grundlagen
Art. 57 des FIFA-Disziplinarreglements
spricht sich gegen Ehrverletzung und für
Fairplay aus. Er besagt: „Wer auf irgendeine
Weise, insbesondere durch beleidigende
Gesten oder Äusserungen, eine andere
Person in ihrer Ehre verletzt oder wer die
Prinzipien des Fairplay oder der Sportlichkeit verletzt, kann mit Sanktionen gemäss
Art. 10 ff. belegt werden.“
Art. 58 liefert dann das Diskriminierungsverbot: „Wer die Menschenwürde einer
Person oder einer Gruppe von Personen
durch herabwürdigende, diskriminierende
oder verunglimpfende Äusserungen oder
Handlungen … verletzt, wird für mindestens fünf Spiele gesperrt.“ Dazu kommen
ein Stadionverbot und eine Geldstrafe von
mindestens CHF 20 000. Bei einem Offiziellen beträgt die Geldstrafe mindestens
CHF 30 000 (siehe Art. 58 Abs. 1 lit. a).
Art. 58 ergänzt in Abs. 1 lit. b: „Verletzen
mehrere Personen (Offizielle und/oder
Spieler) desselben Klubs oder Verbandes
gleichzeitig Abs. 1 lit. a oder liegen anderweitige gravierende Umstände vor, können
der betreffenden Mannschaft bei einem
ersten Vergehen drei Punkte und bei einem
zweiten Vergehen sechs Punkte abgezogen werden; bei einem weiteren Vergehen
kann ein Zwangsabstieg in eine tiefere
Spielklasse erfolgen. In Spielen ohne Punktevergabe kann ein Ausschluss aus dem
Wettbewerb ausgesprochen werden.“
Liegt der Auslöser eines diskriminierenden Vorfalls bei der Anhängerschaft eines
Teams, so wird der entsprechende Verband mit einer Geldstrafe von mindestens
CHF 30 000 belegt, „ohne dass ihn ein
schuldhaftes Verhalten oder ein schuldhaftes Unterlassen trifft“ (siehe Art. 58
Abs. 2 lit. a). Schwerere Vergehen können
zusätzliche Sanktionen nach sich ziehen.
Dies kann die Austragung eines Spiels unter
Ausschluss der Öffentlichkeit sein. Ebenso
können schwere Vergehen im Hinblick auf
Diskriminierung eine Forfait-Niederlage,
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
einen Punkteabzug oder den Ausschluss aus
einem Wettbewerb zur Folge haben.
Art. 58 Abs. 3 bezieht sich auf die individuellen Auslöser des Vergehens: „Zuschauer,
die Abs. 1 lit. a dieses Artikels verletzen,
werden mit mindestens zwei Jahren
Stadionverbot belegt.“
Im Sinne der Harmonisierung von Regelungen sollte, angelehnt an Art. 146 Abs. 2
des FIFA-Disziplinarreglements, Art. 58 zu
Diskriminierung von den FIFA-Mitgliedsverbänden übernommen werden.
8.6 Beispiele aus der
Weltfussballfamilie

Installation eines Identifikationssystems zu Risiken
Zunächst ermitteln Vereine, Teams – evtl.
unter Mitwirkung der Polizei – die Risikospiele nach den o. g. Kriterien. Hinzugezogen werden können externe Experten
aus staatlichen und/oder nicht staatlichen
Organisationen, z. B. in einem Risikobeirat.
Am Ende werden ausgebildete Spielbeobachter für Antidiskriminierung bei den
festgelegten Risikospielen eingesetzt. Dabei kann es vorkommen, dass ein Spiel zwei
solche Spielbeobachter erfordert, um die
entsprechenden üblichen Landessprachen
der jeweiligen Teams und Fangruppen sowie die Spezifika ihrer Fankulturen bei der
Beweisermittlung ausreichend zu erfassen.

Antidiskriminierung im Spielberichtsbogen
Es gibt Beispiele aus dem Amateurbereich
von Verbänden, in denen der Spielberichtsbogen modifiziert wurde. Demnach
fragt der Schiedsrichter die beteiligten
Mannschaften nach dem Spiel, ob ihnen
während des Spiels auf dem Feld oder von
den Zuschauerrängen diskriminierende
Aussagen aufgefallen sind. Oder ob sie
sich gar selbst in diskriminierender Weise
angegriffen fühlten. Falls dies der Fall ist,
kann der Schiedsrichter das in einem eigens
dafür vorgesehenen Feld auf dem Spielberichtsbogen eintragen. Das entsprechende
Sportgericht muss den Fall dann prüfen.
So kann z. B. ein zusätzliches Feld in den
Spielberichtsbogen der Schiedsrichter aufgenommen werden. Schiedsrichter können beide Spielführer, Trainer oder Teams
nach einem Spiel fragen, ob jemandem
Diskriminierungen auf dem Feld und von
den Zuschauerrängen aufgefallen sind. Sie
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
können nachfragen, ob sich jemand von
Diskriminierung betroffen fühlt.

Konfliktschlichtung, Mediation,
Täter-Opfer-Ausgleich und Bewährung
Zusätzlich zu verhängten Verboten, aber
auch im Vorfeld solcher kann der Dialog
mit potenziellen und identifizierten Personen oder Gruppen unter den Fans gesucht
werden. Hier gibt es Verbände, die Schulungen von Fans, aber auch von verurteilten Fans vorsehen. Dialoge, so berichten
Vereine, ob zwischen Kläger und Angeklagten oder gar unter Mithilfe eines neutralen Moderators geführt, helfen, mögliche
Bestrafungen nachvollziehbar zu machen.
Dialoge können ebenso dabei helfen,
Vergehen vorzubeugen. Sie bahnen den
Weg zu aufrichtigen Entschuldigungen oder
– falls sinnvoll – zu einem Täter-Opfer-Ausgleich. Es sind Beispiele diverser Vereine
bekannt, in denen solche Prozesse über eine
Spielsaison gedauert haben, mit monatlichen Sitzungen. Diese wurden methodisch
auf die Vorfälle vor Ort angepasst.
Darüber hinaus sind Modelle bekannt, in
denen Stadionverbotsverfahren unterschiedliche Bewährungsmodelle zulassen.
43
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
9 Vielfalt und Antidiskriminierung durch
Kommunikation
Bereits vor einem Sportgerichtsverfahren
kann die Meldung einer Diskriminierung
zu einem viel diskutierten Vorfall werden:
über die externe Medienberichterstattung
und die sozialen Medien. Auch ohne eventuellen Ermittlungen vorzugreifen, kann
ein Fussballverband eine solche Situation
nutzen und sich positionieren. Dabei hilft
es entscheidend, präventiv eine eigene
proaktive Strategie zu Vielfalt und Antidiskriminierung in der Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln.
werden. Schliesslich sind es die Reglementierung, die Sanktionen, die Bildung oder
Netzwerk und Kooperation als Säulen für
Vielfalt und Antidiskriminierung in einem
Mitgliedsverband, die das unerlässliche
Bild- und Textmaterial für die Öffentlichkeitsarbeit liefern. Insgesamt sollte dabei
beachtet werden, dass unterschiedliche
Diskriminierungsformen systematisch, aber
auch anlassbezogen aufgegriffen werden.
Mögliche diskriminierende Vorfälle können fruchtbar werden, wenn der Verband
der Situation angemessen seinen Standpunkt zu Vielfalt und Antidiskriminierung
deutlich entgegenhält. Eigene Projekte und
Konzepte sollten genauso medial platziert
werden wie die Versicherung, dass Ihre Organisation aktuelle Vorfälle sorgfältig prüft
und rückhaltlos dagegen vorgehen wird.
Insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit ist
es wichtig, sie nicht isoliert von den anderen vier genannten Hauptsäulen zu inszenieren. Positionen zur Stärkung von Vielfalt
und Antidiskriminierung wirken nur, wenn
sie von entsprechenden Taten begleitet
Ecuadors Nationalspieler Michael
Arroyo und Antonio Valencia mit
dem FIFA-Hashtag #SayNoToRacism
zur Fussball-Weltmeisterschaft
Brasilien 2014™.
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kommunikation
Branding
Veröffentlichungen
Botschafter
Preisverleihung
Veranstaltungen
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
9.1 Branding
Um die Position einer Organisation zu Vielfalt und Diskriminierung einprägsam und
nachhaltig in der Öffentlichkeit zu platzieren, ist ein visuelles Dach erforderlich. Das
kann ein Logo sein, aber auch ein wiederkehrendes Design, das die unmissverständlichen Botschaften transportiert. Ein
treffliches Motto kann so formuliert sein,
dass im Wechsel unterschiedliche Diskriminierungsformen aussagekräftig berücksichtigt werden.
Das Branding macht alle fünf Säulen für
Vielfalt und Antidiskriminierung sichtbar
und wiedererkennbar: die Politiken,
die Sanktionen, die Bildung, Netzwerk
und Kooperation genauso wie eben die
Öffentlichkeitsarbeit.
9.2 Veröffentlichungen
Öffentlichkeitsarbeit umfasst Medienverlautbarungen genauso wie die Online-Präsenz des Mitgliedsverbands. Für die kontinuierliche Sichtbarkeit des Engagements
für Vielfalt und Antidiskriminierung ist ein
eigener Menüpunkt oder ein Menüunterpunkt im Bereich Nachhaltigkeit o. Ä. zu
Vielfalt und Antidiskriminierung auf der
Homepage oder eine wiederkehrende Kolumne in der Verbandszeitung empfehlenswert. Informationen können auch vor Ort
öffentlich verbreitet werden (z. B. auf Informationswänden, in Unterhaltungsmodulen
im Stadion etc.). Insgesamt geht es darum,
generelle Positionen der Organisation zu
Vielfalt und Antidiskriminierung dauerhaft
vorzustellen und entsprechende Aktivitäten
zusammenzuführen.

Nachrichten, Interviews, Hintergrundartikel und soziale Medien
Dazu gehören in erster Linie regelmässige
Nachrichten, vertiefende Interviews und
Hintergrundartikel zu Vielfalt und Antidiskriminierung, aber auch Berichte über
Vorfälle und ihre Bewertung durch das
Verbandsgericht. Bewährte Praxen des Verbands und der Vereine sowie weiterführendes, betont praktisch orientiertes Material
zum Download stärken die eigene Position
und sind in der Anleitung zum Handeln
gleichermassen hilfreich. Auch dieser hier
47
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
vorliegende Leitfaden der FIFA sollte von
den Mitgliedsverbänden online verknüpft
werden.
Präsenz in den sozialen Medien wird immer
wichtiger, um die eigene Position zu präsentieren und auch diskutieren zu lassen.
Insgesamt bietet Online-Kommunikation
hier vielfältige und überaus populäre Möglichkeiten. Populäre Online-Formate sollten
genutzt werden, um eigene Botschaften –
ob Stellungnahmen oder Videospots – zu
Vielfalt und Antidiskriminierung zu transportieren.

Infotainment
Eine nützliche Methode, Botschaften
erfolgreich zu platzieren, kann Infotainment sein. Information und Unterhaltung
professionell zu kombinieren, ist ein sinnvolles Mittel, um die Aufmerksamkeit von
Menschen zu gewinnen und gleichzeitig
komplexe Inhalte zu vermitteln.
Öffentlichkeitsarbeit wird unterstrichen,
wenn sie direkt im Stadion ihre Entsprechung findet. Das kann ein Stadionbanner
sein, auf dem Spieler und Einlaufkinder
gemeinsam einen Schriftzug präsentieren.
Sollte es offizielle Übertragungsorte oder
Fan-Feste geben, kann Sorge getragen werden, dass auch dort Banner oder Beschilderungen eingesetzt werden. Beschilderungen und kurze, aber prägnante Botschaften
können dabei konkrete Informationen zu
Vielfalt und Antidiskriminierung vermitteln.
Diese können auf Eintrittskarten gedruckt
sein, aber auch auf Handzetteln, Stadionmagazinen oder auf Plakaten.
Die FIFA nutzt regelmässig die Bandenwerbung bei den eigenen Turnieren, damit
der wichtige Standpunkt auch zu den
Zuschauern vor den Bildschirmen ausserhalb des Stadions gelangt.
9.3 Botschafter

Einprägsame Kurzformate
Während der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ rief die FIFA prominente Personen und genauso Fussballfans
dazu auf, online sogenannte „Selfies“ mit
dem Motto „Say No to Racism“ zu veröffentlichen. Ebenfalls möglich ist, Prominente und thematisch wichtige Personen in ein
Online-Forum des Verbands einzuladen und
öffentlich zum Thema Vielfalt und Antidiskriminierung zu befragen.
Anthony Baffoe (GHA) wehrte sich
als Spieler gegen Rassismus. Zuvor
FIFA-Botschafter gegen Rassismus,
engagiert er sich nun in der FIFAArbeitsgruppe gegen Rassismus
und Diskriminierung.
Auch Menschen können wichtige Standpunkte zu Vielfalt und gegen Diskriminierung manifestieren. Am besten eignen
sich dazu Vorbilder. Das Potenzial beliebter Fussballer, Trainer und Schiedsrichter,
aber auch der Prominenten von Politik bis
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Unterhaltungskultur bieten den fördernden Aktionen ein einprägsames Gesicht,
z. B. auf Postern oder in einer öffentlichen
Anzeigenkampagne zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie platzieren Aussagen an
prominenter Stelle und untermauern diese
mit der Erfahrung ihres eigenen Fussballlebens.
Schon die Ernennung eines oder mehrerer
Botschafter liefert dem Mitgliedsverband
ein mediales Ereignis. Botschafter sollten
gut über die inhaltliche Ausrichtung des
Verbands zu Vielfalt und Antidiskriminierung und über seine aktuellen Projekte
informiert werden, bevor sie in öffentlichen Auftritten das Thema medienwirksam
transportieren.
Der Preis für Vielfalt und Antidiskriminierung kann dabei in mehreren Kategorien
vergeben werden. Erwachsene und jugendliche Einzelpersonen, Teams, Vereine
und Organisationen können genauso wie
öffentliche oder private Initiativen, die sich
ausserhalb der Verbandswelt für Vielfalt
und Antidiskriminierung im Fussball stark
machen, berücksichtigt werden. Insbesondere positive Momente, Gesten und Initiativen der Zuschauer und Fussballfans sollen
Die öffentlichen Gelegenheiten sind vielfältig: im Umfeld und im Vorprogramm von
Fussballspielen, bei Turnieren und besonderen Veranstaltungen. Ihre Anwesenheit
und ihr Gesicht verleihen den Projekten des
Verbands und dem Vorhaben bei seinen
Partner die nötige Sichtbarkeit. Botschafter
verbinden z. B. auch bei Podiumsdiskussionen das Thema mit einem Anstrich persönlicher Erfahrung, schreiben Grussworte für
sport- und gesellschaftsrelevante Publikationen, Ausstellungen und Projekte, die
Vielfalt und Antidiskriminierung behandeln.
Der Europäische Rat
für Toleranz und
Versöhnung verleiht
Kameruns Samuel
Eto‘o im Jahre 2015 die
Medaille der Toleranz.
Sollte der Verband über eine eigene Arbeitsgruppe zu Vielfalt und Diskriminierung
verfügen oder an entsprechenden Veranstaltungen anderer teilnehmen, so ist es sinnvoll, entsprechende Botschafter auch dort
inhaltlich oder symbolisch einzubinden.
9.4 Preisverleihung
Die Einführung eines einmalig oder wiederkehrend verliehenen Preises für Vielfalt und
Antidiskriminierung ist ein weiterer Meilenstein in diesem Bereich der Verbandsarbeit.
Der Preis kann an eine bereits bestehende
Preisverleihung angedockt werden. Er
kann den gleichen Namen tragen, wie das
Verbandsmotto zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Auch der Name einer Person,
die in diesem Bereich eine wichtige Rolle
gespielt hat, kann durchaus als Namenspate für den Preis fungieren. Oder der Verleihung wird ein neues Format gegeben,
indem z. B. der Botschafter für Vielfalt und
Antidiskriminierung dem Gewinner den
entsprechenden Preis überreicht.
gewürdigt werden, um mehr von ihnen
zum Engagement für Vielfalt und Antidiskriminierung anzuregen und ihre soziale
Selbstregulierung zu fördern.
9.5 Eigene Veranstaltungen
Antidiskriminierungstage
Jährliche Antidiskriminierungstage erwachsen zu einem symbolischen Eckpfeiler von
Strategien für Vielfalt und Antidiskriminierung. Verbände und Vereine können ermutigt werden, an den gleichen Tagen jeweils
eigene oder eine einheitlich festgelegte
Botschaft zu präsentieren.
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
Seit 2002 richtet die FIFA jährlich und erfolgreich ihre Tage gegen Diskriminierung
aus. Bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft
2014™ in Brasilien sahen diese ein spezielles Protokoll vor den Viertelfinalspielen vor.
Alle beteiligten Teams zeigten das Banner
„Say No to Racism“. Die Mannschaftskapitäne verlasen folgende Botschaften: „Ich
erkläre, dass wir von ganzem Herzen jede
Art von Rassismus oder Diskriminierung
ablehnen, egal ob auf dem Spielfeld oder
ausserhalb. Mit der Kraft des Fussballs können wir dazu beitragen, Rassismus aus dem
Sport und aus dem Rest der Gesellschaft zu
tilgen.“

Tag der offenen Tür
Einen Tag der offenen Tür zu veranstalten und ihn unter das Motto Vielfalt und
Antidiskriminierung zu stellen, sichert
nicht nur ein weiteres Ereignis in der
Aussendarstellung, sondern bindet individuelle Mitglieder und Menschen aus der
Umgebung auf unterschiedlichen Niveaus
mit ein. An Informationsständen können
Verbände, Vereine und Teams, aber auch
Expertengruppen und Organisationen des
Landes ihre Vorstellungen zu Vielfalt und
Antidiskriminierung hautnah präsentieren
und diskutieren.
Entsprechende Workshops und Vorträge,
Podiumsdiskussionen, kleine Ausstellungen,
Jugendtheateraufführungen oder Buchpräsentationen, aber auch Autogrammstunden
ihrer Spieler und Trainer können beim Tag
der offenen Tür ihren Platz finden. Auch
unabhängig von einem Tag der offenen Tür
unterstreichen solche Veranstaltungen ihre
öffentliche Präsenz und fördern die Dar-
stellung der sozialen Verantwortung einer
Organisation in der Öffentlichkeit.
9.6 Beispiele aus der
Weltfussballfamilie
Gibt es einen diskriminierenden Vorfall,
steigt der gesellschaftliche Druck auf einen
Verband. Medienvertreter fragen nach konkreten Standpunkten. An dieser Stelle ist es
seriös, wenn der zuständige Verband oder
Verein zunächst erklärt, dass der genannte
Fall untersucht und die Öffentlichkeit zu
gegebener Zeit informiert wird.
Da eine solche Aussage von Medienvertretern häufig als unbefriedigend wahrgenommen wird, ist es zu unterstützen, wenn
ein Verband oder Verein bei einem Vorfall
von erheblichem öffentlichem Interesse
bekennt, dass:
• er bei Meldungen zu Diskriminierungen
wachsam ist und ihnen ernsthaft nachgeht,
• er jede Form von Diskriminierung ablehnt und sich klar dagegen positioniert.
Hier können auch positive Aktionen
und Planungen benannt werden, die
der Verband dazu bereits betreibt und
unterstützt,
• er, so ein weiteres Beispiel aus Verbänden, Mitgefühl für einen Spieler, weitere
Spieloffizielle oder einen Fan äussert,
wenn diese Situation als diskriminierend
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
empfunden wird; ungeachtet ob sich
der Vorfall verbandsgerichtlich bestätigt
oder nicht. Unabhängig vom juristischen
Weg kann ein Verband oder Verein in
solchen Situationen signalisieren, dass er
potenziell und tatsächlich von Diskriminierung Getroffenen Gespräche anbietet.
Auch sogenannte Erst- oder Opferberatungsstellen, falls vorhanden, können
vermittelt werden.
Im Kampf für Vielfalt und gegen Diskriminierung sollte ein Verband zeigen, dass er
einen möglichen Vorfall ernst nimmt und
ihn gewissenhaft bewertet. Des Weiteren
gibt es Punkte zu beachten, die sich als wenig hilfreich erweisen. Es ist höchst sinnvoll,
Aussagen zu vermeiden, die einen im Raum
stehenden Vorfall pauschal herunterspielen.
Folgende Beispiele stammen aus der Analyse der FIFA von solchen Situationen. Sie
sollen keine Sprachregelung definieren,
sondern Beispiele aus der Erfahrung liefern
und zum Nachdenken anregen:
• „Jedes Land in Kontinent X hat dieses
Problem. Wir sollten nicht immer über
Vorfälle in einem/unseren Land sprechen.“
Erklärung: Eine solche oder ähnliche
Aussage ist irrelevant und wirkt relativierend, da ein Vorfall/die Situation im
Einzugsgebiet eines Verbandes nicht
besser wird, wenn auf ein anderes Land
verwiesen.
• „Wir sollten den wenigen Leuten, die
rassistische Dinge sagen, nicht zu viel
Aufmerksamkeit schenken./Es sollte
nicht zu viel darüber berichtet werden.
Das stärkt nur ihr Selbstbewusstsein und
spielt ihnen neue Zuhörer und Anhänger
in die Hände.“
Erklärung: Wenn nicht über Diskriminierungsvorwürfe und -vorfälle berichtet
wird, kann kein Bewusstsein dafür wachsen. Die o. g. Aussage zeugt ebenso von
wenig Selbstvertrauen in die Mehrheit
der eigenen Mitglieder und die Einwohner des eigenen Landes.
Bei einem FIFA-Workshop vor der FIFA
Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien
2014™ zur Audiodeskription, die
speziell für Blinde und Menschen mit
Sehbehinderung entworfen wurde,
präsentiert der frühere FIFA-Schiedsrichter
Arnaldo Cezar Coelho ein T-Shirt mit
seinem Namen in Blindenschrift.
Seit Jahren bindet die UEFA ihre
Mitgliedsverbände in ihre Kampagne
„Vereinigt gegen Rassismus“ ein. Hier
vor dem Qualifikationsspiel Wales –
Bosnien und Herzegowina für die EURO
2016 in Frankreich.
51
52
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
In einigen Ligen
existieren Kampagnen,
bei denen
regenbogenfarbene
Schnürsenkel als Zeichen
der Akzeptanz von
Homosexualität getragen
werden.
• „Bei uns gibt es viele Spieler verschiedener Länder und Kontinente. Es gibt also
kein wirkliches Problem.“
Erklärung: Die Tatsache, dass Menschen
verschiedener Länder und Kontinente
im eigenen Umfeld tätig sind, schützt
nicht unbedingt vor diskriminierenden
Aussagen. Obige Aussage kann auf das
Team und den Umgang im Verein oder
Verband zutreffen. Für jeden Zuschauer
sollte jedoch niemand die Hand ins Feuer
legen.
• „Ein guter Freund ist homosexuell. Was
ich gesagt habe, kann also gar nicht
homophob sein.“ Oder: „Ich habe jahrelang mit Personen aus anderen Ländern
und Kontinenten zusammengearbeitet.
Was ich gesagt habe, kann also gar nicht
rassistisch sein.“
Erklärung: Die Tatsache, dass man persönliche Freunde oder Arbeitskollegen
aus diversen Ländern hat oder solche, die
Ausländer oder homosexuell sind, schützt
nicht vor rassistischen oder homophoben
Aussagen. Ebenso darf von einer einzelnen homophoben oder rassistischen Aussage nicht unbedingt auf einen grundlegend homophoben oder rassistischen
Menschen geschlossen werden.
• „Fussball ist per se ein Musterbeispiel
sozialer Inklusion und Integration.“
Erklärung: Das ist grundsätzlich richtig. Dabei darf jedoch nicht vergessen
werden, dass ein Fussballspiel zwei Teams
braucht, was andere Personen zumindest
in bestimmten Situationen dazu animie-
ren kann, ein „Wir“ und „die Anderen“
aggressiv aufzuladen. Auch innerhalb eines Teams können sich Cliquen und Vorurteile bilden. Damit Fussball seine sozial
inklusive bzw. integrative Wirkung voll
entfalten kann, müssen diverse Grundlagen des sozialen Umgangs miteinander
erfüllt sein. Dazu gehört nicht nur ein
Miteinanderspielen, sondern auch ein
respektvolles Aufeinander-Zugehen im
Sozialen.
• „Nicht der Fussball, sondern die Gesellschaft ist hier in die Pflicht zu nehmen.“
Erklärung: Fussball ist ein Teil der
Gesellschaft. Deshalb muss Fussball wie
alle gesellschaftliche Instanzen soziale
Verantwortung zeigen.
Sicher äussern sich im Fussball Dinge,
die Menschen in ihrem bisherigen Leben
eingeübt haben. Und für viele ist Fussball
seit früher Kindheit ein prägender Teil
ihrer Gesellschaft. Beim Fussball geht es
um mehr als um Tore, Sieg oder Niederlage. Er ist auch ein Phänomen, das soziales
Leben prägt, wobei die Erfahrungen der
Menschen ausgetauscht und weitergegeben werden. Nicht alle Menschen haben
aber ausschliesslich positive und vorbildliche Erfahrungen gemacht. Dennoch ist
es offensichtlich, dass der Fussball positive
Erfahrungen produzieren kann. Und als
globale Massensportart hat er auch die
soziale Verantwortung, dieses ungeheure
Potenzial mit kreativen und effektiven
Ideen weiterzuentwickeln.
54
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
10 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung
Fussball kann durch die Verknüpfung mit
Bildungsarbeit seine integrativen Vorteile
nutzbar machen. Um in die Zukunft von
Vielfalt und Antidiskriminierung im Weltfussball zu investieren, stellt insbesondere
Bildung die wichtigste, aber auch eine sehr
anspruchsvolle Säule innerhalb einer Strategie von Verbänden dar.
Die Säule Bildung sollte im Fussball ein
Repertoire bereithalten, das die Fuss-
ballspieler, die Trainer und weitere Spieloffizielle auch als sozial verantwortungsbewusste Menschen wirken lässt. Auf
unterschiedliche Weise kann ihnen vermittelt werden, Vielfalt und Antidiskriminierung als unumstössliche Werte vorzuleben.
Bildung im, um und durch den Fussball
kann grundlegende Kenntnisse vermitteln,
um der Diskriminierung vorzubeugen und
sich bei Diskriminierungsvorfällen im eigenen Umfeld vorbildlich zu verhalten.
Englands Wayne Rooney engagiert
sich während der FIFA-FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™ für
die Selfie-Kampagne #SayNoToRacism.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung
Ausbildung
Fortbildung
Projekte und
Kampagnen
Dokumentation
Bildung im Fussballkontext kennzeichnet
sich besonders dadurch aus, dass sie auf die
Bedürfnisse von Menschen vor Ort eingeht.
Deshalb kann sie regional unterschiedliche
Programme und Projekte hervorbringen.
Sie scheitert, wenn sie versucht, die Lösungswege anderer Mitgliedsverbände
ungeprüft auf den eigenen Verband zu
übertragen.
10.1 Ausbildung
Bildung im Fussball versucht, die Menschen
dort abzuholen, wo sie sich in ihrem Leben
sozial befinden. Dabei ist ein (sozial-)pädagogisches und lehrmethodisches Wissen
unerlässlich.
Über Fairplay auf dem Platz hinaus eröffnen der Fussball, seine Umgebungen und
Denkwelten eine Lebensschule für soziales Lernen, auch im Hinblick auf Vielfalt
und Antidiskriminierung. Über Vorbilder
Fussball und sein Regelwerk bauen auf
Teamwork auf. Dieser Rahmen bietet viel
Spielraum für Fairplay und ein gemeinsames Miteinander. Ist an dieser Stelle von
Ausbildung die Rede, bieten sich Mitgliedsverbänden und Vereinen unzählige Andockstellen.
Uruguays Kapitän Diego Lugano und
Deutschlands Philipp Lahm verlesen
bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft
Südafrika 2010™ Botschaften gegen
Rassismus und Diskriminierung.
Evaluation
55
56
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
können diverse Akteure – von den Trainern
und Spielern bis hin zu den Fans – positive
Verhaltensweisen für ihren Alltag übernehmen.
Auch das Auftreten eines Fussballweltstars
genauso wie das von lokalen Akteuren des
Fussballplatzes will wohl überlegt sein,
stehen ihre Worte und Taten doch häufig
im Mittelpunkt des Interesses von Jugendlichen.
Verbände und Vereine sollten überprüfen,
inwiefern sie über die sportliche Ausbildung hinaus die Elemente einer sozialen
Ausbildung ihrer Fussballspieler aufwerten
können. Sie und andere Mitarbeiter von
Verbänden und Vereinen sollten zu Vorbildern ausgebildet werden, wenn es um
Vielfalt und Antidiskriminierung geht.
Dabei geht es jedoch nicht nur um die Ausbildung von Jugendlichen. Auch dreht es
sich nicht um den befehlenden Zeigefinger.
Vielmehr hilft ein ständiges, gegenseitiges
Lernen voneinander. Verbände können
Räume schaffen, in denen dies bewusst
gefördert wird. Dort trägt der gegenseitige
Austausch von Spieloffiziellen, Vereinsvertretern und Trainern zu einem harmonischen Miteinander bei.
Spezielle Trainingseinheiten sollten Elemente von sozialer Inklusion und Antidiskriminierung beinhalten. Dabei kann externe
Unterstützung von sozial und pädagogisch
speziell geschulten Fachkräften, Studierenden des Sports oder der Geisteswissenschaften zur Förderung der Qualität beitragen.
Eingebunden werden sollten ebensolche
Verbands- oder Vereinsmitglieder und weitere Ehrenämtler.
Hierbei ist es unerlässlich, als Verband und
Verein klare Aussagen zu Vielfalt und Antidiskriminierung parat zu halten. Genauso
relevant ist es, die Alltagswelt der Auszubildenden zu verstehen. Bildung heisst,
Anspielstationen zu bieten, nicht nur unter
dem eigenen Dach. Es ist auch wichtig, auf
die eigenen Mitglieder zuzugehen und
sie in ihrem direkten Umfeld zu unterstützen. Dann kann ihr Gefühl für Vielfalt und
Antidiskriminierung Schritt für Schritt und
somit nachhaltig entwickelt werden.
Die Verantwortlichen und Spieler sollten
in einem Verbandsumfeld so agieren, dass
das Engagement für Vielfalt und Diskrimi-
nierung erleichtert wird. Insbesondere die
agierenden Personen – von Verbands- und
Spieloffiziellen bis zu Vereinsvertretern und
Trainern – sind also im Sportlichen genauso
wie in der Vermittlung von Vielfalt und
Antidiskriminierung als Vorbilder gefragt.
10.2 Fortbildung
Der Verband, seine Mitgliedsvereine und
Teams machen sich durch Bildungsangebote noch attraktiver. Alle sind willkommen
– zu einem solchen Bild steuern direkte
Fortbildungen zu Vielfalt und Antidiskriminierung aktiv etwas bei. Aber auch allgemeine Bildungsangebote können Alternativen zu Engstirnigkeit und Diskriminierung
eröffnen. Das kann ein Seminar zur Verbandshistorie, ein Erste-Hilfe-Kurs oder ein
Erfahrungsaustausch zur Stressbewältigung
sein. Fortbildungen finden mehr Anklang,
wenn die notwendigen Bedürfnisse der Aktiven vorher erfragt werden. Dann können
sie genau auf die handelnden Personen
eingehen und sich einprägen.
Um Vorbilder für Vielfalt und Antidiskriminierung hervorzubringen, sollte die soziale
Kompetenz und das Wissen der agierenden
Mitarbeiter der Verbände dazu bewusst
gepflegt werden. Dies kann z. B. durch die
Bereitstellung eines praxisnahen, alltagsnützlichen Portfolios oder durch entsprechende Mitarbeiterschulungen geschehen,
zu denen auch externe Kursleiter berufen
werden können. Werden Fortbildungsformate innerhalb des Mitgliedsverbands
bzw. für die Mitarbeiter zu einem festen
Bestandteil der Arbeit, so sichert dies mittelfristig ein respektvolles, authentisches
Erscheinungsbild des Verbands. Dies betrifft
die gegenseitige Umgangsweise innerhalb
der Verbandsstrukturen genauso wie die
vorteilhafte Haltung des Verbands im Austausch mit externen Partnern oder Medien.
Fortbildung ist nicht nur verbands- und
betriebsintern angeraten. Die FIFA bietet ihren Spielkommissaren als Teil ihrer
Vorbereitung z. B. weltweit einen Informationsblock zu Vielfalt und Antidiskriminierung an. Auch weitere Spieloffizielle,
insbesondere die Schiedsrichterteams
sollten geschult werden. Fortbildungsformate für sie können sich auf das Trainieren
von Fingerspitzengefühl beziehen, wenn
es um korrekte und eindeutige Reaktionen
auf Diskriminierungen auf dem Spielfeld
57
Lautstarke Botschaften gegen Rassismus
von Juan Sorin (ARG) und Zinedine
Zidane (FRA) bei der FIFA FussballWeltmeisterschaft Deutschland 2006™.
geht. Zu einem Schulungsformat gebündelte Erfahrungen von Schiedsrichtern mit
Provokationen und deutlich diskriminierenden Aussagen steigern die Optionen
für eine präventive Unterbindung. Grundlegend sollte Schiedsrichterteams nicht
nur regelmässig auffrischend vermittelt
werden, wie sie Diskriminierung erkennen,
sondern auch, welche Möglichkeiten der
Warnung und Ahndung ihnen zur Verfügung stehen. Dazu kann eine Broschüre
oder eine Online-Plattform entstehen, auf
der eigene Erfahrungen und Vorschläge
zu Reaktionsweisen, aber auch landespezifische Symbole und Codes von Diskriminierung aktualisiert werden. Ähnliches gilt
ebenso für die Fortbildung des Sicherheitspersonals sowie des Ordnungsdienstes.
Zusätzlich ist es hier ausschlaggebend, neben den eigenen Möglichkeiten und ihren
rechtlichen Grenzen auch die Formen der
gegenseitigen Zusammenarbeit und Ablaufpläne für Ernstfälle deutlich zu machen.
Sicherheitsmitarbeiter und Ordner sollten
genau wissen, wen sie wann konsultieren.
Ein erfolgreicher Ordnungsdienst fördert
die Zuschauerfreundlichkeit und soziale Inklusion, wenn er jeden Menschen auch von
seiner Ausstrahlung her willkommen heisst
und im Falle von Diskriminierungen oder
Diskriminierungsvorwürfen angemessen
und besonnen agiert.
Im Bereich des Sicherheitspersonals ist es
besonders für Sicherheitsbeauftragte und
weitere verbands- oder vereinsinterne Spielbeobachter von Bedeutung, Diskriminierungen in Form von Schrift, Bild und Gesängen
zu erkennen und Zuschauerdynamiken zu
begreifen. Dort wo vorhanden, gilt dies
insbesondere für das Sicherheitspersonal in
der Videoüberwachung. In Fortbildungen
sollten Sicherheitsbeauftragte das nötige
Feingefühl trainieren und lernen, wie einzuschreiten ist, wenn Vielfalt eingeschränkt
und Diskriminierung verübt wird. Je nach
Land kann auch die zuständige Polizei in
einen gegenseitig fortbildenden Austausch
eingebunden werden.
10.3 Projekte und Kampagnen
Die Auswahl an Bildungsprojekten und
diesbezüglichen Kampagnen ist im weltweiten Fussball gross. Ihre Herangehensweisen sollten im Fussball auf die jeweilige
Zielgruppe ausgerichtet sein: Genauso
wie es diverse Angebote für Kinder und
Jugendliche verschiedener Altersklassen
anzupassen gilt, lassen sich auch Wege für
die Erwachsenenbildung festlegen. Über
den Tellerrand schauen: Der Fussballbetrieb
kann die eigenen Projekterfahrungen immer auch mit den gängigen und aktuellen
58
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
Methoden der allgemeinen Bildungsarbeit
vergleichen und somit überprüfen. Angebote steigern ihre Wirksamkeit, wenn auch
die sozialen Milieus der Zielgruppen und
die entsprechenden regionalen Umstände
erwogen werden.
Projekte und Fortbildung sind eng miteinander verknüpft: in Workshops, Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Seminaren,
internationalem Jugendaustausch, aber
auch in Videoprojekten und Ausstellungen. Kooperationen mit anderen Angeboten in der jeweiligen Region eines
Verbands sind allemal vielversprechend.
Information, Aufklärung und Sensibilisierung für Vielfalt und Antidiskriminierung
im Fussball meinen einen fortlaufenden
Prozess.
Ein Verband kann seinen Mitgliedern auch
Informationsmaterial zur Förderung von
Bildung im Hinblick auf Vielfalt und Antidiskriminierung bereitstellen. Während der
hier vorliegende FIFA Good Practice Guide
für Vielfalt und Antidiskriminierung einen
Möglichkeitsrahmen offeriert, kann z. B. ein
eigener regionalbezogener Good Practice
Guide entstehen, der je nach Gesetzeslage
des jeweiligen Landes vertiefender und
noch praktischer die passenden Strategien
und Beispiele zusammenfasst.
Kombiniert ein Verband diverse der hier
genannten Möglichkeiten, entsteht eine
wiedererkennbare Kampagne, der ein
Verband einen bestimmten Turnus geben
kann. Kampagnen wirken authentischer
und damit erfolgreicher, wenn es gelingt,
die eigenen Fussballfans partizipatorisch
einzubauen.
10.4
Dokumentation
Die Dokumentation diskriminierender Vorfälle, vor allem aber von positiven Beispielen von Vielfalt und Antidiskriminierung
im Fussball in Schrift und Bild sind für die
ständige Entwicklung der Bildung als Säule
des eigenen Verbands wichtig. So schafft
ein Verband die Grundlage zur Verbreitung
guter Praxisbeispiele zu Vielfalt und Antidiskriminierung, zum Austausch und zum
gegenseitigen Lernen seiner Mitglieder
und der weiteren Akteure. Des Weiteren
unterstützen Dokumentationen in diesem
Bereich die Evaluation.
Vor dem Halbfinale der FIFA FrauenWeltmeisterschaft Deutschland 2011™:
Worte gegen Diskriminierung von Japans
Saki Kumagai und Schwedens Charlotte
Rohlin.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Vor dem Halbfinale des FIFA
Konföderationen-Pokals
Brasilien 2013: Worte gegen
Diskriminierung von Spaniens
Iker Casillas und Italiens
Gianluigi Buffon.
10.5 Evaluation
Eine regelmässige Evaluation ist für alle
fünf Säulen des Verbandskonzepts und der
daraus hervorgehenden Initiativen für Vielfalt und Antidiskriminierung von Bedeutung. Dennoch soll diese gerade im Bereich
Bildung wegen seiner zahlreichen und sehr
unterschiedlichen Ansätze in den Regionen
betont werden. Ein jährlicher Zwischenbericht z. B. ist hilfreich, um erfolgreiche
Faktoren einer Bildungsarbeit messbarer
gegen weniger erfolgreiche abzugrenzen.
Ferner kann so deutlich werden, welche
Projekte einerseits eher anlassbezogen einzusetzen sind und welche andererseits als
fortwährende Elemente für das Verbandsprofil sinnvoll sein können. Pädagogische
Richtungen und Methoden werden überprüft. So wird der Gefahr vorgebeugt, eine
Monokultur in Methodik und Praxis entstehen zu lassen. Eine gelungene Kombination
von Ansätzen unterschiedlicher Methodik
und Praxis ist der Garant dafür, die Ausrichtung von Initiativen eines Mitgliedsverbands nicht ins Leere laufen zu lassen. Die
Evaluation sichert dabei zusätzlich, dass
stets die korrekte Terminologie im Kontext
Vielfalt und Antidiskriminierung verwendet
wird.
10.6 Beispiele aus der
Weltfussballfamilie
Am effektivsten kann Bildung im Bereich
Vielfalt und Antidiskriminierung gefördert werden, wenn die lokal vorhandenen
Methoden als Grundlage genommen werden. Diese kann dann mit internationalen
Herangehensweise aufgefrischt werden.
Ein positives Beispiel im Fussballkontext,
die konkrete Übungen anbietet, ist das
CONCACAF-Handbuch für Vielfalt von 2014.
59
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball

Die Selbstverpflichtungserklärung
Ein einfaches, aber durchaus wirksames
Projekt kann die Einführung von selbst
vereinbarten Verpflichtungen der Spieler
und Trainer sein. Dazu wird lediglich ein
einfacher Zettel, eine Tafel o. Ä. benötigt.
Darauf kann vor einem Spieltag festgehalten werden, was sich alle Akteure für
ihr nächstes Spiel vornehmen und was sie
vermeiden wollen. Diese Verpflichtungen
können über eine Diskussion zwischen Trainer und Mannschaft, aber auch moderiert
von aussen aufgestellt werden. Vor einzelnen Spielen kann daran erinnert werden.
Selbstverpflichtungserklärungen können
vor Spielen entscheidend sein, die historisch
oder durch aktuelle Konflikte aufgeladen
sind. Einerseits beruhigen und fokussieren sie die Spieler auf das Sportliche und
seine Fairness, andererseits hat ein solches
Auftreten positive Effekte im Hinblick auf
die Zuschauer. Es ist nicht zwingend erforderlich, aber durchaus hilfreich, wenn auch
hier eine externe Person von aussen als
Moderator hinzugezogen wird, die keiner-
lei Interessen bezüglich eines beteiligten
Teams oder Konflikts hat.

Aktivierung von Spielern und
Trainern
In den Verträgen mit Spielern und Trainern könnte ein Passus verankert werden,
der monatlich den Aufwand von einer
gewissen Anzahl von Arbeitsstunden für
den Projekteinsatz in Sachen Vielfalt und
Antidiskriminierung vorsieht. Sind sie über
die Inhalte von Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball informiert, können sie
Patenschaften für örtliche Schulen oder
Bildungsprojekte übernehmen. Mit ihrem
Gesicht, ihrem Potenzial als Vorbild, ihrem
Wissen und ihren Erfahrungen, nicht nur zu
Vielfalt und Antidiskriminierung, können
sie sich dann direkt bei den Menschen in
der Region sozial engagieren.

Aktivierung von Zuschauern
Zuschauer können angefragt und beteiligt
werden, indem sie eine gemeinsame Aktion
im Stadion initiieren. Fans können z. B. in
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
einer Arbeitsgruppe ermuntert werden,
selbst Aktionen zu zeigen, die Vielfalt und
Antidiskriminierung im Stadion sowie um
sie herum fördern.

Nutzung von sportlichen
Ereignissen
Workshops, Podiumsdiskussionen etc.
können auch im Rahmen eines Fussballbzw. Fanturniers stattfinden. Dort können
Spieler zwischen den Spielen zusammenfinden, um gemeinsam zu Vielfalt und
Antidiskriminierung Erfahrungen auszutauschen und sich weiterzubilden. Fussballturniere können unter ein bestimmtes
Motto für Vielfalt und Diskriminierung
gestellt werden. Zusätzlich zum offiziellen
Punktesystem kann eine Fairnesswertung
erarbeitet werden, die zu positivem Verhalten anregt. Teil eines fairen Verhaltens
zur Berücksichtigung in einer solchen Fairnesswertung kann z. B. die Anwendung
der FIFA-Initiative „Handschlag für den
Frieden“ sein.

Sensibilisierung von Jugendlichen
und Fussballfans
An dieser Stelle eine ausführliche Liste von
bildungsorientierten Projekten zu nennen,
die Informationen und Aufklärung bieten,
würde den Rahmen dieses Good Practice
Guide sprengen. Die Bandbreite solcher
Projekte erstreckt sich von Aufklärungskampagnen gegen Rassismus und Diskriminierung bis hin zu pädagogisch vorbereiteten Schulbesuchen von Spielern, Trainern,
Schiedsrichtern und anderen Offiziellen.
Spieler diskutieren mit Jugendlichen z. B.
über ihre Erfahrungen mit Rassismus und
andere Formen von Diskriminierung. In Einzelfällen werden Spieler von Fachkräften
dazu vorbereitet und selbst geschult. Dazu
gehören z. B. auch antidiskriminierende
Ratgeber, in denen Vorurteile und Mythen
um Migrierte und ihre Nachkommen oder
um Menschen bestimmter Religionszugehörigkeit entlarvt werden.
Darüber hinaus werden Schulungsmaterialien für das Lehrpersonal an Schulen oder
für Sozialarbeiter in lokalen Projekten
entwickelt. Diese greifen geschickt das
Interesse am Fussball, an seiner Geschichte
und seinen Fankulturen auf, um Jugendliche und Fans zielgruppengerecht anzusprechen.
Zu empfehlen ist in Bezug auf die o. g.
Punkte z. B. ein Besuch auf der Homepage
der europaweiten Initiative Show Racism
the Red Card (SRTRC).

Initiierung von Projekttagen
Mit Schulen, der regionalen Regierung,
Universitäten, Firmen und anerkannten
Bildungseinrichtungen können soziale oder
pädagogische Projekttage initiiert werden,
die Fussball, Vielfalt und Antidiskriminierung zum Thema haben. Sie können beim
Verband, bei den Vereinen oder auch
in den beteiligten Einrichtungen selbst
veranstaltet werden. Es kann Lehr- und
Unterrichtsmaterial erarbeitet werden, das
Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball
einarbeitet. Auch Fussballspieler, Trainer
und Schiedsrichter können in Schulklassen
von ihren Erfahrungen berichten.

Drehpunkteinrichtung
Zur Koordination der o. g. Beispiele haben
zahlreiche Verbände und Vereine ständige
Treffpunkte für Fans eingerichtet. Diese
Räume können von Fans selbst verwaltet
werden. In anderen Fällen erwartet sie dort
ein Fanbeauftragter oder eine pädagogische
Fachkraft zur Unterstützung. Diese Einrichtungen können auch klassische Sozialarbeit
anbieten, die Fans in ihren sozialen Lebensund Konfliktlagen stabilisieren. Dies kann
erheblich dazu beitragen, dass Fussballfans
Aggressionen und Diskriminierung in Produktivität umleiten.
61
64
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
11 Vielfalt und Antidiskriminierung durch
Netzwerkarbeit und Kooperation
Netzwerkarbeit und Kooperation bilden an
dieser Stelle eine eigene Strategiesäule. Die
FIFA erachtet es als grundlegend, zur Sicherung von Vielfalt und Antidiskriminierung
Erfahrungen, Kräfte und Zeit, aber auch
Finanzen zusammen mit fachkompetenten
Partnern zu bündeln. Netzwerke begründen Denkfabriken und Ideenwerkstätten.
Sie sind notwendig, weil die Felder Vielfalt
und Antidiskriminierung auch dem Fussball
ständig neue Herausforderungen bereiten.
Die Grundinhalte von Vielfalt und Antidiskriminierung verpflichten zu einem Aufeinanderzugehen und zu einem ständigen
Voneinanderlernen. In Netzwerken und
Kooperation kann dies produktive Synergien und Wechselwirkungen erzeugen.
Netzwerkarbeit und Kooperation eröffnen
einen Querschnittsbereich. In ihm finden
sich die Säulen Politik, Sanktion, Kommunikation und Bildung gleichermassen miteinander verquickt wieder. Netzwerk und
Kooperation bieten sich insbesondere in
Verknüpfung mit dem Bereich Bildung an.
Insgesamt geht es um die Einbindung von
Menschen nicht nur als aktive Sportler und
Sportorganisatoren, sondern auch mit ihren
sozialen Bedürfnissen.
Der Einsatz für Vielfalt und Antidiskriminierung ist nicht politisch. Er folgt dem menschenrechtlichen Prinzip, dass jeder Mensch
je nach Interesse und Begabung Fussball
spielen und erleben können sollte. Um Viel-
falt und Antidiskriminierung pädagogisch
und sozialwissenschaftlich fachkompetent
aufzustellen, finden sich zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Partner. Sie initiieren
Projekte, die die integrierenden Kräfte des
Fussballs nutzen. Das tun sie auch gemeinsam mit den Verbänden und Vereinen.
Einerseits werden Zielgruppen so in grösserem Ausmass erreicht, andererseits auch mit
zusätzlich kompetenter Unterstützung.
Netzwerke werden zu Multiplikatoren von
Wissen und Ideen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit eines Verbands oder Vereins
wird von Netzwerkarbeit und Kooperation
profitieren. So wird die Glaubwürdigkeit
eine Verbands oder Vereins untermauert.
Angehörige von Minderheiten fühlen sich
besser mitgenommen.
Netzwerke liefern nicht nur Chancen,
gemeinsam bessere Ergebnisse zu erreichen. Sie schaffen Mechanismen, um in
Notfällen adäquat und schnell agieren zu
können. Deswegen kann es zielführend
sein, Netzwerktreffen einzuführen. Sie
schaffen Raum für einen lokalen, aber auch
landesweiten Austausch über zukünftige
Vorschläge und Entwicklungen im Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung. Ein
Austausch über aktuelle Einschätzungen,
z. B. über Rassismus oder Homophobie im
Fussball und in seinen Fanszenen, kann für
die Sicherheitsabteilungen der Verbände
und Vereine wichtig sein. Auch ein inter-
Vielfalt und Antidiskriminierung durch Netzwerkarbeit und Kooperation
Eigene
Arbeitsgruppe
Weitere Arbeitsgruppen und
Projektkooperation
Konferenzen und
Publikationen
Beteiligung
von Fans
Internationaler
Austausch
65
2014: die FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und
Diskriminierung in Aktion.
nationaler Austausch über Problemstellungen und Erfahrungen mit Lösungswegen
erweitert den eigenen Horizont und schafft
Partnerschaften.
Die Arbeit der FIFA für Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball lebt durch die
Kooperation mit den Mitgliedsverbänden.
Die FIFA ist auf Netzwerke und Hinweise
ihrer Mitgliedsverbände angewiesen. Auch
Hinweise von Experten, die Fussball mit
Vielfalt und Antidiskriminierung professionell verbinden, sind punktuell hilfreich.
Ohne Kooperation hätte auch das hier vorliegende Handbuch nicht erstellt werden
können.
Jason Roberts, ehemaliger
grenadischer Nationalspieler,
ist Mitbegründer des
Sports People’s Think Tank
und war 2014 Berater
der FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und
Diskriminierung.
11.1 Eigene Arbeitsgruppe

Hausinterne Arbeitsgruppen
Im besten Fall binden Vielfalt und Antidiskriminierung hausintern alle operativen
Bereiche eines Mitgliedsverbands ein. Unterschiedliche fachliche Vorgaben können
gelegentlich unterschiedliche Perspektiven
und Lösungen hervorbringen, obwohl es
allen dabei auf die Förderung von Vielfalt
und Antidiskriminierung ankommt. Deswegen ist insbesondere eine strategische
Abstimmung zwischen den Abteilungen
nötig, die für das Disziplinarreglement, die
Sicherheit, die sportliche Ausbildung, die
Organisation der Wettbewerbe und Veranstaltungen sowie für die soziale Verantwortung bzw. die Nachhaltigkeit zuständig
sind. Den Mitgliedsverbänden sei geraten,
abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen
zu Vielfalt und Antidiskriminierung zu
initiieren, in der gegenwärtige Ereignisse
besprochen und Handlungen aufeinander
abgestimmt werden.
Da Vielfalt und Antidiskriminierung Teil des
sozialen Lebens ist, macht es Sinn, Mitarbeiter und Ehrenämtler unabhängig von ihrer
Position im Verband zur Mitwirkung einzuladen. Möglicherweise gibt es Mitarbeiter
und Ehrenämtler, die sich privat mit dem
Bereich auskennen oder gar selbst schon
66
Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
von Diskriminierung betroffen waren. So
kann ein Verband das gesamte Wissen in
seiner Organisation in gleichberechtigter
Weise nutzbar machen.
Es ist empfehlenswert, dass sich solche
Arbeitsgruppen regelmässig treffen. Das
macht von plötzlichen, öffentlich diskutierten Ereignissen unabhängig. Es unterstützt
die konzeptionelle Herangehensweise eines
Verbands an die Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung. Regelmässigkeit lässt
selbstbewusster und zielgenauer agieren,
als unter Druck stehend zu reagieren. Da
das Themenspektrum und die persönlichen
wie beruflichen Zugänge zu Vielfalt und
Antidiskriminierung individuell unterschiedlich sein können, sollte den Arbeitsgruppen die nötige Zeit gewährt werden,
um eine gemeinsame Arbeitsebene und
folglich Ziele zu entwickeln. Die Qualität einer solchen Arbeitsgruppe lässt sich je nach
den Tagungsthemen durch die Einladung
von Gastexperten aufwerten.

Organisationsübergreifende
Arbeitsgruppen
Interdisziplinäre Experten, die Fussball mit
Vielfalt und Antidiskriminierung verbinden,
können auch in eine ständige Arbeitsgruppe eingeladen werden. Sie berät den Verband. Einer solchen Arbeitsgruppe können
also nicht nur die relevanten Abteilungen
eines Verbands angehören, sondern auch
die jeweilige Konföderation, Fussballvereine, staatliche und nichtstaatliche Instanzen
(z. B. aus Wissenschaft und Polizei), Fanorganisationen und zum Thema profilierte
Journalisten.
Fussballspiel für Blinde und
Menschen mit Sehbehinderung
während des FIFA-Footbal-forHope-Festivals 2014 in Caju.
Ein Beispiel dafür ist die FIFA-Arbeitsgruppe
gegen Rassismus und Diskriminierung, die
seit 2012 jährlich tagt. Ihre Arbeit ist für die
FIFA richtungsweisend, damit Richtlinien
und Resolutionen in der Praxis umgesetzt
und bevorstehende Turniere hinsichtlich
Vielfalt und Antidiskriminierung analysiert
werden können.
Solche Arbeitsgruppen können Ratschläge
zur Überarbeitung von Verbandsrichtlinien
und Entwürfe für ein Leitbild zu Vielfalt
und Antidiskriminierung erstellen. Ein
Expertenbeirat kann die Sanktionspraxen
eines Verbands begleiten. Eine gemischte
Arbeitsgruppe kann Ratschläge für mehr
Vielfalt und Antidiskriminierung in der
Medienberichterstattung entwickeln.
Verbände sollten solche interdisziplinären
Arbeitsgruppen nutzen, um die in diesem
Handbuch genannten Säulen der Vielfalt
und Antidiskriminierung im Fussball und
ihre daraus entstehenden Aktionspläne
stets zu erneuern.
In jedem Fall sollte ein Verband von vornherein die Möglichkeiten, aber auch die
Grenzen der Kompetenzen einer solchen
Arbeitsgruppe aufzeigen, um sie mit den
Erwartungen der Teilnehmenden abzugleichen.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
11.2 Weitere Arbeitsgruppen
und Projektkooperation
Vor der FIFA FussballWeltmeisterschaft 2006™
diskutieren FIFA-Präsident
Blatter und FIFAExekutivkomiteemitglied
Franz Beckenbauer über
Rassismusprävention.
Die Teilnahme an Arbeitsgruppen platziert
den Verband als kompetenten sozialen
Mitspieler in der Region. Mitgliedsverbände sollten bei Einladungen von staatlichen
und nichtstaatlichen Organisationen zu
Arbeitsgruppen und Gremien prüfen, ob
diese das eigene Konzept zu Vielfalt und
Antidiskriminierung voranbringen können.
Zunächst müssen in Arbeitsgruppen offene
Fragen gestellt werden, um daraufhin Ziele
formulieren zu können. Mitgliedsverbände
sollten positiver wie negativer Kritik stets
aufgeschlossen gegenüberstehen und sie
als konstruktive Bereicherung begreifen.
Es gibt Arbeitsgruppen, die nicht immer
sofort, sondern eher perspektivisch bereichernd sein können. Manche dienen zu
inhaltlichen Vergleichen und zur Entwicklung von Projekten, andere sind ein Pool
möglicher neuer Partnerorganisationen.
Symbolisch kann Arbeitsgruppen anderer
Organisationen zu Tagungszwecken auch
ein Raum in der Zuständigkeit des Verbands angeboten werden.
Aus erfolgreichen Arbeitsgruppen unterschiedlicher Teilnehmender gehen Projektkooperationen hervor, die einige Arbeitsgruppenmitglieder für bestimmte Zeit zur
Zusammenarbeit verpflichten. Projektkooperationen können auf der Säule Kommunikation angeschoben werden, um z. B.
Handreichungen für eine Medienberichterstattung zu erarbeiten, die Vielfalt und
Antidiskriminierung im Fussball gerecht
werden kann.
11.3 Konferenzen und
Publikation
Konferenzen sind eine weitere Möglichkeit,
um Netzwerke zu einem bestimmten Thema anzuhören und zu aktivieren. Auf allen
Ebenen des Fussballs können Mitglieder
in grösserer Zahl angesprochen werden.
Experten kommen nicht nur als Redner,
sondern auch als Teilnehmende zu weiterentwickelnden Diskussionen.
Konferenzen können themenbezogen und
einmalig stattfinden, es kann aber auch ein
wiederkehrender Turnus für eine Konferenz mit unterschiedlichen Schwerpunkten
im Kontext Vielfalt und Antidiskriminie-
Viele Fussballverbände organisieren Veranstaltungen
gegen Rassismus. Hier ein Event des italienischen
Fussballverbands in Turin (2015).
rung eingeführt werden. Konferenzen
müssen nicht zentral, sondern können auch
in einzelnen Landesregionen durchgeführt
werden. Verbände können Fussballvereine
und landesregionale Strukturen dazu aufrufen, eigene Tagungen zu organisieren.
Dies bietet nicht nur finanzielle Einsparungen, sondern mitunter auch die Möglichkeit, örtlichen Fragestellungen detaillierter
zu begegnen. Tagungen können als landesregionale Anhörungen organisiert werden,
in denen Vereine, ihre Ehrenämtler und
auch Fans Lob, Kritik und konstruktive
Ideen äussern können. So kann ein Verband
seine Ausrichtung entlang der Meinungsbilder und Bedürfnisse seiner Mitglieder
thematisch zentriert einfangen.
Am Ende von Konferenzen können Publikationen stehen, die Diskussions- und Ergebnisstände festhalten, aber auch praktische
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
Beispiele und Lösungsansätze, die vergleichend und weiterentwickelnd konkrete
Hilfestellungen bieten.
11.4 Beteiligung von
Zuschauern
Zuschauer werden häufig auf ihr Risikopotenzial reduziert. Dabei können sie auch
Risikopartner werden. Eingeladen zu einer
Umfrage zur Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung kann der Verband
Vorschläge und Erwartungen hinsichtlich
seines Engagements bei ihnen erfragen.
So kann sich dieser direkt bei seinen Fans
rückversichern, Innovationen mehren und
Kooperationen bei Kampagnen vorbereiten.
Der Verband kann Zuschauer ein diesbezügliches Forum bieten, indem er Treffen
oder einen Fankongress initiiert oder
fördert. Fanvertreter können als permanente Mitglieder oder situative Experten in
Arbeitsgruppen mitwirken, die Vielfalt und
Antidiskriminierung behandeln. So können
Konfliktschlichtungen direkt erfolgen.
Engagement gegen
Diskriminierung und
Selbstregulierung sind
wichtige Elemente von
Fussball-Fankulturen.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Werden Fussballfans in die Planung von
fanbezogenen Kampagnen involviert und
rechtzeitig über geplante Kampagnen des
Vereins informiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese auch angenommen
werden. Die Einbindung von Zuschauern erhöht die Chance auf eine Selbstregulierung
unter ihnen und fördert ihre Zivilcourage
für Vielfalt und Antidiskriminierung im
Sinne des Verbands.
11.5 Internationaler Austausch
Dieser Good Practice Guide ist ein Versuch,
internationale Erfahrungen zu bündeln
und zur Verfügung zu stellen. So kann es
für Mitgliedsverbände sinnvoll sein, internationale Kontakte auszubauen, die sich
gezielt mit einzelnen Themenbereichen
von Vielfalt und Antidiskriminierung auseinandersetzen. Denn das Lernen von den
Nachbarn und Mitspielern aus der ganzen
Welt sowie das Angebot eigener Entwicklungen als Lernfeld sollten Teil des Fussballs
als globaler Sport sein.
Neben der Mitarbeit in internationalen
Arbeitsgruppen und Gremien können
Verbände oder Vereine auch verbindliche
Partnerschaften mit anderen Verbänden
oder Vereinen eingehen, die ein gemeinsames Projekt zur Förderung von Vielfalt und
Antidiskriminierung, z. B. zur Förderung
nachbarschaftlicher Verhältnisse oder der
Inklusion von Menschen mit Migrationshintergrund, realisieren. Ebenso kann es
sinnvoll sein, internationale Praktika auszu-
schreiben, die sich an Personen richten, die
sich mit juristischen, sport- und sozialwissenschaftlichen Schwerpunkten von Vielfalt und
Antidiskriminierung auseinandersetzen.
Internationaler sportlicher Austausch, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich,
drängt sich geradezu auf, den Themenkomplex Vielfalt und Antidiskriminierung
explizit einzubauen. Viele Städte haben
Partnerstädte in diversen Ländern – das
Konzept der Partnerstadt kann auf den
Fussball übertragen werden und hilfreich
sein, soziale Themen mit dem Fussball spielend zu verknüpfen.
11.6 Beispiele aus der
Weltfussballfamilie
Viele Beispiele haben sich im Abschnitt
zuvor bereits abgezeichnet. Das bleibt nicht
aus, wenn von Netzwerkarbeit und Kooperation im Fussball die Rede ist.

Partizipation von Angehörigen von
Minderheiten
In einigen Fussballverbänden finden Gremien oder Arbeitsgruppen zur Förderung
von Migrierten und ihren Nachkommen
statt. Erörtert wir dabei, wie eine Willkommenskultur in Fussballvereinen gefördert
werden kann, um Angehörige von Minderheiten gezielter anzusprechen.
Aus solchen Gremien können zielgruppenorientierte Plakatkampagnen oder Probetrainingseinheiten entstehen. Sie werden
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Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball
Fussballverbände kooperieren mit den Ligen und Regierungen, um Aktionen gegen Diskriminierung zu starten. Hier in Deutschland beim
Spiel des FSV Mainz gegen VfL Wolfsburg: „Mach einen Strich durch Vorurteile.“
auch in den jeweiligen Stadtquartieren
angeboten, grössere Vereine können entsprechende Kooperationen mit Teams aus
unteren Spielklassen eingehen. Dazu können moderierte Erzählabende mit Spielern
und bei Jugendspielern auch Elternabende
organisiert werden, bei denen persönliche
Erfahrungen ausgetauscht werden.
Zur Öffnung des Vereins können Elemente
der eigenen Verbands- oder Vereinsgeschichte hervorgehoben werden, die
jenseits einer reinen Ergebnis- und Erfolgsberichterstattung stattfinden. Sie können
Geschichten von Menschen und dem
sozialen Umfeld des Vereins erzählen, die
Aspekte von Vielfalt in den Vordergrund
stellen. Dies kann in Form einer Ausstellung
passieren, an der interessierte Menschen
aus den Stadtquartieren aktiv beteiligt
werden können.
Hier gibt es auch Beispiele von Vereinen,
die von Homosexuellen oder Menschen
bestimmter Religionszugehörigkeit gegründet worden sind. Diese Vereine berichten,
dass sie für alle Menschen zugänglich
sind – wie jeder andere Verein auch. Dank
der Gründung können bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielter angesprochen
werden. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen, die in ihrer Freizeit Fussball spielen,
dies gern mit Menschen tun, die ähnliche
Erfahrungen im Alltag machen. Das gehört
zur Geschichte des Fussballs. Denn jenseits
des professionellen Fussballs ist der soziale
Austausch eher noch wichtiger.
Des Weiteren können Vertrauenspersonen
hinzugezogen werden, um angeklagte
Spieler vor den Sportgerichten zu beraten. Um das Zusammenleben in Vielfalt in
den Vereinen explizit zu fördern, haben
Verbände und Vereine auch Manager für
Vielfalt oder Beauftragte für soziale Inklusion eingesetzt.

Kampagnen von und mit Fussballfans
Fussballfans sind weltweit dafür bekannt,
selbst oder in Kooperation mit Verbänden,
Vereinen und nichtstaatlichen Organisationen äusserst kreative Initiativen für Vielfalt
und Antidiskriminierung zu starten – oder
daran teilzunehmen. Zahlreiche solche
Aktionen beschreiben z. B. UEFA und Fare
network in ihrer im Jahre 2003 veröffentlichten Broschüre „Vereint gegen Rassismus
im europäischen Fussball. UEFA-Handbuch
für gute Verhaltensregeln“. Sie steht online
zur Verfügung.

Vereinsgründungen
Es gibt viele positive Erfahrungen sozialer Inklusion, in denen Vereine, die von
Angehörigen von Minderheiten gegründet
wurden, am regulären Spielbetrieb der
Verbände teilnehmen können. Dies wird
als partizipatives, integratives Moment
verstanden und nicht als Selbstabschottung.

Aktionswoche von Fare network
Ein säulenübergreifendes Beispiel ist die
Fare-Aktionswoche. Ihr Kern zielt auf Information, Aufklärung und Sensibilisierung
zu Vielfalt und Antidiskriminierung als Teil
von Bildung ab. Hinzu kommt der medial
äusserst förderliche Effekt dieser über Jahre
etablierten Kooperation hunderter von
Gruppen und Organisationen.
FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Hierbei ruft der nichtstaatliche Zusammenschluss Fare network jährlich europaweit
Fangruppen, Fussballvereine und -verbände
sowie weitere Interessierte auf. Während
zwei Oktoberwochen sollen Aktionen für
Vielfalt und gegen Diskriminierung in und
um europäische Stadien entstehen. Das
können Fan- oder Vereinsbanner sein, aber
auch Podiumsdiskussionen, Workshops und
Konferenzen, die sich z. B. mit sozialer Inklusion von Frauen im Fussball und in seinen
Fanszenen auseinandersetzen. Es gibt auch
Schwerpunkte, die sich beispielsweise mit
gegenwärtigen Situationen von Homound Transphobie im Fussball und in seinen
Fanszenen auseinandersetzen.

Unterstützung von geflüchteten
Menschen
Es gibt Vereine und Fussballfangruppen,
die sich für Geflüchtete engagieren. Sie
laden Geflüchtete zu Stadionbesuchen ein
und verteilen Freikarten. Darüber hinaus
gibt es Beispiele, in denen versucht wird,
Geflüchtete in das Vereinsleben oder als
Aktive einzubinden. Fangruppen fördern
den Freizeitfussball unter ihnen, während
verschiedene Initiatoren auch Ausrüstung
spenden.
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Bibliografie und Verweise
Bibliografie und Verweise
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FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung
Offizielle Publikation der Fédération Internationale de Football Association
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