FIFA GOOD PRACTICE GUIDE ZU VIELFALT UND ANTIDISKRIMINIERUNG FIFA GOOD PRACTICE GUIDE ZU VIELFALT UND ANTIDISKRIMINIERUNG 2 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Teil I Einleitung und Zielsetzung 1 Vorwort 2 Vielfalt und Antidiskriminierung als integraler Bestandteil von sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit – eine Einleitung 2.1 Antidiskriminierung als zentrale Säule und Querschnittsthema 2.2 Grundlagen von Antidiskriminierung als nachhaltige soziale Verantwortung 2.3 Fussball als Mittel zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung in der Gesellschaft 12 Grundlagen und Ziele des FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 3.1 Hintergrund und Motivation dieses FIFA Good Practice Guide 3.2 Der strategische Ansatz der FIFA als Vorbild für ihre Mitgliedsverbände 14 14 15 4 FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung – ein Überblick 4.1 Zur Philosophie der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung 4.2 Inhalte der bisherigen Sitzungen 4.3 Ausblick 18 18 20 21 5 FIFA gegen Rassismus und Diskriminierung – die Geschichte 22 6 Vielfalt und Diskriminierung – eine Annäherung 6.1 Was bedeutet Diskriminierung? 6.2 Was bedeutet Vielfalt für den Fussballverband? 6.3 Beispiele zu Diskriminierung im Fussball 24 24 26 27 3 Teil II 5 8 9 10 Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 7 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Reglementierung 7.1 Disziplinarreglement 7.2 Sicherheit in und um Stadien 7.3 Beschäftigung und Einstellungsverfahren 7.4 Beauftragter für Vielfalt und Antidiskriminierung 7.5 Beispiele aus der Weltfussballfamilie 30 31 32 32 33 34 8 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kontrollen und Sanktionen 8.1 Verfahren für Spiele: Erkennung von Risikospielen 8.2 Beobachtung diskriminierender Vorfälle (Spielbeobachter für Antidiskriminierung) 8.3 Schiedsrichterpflichten 8.4 Training von Spieloffiziellen und Ordnungsdienst 8.5 Beispiele zur Befolgung rechtlicher Grundlagen 8.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie 38 38 39 40 41 41 42 Inhaltsverzeichnis 9 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kommunikation 9.1 Branding 9.2 Veröffentlichungen 9.3 Botschafter 9.4 Preisverleihung 9.5 Eigene Veranstaltungen 9.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie 46 47 47 48 49 49 50 10 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung 10.1 Ausbildung 10.2 Fortbildung 10.3 Projekte und Kampagnen 10.4 Dokumentation 10.5 Evaluation 10.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie 54 55 56 57 58 59 59 11 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Netzwerkarbeit und Kooperation 11.1 Eigene Arbeitsgruppe 11.2 Weitere Arbeitsgruppen und Projektkooperation 11.3 Konferenzen und Publikation 11.4 Beteiligung von Zuschauern 11.5 Internationaler Austausch 11.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie 64 65 67 67 68 69 69 Bibliografie und Verweise 72 Hinweis: Im Sinne der besseren Lesbarkeit verwendet dieser FIFA Good Practice Guide ausschliesslich die männliche Form. Sie richtet sich jedoch in diesem Fall an Menschen jeden Geschlechts. 3 Vorwort Vorwort „Der Fussball verbindet die Menschen, erzeugt Hoffnung und hat mehr Kraft, religiöse und politische Grenzen zu überwinden als jede Regierung“, sagte der unvergessene Nelson Mandela. Seine Worte sind aktueller denn je. Dies spüren wir jeden Tag. Unser Sport entwickelt dort seine grösste soziale Macht, wo die Menschen um ihre Existenz kämpfen, wo sie von Krisen und Kriegen gebeutelt sind. Diskriminierung und Rassismus haben in den Stadien und auf den Spielfeldern nichts verloren. Dieser Grundsatz ist in unseren Statuten in Kapitel I unter Artikel 3 klar formuliert: „Jegliche Diskriminierung eines Landes, einer Einzelperson oder von Personengruppen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen Grund ist unter Androhung der Suspension und des Ausschlusses verboten.“ 1,6 Milliarden Menschen sind direkt oder indirekt in den Fussball involviert. Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Funktionäre, Fans – dazu ihre Familien und Freunde. Diese Zahl macht deutlich, welche Energie im Fussball steckt. Der Fussball kann selbst in aussichtslosen Situationen Hoffnung vermitteln und den Anstoss zu diplomatischen Verhandlungen geben. Deshalb muss immer das Prinzip gelten: Der Fussball ist für alle da – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie oder Religion. Mit Entwicklungs- und Nachwuchsprojekten engagiert sich die FIFA direkt an der Basis und hilft dort, wo die breite Öffentlichkeit nicht hinschaut. Sei es durch Infrastrukturprojekte, technische Entwicklung oder die Organisation von Wettbewerben. Doch jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen und den Kampf gegen alle negativen Einflüsse im sozialen und kulturellen Bereich forcieren. Der hier vorliegende FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung soll als Instrument zur systematischen Eindämmung jeglicher Auswüchse dienen. „Nachhaltigkeit“ muss auch in dieser Thematik unser höchstes Ziel sein. Die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung hat wertvolle Grundlagenarbeit geleistet. Nun gilt es, diese Gedanken auf die Fussballfelder dieser Welt hinauszutragen. Mit der weltweiten Einführung von Spielbeobachtern für Antidiskriminierung setzt die FIFA ein wichtiges Zeichen. Alle Beteiligten müssen in die Verantwortung gezogen werden. Vor allem sind auch die Spieler in ihrer Vorbildfunktion gefordert. Denn was die Stars im Scheinwerferlicht machen, wird von den Amateuren und der Jugend an der Basis kopiert. Es ist uns ein persönliches Anliegen, dass wir Intensität und Tempo dieser Anstrengungen weiter steigern. Denn letztlich geht die Kraft unseres Sports weit über die Seitenlinie und die Dauer eines Spiels hinaus. Dank der Ausstrahlung und Popularität des Fussballs haben wir die grosse Chance, Menschen zusammenzubringen, Respekt und Verständnis zu vermitteln – Vorurteile und Missverständnisse abzubauen. Wir dürfen diese Chance auf keinen Fall verpassen – und müssen dem Rassismus und jeglicher Form von Diskriminierung die rote Karte zeigen. Für immer. Für das Spiel. Für die Welt. FIFA 5 TEIL I EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG 8 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 2 Vielfalt und Antidiskriminierung als integraler Bestandteil von sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit – eine Einleitung Die FIFA will einen Fussball, der auf fairer und gleichgestellter Behandlung aller Beteiligten beruht, mit Respekt für die Würde des Menschen als das höchste Gut. Die hiermit vorliegende, erste Auflage des FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung spiegelt die Erfahrungen der FIFA und ihrer Mitgliedsverbände zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung wider. Zusätzlich bindet er Erfahrungen ein, die aus der Praxis von Fussballvereinen und ihrem Umfeld bekannt sind. und Bedürfnissen angepasst werden. Ferner kann angesichts der globalen Vielfalt der Sachlagen, Möglichkeiten, aber auch Problemlagen kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Vielmehr baut dieser Leitfaden respektvoll und in erheblicher Weise auf die Kompetenz der zuständigen Mitarbeiter in den Mitgliedsverbänden. Für weitere Informationen können sich FIFA-Mitgliedsverbände jederzeit an die FIFA-Nachhaltigkeitsabteilung wenden. Diese Sammlung soll die FIFA-Mitgliedsverbände dazu anregen, aktiv zu bleiben und noch aktiver zu werden. Dabei sind die Vorschläge nicht immer als Blaupause für FIFA-Mitglieder gedacht, sondern sollten mitunter den regionalen Gegebenheiten 2013, Internationaler Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung: Navanathem Pillay, Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, diskutiert in Genf mit Federico Addiechi, Leiter der FIFANachhaltigkeitsabteilung. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Lautstarke Botschaften gegen Rassismus von Un Sim Ra (PRK) und Emilie Gonssolin (FRA) (2008). 2.1 Antidiskriminierung als zentrale Säule und Querschnittsthema soziale Verantwortung genauso wie die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Antidiskriminierung. Die FIFA betrachtet Vielfalt und Antidiskriminierung als eine der zentralen Säulen ihrer Nachhaltigkeitsarbeit. Vielfalt und Antidiskriminierung sind damit ein wichtiger Bestandteil ihrer Konzeptionen zur sozialen Verantwortung und Nachhaltigkeit. Dies gilt allgemein für die Ausrichtung der FIFA als Organisation und im Besonderen für die Ausrichtung von FIFA-Veranstaltungen wie der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™. Richtungsweisende Organe der alltäglichen Arbeit sind die FIFA-Kommission für Fairplay und Einerseits vervollständigt Antidiskriminierung das Nachhaltigkeitskonzept der FIFA mit den Schwerpunkten Football for Hope, Fussball für den Planeten, Fairplay und der Nachhaltigkeitsstrategie für die FIFA-Fussball-Weltmeisterschaft™. Antidiskriminierung gewährleistet sich global engagierenden Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und auch Fans würdevolle Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen. Zu beachten ist dabei, dass ein Mensch von vielerlei Aspekten seiner Identität bestimmt 9 10 Teil I / Einleitung und Zielsetzung wird. Niemand ist z. B. nur eine Frau. Denn diese hat ein bestimmtes Alter und eine geografische wie soziale Herkunft. Sie könnte eine Behinderung haben. Das alles muss berücksichtigt werden. Dann kann Diskriminierung in ihrer gesamten Bandbreite erkannt werden. Dies bietet die beste Voraussetzung zur Schaffung einer antidiskriminierenden Willkommenskultur und wirklicher Gleichheit. Andererseits ist Antidiskriminierung als integraler Bestandteil aller genannten Bereiche der sozialen Verantwortung zu verstehen. Der gegenseitige Respekt von Verbandsmitarbeitern sollte auf einem Einvernehmen aufbauen, dass Diskriminierung aufgrund von angenommener Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen Grund ausschliesst. In diesem Kontext bietet die FIFA z. B. Mitarbeiter als Vertrauenspersonen an, an die sich weitere FIFA-Mitarbeiter vertrauensvoll wenden können – ein Modell, das Verbände ebenso einsetzen können. Überall, auf dem Fussballplatz und um ihn herum, gedeiht soziales Leben, ebenso wie bei der Erbauung eines neuen Fussballplatzes – von der Planungsphase eines barrierefreien Stadions bis hin zu den Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter, der Spieler. Überall wo Menschen gegen einen Ball treten und dafür sorgen, dass dies geschehen kann, spielt es deshalb eine zentrale Rolle, in individueller Vielfalt gleichermassen aufgenommen und anerkannt zu werden. Das Vorbild dabei sollte der Ball sein: Ihm ist es egal, wer mit ihm seine Tricks vorführt und den genialen Pass spielt, der zum Tor führt. 2001 verabschiedet der ausserordentliche FIFA-Kongress eine richtungsweisende Erklärung gegen Rassismus. 2.2 Grundlagen von Antidiskriminierung als nachhaltige soziale Verantwortung Detaillierte Grundlagen für die FIFA und ihre Mitgliedsverbände lieferte der ausserordentliche FIFA-Kongress im Jahre 2001, der im argentinischen Buenos Aires den Schwerpunkt Rassismus im Fussball hatte. Dieser hat den Grundstein gelegt, den Bedarf in der Fussballadministration und anderen Gruppen wahrgenommen, „mit Regierungsbehörden auf sämtlichen Ebenen, der Polizei und anderen Zivilbehörden, Bildungsinstitutionen und weiteren Instanzen zusammenzuarbeiten, um angemessene, wirkungsvolle und effiziente Massnahmen zu finden“. Ziel der Weltfussballfamilie muss es sein, dass die viel zitierte „gläserne Decke“ durchbrochen wird. Es muss darum gehen, den rechtlichen Rahmen, Bildung, Sanktionen, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerke so einzusetzen, dass jedem Menschen ein gleicher Zugang zu allen Positionen und Ämtern gewährleistet ist – ob als Spieler oder Trainer, Funktionär oder Fan. Der ausserordentliche FIFA-Kongress von 2001 folgte damit der Erklärung des FIFA-Exekutivkomitees von März 2000. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Die getroffenen Aussagen bestimmen heute mehr denn je die Ansicht der FIFA zu Rassismus und Antidiskriminierung. Der ausserordentliche FIFA-Kongress fordert alle Personen auf, die direkt oder indirekt mit Fussball – auf sämtlichen Ebenen und in allen Ländern – zu tun haben, sich einer gemeinsamen Bewegung zum Austausch von Informationen und Erfahrungen anzuschliessen, um somit sämtlichen rassistischen Kundgebungen – welcher Art auch immer – während Spielen wirkungsvoll und endgültig Einhalt zu gebieten; – fordert alle Regierungen und Zivilbehörden auf sämtlichen Ebenen auf, mit den Fussballbehörden zusammenzuarbeiten und ihnen bei diesen Bemühungen ihre uneingeschränkte Unterstützung zu gewähren; – fordert die Fussballbehörden auf, gesellschaftlichen Gruppierungen bei der Einführung von Bildungsprogrammen grössere Unterstützung zu gewähren und ihnen dabei zu helfen, den Dialog mit Personen herzustellen, die für ihre rassistische Gesinnung bekannt sind, um mehr über deren Beweggründe zu erfahren; – fordert alle Organisatoren von Fussballspielen auf, entsprechende Weisungen zu erlassen und durchzusetzen, um sämtlichen Personen, die an rassistischen Handlungen beteiligt sind oder der Absicht verdächtigt werden, sich an rassistischen Handlungen oder ähnlichen Gewaltäusserungen zu beteiligen, den Zutritt zu verweigern, und sämtliche Gegenstände zu beschlagnahmen, die in irgendeiner Weise eine Botschaft mit rassistischem Inhalt – sei es in Form von Texten oder von Symbolen – enthalten; Präsident Blatter findet beim ausserordentlichen FIFA-Kongress in Buenos Aires klare Worte gegen Rassismus. Fussball-Weltmeister Lilian Thuram berichtet von rassistischer Erfahrung und Lösungsmöglichkeiten. 11 12 Teil I / Einleitung und Zielsetzung – fordert die Ausrichter von Wettbewerben auf, für heikle Spiele Beobachter zu benennen, um rassistische Manifestationen jeglicher Art und Form zu überwachen und zu melden; – fordert die Mitarbeiter der Stadien zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf, um alle Personen schnell und eindeutig erkennen und aus dem Stadion weisen zu können, die gegen diese Regeln verstossen; – fordert die Organisatoren von Spielen auf, erforderliche und wirksame Massnahmen zu ergreifen, um diese Übeltäter daran zu hindern, weiteren Spielen beizuwohnen; – fordert die Fussballfans auf, die Organisatoren und Zivilbehörden bei der Identifikation rassistischer Elemente und deren Entfernung aus dem Zuschauerbereich zu unterstützen; – fordert die Klubs auf, einen Geist der sozialen Integration unter den Spielern zu fördern, indem sie sicherstellen, dass sie Mitspieler, Gegner, Schiedsrichter, Offizielle, Zuschauer und alle anderen Personen – ob diese in das Spiel involviert sind oder nicht – respektvoll und ohne Diskriminierung ihrer ethnischen Zugehörigkeit behandeln; – fordert Mannschaftstrainer und Vereinsoffizielle auf, wirksame Strafmassnahmen gegen die Spieler unter ihrer Obhut zu verhängen, die in irgendeiner Weise rassistisches Benehmen an den Tag legen oder dies dulden, sei es auf dem Spielfeld, während ihres öffentlichen oder privaten Lebens; – fordert von allen Fussballgremien auf allen Ebenen die Sicherstellung eines ethnischen Gleichgewichts hinsichtlich Anstellung, Aufstellung und Wahl von Personen in allen Aktivitätsbereichen und die Zusammenarbeit mit ethnischen Gruppen, um diese enger in die Fussballaktivitäten zu integrieren; – fordert die Schiedsrichter auf, in Bezug auf Gesten und verbale Äusserungen rassistischer Natur zwischen Spielern und/oder Trainern und/oder der Öffentlichkeit wachsamer zu sein und sofortige Strafmassnahmen gegen die Täter zu ergreifen und solche Vorfälle unmissverständlich und lückenlos zu melden; – fordert die Medien auf, jegliches rassistisches Verhalten oder entsprechende Bemerkungen jeder Person oder Gruppe aufs Schärfste zu verurteilen sowie davon abzusehen, über derartiges Verhalten oder solche Äusserungen in einer Weise zu berichten, die möglicherweise weitere Konfrontationen provozieren könnte; ebenso werden die Betreiber von Fussball-Websites im Internet (einschliesslich der Websites von Klubs und Verbänden) aufgerufen, auf der Homepage prägnante Botschaften gegen den Rassismus zu veröffentlichen; – fordert alle Mitglieder der weltweiten Fussballgemeinschaft auf, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um den sozialen Einfluss des Fussballs auszubauen und die soziale Eingliederung und die Verbannung des Rassismus aus der Gesellschaft voranzutreiben; – fordert alle Konföderationen auf, sämtliche Anstrengungen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Rassismus im Fussball aufmerksam zu verfolgen und dem FIFA-Exekutivkomitee regelmässig Bericht zu erstatten. 2.3 Fussball als Mittel zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung in der Gesellschaft Immer wieder wird das integrative Potenzial des Fussballs weltweit hervorgehoben. Benötigt werden zwar nur ein Ball und ein Fussballfeld, aber ohne die nötigen sozialen Ingredienzen stets auf ein Neues vernünftig abzuwägen und jeden Menschen mit seinen Besonderheiten willkommen zu heissen, kann Fussball auf Einzelne auch ausgrenzende Potenziale in Bewegung bringen. Im Fussball spielen nicht nur elf Spieler zusammen mit den elf der anderen Mannschaft. Sie spielen eben auch gegen sie. Da entstehen Rivalitäten, die sich im negativen Fall aggressiv steigern können, bei Spielern wie bei den Fans. So sehr jeder den grossen Derbys gegen den Lokalrivalen auch entgegenfiebert, sollte das Gegenüber auch geschätzt FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung werden. Denn ohne diese andere Mannschaft gäbe es kein Fussballspiel. So ernst es die Beteiligten auch nehmen: In brenzliger Lage ist es immer wieder wichtig, sich daran zu erinnern, dass Fussballvereine in ihren Farben und mit ihren Wappen vor gar nicht allzu langer Zeit von wenigen Pionieren gegründet wurden. Viele grosse Vereine bestimmten schon früh ihre Tradition, indem sie sich mit anderen Vereinen zusammenschlossen und somit verstärkten. So sehr man an sie glaubt und sich auf die grosse Geschichte beruft, stehen doch immer wieder neue junge Menschen auf dem Rasen, die mittlerweile aus der ganzen Welt kommen können. Und die ihre ganz eigene Geschichte begründen. Von alledem lebt der Fussball. Das macht ihn auf den Rängen und vor den Fernsehgeräten so attraktiv. Bill Shankly, Trainer des FC Liverpool, sagte einst: „Einige Leute halten Fussball für einen Kampf um Leben und Tod. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist.“ Das Ernstere liegt darin, dass Spieler und Fans, auch wenn sie am Wochenende einen kleinen Tod sterben können, am Montag wieder zum Training oder zur Arbeit müssen. Die Menschen müssen und werden weiter miteinander auskommen. Das Ursprüngliche des Fussballs ist in erster Linie seine Vorstellungskraft – und nicht eine aggressive Ausprägung von „wir hier“ und „dort die anderen“. Gerade deshalb bietet der Fussball als Teil der Gesellschaft Platz für Kreativität, für internationalen Austausch, für soziale Inklusion. Richtig praktiziert, kann Fussball also dabei helfen, Antidiskriminierung auf der grossen Fussballbühne, aber auch im lokalen Ligaalltag zu manifestieren. Das soziale Umfeld des Fussballs sieht sich in globalen Zeiten mit ständigen Veränderungen konfrontiert. Dazu gehören auch die Aspekte Vielfalt und Antidiskriminierung. Fussball entwickelt sich nachhaltiger und wird erfolgreicher, wenn er alle Menschen gleichermassen anspricht und einbindet. So kann das Beste aus allen Ressourcen genutzt werden. Deshalb ist es von Vorteil, solche Veränderungen nicht zu fürchten, sondern sie als Chance zu begreifen. Zu alledem braucht es Partnerschaften. Stützende Partner sieht die FIFA in ihren Mitgliedsverbänden und deren Vereinen. Ihr Engagement für den Fortschritt in Sachen Vielfalt und Antidiskriminierung ist unabdingbar. 13 14 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 3 Grundlagen und Ziele des FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Dieser Good Practice Guide richtet sich in erster Linie an die Verbände als Mitglieder der FIFA. Er soll sie dabei unterstützen, zum einen konstruktiv ihre Vereine zu sensibilisieren, zum anderen die Zusammenarbeit mit den Konföderationen zu unterfüttern. Darüber hinaus freut sich die FIFA, wenn sie Akteuren des Fussballs und seinen Fans eine Inspiration sein kann, dieses wundervolle Spiel weiterhin vielfältig und antidiskriminierend, also weltoffen zu gestalten. 3.1 Hintergrund und Motivation dieses FIFA Good Practice Guide Seit 1960 in ihren Statuten, darüber hinaus im FIFA-Ethikreglement und im Verhaltenskodex bezieht die FIFA deutlich wie dezidiert Stellung zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Damit schafft die FIFA die Grundlagen für ein respektvolles und friedliches Miteinander der Weltfussballfamilie. Die FIFA-Resolution gegen Rassismus des ausserordentlichen FIFA-Kongresses 2001 in Argentinien, die FIFA-Resolution gegen Rassismus und Diskriminierung des 63. FIFA-Kongresses 2013 in Mauritius sowie die seit 2013 tätige FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung liefern dazu kontinuierlich und mehrheitsfähig die konkreten Inhalte. Mit alledem entwickelt die FIFA die Vision einer Weltfussballgemeinschaft, die gleichberechtigt alle Menschen einschliesst. Jede Person soll mit Respekt und Anerkennung willkommen sein. Diese Vision setzt voraus, dass jede Person auf gleiche Weise Zugang zu allen Ebenen des Fussballs hat. Viele Millionen Menschen sehen Fussball als wichtigen Bestandteil ihres Lebens an und wollen sich deshalb auf die für sie beste Weise engagieren. Um zu gewährleisten, dass sie vollwertig ihren Teil zum sozialen Kevin Prince Boateng (GHA) redet mit FIFA-Präsident Blatter am FIFA-Sitz in Zürich über die rassistischen Anfeindungen, die er als Spieler in Italien ertragen musste (2013). FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 1960: Der 32. FIFA-Kongress in Rom verabschiedet Denkwürdiges zur Förderung von Antidiskriminierung im Fussball. Anlässlich der FIFA FrauenWeltmeisterschaft Deutschland 2011™ präsentieren die Kanadierin Christine Sinclair, Tatjana Haenni (heute stellvertretende Direktorin der FIFADivision Wettbewerbe und Leiterin der FIFA-Abteilung für Frauenwettbewerbe) und die Deutsche Kim Kulig (von links nach rechts) die FIFA-Kampagne „Live your Goals“ zur Förderung von Frauen und Mädchen im Fussball. und wirtschaftlichen Teil des Fussballs beitragen können, sollten eventuelle Barrieren der Partizipation lokalisiert werden, um schliesslich darüber aufzuklären und sie letztlich zu beseitigen. Die FIFA hat und wird es immer deutlich machen: Im Fussball geht es um Teamwork, darum, was man macht, und nicht, wer man ist. Fussball ist für alle da! Dieses Motto wird auf die Probe gestellt, wenn sich Gruppen und Einzelpersonen benachteiligt fühlen. Die Mitgliedsverbände der FIFA werden dazu aufgerufen, diesen Wahrnehmungen gewissenhaft nachzugehen und ggf. Massnahmen zu ergreifen. Dazu versammelt dieser Ratgeber positive Ansätze und praktische Beispiele, wie ein Fussball für alle bereits überall auf der Welt gelebt wird – auf und rund um den Fussballplatz. So bekommen die Mitgliedsverbände eine weitere Möglichkeit, sich fundiert, kompakt und zugleich global über gelebte Vielfalt und Diskriminierung im Fussball zu informieren. Dieses Kompendium regt dazu an, voneinander zu lernen, um sich auf eindrucksvolle Weise als weltoffener Verband zu präsentieren. 3.2 Der strategische Ansatz der FIFA als Vorbild für ihre Mitgliedsverbände Was für die Regeln des Fussballs gilt, gilt nicht gleichermassen für die Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung: Wenn Vielfalt und Antidiskriminierung nachhaltig gefördert werden sollen, darf nicht versucht werden, zentral einheitliche Detailmassnahmen vorzugeben. Deshalb wurde folgender Leitgedanke der FIFA bei der Erstellung dieses Ratgebers stets mitgedacht: Jeder Mitgliedsverband folgt seinen landesüblichen Gesetzen und Religionen, hat seine ganz eigene Geschichte und Tradition. Diskriminierungsformen unterscheiden sich regional z. T. erheblich. Umgangsweisen damit haben immer eine bestimmte Entwicklungsgeschichte hinter sich. Nur wenn diese Aspekte nicht ausser Acht gelassen werden, kann ein Konzept greifen. Nur dann können Massnahmen ihre Zielgruppen wirklich erreichen. Jedem Mitgliedsverband stellen sich also auch ganz eigene Herausforderungen im Hinblick auf die Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung. 15 16 Teil I / Einleitung und Zielsetzung Deswegen liefert dieser Leitfaden eine Auswahl an Empfehlungen, die in den jeweiligen Mitgliedsverbänden massstabsgetreu angepasst werden können, um erfolgreicher sein. Was sich in Verband A bewährt hat, funktioniert noch lange nicht in Verband B. Es sind die Organisationen des Fussballs und ihre Partner selbst, die am besten wissen, wie Vielfalt und Antidiskriminierung vor Ort umgesetzt werden können. Zur Orientierung hat die FIFA ein tragfähiges Modell entwickelt. Es liefert Handreichungen auf fünf grundlegenden Säulen, die eine Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball übersichtlich strukturieren: Dieses Modell kann helfen, einen landesspezifischen Aktionsplan zu entwickeln oder den bestehenden zu optimieren. REGLEMENTIERUNG KOMMUNIKATION VIELFALT UND ANTIDISKRIMINIERUNG BEI FIFAMITGLIEDSVERBÄNDEN NETZWERKARBEIT UND KOOPERATION Denn es greift alle Kernbereiche auf, in denen Mitgliedsverbände bereits aktiv sind oder aktiv sein können, wenn sie eigene Positionen und Praxen zu Artikel 3 der FIFA-Statuten (Nicht-Diskriminierung und Kampf gegen Rassismus) einbringen. Alle fünf Säulen zusammen bieten in ihrer KONTROLLE UND SANKTIONEN BILDUNG ausgewogenen Balance ein erfolgversprechendes Konzept zur adäquaten Beachtung von Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball. Aus den einzelnen Säulen können Schnittmengen hervorgehen. Ist ein FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Mitgliedsverband z. B. im Bereich Bildung tätig, bieten sich Netzwerkarbeit und Kooperation an. Und bei jeder Säule ist es in jedem Falle tragfähig, den Bereich Kommunikation hinzuzuziehen: Tu Gutes und rede darüber! Zusätzlich werden sich auch positive Beispiele aus Fanszenen, von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen finden, die im, um und durch den Fussball versuchen, Vielfalt und Antidiskriminierung zu fördern. Da Formen von Gesellschaften im und um den Fussball genauso wie Diskriminierungsformen und die Möglichkeiten, sich für Vielfalt einzusetzen, in jeder Region unserer Welt in einem ständigen Wandel begriffen sind, kann es jedem Mitgliedsverband nur zugutekommen, sein einmal begonnenes Engagement nicht als zementiert anzusehen. Aufmerksamkeit und das eigene Überprüfen der eigenen Arbeit für Vielfalt und Antidiskriminierung sind nicht zu verachten. Wichtig über allem aber bleibt: Hinter einer guten Aktion oder Kampagne, hinter einer sinnvollen Sanktion und einem kooperativen Netzwerk muss sich nicht zwangsläufig ein hohes Budget oder viel technischer Aufwand verbergen. Häufig sind die einfacheren, die direkten Massnahmen sogar bedeutender. Massnahmen, die die Aktiven im Fussball und seine Fans vor Ort persönlich und vertrauensvoll ansprechen und einbinden, versprechen den grössten Erfolg. Es geht vor allem um sehr menschliche Qualitäten: um das Zeigen von Würde, Güte und Empathiefähigkeit. Die Weltfussballfamilie wird es respektvoll zu würdigen wissen, wenn im Kampf für Vielfalt und Antidiskriminierung jeder Verband nach seinen eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten sein Bestes einbringt. 17 18 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 4 FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung – ein Überblick FIFA-Tage gegen Diskriminierung 2015: Die ehrenamtlichen Helfer aus Auckland präsentierten vor dem Halbfinale der FIFA U-20-Weltmeisterschaft zwischen Serbien und Mali im North-Harbour-Stadion das „SAY NO TO RACISM“-Banner und komplettierten somit die Kampagne. Zur nachhaltigen Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung im Weltfussball wurde im März 2013 die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung ins Leben gerufen. Sie basiert auf einer persönlichen Initiative des FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter. 4.1 Zur Philosophie der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung Seitdem geht es in der FIFA-Arbeitsgruppe darum, aktuelle Vorfälle aufzuarbeiten, aber auch mittel- und langfristige Lösungswege zu entwickeln. Getreu Art. 3 der FIFA-Statuten geht es hierbei um Diskriminierungen auf der Basis von angenommener Rasse, von Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, von Bei ihrer zweiten Zusammenkunft beschäftigt sich die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung mit Möglichkeiten von Sanktionen und Bildung im Fussball. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen Grund. Diese Lösungswege sollen konzeptionelle und praktische Elemente enthalten. Das Motto dabei ist es, proaktiv und präventiv zu agieren und zu reagieren. Sich ihrer Stärken bewusst, will die FIFAArbeitsgruppe handeln, anstatt behandelt zu werden. Dabei berücksichtigt sie unterschiedliche Blickwinkel und Expertisen, um sie zielorientiert in konkrete Vorschläge umzuwandeln. Dazu gehört eine gewissenhafte Prüfung des gesamten Arsenals an Ideen – eine ständige, gegenseitige Weiterbildung. Denn um einen Aktionsplan zu Vielfalt und Antidiskriminierung so aufzustellen, dass alle FIFA-Mitgliedsverbände ihm etwas abgewinnen können, müssen bestehende Massnahmen und Stellungnahmen überprüft und den gegenwärtigen Entwicklungen angepasst werden. Globale Einschätzungen und Antworten müssen aus juristischer und fachlich-praktischer Sicht regional anwendbar werden. Hierbei war es immer wichtig, die staatsund verbandsrechtlichen Unterschiede aller FIFA-Mitgliedsverbände, die unterschiedlichen sportlichen, sportpolitischen, aber auch sozialen Verhältnisse im Hinterkopf zu behalten, um schliesslich Ergebnisse zu produzieren, die gleichermassen realistisch und progressiv sind. Vor allem muss man dazu bereit sein, Bestehendes weiterzuentwickeln oder gar ganz zu verwerfen. Es geht darum, nicht nur die institutionelle Sicht auf den Fussball zu akzeptieren, sondern auch Spieler und andere Akteure im und um den Fussball individuell am Dialog zur Findung von Lösungswegen zu beteiligen. Darunter müssen sich Menschen wiederfinden, die Der Arbeitsgruppe gehören verschiedenste Experten an. Hier abgebildet (von links nach rechts): Piara Powar (Exekutivdirektor von Fare network), Theo van Seggelen (FIFPro-Generalsekretär) und Yury Boychenko (Leiter der Abteilung zur Bekämpfung von Diskriminierung beim Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte). Diskriminierung im Fussball beobachten oder gar auf schmerzhafte Weise erfahren mussten. Ebenso solche, die Diskriminierung im Fussball fachlich und professionell entgegentreten oder erforschen. Dazu sagte ein Mitglied der Arbeitsgruppe im Jahr 2013: „Die Spieler haben eindeutig nicht genug Unterstützung erfahren, und das ist ein Hohn. Die Spieler arbeiten hart, der Fussball ist ihr Leben und ihr Beruf, und wir müssen mehr dafür tun, um sie zu unterstützen.“ Die FIFA-Arbeitsgruppe erörtert Diskriminierung über ihre offensichtlichen Ausdrucksformen oder deutlich rechtsextreme Ausprägungen wie diskriminierende Schimpfwörter oder körperliche Angriffe hinaus. Es geht auch um versteckte Formen der Diskriminierung. Gemeint sind gefühlte Erniedrigungen, die denen, die sie ausüben, häufig leider nicht bewusst sind. Das können z. B. rassistische, sexistische oder behindertenfeindliche Witze sein. Es kann sich um die einseitige Bevorzugung von Menschen einer bestimmten Gruppe oder eines Geschlechts handeln. Diese breite Herangehensweise und gegenseitige Offenheit der eingeladenen Mitglieder und Berater waren Garanten der bisherigen Sitzungsergebnisse. So konnte die FIFA-Arbeitsgruppe neue Wege bauen und steht der FIFA auch auf dem Weg zur Seite, den sie derzeit in Richtung FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ beschreitet. 19 20 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 4.2 Inhalte der bisherigen Sitzungen Die erste Sitzung der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung wurde am 6. Mai 2013 von FIFA-Präsident Joseph S. Blatter am FIFA-Sitz in Zürich eröffnet. In seiner kämpferischen Rede zeigte der FIFA-Präsident Handlungsbereitschaft und machte unmissverständlich deutlich: „Die Aufgabe des Fussballs ist es, der Ignoranz mit Wissen, der Engstirnigkeit mit Vielfalt und dem Egoismus mit Grossmut entgegenzutreten.“ Inhaltlich lotete die erste Sitzung aus, welche Möglichkeiten sich gegen Rassismus und Diskriminierung in den Bereichen Prävention und Kontrolle einbringen lassen. So schaffte sie die praktische Grundlage für die noch im gleichen Monat vom FIFA-Kongress auf Mauritius verabschiedete Resolution zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Diese erneuerte und vertiefte das Bekenntnis, das die FIFA-Mitglieder mit ihrer Erklärung gegen Rassismus beim ausserordentlichen FIFA-Kongress 2001 in Argentinien vereinbart hatten. Die Resolution von 2013 umfasst in ihrem Kern Folgendes: Bildung – Aktionspläne Wettbewerbsorganisatoren erlassen einen konkreten Aktionsplan, der belegt, dass sie Rassismus und Diskriminierung unter ihren Spielern, Funktionären und Fans effektiv bekämpfen wollen. Prävention – Antidiskriminierungsbeauftragter In den Wettbewerbsreglements wird der Einsatz eines Sonderbeauftragten im Stadion vorgeschrieben, der mögliche rassistische oder diskriminierende Handlungen erkennt und so Druck von den Schiedsrichtern nimmt und Beweise für eine spätere Verurteilung durch die Rechtsorgane sichert. Der ivorische Fussballprofi Serey Die bei einem Treffen der FIFAArbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung. Massnahmen – striktere Anwendung von Strafen Die im FIFA-Disziplinarreglement verankerten Strafen, die für alle Mitgliedsverbände gemäss FIFA-Disziplinarreglement zwingend anzuwenden sind, bieten den jeweiligen Rechtsorganen bei der Beurteilung von Fehlverhalten von Fans den nötigen Ermessensspielraum. Zur Vereinheitlichung der weltweit verhängten Strafen gilt für Vereine oder Teamvertreter grundsätzlich ein zweistufiges Strafmass: • Ein erstes oder ein kleineres Vergehen wird mit einer Ermahnung, einer Geldstrafe und/oder einem Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestraft. • Für Wiederholungstäter oder schwere Vergehen sollten härtere Strafen wie Punktabzug, Ausschluss aus einem Wettbewerb oder Zwangsabstieg gelten. Jede Person (Spieler, Funktionär, Spieloffizieller etc.), die ein solches Vergehen begeht, wird zudem für mindestens fünf Spiele gesperrt, kombiniert mit einem Stadionverbot gemäss FIFA-Disziplinarreglement. Darauf konnte die zweite, wiederum in Zürich abgehaltene Sitzung am 12. September 2013 aufbauen und identifizierte FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 12. Mai 2015, WembleyStadion, London: Federico Addiechi, Leiter der FIFANachhaltigkeitsabteilung, und Piara Powar, Exekutivdirektor von Fare network, präsentieren ihre Kooperation beim FIFASpielbeobachtungssystem für Antidiskriminierung. folgende Schlüsselprioritäten als Empfehlung für die weitergehende Arbeit der FIFA für Vielfalt und Antidiskriminierung: den inhaltlichen Fortschritt seit Bildung der Arbeitsgruppe, den strategischen Ansatz der FIFA, den daraus hervorgehenden Aktionsplan, der neben der Umsetzung der FIFA-Spielbeobachter für Antidiskriminierung auch die Inhalte des hier vorliegenden FIFA Good Practice Guide sowie weitere Schritte zur Einführung von Antidiskriminierungsbotschaftern und einer Sonderauszeichnung in Form eines Preises enthielt, Prävention und Aufklärung in Bezug auf die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™. Zuweisung von spezifischen Ressourcen für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung Entwicklung eines Antidiskriminierungshandbuchs, das allen Mitgliedsverbänden als Empfehlung und für Schulungszwecke zur Verfügung gestellt wird Antidiskriminierungsbeauftragte (FIFA Anti-Discrimination Monitoring System) Identifizierung von Hochrisikospielen Ernennung und Einsatz von Antidiskriminierungsbotschaftern Vorschlag einer speziellen Auszeichnung für Leistungen im Bereich Antidiskriminierung 4.3 Ausblick Um sich diesen Schwerpunkten angemessen widmen zu können, bewilligte die FIFA zusätzliche Mittel und stellte einen Beauftragten für Vielfalt und Antidiskriminierung ein, der seit 2014 ausschliesslich im Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung agiert. „Bildung, es geht um Bildung. Wirkt man auf die Klubs ein, erreicht man danach die Stadien, dann die Gemeinschaften. Es muss mit den Trainern und Spielern beginnen, in der Umkleidekabine.“ Bei ihrer dritten Sitzung am 2. Dezember 2014 in Zürich analysierte die FIFA-Arbeitsgruppe: In ihrer inhaltlichen Ausrichtung teilt die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung die Sichtweise, dass die Bekämpfung von Diskriminierung und die Förderung von Vielfalt ein dauerhafter Prozess sind. Die eigenen präventiven Potenziale in den Bereichen Sanktionen und Bildung sollten in diesem Bereich stets optimiert werden. Es geht um die stärkere Aktivierung der Mitgliedsverbände, bis hin zu den lokalen Gemeinschaften. So macht die FIFA-Arbeitsgruppe immer wieder deutlich: Ein respektvoller und gleichberechtigter, solidarischer und weltoffener Fussball lebt vom zielorientierten Engagement seiner Institutionen und der Menschen, die sie gestalten. 21 22 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 5 FIFA gegen Rassismus und Diskriminierung – die Geschichte Überblick über die Massnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung seit der FIFA-Konferenz gegen Rassismus in Buenos Aires (2001) Datum 6. Juli 2001 Veranstaltung/Massnahme FIFA-Konferenz gegen Rassismus in Buenos Aires Mehrere hundert Delegierte von Mitgliedsverbänden, Konföderationen und Nichtregierungsorganisationen sowie weitere Vertreter erörtern Wege und Mittel zur Bekämpfung von Rassismus im Fussball. Mit der stärkeren Förderung von Toleranz und einem gezielten Vorgehen soll Rassismus aus dem Fussball verbannt werden. 7. Juli 2001 Ausserordentlicher FIFA-Kongress verabschiedet Erklärung gegen Rassismus Der ausserordentliche FIFA-Kongress in Buenos Aires verabschiedet die Erklärung gegen Rassismus, auf die sich am Tag zuvor die FIFA-Konferenz gegen Rassismus verständigt hatte. http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2007/m=5/news=au%C3%9Ferordentlicher-fifa-kongress-buenos-airesresolution-518220.html 7. Juli 2002 Genau ein Jahr nach der Verabschiedung der Erklärung gegen Rassismus beim ausserordentlichen Kongress 2001 in Buenos Aires veranstaltet die FIFA den ersten internationalen Tag zur Bekämpfung von Rassismus im Fussball (FIFA-Tage gegen Diskriminierung). 21./22. Juni 2003 Bei der Gruppenphase des FIFA Konföderationen-Pokals in Frankreich stehen zwei Tage im Zeichen des Kampfes gegen Rassismus. Erstmals bei einer FIFA-Endrunde ist der Handschlag zwischen den Spielern beider Teams nach Spielschluss offizieller Teil des Protokolls (zweite FIFA-Tage gegen Diskriminierung). 2004 Änderung der FIFA-Statuten II – Zweck, Art. 2 Abs. 3 Ziff. 1 der FIFA-Statuten: „Aus Gründen der Rasse, der Religion oder aus politischen Gründen darf ein Land oder eine Einzelperson nicht diskriminiert werden.“ wird wie folgt geändert: „Artikel 3 – Nicht-Diskriminierung und Kampf gegen den Rassismus: Jegliche Diskriminierung eines Landes, einer Einzelperson oder von Personengruppen aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Politik oder aus einem anderen Grund ist unter Androhung der Suspension und des Ausschlusses verboten.“ 18./19. September 2004 Die FIFA verbindet ihr Engagement gegen Rassismus mit dem Weltfriedenstag der Vereinten Nationen (dritte FIFA-Tage gegen Diskriminierung). 6. Oktober 2004 Erlass des Ethikreglements Das FIFA-Exekutivkomitee verabschiedet das von der Kommission für Ethik und Fairplay verfasste Ethikreglement. Dieses wurde 2012 wie folgt überarbeitet: Artikel 23: Diesem Reglement unterstellten Personen ist es verboten, ein Land, eine Privatperson oder eine Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äusserungen oder Handlungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Ethnie, nationale oder soziale Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politische Meinung oder andere Meinung, Wohlstand, Geburt oder sonstigen Status, sexuelle Neigung oder aus anderen Gründen in ihrer Würde oder Integrität zu verletzen. http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/01/10/77/47/codeofethics2012d.pdf Juni 2005 Die Halbfinalpartien des FIFA Konföderationen-Pokals in Deutschland und die Viertelfinalspiele der FIFA Junioren-Weltmeisterschaft in den Niederlanden stehen im Zeichen der Kampagne „Nein zu Rassismus“ (vierte FIFA-Tage gegen Diskriminierung). 30. Juni und 1. Juli 2006 Die Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ bilden den Rahmen für die fünften FIFA-Tage gegen Diskriminierung und bieten dem Kampf gegen Rassismus im Fussball damit die bestmögliche Plattform. In allen zwölf Stadien stehen speziell ausgebildete Sicherheitsbeauftragte im Einsatz, die rassistische, politische oder anderweitig diskriminierende Botschaften aufspüren sollen. Die Fanbotschaften engagieren sich ebenfalls gegen Rassismus. 2007 Die FIFA U-20-Weltmeisterschaft in Kanada ist Schauplatz der sechsten FIFA-Tage gegen Diskriminierung. 4. Dezember 2008 Im Rahmen der Halbfinalspiele der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft in Chile werden die siebten FIFA-Tage gegen Diskriminierung gefeiert. 2009 Die Bestimmung zu Diskriminierung im Ethikreglement wird geändert. Art. 7 – Diskriminierung: Offiziellen ist es verboten, eine Person oder eine Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äusserungen oder Handlungen in Bezug auf Herkunft, Rasse, Hautfarbe, Kultur, Sprache, Religion oder Geschlecht zu verletzen. 25./26. Juni 2009 Die Halbfinalspiele des FIFA Konföderationen-Pokals in Südafrika bieten dem Weltfussballverband die Bühne für die achten FIFA-Tage gegen Diskriminierung. 30. Juni und 1. Juli 2010 Die neunten FIFA-Tage gegen Diskriminierung im Rahmen der Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ rücken den Kampf gegen Rassismus im Fussball weltweit ins Rampenlicht. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Datum Veranstaltung/Massnahme 7. Juli 2011 Die Erklärung gegen Rassismus, die beim ausserordentlichen FIFA-Kongress 2001 in Buenos Aires verabschiedet wurde, feiert ihren 10. Geburtstag. 13. Juli 2011 Die Halbfinalspiele der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ in Deutschland (Japan – Schweden, USA – Frankreich) stehen im Zeichen der zehnten FIFA-Tage gegen Diskriminierung. 10. November 2012 Die elften FIFA-Tage gegen Diskriminierung fallen auf die FIFA Futsal-Weltmeisterschaft in Thailand. Im Achtelfinale zwischen dem zweifachen Weltmeister Spanien und Gastgeber Thailand verurteilt der Fussball jede Form von Diskriminierung – von Rassismus bis zu religiösen Vorurteilen. März 2013 FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung Präsident Blatter gibt die Gründung einer FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung bekannt. http://de.fifa.com/aboutfifa/socialresponsibility/news/newsid=2040421/ 6. Mai 2013 Die neu geschaffene FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung trifft sich am FIFA-Sitz in Zürich zu ihrer ersten Sitzung. Hauptthema sind Sanktionen. http://de.fifa.com/aboutfifa/socialresponsibility/news/newsid=2074778/ 31. Mai 2013 Der 63. FIFA-Kongress unter dem Vorsitz von FIFA-Präsident Joseph S. Blatter verabschiedet die FIFA-Resolution gegen Rassismus und Diskriminierung. Diese basiert auf den Grundsätzen Aufklärung, Prävention und Bestrafung (inkl. sportlicher Sanktionen wie Punktabzug und Zwangsabstieg). http://de.fifa.com/about-fifa/news/y=2013/m=5/news=exekutivkomitee-befurwortet-resolution-gegen-rassismusund-diskriminieru-2085782.html 26./27. Juni 2013 Bei den Halbfinalspielen des FIFA Konföderationen-Pokals Brasilien 2013 machen beide Teams vor dem Spiel auf dem Spielfeld unmissverständlich deutlich, dass Rassismus im Fussball keinen Platz hat. 12. September 2013 Wichtigste Themen bei der zweiten Sitzung der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung am FIFASitz in Zürich sind Prävention und Aufklärung. http://de.fifa.com/fifa-world-ranking/news/y=2013/m=9/news=arbeitsgruppe-diskutiert-aufklarung-und-umsetzungder-antidiskriminierun-2172849.html 4./5. Juli 2014 Im Rahmen der Viertelfinalspiele der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ feiert die Fussballgemeinschaft die 13. FIFA-Tage gegen Diskriminierung. Neben dem besonderen Spielprotokoll gegen Diskriminierung lanciert die FIFA in den sozialen Medien eine interaktive Kampagne, um dieses bedeutsame Anliegen in den Blickpunkt zu rücken. http://de.fifa.com/worldcup/news/y=2014/m=7/news=dwight-yorke-supports-anti-discriminationdays-2398366-2398723.html http://de.fifa.com/worldcup/news/y=2014/m=6/news=saynotoracism-mit-einem-selfie-2354912.html 2. Dezember 2014 Die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung trifft sich am FIFA-Sitz in Zürich zu ihrer dritten Sitzung. http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2014/m=12/news=fifa-starkt-uberwachung-und-pravention-vondiskriminierung-im-fussball-2487341.html 6. März 2015 Im Rahmen des Weltfrauentags organisiert die FIFA in Zürich eine Frauenfussball- und Führungskonferenz. Diese bietet Referate und Diskussionen zu Gleichberechtigung und Diskriminierungsbekämpfung. http://de.fifa.com/womens-football/news/y=2015/m=3/news=fussball-experten-formulieren-notwendigkeit-vonfrauenquoten-2555758.html 12. Mai 2015 Zur Vorrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ wird im Londoner Wembley-Stadion das FIFA-Beobachtungssystem für Antidiskriminierung vorgestellt. http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2015/m=5/news=diskriminierungsbeobachtung-bei-qualifikationsspielender-fifa-fussbal-2604237.html http://resources.fifa.com/mm/document/afsocial/anti-racism/02/60/42/16/fifaanti-discriminationmonitoringsystem_ summary_may2015_neutral.pdf Juni 2015 Programm zur Förderung weiblicher Führungskräfte 35 talentierte Frauen aus der ganzen Welt nehmen am neunmonatigen Programm teil, das drei praxisbezogene Module umfasst. Ein zentrales Element dabei sind individuelle, von den Teilnehmerinnen gewählte Projekte als Triebfeder für den Mädchen- und Frauenfussball in ihrem Mitgliedsverband. Oktober 2015 Der FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung wird präsentiert. 23 24 Teil I / Einleitung und Zielsetzung 6 Vielfalt und Diskriminierung – eine Annäherung 6.1 Was bedeutet Diskriminierung? Grundlage für Art. 3 der FIFA-Statuten zur Nicht-Diskriminierung und zum Kampf gegen Rassismus ist neben diversen Menschenrechtsabkommen vor allem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Diese formuliert darüber hinaus für alle Menschen deutlich den „Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung [–] und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung“ (Art. 7). Der Begriff Diskriminierung umfasst gemeinhin Herabwürdigungen und Benachteiligungen von Gruppen und Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder angenommenen Attribute. Diskriminierung manifestiert Ungleichheit und soziale „Jegliche Diskriminierung eines Landes, einer Einzelperson oder von Personengruppen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen Grund ist unter Androhung der Suspension und des Ausschlusses verboten.“ (FIFA-Statuten, Art. 3: Nicht-Diskriminierung und Kampf gegen Rassismus) FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Ausgrenzung. Solche Herabwürdigungen und Benachteiligungen umfassen verbale und körperliche Handlungen ebenso wie eine fehlende Gleichberechtigung im Zugang zum gesellschaftlichem Leben und seinen Institutionen. Diskriminierung kann beabsichtigt, aber auch unbeabsichtigt geschehen. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen in unterschiedlichen Ländern kann zur Definition von einzelnen, in den FIFA-Statuten formulierten Diskriminierungsformen an dieser Stelle lediglich auf die Der englische Nationalspieler John Barnes sah sich auf dem Rasen oft mit Rassismus konfrontiert. In den 1980er-Jahren wandte er sich als einer der ersten prominenten Spieler öffentlich gegen Rassismus. entsprechenden Resolutionen und Berichte der Vereinten Nationen verwiesen werden. Wenn es um Vielfalt und Antidiskriminierung geht, hat die FIFA eine lange Tradition. Nach den Vereinten Nationen war sie eine der ersten internationalen Organisationen, die bereits 1960 beim FIFA-Kongress in Italien folgenden Art. 2 in ihre Statuten aufnahm: „Der Nationalverband muss allen, die im Land Fussball spielen, ohne Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Religion oder der Politik oder aufgrund von Klassenzugehörigkeit (d. h. Amateur, Nichtamateur 25 26 Teil I / Einleitung und Zielsetzung oder Berufsspieler) offenstehen. Kraft Verabschiedung dieser beiden Grundsätze können fortan nur Verbände, die diese Grundsätze befolgen, FIFA-Mitglieder werden.“ 6.2 Was bedeutet Vielfalt für den Fussballverband? Vielfalt bedeutet Bereicherung. Die Vielfalt der Kulturen ist das notwendige Erbe der Menschheit. Die Akzeptanz, der Austausch darüber und das Lernen davon sichert Überleben und entwickelt die Menschheit weiter. Das gilt auch für den Fussball. Vielfalt schafft Chancen und Möglichkeiten, lässt Kreativität und Innovation entstehen. Ohne all dies wäre auch der Fussball nicht so trickreich und rasant, so strategisch ausgefeilt. Ohne dies wäre Fussball heute nicht so erfolgreich, sondern berechenbar und monoton. Weil er genau dies nicht ist, sondern vielfältig, lieben wir den Fussball als Sport. Gruppen haben vielfältige Merkmale, ihre individuellen Mitglieder ebenso. Gleichheit in Vielfalt existiert, wenn niemand seine eigene Freiheit über die eines anderen stellt. Vielfalt lebt, wenn niemand seine eigene Freiheit zur Unterdrückung oder zum Ausschluss eines anderen benutzt. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Wünsche und Hoffnungen. Je nach ihrer Lebensgeschichte treibt sie Unterschiedliches an. Sie haben vielfältige Erwartungen, Fähigkeiten, Verantwortungen und Bedürfnisse. All das spiegelt sich unterbewusst auch auf und um den Fussballplatz wider. All das lässt jeden Menschen etwas Eigenes zum Ganzen beitragen. Alle Menschen gleichermassen und fair zu behandeln, zielt darauf ab, sie in all diesen Eigenschaften wahrzunehmen, diese zu respektieren und sich im gemeinsamen Miteinander entsprechend zu verhalten. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung gemalten oder gedruckten Bannern von Fussballfans. Sie zeigt sich auf verklebten Stickern und auf Aufnähern. Ebenso gibt es in einigen Ländern explizite Kleidung und Marken, die von und für aggressiv nationalistisch gesinnte, rechtsextrem geleitete Menschen produziert wird. Es gilt, den individuellen Wert eines jeden Menschen zu erkennen und wertzuschätzen – sich selbst zu hinterfragen. So können die Potenziale der Menschen produktiver genutzt und miteinander verknüpft werden. 6.3 Beispiele zu Diskriminierung im Fussball Leider hat Diskriminierung im Fussball viele Gesichter. Diskriminierung passiert offen oder versteckt, laut und leise. Diskriminierung kann sich auch in Gewalt äussern, was wiederum nicht heisst, dass alle gewalttätigen Fussballfans gleichzeitig diskriminierende Personen oder gar Rechtsextreme sind. Ausprägungen von Diskriminierung können sich verändern und modernisieren. Offensichtlich wird Diskriminierung in eindeutigen Gesten und Rufen, auf Fare network stellt dazu eine online verfügbare Broschüre bereit, die laufend aktualisiert wird. Aufgrund des Hausrechts am Spieltag hat der Veranstalter von Fussballspielen die Möglichkeit, Personen, die solche diskriminierende Symbole und Codes verwenden, zu verbannen. Aber auch jenseits der Zuschauertribünen kann Diskriminierung stattfinden. Spieler und Trainer können z. B. andere Spieler und Trainer durch Aussagen und Handlungen diskriminieren. Viele davon wurden von den zuständigen Instanzen ermahnt oder bestraft. Manche Aussagen und Handlungen prominenter Figuren des Fussballs lösen eine zweischneidige öffentliche Debatte aus. Häufig werden Aussagen oder Handlungen, die betroffene Personen z. B. als sexistisch, rassistisch, antisemitisch oder homophob empfinden, von den auslösenden Personen nicht als solche bewertet. Hierbei ist es ratsam, Menschen, die Diskriminierung fühlen, ernst zu nehmen und der Sache auf den Grund zu gehen und im Zweifelsfall zu vermitteln. 27 TEIL II STRATEGISCHER GESAMTANSATZ ZUR FÖRDERUNG VON VIELFALT UND BEKÄMPFUNG VON DISKRIMINIERUNG IM FUSSBALL 30 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 7 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Reglementierung Nachfolgend werden die genannten fünf Aktionssäulen der FIFA für ihre Mitgliedsverbände detailliert beschrieben. Beispiele, die in diesem Kapitel genannt werden, sind aus den FIFA-Mitgliedsverbänden und den Kenntnissen der FIFA um Praktiken in den Vereinen bekannt. Am Ende jedes Unterkapitels finden sich Beispiele aus den Verbänden. Aber auch die Darstellung der FIFA-Arbeit für Vielfalt und Antidiskriminierung öffnet den Verbänden Türen, um eine lokale Aneignung zu fördern. Die Organisationspolitik eines Mitgliedsverbands legt den Grundstein für eine in sich geschlossene und erfolgversprechende Reglementierung zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie formuliert eine rechtlich einheitliche Basis, auf der die Mitarbeiter aller Abteilungen und die Kommissionen agieren können. Dies gilt für den Bereich der Kommunikation genauso wie für den der Sanktionen, der Bildung oder der Netzwerkarbeit und Kooperation. Andersherum kann auch die Praxis Veränderungsvorschläge generieren, um Reglementierungen der Vereine und Ligen zu modifizieren. Der Platz, um Beispiele in der gebotenen Breite darzustellen, ist leider begrenzt. Die FIFA plant, ihren Mitgliedsverbänden in Zukunft weitere Beispiele online zur Verfügung zu stellen. Damit dies qualitätsgerecht passieren kann, können alle FIFA-Mitgliedsverbände ihre Ideen und Erfahrungen einreichen. Am Beispiel der FIFA lässt sich dies strukturell beleuchten. Leitdokument für die Hauspolitik eines Verbandes ist dabei Art. 3 der FIFA-Statuten, aus dem sich das FIFA-Ethikreglement und der FIFA-Verhaltenskodex ableiten. Massgeblich beeinflussen die Statuten auch Aufbau und Wortlaut des FIFA-Disziplinarreglements sowie des FIFA-Präsident Blatter unterzeichnet die Brighton Plus Helsinki Declaration on Women and Sport. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Das Home of FIFA, Zürich, Schweiz. FIFA-Reglements für Stadionsicherheit. Dank dieser Struktur kann vor allem die FIFA-Nachhaltigkeitsabteilung im Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung verlässlich Initiative ergreifen. Ein Verband hat aus sportlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen ein Interesse daran, Fussball als Spiel des internationalen Austauschs auf all seinen Ebenen weltoffen und zugänglich für jeden Menschen zu gestalten. Der erste Schritt dazu ist es, diskriminierende Vorfälle nicht zu ignorieren oder herunterzuspielen, sondern sie proaktiv zu prüfen. Nur dann kann glaubwürdig und nachhaltig agiert werden. Wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung ist, wenn sich Vielfalt auch in der personellen Zusammensetzung der eigenen Orga- nisation widerspiegelt. Mit ihrer ersten Frauenfussball- und Führungskonferenz 2015 und der dortigen Unterzeichnung der Brighton Plus Helsinki 2014 Declaration on Women and Sport durch FIFA-Präsident Joseph S. Blatter hat die FIFA einmal mehr unterstrichen, dass sie bereit ist, den nötigen Weg zu beschreiten. 7.1 Disziplinarreglement Um einem Mitgliedsverband auf sportjuristischer Stufe eine praktische Handlungsebene zur Reaktion auf diskriminierende Vorfälle im Fussball und in seinem direkten Umfeld zu eröffnen, sind strikte Sanktionen zu empfehlen. So demonstriert ein Verband allen Akteuren, dass er zum Handeln bereit ist. Vielfalt und Antidiskriminierung durch Reglementierung Disziplinarreglement Sicherheit Beschäftigung und Einstellungsverfahren Beauftragter 31 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 7.2 Sicherheit in und um Stadien Spieler, Trainer, Offizielle und Zuschauer müssen in und um Stadien vor Diskriminierung geschützt werden. Verlässliche Regeln zur Stadionsicherheit wirken präventiv. Darüber hinaus legen sie fest, wie in akuten Situationen von Diskriminierung eingeschritten werden kann. Dies betrifft die Hauptverantwortlichen für Sicherheit bis hin zum Ordnungsdienst und zu den Stadionsprechern. Dazu beinhaltet das FIFA-Reglement für Stadionsicherheit eine zu empfehlende Risikobeurteilung durch die relevanten Sicherheitskräfte (Art. 7). Sie ermöglicht es, eventuelle diskriminierende Aspekte vorher zu lokalisieren und sich darauf gezielt vorzubereiten. Des Weiteren können im Reglement zur Stadionsicherheit auch bauliche Aspekte Berücksichtigung finden, die ein barrierefreies Stadionerlebnis ermöglichen. Anhang C des FIFA-Reglements für Stadionsicherheit weist den Weg zu einem empfehlenswerten Antidiskriminierungsparagrafen als Teil von Spieltags- und Musterstadionordnungen. So wurden Karteninhaber in einem Verhaltenskodex für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ darauf hingewiesen, dass „Materialien mit beleidigendem, rassistischem, fremdenfeindlichen, auf Wohltätigkeits- oder ideologische Belange bezogenem Inhalt, Aus FIFADisziplinarreglement onsicherhe it FIFAment Ethikregle gabe 2012 Ausgabe 2011 A Reglement für Stadi Diese Regelungen sollten transparent kommuniziert werden. Das gilt gegenüber den Spieloffiziellen genauso wie gegenüber den Stadionbesuchern. Dazu könnten Strafgelder so verwendet werden, dass sie der sozialen Verantwortung im Fussball zugutekommen. Werden diese Punkte im Umgang mit dem Disziplinarreglement befolgt, entfalten sie nicht nur reaktive, sondern auch präventive Wirkungen und sozialverantwortliche Förderung. Eine Vorlage für Reaktionen auf diskriminierende Vorfälle formuliert insbesondere Art. 58 (Diskriminierung) des FIFA-Disziplinarreglements. Aber auch grundlegende Passagen der dortigen Art. 57 (Ehrverletzung und Fairplay) und 67 (Haftung für das Verhalten von Zuschauern) steuern hierzu entsprechende Kriterien bei. Sie werden im Kapitel zu Vielfalt und Antidiskriminierung durch Sanktionen in diesem Good Practice Guide detailliert ausgeführt (Kap. 8). ziplinarreglement 32 einschliesslich u. a. Transparente, Fahnen, Schilder, Symbole und Flugblätter, sowie Gegenstände und Kleidung, die die Freude anderer Zuschauer am Turnier beeinträchtigen, vom sportlichen Fokus des Turniers ablenken oder irgendeine Form von Diskriminierung fördern könnten“, verboten sind. Um präventiv zu handeln und in den entscheidenden Situationen verhaltenssicher einzugreifen, sollten je nach örtlicher Gesetzeslage staatliche Organisationen einbezogen werden. Das gilt für ihre polizeilichen wie auch für ihre sozialpräventiven Kräfte. So lässt sich Sicherheit hinsichtlich diskriminierender Vorfälle eher gewährleisten. 7.3 Beschäftigung und Einstellungsverfahren Innerhalb eines Mitgliedsverbands eine sozial inklusive Beschäftigungspolitik zu betreiben, bedeutet, ein respektvolles, solidarisches Verständnis zwischen den Mitarbeitern zu kreieren. Sie regelt den harmonischen, von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Umgang miteinander. Dies wirkt sich nicht nur erfolgreich auf die Arbeit des Mitgliedsverbands aus, sondern auch auf sein äusseres Erscheinungsbild und die Art von Kooperation. Der Verhaltenskodex der FIFA gibt ein Beispiel zur Sicherung der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter (Art. 3). Unter den dort aufgeführten elf Verhaltensgrundsätzen der FIFA-Familie bilden Integrität und ethisches Verhalten, Respekt und Würde sowie Nulltoleranz gegenüber Diskriminierung und Belästigung die drei Punkte, die Vielfalt und Antidiskriminierung erfassen. Neubeschäftigte werden über diese Grund- FIFA-Regleme nt für Stadions icherheit FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung lagen informiert und erhalten dazu z. B. eine Richtlinie gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz. Ein Verhaltenskodex, der Vielfalt und Antidiskriminierung in einschlägiger Weise berücksichtigt, wirkt sich ebenso auf die Einstellungspolitik aus. Mit jeglichen Limitierungen aufgrund einer angenommenen Rasse, aufgrund von Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand, sexueller Orientierung oder aus einem anderen Grund würde man seinen Talente-Pool beschneiden. Die Leistungsstärke sowie die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Verbands wären somit eingeschränkt. Können unterschiedliche persönliche Hintergründe und Fähigkeiten gleichberechtigt einfliessen, bereichern sie die eigenen Arbeitsweisen. Insofern macht es Sinn, schon in einer Stellenausschreibung die eigene weltoffene und sozial inklusive Haltung hervorzuheben. Werden neue Mitarbeiter gesucht und neue Arbeitsplatzbeschreibungen kreiert, sollte die Zusammensetzung des bestehenden Teams bedacht werden, um eine teamfördernde Vielfalt zu sichern. Verbände sollten sich bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter versichern, dass sie Vorurteile oder andere Ausschlussgründe vermeiden, die Art. 3 der FIFA-Statuten zu Nicht-Diskriminierung und zum Kampf gegen Rassismus betreffen. 7.4 Beauftragter für Vielfalt und Antidiskriminierung Um die eigene Strategie zu bündeln, kann es für einen Mitgliedsverband entscheidend sein, einen Ansprechpartner für Vielfalt und Antidiskriminierung zu ernennen. Zum einen sichert ein Verband so die innere Koordination seines Engagements. Zum anderen signalisiert er seine kontinuierliche Zuständigkeit, die nötige Expertise sowie eine nachhaltige Aussage in der Öffentlichkeit gegenüber den Sponsoren und weiteren Partnern. Die eigenen Vereine erhalten damit eine Kontaktstelle, an die sie sich bei Fragen zur sozialen Inklusion im Fussball wenden können. Auch der internationale Austausch zu Vielfalt und Antidiskriminierung bekommt ein Gesicht, ebenso wie die diesbezügliche Vernetzung mit der eigenen Konföderation und der FIFA. 33 34 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Ein solcher Beauftragter sichert, dass zwischen allen fünf genannten Säulen der Verbandsarbeit zu Vielfalt und Antidiskriminierung eine Balance entstehen kann. Ebenso kann dieser Beauftragte sicherstellen, dass alle Formen und Ausprägungen von Diskriminierung im Fussball ihre Berücksichtigung in der Entwicklung der Strategie und der Aktionen des Verbands finden. Der Antidiskriminierungsbeauftragte bereitet Trainingskurse für Trainer und Schiedsrichterteams vor, sichtet mögliche Aktionen, Projekte und Kooperationspartner, verfasst Jahresfortschrittsberichte und beantwortet externe Anfragen. Darüber hinaus kann die beauftragte Person zu Einladungsveranstaltungen gesandt werden, wo sie kompetent die Position und die Aktionen des Verbands zu Vielfalt und Antidiskriminierung inhaltlich und öffentlichkeitswirksam stärkt. Organisationsintern sammelt die zuständige Person zunächst Hintergrundwissen. Dann kann sie Vorschläge zur Optimierung der eigenen Organisationspolitik machen. Sie kann die Zuständigen für Öffentlichkeitsarbeit mit der Perspektive von Vielfalt und Antidiskriminierung beraten. Beauftragte für Vielfalt und Antidiskriminierung können auch als Ansprechpartner im Mitarbeiterkreis eingesetzt werden, mit dem Mitarbeiter vertrauensvoll ihr kreatives Feedback und auch Krisen in Bezug auf soziale Inklusion besprechen können. 7.5 Beispiele aus der Weltfussballfamilie Beschilderung und Durchsagen für Stadionsprecher Zur Förderung der Sicherheit vor diskriminierenden Vorfällen kann bspw. eine Beschilderung angebracht werden, die auf unerwünschte, diskriminierende Symbole, Gesänge und Banner hinweist. Die Stadionbesuchenden können aktiv daran erinnert werden, dass sie sich im Falle diskriminierender Vorfälle in ihrem Umfeld an den Ordnungsdienst wenden können. Ebenso kann eine Hotline installiert werden, auf der Stadionbesuchende diskriminierende Vorfälle aus ihrem Umfeld melden können. Es können Empfehlungen für Durchsagen der Stadionsprecher formuliert werden, die im Falle diskriminierender Vorfälle bedacht und sicherheitsfördernd wirken. Einbindung in Lizenzierungsverfahren Es sind Beispiele bekannt, in denen Verbände bzw. Ligaverbände Vielfalt und Antidiskriminierung zu einem festen Bestandteil ihres Lizenzierungsverfahrens gemacht haben. Denkbar ist z. B. ein zwingender Antidiskriminierungsparagraf in der Vereinsordnung. Ebenso gibt es Musterstadionordnungen, die einen Antidiskriminierungsparagrafen einbauen. Gleichstellungsmassnahmen und Quoten Quoten sollten nicht nötig sein. Aber in manchen Situationen helfen sie, Chancen zu ergreifen und organisatorische Veränderungen einzuleiten. Wenn in Verbänden Quoten angewandt werden, dann nur, um sie im Laufe des nachfolgenden Etablierungsprozesses überflüssig zu machen. Vereinzelt sind Beispiele bekannt, in denen zeitweise eine Quotenregelung z. B. für Schiedsrichterteams ausprobiert wurde, die sich verstärkt aus Angehörigen von Minderheiten zusammensetzen. Ebenso gibt es Verbände, die im Sinne eines Ausgleichs versuchen, gezielt Frauen in (höheren) Verbandspositionen, z. B. als Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen, einzusetzen. Verbreitung eines Gütesiegels Verbände können ein System entwerfen, nach dem Vereinen ein Gütesiegel für Vielfalt und Antidiskriminierung zugesprochen wird. Dazu sollten die Vereine bestimmte Grundsätze in ihrer sozial inklusiven Praxis erfüllen. Die Basis einer solchen Zertifizierung bietet z. B. der in diesem Good Practice Guide vorgestellte strategische 5-Säulen-Ansatz der FIFA. Aufarbeitung der eigenen Verbandsgeschichte und Gedenkpolitik zur Förderung der organisatorischen Glaubwürdigkeit eigener Reglementierungen Es bereichert einen Mitgliedsverband mehrfach, wenn er die eigene betriebliche Vergangenheit auf eventuelle Fehler im Kontext von Diskriminierung überprüft und sich ihnen somit aktiv stellt. Daneben sollten auch die positiven Taten zusammengestellt werden. Beides zusammen stärkt nicht nur nach innen die Glaubwürdigkeit und die soziale Identität der eigenen Organisation, sondern wirkt sich mittelfristig auch positiv auf gegenwärtige und zukünftige Kooperationspartner aus. Bei der Aufarbeitung FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung der eigenen Vergangenheit geht es darum, sich eines eigenen Missverhaltens in der Verbands- oder Vereinsgeschichte bewusst zu werden, um es in Zukunft auszuschliessen und auch nach aussen hin authentisch zu vermeiden. Zur Aufarbeitung der Vergangenheit gehören Veranstaltungen wie thematisch damit verknüpfte Podiumsdiskussionen. Veröffentlichungen von Erklärungen oder Büchern sind genauso möglich wie die Beauftragung unabhängiger Historiker mit einem Gutachten. Es kann aktiv gepflegt werden, dass ein Verband bzw. ein Verein interessierten Studierenden sein Archiv diesbezüglich zur Verfügung stellt. Jährliche Erinnerungstage, also ein würdiges Gedenken in Anerkennung, formen eine Möglichkeit, um zu vergangenheitsbewussten Aktionen zu motivieren. Turniere oder Preise können den Namen einer Persönlichkeit tragen, die in der Vergangenheit für Vielfalt und Antidiskriminierung stand. Vertrauenspersonen Es können Vertrauenspersonen für Vielfalt und Antidiskriminierung ernannt werden, die z. B. auch für Fragen im Zusammenhang mit rassistischer oder sexueller Belästigung zur Verfügung stehen. Die Namen und Kontaktdetails dieser Personen werden periodisch und auf Anfrage allen Verbandsmitarbeitern mitgeteilt. Solche Personen sollten speziell geeignet sein und einer Schweigepflicht unterliegen. Zu ihren Aufgaben sollte es gehören, • die betroffene Person anzuhören, zu beraten und zu unterstützen, • auf Wunsch der betroffenen Person und in Zusammenarbeit mit ihr Massnahmen durchzuführen, um den Belästigungen, Bedrängungen, Verleumdungen etc. ein Ende zu setzen, z. B. mittels Gespräch mit der belästigenden Person und den zuständigen Vorgesetzten, • die betroffene Person über die strafbzw. zivilrechtlichen Möglichkeiten zu informieren, • auf Wunsch der betroffenen Person oder gemeinsam mit ihr höhere Instanzen innerhalb des Verbands zu informieren und eine Untersuchung der Vorkommnisse zu verlangen, • die Beschwerdekommission auf deren Verlangen hin jährlich in anonymer Form über die Anzahl von Konsultationen und – im Hinblick auf die Ergreifung etwaiger Verbesserungsmassnahmen – über den wesentlichen Inhalt ihrer Beratungstätigkeit zu informieren. Die zuständige Beschwerdekommission sollte in Bezug auf Gleichstellung ausgeglichen besetzt sein. 35 38 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 8 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kontrollen und Sanktionen Kontrollen und Sanktionen sind bedeutende Aspekte, wenn es darum geht, die rechtlichen Grundlagen umzusetzen. Eine Situation, in der ein Spieler oder ein Team möglicherweise den Platz verlässt, weil diskriminierende Handlungen erlebt werden, sollte gar nicht erst passieren. Deshalb ist die sicherheitsspezifische Vor- und Nachbereitung, dementsprechend also die Kooperation der relevanten Verbandsabteilungen und Spieloffiziellen, besonders am bzw. nach einem Spiel von entscheidender Bedeutung. Dem zugrunde liegen sollte, dass Art. 3 der FIFA-Statuten Teil von Verbandsregeln ist. Der FIFA geht es nicht darum, Leidenschaft und die daran geknüpften Emotionen aus dem Stadion zu verbannen. Sanktioniert und verbannt werden sollen lediglich diskriminierende Herabwürdigungen. Wird eine weltoffene Willkommensatmosphäre geschaffen, kann positive Leidenschaft friedlich und miteinander entstehen. Um einem Mitgliedsverband hier Handlungssicherheit zu verschaffen, müssen eindeutige Kategorien für Diskriminierung bestimmt werden. Der entsprechende sportgesetzliche Rahmen, inklusive der damit verknüpften Sanktionen, sollte den Spielern, Trainern und Offiziellen, aber auch den Zuschauern vor einem Spiel bewusst sein. 8.1 Verfahren für Spiele: Erkennung von Risikospielen Die FIFA versucht nach Möglichkeit, Risikospiele mit Diskriminierungspotenzial sechs bis zehn Wochen vor Spielbeginn zu lokalisieren. Die Erkennung von Risikospielen involviert nicht nur alle in den FIFA-Statuten genannten Diskriminierungsformen, sondern auch vielfältige Bewertungskriterien. Einzubeziehen sind gemeinsame Bezugspunkte der Geschichte der beteiligten Länder bzw. Teams, genauso wie aktuelle geopolitische Einschätzungen. Ebenso wird der Grad des Wettbewerbs bei der Einschätzung berücksichtigt. Hierzu zählt die Bedeutung des Wettbewerbs genauso wie z. B. Rivalitäten, die sich aufgrund eines aktuellen Turnier- bzw. Wettbewerbsstands ergeben könnten. Besonders zu berücksichtigen ist, wenn es in einer früheren Partie zweier Teams bereits diskriminierende Vorfälle gegeben hat. Hinzu kommt eine Bewertung gegenwärtiger Fankulturen, insbesondere im Hinblick auf historische und aktuelle Rivalitäten oder z. B. auf besondere Ereignisse, die aus Sicht der Fans mit einem jeweiligen Spielort verknüpft werden könnten. Kenntnisse über den Einfluss von organisierten Gruppen aus einem diskriminierenden Milieu auf die Fanszenen sind hier nützlich. Vielfalt und Antidiskriminierung durch Sanktionen Identifikation von Risikospielen Spielbeobachtung Schiedsrichterpflichten Training von Spieloffiziellen und Ordnungsdienst Befolgung rechtlicher Grundlagen FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Lionel Messi (ARG) richtet sich vor dem Viertelfinale der FIFA FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™ gegen Diskriminierung im Fussball. Zu beachten ist ebenfalls, wie viele Fans, insbesondere Auswärtsfans, zu einem Spiel erwartet werden. Zusätzlich könnten die Konföderationen vor den Spielen ihrer Wettbewerbe auch Einschätzungen zur Zusammensetzung der Fans einholen. Über die o. g. Möglichkeiten hinaus geben Mitgliedsverbände bekannt, dass sie präventive Einschätzungen zu Diskriminierung vor den Spielen auch mit Hilfe der Vereine, der Polizei, externer Experten und einer Medienanalyse vornehmen, um ihren Sicherheitsplan dementsprechend einzustellen. 8.2 Beobachtung diskriminierender Vorfälle (Spielbeobachter für Antidiskriminierung) Mit dem Ziel, die Schiedsrichterteams zu entlasten und die Verfügbarkeit von Beweislagen für die Entscheidungen rechtsprechender Organe zu optimieren, stimmte der 63. FIFA-Kongress 2013 in seiner Resolution zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung der Einführung von Antidiskriminierungsbeobachtern zu. Mit dem Beginn der Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ identifiziert die FIFA in Kooperation mit der Organisation Fare network Spiele, die ein Risiko in Sachen Diskriminierung bergen können. Bei diesen Risikospielen setzt die FIFA Spielbeobachter für Antidiskriminierung ein. Diese werden von der FIFA und Fare network rekrutiert, trainiert und eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, der FIFA auf einer sicheren Beweisgrundlage diskriminierende Vorfälle zu melden. Nach den Erfahrungen der CONCACAF und der UEFA mit einem entsprechenden Beobachtungssystem ist es ratsam, dass die Konföderationen und Verbände in den Wettbewerben, für die sie verantwortlich sind, ebenso Antidiskriminierungsbeobachter einführen. 2013: Tokyo Sexwale, Menschenrechtler und Gründer der Organisation Global. 39 40 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 8.3 Schiedsrichterpflichten Es ist ratsam, Handlungsanweisungen für Schiedsrichterteams stets weiterzuentwickeln, um ihnen die nötige Grundlage für ein sicheres Verhalten im Falle diskriminierender Vorfälle verbaler oder physischer Art zu bieten. Dies bezieht sich auf die Beteiligung von Spielern und Trainern an diskriminierenden Handlungen bis hin zu anderen Spieloffiziellen und den Zuschauern. Generell lässt sich an dieser Stelle auf die Regel 5 –Schiedsrichter verweisen, die es dem Schiedsrichter auferlegt, „disziplinarische Massnahmen gegen Spieler zu ergreifen, die ein verwarnungs- oder feldverweiswürdiges Vergehen begangen haben“. Es folgt, dass er „Verwarnungen und Platzverweise auch während der Pause, nach dem Schlusspfiff, während der Verlängerung und während des Elfmeterschiessens aussprechen kann, da er auch dann die Entscheidungsgewalt über das Spiel besitzt“. Ergänzend heisst es ebenso: „Der Schiedsrichter hat auf Hinweis eines Schiedsrichterassistenten über Ereignisse zu entscheiden, die er selbst nicht gesehen hat.“ Darüber hinaus heisst es in Regel 5 eindeutig: „Der Schiedsrichter hat die Partie bei jedem Eingriff von aussen zu unterbrechen, vorübergehend auszusetzen oder ganz abzubrechen.“ Dies bezieht sich auch auf das Verhalten von Zuschauern. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 2014: Claudio Sulser (links), Vorsitzender der FIFA-Disziplinarkommission, informiert die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung über Sanktionen zur FIFA FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™. Darüber hinaus hat er „Massnahmen gegen Teamverantwortliche zu ergreifen, die sich nicht verantwortungsbewusst verhalten, wobei er sie vom Spielfeld und dessen unmittelbarer Umgebung entfernen lassen darf“. 8.4 Training von Spieloffiziellen und Ordnungsdienst Jede Region produziert unterschiedliche, sich stets entwickelnde Symbole und Codes, Rufe und Gesänge, die Diskriminierung offen und versteckt zum Ausdruck bringen. Dementsprechend ist es ratsam, z. B. die Spielkommissare und Sicherheitsbeauftragten, aber ebenso den Ordnungsdienst für mögliche Diskriminierungsvorfälle zu sensibilisieren. Hierzu kann eine Broschüre entwickelt werden, die den aktuellen Stand der diskriminierenden Ausdrucksformen zusammenfasst und besonnene Reaktionen und Kooperationen je nach regionaler Erfahrung und Kenntnis aufzeigt. 8.5 Beispiele zur Befolgung rechtlicher Grundlagen Art. 57 des FIFA-Disziplinarreglements spricht sich gegen Ehrverletzung und für Fairplay aus. Er besagt: „Wer auf irgendeine Weise, insbesondere durch beleidigende Gesten oder Äusserungen, eine andere Person in ihrer Ehre verletzt oder wer die Prinzipien des Fairplay oder der Sportlichkeit verletzt, kann mit Sanktionen gemäss Art. 10 ff. belegt werden.“ Art. 58 liefert dann das Diskriminierungsverbot: „Wer die Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äusserungen oder Handlungen … verletzt, wird für mindestens fünf Spiele gesperrt.“ Dazu kommen ein Stadionverbot und eine Geldstrafe von mindestens CHF 20 000. Bei einem Offiziellen beträgt die Geldstrafe mindestens CHF 30 000 (siehe Art. 58 Abs. 1 lit. a). Art. 58 ergänzt in Abs. 1 lit. b: „Verletzen mehrere Personen (Offizielle und/oder Spieler) desselben Klubs oder Verbandes gleichzeitig Abs. 1 lit. a oder liegen anderweitige gravierende Umstände vor, können der betreffenden Mannschaft bei einem ersten Vergehen drei Punkte und bei einem zweiten Vergehen sechs Punkte abgezogen werden; bei einem weiteren Vergehen kann ein Zwangsabstieg in eine tiefere Spielklasse erfolgen. In Spielen ohne Punktevergabe kann ein Ausschluss aus dem Wettbewerb ausgesprochen werden.“ Liegt der Auslöser eines diskriminierenden Vorfalls bei der Anhängerschaft eines Teams, so wird der entsprechende Verband mit einer Geldstrafe von mindestens CHF 30 000 belegt, „ohne dass ihn ein schuldhaftes Verhalten oder ein schuldhaftes Unterlassen trifft“ (siehe Art. 58 Abs. 2 lit. a). Schwerere Vergehen können zusätzliche Sanktionen nach sich ziehen. Dies kann die Austragung eines Spiels unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein. Ebenso können schwere Vergehen im Hinblick auf Diskriminierung eine Forfait-Niederlage, 41 42 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball einen Punkteabzug oder den Ausschluss aus einem Wettbewerb zur Folge haben. Art. 58 Abs. 3 bezieht sich auf die individuellen Auslöser des Vergehens: „Zuschauer, die Abs. 1 lit. a dieses Artikels verletzen, werden mit mindestens zwei Jahren Stadionverbot belegt.“ Im Sinne der Harmonisierung von Regelungen sollte, angelehnt an Art. 146 Abs. 2 des FIFA-Disziplinarreglements, Art. 58 zu Diskriminierung von den FIFA-Mitgliedsverbänden übernommen werden. 8.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie Installation eines Identifikationssystems zu Risiken Zunächst ermitteln Vereine, Teams – evtl. unter Mitwirkung der Polizei – die Risikospiele nach den o. g. Kriterien. Hinzugezogen werden können externe Experten aus staatlichen und/oder nicht staatlichen Organisationen, z. B. in einem Risikobeirat. Am Ende werden ausgebildete Spielbeobachter für Antidiskriminierung bei den festgelegten Risikospielen eingesetzt. Dabei kann es vorkommen, dass ein Spiel zwei solche Spielbeobachter erfordert, um die entsprechenden üblichen Landessprachen der jeweiligen Teams und Fangruppen sowie die Spezifika ihrer Fankulturen bei der Beweisermittlung ausreichend zu erfassen. Antidiskriminierung im Spielberichtsbogen Es gibt Beispiele aus dem Amateurbereich von Verbänden, in denen der Spielberichtsbogen modifiziert wurde. Demnach fragt der Schiedsrichter die beteiligten Mannschaften nach dem Spiel, ob ihnen während des Spiels auf dem Feld oder von den Zuschauerrängen diskriminierende Aussagen aufgefallen sind. Oder ob sie sich gar selbst in diskriminierender Weise angegriffen fühlten. Falls dies der Fall ist, kann der Schiedsrichter das in einem eigens dafür vorgesehenen Feld auf dem Spielberichtsbogen eintragen. Das entsprechende Sportgericht muss den Fall dann prüfen. So kann z. B. ein zusätzliches Feld in den Spielberichtsbogen der Schiedsrichter aufgenommen werden. Schiedsrichter können beide Spielführer, Trainer oder Teams nach einem Spiel fragen, ob jemandem Diskriminierungen auf dem Feld und von den Zuschauerrängen aufgefallen sind. Sie FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung können nachfragen, ob sich jemand von Diskriminierung betroffen fühlt. Konfliktschlichtung, Mediation, Täter-Opfer-Ausgleich und Bewährung Zusätzlich zu verhängten Verboten, aber auch im Vorfeld solcher kann der Dialog mit potenziellen und identifizierten Personen oder Gruppen unter den Fans gesucht werden. Hier gibt es Verbände, die Schulungen von Fans, aber auch von verurteilten Fans vorsehen. Dialoge, so berichten Vereine, ob zwischen Kläger und Angeklagten oder gar unter Mithilfe eines neutralen Moderators geführt, helfen, mögliche Bestrafungen nachvollziehbar zu machen. Dialoge können ebenso dabei helfen, Vergehen vorzubeugen. Sie bahnen den Weg zu aufrichtigen Entschuldigungen oder – falls sinnvoll – zu einem Täter-Opfer-Ausgleich. Es sind Beispiele diverser Vereine bekannt, in denen solche Prozesse über eine Spielsaison gedauert haben, mit monatlichen Sitzungen. Diese wurden methodisch auf die Vorfälle vor Ort angepasst. Darüber hinaus sind Modelle bekannt, in denen Stadionverbotsverfahren unterschiedliche Bewährungsmodelle zulassen. 43 46 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 9 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kommunikation Bereits vor einem Sportgerichtsverfahren kann die Meldung einer Diskriminierung zu einem viel diskutierten Vorfall werden: über die externe Medienberichterstattung und die sozialen Medien. Auch ohne eventuellen Ermittlungen vorzugreifen, kann ein Fussballverband eine solche Situation nutzen und sich positionieren. Dabei hilft es entscheidend, präventiv eine eigene proaktive Strategie zu Vielfalt und Antidiskriminierung in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. werden. Schliesslich sind es die Reglementierung, die Sanktionen, die Bildung oder Netzwerk und Kooperation als Säulen für Vielfalt und Antidiskriminierung in einem Mitgliedsverband, die das unerlässliche Bild- und Textmaterial für die Öffentlichkeitsarbeit liefern. Insgesamt sollte dabei beachtet werden, dass unterschiedliche Diskriminierungsformen systematisch, aber auch anlassbezogen aufgegriffen werden. Mögliche diskriminierende Vorfälle können fruchtbar werden, wenn der Verband der Situation angemessen seinen Standpunkt zu Vielfalt und Antidiskriminierung deutlich entgegenhält. Eigene Projekte und Konzepte sollten genauso medial platziert werden wie die Versicherung, dass Ihre Organisation aktuelle Vorfälle sorgfältig prüft und rückhaltlos dagegen vorgehen wird. Insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit ist es wichtig, sie nicht isoliert von den anderen vier genannten Hauptsäulen zu inszenieren. Positionen zur Stärkung von Vielfalt und Antidiskriminierung wirken nur, wenn sie von entsprechenden Taten begleitet Ecuadors Nationalspieler Michael Arroyo und Antonio Valencia mit dem FIFA-Hashtag #SayNoToRacism zur Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™. Vielfalt und Antidiskriminierung durch Kommunikation Branding Veröffentlichungen Botschafter Preisverleihung Veranstaltungen FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 9.1 Branding Um die Position einer Organisation zu Vielfalt und Diskriminierung einprägsam und nachhaltig in der Öffentlichkeit zu platzieren, ist ein visuelles Dach erforderlich. Das kann ein Logo sein, aber auch ein wiederkehrendes Design, das die unmissverständlichen Botschaften transportiert. Ein treffliches Motto kann so formuliert sein, dass im Wechsel unterschiedliche Diskriminierungsformen aussagekräftig berücksichtigt werden. Das Branding macht alle fünf Säulen für Vielfalt und Antidiskriminierung sichtbar und wiedererkennbar: die Politiken, die Sanktionen, die Bildung, Netzwerk und Kooperation genauso wie eben die Öffentlichkeitsarbeit. 9.2 Veröffentlichungen Öffentlichkeitsarbeit umfasst Medienverlautbarungen genauso wie die Online-Präsenz des Mitgliedsverbands. Für die kontinuierliche Sichtbarkeit des Engagements für Vielfalt und Antidiskriminierung ist ein eigener Menüpunkt oder ein Menüunterpunkt im Bereich Nachhaltigkeit o. Ä. zu Vielfalt und Antidiskriminierung auf der Homepage oder eine wiederkehrende Kolumne in der Verbandszeitung empfehlenswert. Informationen können auch vor Ort öffentlich verbreitet werden (z. B. auf Informationswänden, in Unterhaltungsmodulen im Stadion etc.). Insgesamt geht es darum, generelle Positionen der Organisation zu Vielfalt und Antidiskriminierung dauerhaft vorzustellen und entsprechende Aktivitäten zusammenzuführen. Nachrichten, Interviews, Hintergrundartikel und soziale Medien Dazu gehören in erster Linie regelmässige Nachrichten, vertiefende Interviews und Hintergrundartikel zu Vielfalt und Antidiskriminierung, aber auch Berichte über Vorfälle und ihre Bewertung durch das Verbandsgericht. Bewährte Praxen des Verbands und der Vereine sowie weiterführendes, betont praktisch orientiertes Material zum Download stärken die eigene Position und sind in der Anleitung zum Handeln gleichermassen hilfreich. Auch dieser hier 47 48 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball vorliegende Leitfaden der FIFA sollte von den Mitgliedsverbänden online verknüpft werden. Präsenz in den sozialen Medien wird immer wichtiger, um die eigene Position zu präsentieren und auch diskutieren zu lassen. Insgesamt bietet Online-Kommunikation hier vielfältige und überaus populäre Möglichkeiten. Populäre Online-Formate sollten genutzt werden, um eigene Botschaften – ob Stellungnahmen oder Videospots – zu Vielfalt und Antidiskriminierung zu transportieren. Infotainment Eine nützliche Methode, Botschaften erfolgreich zu platzieren, kann Infotainment sein. Information und Unterhaltung professionell zu kombinieren, ist ein sinnvolles Mittel, um die Aufmerksamkeit von Menschen zu gewinnen und gleichzeitig komplexe Inhalte zu vermitteln. Öffentlichkeitsarbeit wird unterstrichen, wenn sie direkt im Stadion ihre Entsprechung findet. Das kann ein Stadionbanner sein, auf dem Spieler und Einlaufkinder gemeinsam einen Schriftzug präsentieren. Sollte es offizielle Übertragungsorte oder Fan-Feste geben, kann Sorge getragen werden, dass auch dort Banner oder Beschilderungen eingesetzt werden. Beschilderungen und kurze, aber prägnante Botschaften können dabei konkrete Informationen zu Vielfalt und Antidiskriminierung vermitteln. Diese können auf Eintrittskarten gedruckt sein, aber auch auf Handzetteln, Stadionmagazinen oder auf Plakaten. Die FIFA nutzt regelmässig die Bandenwerbung bei den eigenen Turnieren, damit der wichtige Standpunkt auch zu den Zuschauern vor den Bildschirmen ausserhalb des Stadions gelangt. 9.3 Botschafter Einprägsame Kurzformate Während der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ rief die FIFA prominente Personen und genauso Fussballfans dazu auf, online sogenannte „Selfies“ mit dem Motto „Say No to Racism“ zu veröffentlichen. Ebenfalls möglich ist, Prominente und thematisch wichtige Personen in ein Online-Forum des Verbands einzuladen und öffentlich zum Thema Vielfalt und Antidiskriminierung zu befragen. Anthony Baffoe (GHA) wehrte sich als Spieler gegen Rassismus. Zuvor FIFA-Botschafter gegen Rassismus, engagiert er sich nun in der FIFAArbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung. Auch Menschen können wichtige Standpunkte zu Vielfalt und gegen Diskriminierung manifestieren. Am besten eignen sich dazu Vorbilder. Das Potenzial beliebter Fussballer, Trainer und Schiedsrichter, aber auch der Prominenten von Politik bis FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Unterhaltungskultur bieten den fördernden Aktionen ein einprägsames Gesicht, z. B. auf Postern oder in einer öffentlichen Anzeigenkampagne zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie platzieren Aussagen an prominenter Stelle und untermauern diese mit der Erfahrung ihres eigenen Fussballlebens. Schon die Ernennung eines oder mehrerer Botschafter liefert dem Mitgliedsverband ein mediales Ereignis. Botschafter sollten gut über die inhaltliche Ausrichtung des Verbands zu Vielfalt und Antidiskriminierung und über seine aktuellen Projekte informiert werden, bevor sie in öffentlichen Auftritten das Thema medienwirksam transportieren. Der Preis für Vielfalt und Antidiskriminierung kann dabei in mehreren Kategorien vergeben werden. Erwachsene und jugendliche Einzelpersonen, Teams, Vereine und Organisationen können genauso wie öffentliche oder private Initiativen, die sich ausserhalb der Verbandswelt für Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball stark machen, berücksichtigt werden. Insbesondere positive Momente, Gesten und Initiativen der Zuschauer und Fussballfans sollen Die öffentlichen Gelegenheiten sind vielfältig: im Umfeld und im Vorprogramm von Fussballspielen, bei Turnieren und besonderen Veranstaltungen. Ihre Anwesenheit und ihr Gesicht verleihen den Projekten des Verbands und dem Vorhaben bei seinen Partner die nötige Sichtbarkeit. Botschafter verbinden z. B. auch bei Podiumsdiskussionen das Thema mit einem Anstrich persönlicher Erfahrung, schreiben Grussworte für sport- und gesellschaftsrelevante Publikationen, Ausstellungen und Projekte, die Vielfalt und Antidiskriminierung behandeln. Der Europäische Rat für Toleranz und Versöhnung verleiht Kameruns Samuel Eto‘o im Jahre 2015 die Medaille der Toleranz. Sollte der Verband über eine eigene Arbeitsgruppe zu Vielfalt und Diskriminierung verfügen oder an entsprechenden Veranstaltungen anderer teilnehmen, so ist es sinnvoll, entsprechende Botschafter auch dort inhaltlich oder symbolisch einzubinden. 9.4 Preisverleihung Die Einführung eines einmalig oder wiederkehrend verliehenen Preises für Vielfalt und Antidiskriminierung ist ein weiterer Meilenstein in diesem Bereich der Verbandsarbeit. Der Preis kann an eine bereits bestehende Preisverleihung angedockt werden. Er kann den gleichen Namen tragen, wie das Verbandsmotto zu Vielfalt und Antidiskriminierung. Auch der Name einer Person, die in diesem Bereich eine wichtige Rolle gespielt hat, kann durchaus als Namenspate für den Preis fungieren. Oder der Verleihung wird ein neues Format gegeben, indem z. B. der Botschafter für Vielfalt und Antidiskriminierung dem Gewinner den entsprechenden Preis überreicht. gewürdigt werden, um mehr von ihnen zum Engagement für Vielfalt und Antidiskriminierung anzuregen und ihre soziale Selbstregulierung zu fördern. 9.5 Eigene Veranstaltungen Antidiskriminierungstage Jährliche Antidiskriminierungstage erwachsen zu einem symbolischen Eckpfeiler von Strategien für Vielfalt und Antidiskriminierung. Verbände und Vereine können ermutigt werden, an den gleichen Tagen jeweils eigene oder eine einheitlich festgelegte Botschaft zu präsentieren. 49 50 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Seit 2002 richtet die FIFA jährlich und erfolgreich ihre Tage gegen Diskriminierung aus. Bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2014™ in Brasilien sahen diese ein spezielles Protokoll vor den Viertelfinalspielen vor. Alle beteiligten Teams zeigten das Banner „Say No to Racism“. Die Mannschaftskapitäne verlasen folgende Botschaften: „Ich erkläre, dass wir von ganzem Herzen jede Art von Rassismus oder Diskriminierung ablehnen, egal ob auf dem Spielfeld oder ausserhalb. Mit der Kraft des Fussballs können wir dazu beitragen, Rassismus aus dem Sport und aus dem Rest der Gesellschaft zu tilgen.“ Tag der offenen Tür Einen Tag der offenen Tür zu veranstalten und ihn unter das Motto Vielfalt und Antidiskriminierung zu stellen, sichert nicht nur ein weiteres Ereignis in der Aussendarstellung, sondern bindet individuelle Mitglieder und Menschen aus der Umgebung auf unterschiedlichen Niveaus mit ein. An Informationsständen können Verbände, Vereine und Teams, aber auch Expertengruppen und Organisationen des Landes ihre Vorstellungen zu Vielfalt und Antidiskriminierung hautnah präsentieren und diskutieren. Entsprechende Workshops und Vorträge, Podiumsdiskussionen, kleine Ausstellungen, Jugendtheateraufführungen oder Buchpräsentationen, aber auch Autogrammstunden ihrer Spieler und Trainer können beim Tag der offenen Tür ihren Platz finden. Auch unabhängig von einem Tag der offenen Tür unterstreichen solche Veranstaltungen ihre öffentliche Präsenz und fördern die Dar- stellung der sozialen Verantwortung einer Organisation in der Öffentlichkeit. 9.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie Gibt es einen diskriminierenden Vorfall, steigt der gesellschaftliche Druck auf einen Verband. Medienvertreter fragen nach konkreten Standpunkten. An dieser Stelle ist es seriös, wenn der zuständige Verband oder Verein zunächst erklärt, dass der genannte Fall untersucht und die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit informiert wird. Da eine solche Aussage von Medienvertretern häufig als unbefriedigend wahrgenommen wird, ist es zu unterstützen, wenn ein Verband oder Verein bei einem Vorfall von erheblichem öffentlichem Interesse bekennt, dass: • er bei Meldungen zu Diskriminierungen wachsam ist und ihnen ernsthaft nachgeht, • er jede Form von Diskriminierung ablehnt und sich klar dagegen positioniert. Hier können auch positive Aktionen und Planungen benannt werden, die der Verband dazu bereits betreibt und unterstützt, • er, so ein weiteres Beispiel aus Verbänden, Mitgefühl für einen Spieler, weitere Spieloffizielle oder einen Fan äussert, wenn diese Situation als diskriminierend FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung empfunden wird; ungeachtet ob sich der Vorfall verbandsgerichtlich bestätigt oder nicht. Unabhängig vom juristischen Weg kann ein Verband oder Verein in solchen Situationen signalisieren, dass er potenziell und tatsächlich von Diskriminierung Getroffenen Gespräche anbietet. Auch sogenannte Erst- oder Opferberatungsstellen, falls vorhanden, können vermittelt werden. Im Kampf für Vielfalt und gegen Diskriminierung sollte ein Verband zeigen, dass er einen möglichen Vorfall ernst nimmt und ihn gewissenhaft bewertet. Des Weiteren gibt es Punkte zu beachten, die sich als wenig hilfreich erweisen. Es ist höchst sinnvoll, Aussagen zu vermeiden, die einen im Raum stehenden Vorfall pauschal herunterspielen. Folgende Beispiele stammen aus der Analyse der FIFA von solchen Situationen. Sie sollen keine Sprachregelung definieren, sondern Beispiele aus der Erfahrung liefern und zum Nachdenken anregen: • „Jedes Land in Kontinent X hat dieses Problem. Wir sollten nicht immer über Vorfälle in einem/unseren Land sprechen.“ Erklärung: Eine solche oder ähnliche Aussage ist irrelevant und wirkt relativierend, da ein Vorfall/die Situation im Einzugsgebiet eines Verbandes nicht besser wird, wenn auf ein anderes Land verwiesen. • „Wir sollten den wenigen Leuten, die rassistische Dinge sagen, nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken./Es sollte nicht zu viel darüber berichtet werden. Das stärkt nur ihr Selbstbewusstsein und spielt ihnen neue Zuhörer und Anhänger in die Hände.“ Erklärung: Wenn nicht über Diskriminierungsvorwürfe und -vorfälle berichtet wird, kann kein Bewusstsein dafür wachsen. Die o. g. Aussage zeugt ebenso von wenig Selbstvertrauen in die Mehrheit der eigenen Mitglieder und die Einwohner des eigenen Landes. Bei einem FIFA-Workshop vor der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ zur Audiodeskription, die speziell für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung entworfen wurde, präsentiert der frühere FIFA-Schiedsrichter Arnaldo Cezar Coelho ein T-Shirt mit seinem Namen in Blindenschrift. Seit Jahren bindet die UEFA ihre Mitgliedsverbände in ihre Kampagne „Vereinigt gegen Rassismus“ ein. Hier vor dem Qualifikationsspiel Wales – Bosnien und Herzegowina für die EURO 2016 in Frankreich. 51 52 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball In einigen Ligen existieren Kampagnen, bei denen regenbogenfarbene Schnürsenkel als Zeichen der Akzeptanz von Homosexualität getragen werden. • „Bei uns gibt es viele Spieler verschiedener Länder und Kontinente. Es gibt also kein wirkliches Problem.“ Erklärung: Die Tatsache, dass Menschen verschiedener Länder und Kontinente im eigenen Umfeld tätig sind, schützt nicht unbedingt vor diskriminierenden Aussagen. Obige Aussage kann auf das Team und den Umgang im Verein oder Verband zutreffen. Für jeden Zuschauer sollte jedoch niemand die Hand ins Feuer legen. • „Ein guter Freund ist homosexuell. Was ich gesagt habe, kann also gar nicht homophob sein.“ Oder: „Ich habe jahrelang mit Personen aus anderen Ländern und Kontinenten zusammengearbeitet. Was ich gesagt habe, kann also gar nicht rassistisch sein.“ Erklärung: Die Tatsache, dass man persönliche Freunde oder Arbeitskollegen aus diversen Ländern hat oder solche, die Ausländer oder homosexuell sind, schützt nicht vor rassistischen oder homophoben Aussagen. Ebenso darf von einer einzelnen homophoben oder rassistischen Aussage nicht unbedingt auf einen grundlegend homophoben oder rassistischen Menschen geschlossen werden. • „Fussball ist per se ein Musterbeispiel sozialer Inklusion und Integration.“ Erklärung: Das ist grundsätzlich richtig. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass ein Fussballspiel zwei Teams braucht, was andere Personen zumindest in bestimmten Situationen dazu animie- ren kann, ein „Wir“ und „die Anderen“ aggressiv aufzuladen. Auch innerhalb eines Teams können sich Cliquen und Vorurteile bilden. Damit Fussball seine sozial inklusive bzw. integrative Wirkung voll entfalten kann, müssen diverse Grundlagen des sozialen Umgangs miteinander erfüllt sein. Dazu gehört nicht nur ein Miteinanderspielen, sondern auch ein respektvolles Aufeinander-Zugehen im Sozialen. • „Nicht der Fussball, sondern die Gesellschaft ist hier in die Pflicht zu nehmen.“ Erklärung: Fussball ist ein Teil der Gesellschaft. Deshalb muss Fussball wie alle gesellschaftliche Instanzen soziale Verantwortung zeigen. Sicher äussern sich im Fussball Dinge, die Menschen in ihrem bisherigen Leben eingeübt haben. Und für viele ist Fussball seit früher Kindheit ein prägender Teil ihrer Gesellschaft. Beim Fussball geht es um mehr als um Tore, Sieg oder Niederlage. Er ist auch ein Phänomen, das soziales Leben prägt, wobei die Erfahrungen der Menschen ausgetauscht und weitergegeben werden. Nicht alle Menschen haben aber ausschliesslich positive und vorbildliche Erfahrungen gemacht. Dennoch ist es offensichtlich, dass der Fussball positive Erfahrungen produzieren kann. Und als globale Massensportart hat er auch die soziale Verantwortung, dieses ungeheure Potenzial mit kreativen und effektiven Ideen weiterzuentwickeln. 54 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 10 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung Fussball kann durch die Verknüpfung mit Bildungsarbeit seine integrativen Vorteile nutzbar machen. Um in die Zukunft von Vielfalt und Antidiskriminierung im Weltfussball zu investieren, stellt insbesondere Bildung die wichtigste, aber auch eine sehr anspruchsvolle Säule innerhalb einer Strategie von Verbänden dar. Die Säule Bildung sollte im Fussball ein Repertoire bereithalten, das die Fuss- ballspieler, die Trainer und weitere Spieloffizielle auch als sozial verantwortungsbewusste Menschen wirken lässt. Auf unterschiedliche Weise kann ihnen vermittelt werden, Vielfalt und Antidiskriminierung als unumstössliche Werte vorzuleben. Bildung im, um und durch den Fussball kann grundlegende Kenntnisse vermitteln, um der Diskriminierung vorzubeugen und sich bei Diskriminierungsvorfällen im eigenen Umfeld vorbildlich zu verhalten. Englands Wayne Rooney engagiert sich während der FIFA-FussballWeltmeisterschaft Brasilien 2014™ für die Selfie-Kampagne #SayNoToRacism. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Vielfalt und Antidiskriminierung durch Bildung Ausbildung Fortbildung Projekte und Kampagnen Dokumentation Bildung im Fussballkontext kennzeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie auf die Bedürfnisse von Menschen vor Ort eingeht. Deshalb kann sie regional unterschiedliche Programme und Projekte hervorbringen. Sie scheitert, wenn sie versucht, die Lösungswege anderer Mitgliedsverbände ungeprüft auf den eigenen Verband zu übertragen. 10.1 Ausbildung Bildung im Fussball versucht, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich in ihrem Leben sozial befinden. Dabei ist ein (sozial-)pädagogisches und lehrmethodisches Wissen unerlässlich. Über Fairplay auf dem Platz hinaus eröffnen der Fussball, seine Umgebungen und Denkwelten eine Lebensschule für soziales Lernen, auch im Hinblick auf Vielfalt und Antidiskriminierung. Über Vorbilder Fussball und sein Regelwerk bauen auf Teamwork auf. Dieser Rahmen bietet viel Spielraum für Fairplay und ein gemeinsames Miteinander. Ist an dieser Stelle von Ausbildung die Rede, bieten sich Mitgliedsverbänden und Vereinen unzählige Andockstellen. Uruguays Kapitän Diego Lugano und Deutschlands Philipp Lahm verlesen bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010™ Botschaften gegen Rassismus und Diskriminierung. Evaluation 55 56 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball können diverse Akteure – von den Trainern und Spielern bis hin zu den Fans – positive Verhaltensweisen für ihren Alltag übernehmen. Auch das Auftreten eines Fussballweltstars genauso wie das von lokalen Akteuren des Fussballplatzes will wohl überlegt sein, stehen ihre Worte und Taten doch häufig im Mittelpunkt des Interesses von Jugendlichen. Verbände und Vereine sollten überprüfen, inwiefern sie über die sportliche Ausbildung hinaus die Elemente einer sozialen Ausbildung ihrer Fussballspieler aufwerten können. Sie und andere Mitarbeiter von Verbänden und Vereinen sollten zu Vorbildern ausgebildet werden, wenn es um Vielfalt und Antidiskriminierung geht. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Ausbildung von Jugendlichen. Auch dreht es sich nicht um den befehlenden Zeigefinger. Vielmehr hilft ein ständiges, gegenseitiges Lernen voneinander. Verbände können Räume schaffen, in denen dies bewusst gefördert wird. Dort trägt der gegenseitige Austausch von Spieloffiziellen, Vereinsvertretern und Trainern zu einem harmonischen Miteinander bei. Spezielle Trainingseinheiten sollten Elemente von sozialer Inklusion und Antidiskriminierung beinhalten. Dabei kann externe Unterstützung von sozial und pädagogisch speziell geschulten Fachkräften, Studierenden des Sports oder der Geisteswissenschaften zur Förderung der Qualität beitragen. Eingebunden werden sollten ebensolche Verbands- oder Vereinsmitglieder und weitere Ehrenämtler. Hierbei ist es unerlässlich, als Verband und Verein klare Aussagen zu Vielfalt und Antidiskriminierung parat zu halten. Genauso relevant ist es, die Alltagswelt der Auszubildenden zu verstehen. Bildung heisst, Anspielstationen zu bieten, nicht nur unter dem eigenen Dach. Es ist auch wichtig, auf die eigenen Mitglieder zuzugehen und sie in ihrem direkten Umfeld zu unterstützen. Dann kann ihr Gefühl für Vielfalt und Antidiskriminierung Schritt für Schritt und somit nachhaltig entwickelt werden. Die Verantwortlichen und Spieler sollten in einem Verbandsumfeld so agieren, dass das Engagement für Vielfalt und Diskrimi- nierung erleichtert wird. Insbesondere die agierenden Personen – von Verbands- und Spieloffiziellen bis zu Vereinsvertretern und Trainern – sind also im Sportlichen genauso wie in der Vermittlung von Vielfalt und Antidiskriminierung als Vorbilder gefragt. 10.2 Fortbildung Der Verband, seine Mitgliedsvereine und Teams machen sich durch Bildungsangebote noch attraktiver. Alle sind willkommen – zu einem solchen Bild steuern direkte Fortbildungen zu Vielfalt und Antidiskriminierung aktiv etwas bei. Aber auch allgemeine Bildungsangebote können Alternativen zu Engstirnigkeit und Diskriminierung eröffnen. Das kann ein Seminar zur Verbandshistorie, ein Erste-Hilfe-Kurs oder ein Erfahrungsaustausch zur Stressbewältigung sein. Fortbildungen finden mehr Anklang, wenn die notwendigen Bedürfnisse der Aktiven vorher erfragt werden. Dann können sie genau auf die handelnden Personen eingehen und sich einprägen. Um Vorbilder für Vielfalt und Antidiskriminierung hervorzubringen, sollte die soziale Kompetenz und das Wissen der agierenden Mitarbeiter der Verbände dazu bewusst gepflegt werden. Dies kann z. B. durch die Bereitstellung eines praxisnahen, alltagsnützlichen Portfolios oder durch entsprechende Mitarbeiterschulungen geschehen, zu denen auch externe Kursleiter berufen werden können. Werden Fortbildungsformate innerhalb des Mitgliedsverbands bzw. für die Mitarbeiter zu einem festen Bestandteil der Arbeit, so sichert dies mittelfristig ein respektvolles, authentisches Erscheinungsbild des Verbands. Dies betrifft die gegenseitige Umgangsweise innerhalb der Verbandsstrukturen genauso wie die vorteilhafte Haltung des Verbands im Austausch mit externen Partnern oder Medien. Fortbildung ist nicht nur verbands- und betriebsintern angeraten. Die FIFA bietet ihren Spielkommissaren als Teil ihrer Vorbereitung z. B. weltweit einen Informationsblock zu Vielfalt und Antidiskriminierung an. Auch weitere Spieloffizielle, insbesondere die Schiedsrichterteams sollten geschult werden. Fortbildungsformate für sie können sich auf das Trainieren von Fingerspitzengefühl beziehen, wenn es um korrekte und eindeutige Reaktionen auf Diskriminierungen auf dem Spielfeld 57 Lautstarke Botschaften gegen Rassismus von Juan Sorin (ARG) und Zinedine Zidane (FRA) bei der FIFA FussballWeltmeisterschaft Deutschland 2006™. geht. Zu einem Schulungsformat gebündelte Erfahrungen von Schiedsrichtern mit Provokationen und deutlich diskriminierenden Aussagen steigern die Optionen für eine präventive Unterbindung. Grundlegend sollte Schiedsrichterteams nicht nur regelmässig auffrischend vermittelt werden, wie sie Diskriminierung erkennen, sondern auch, welche Möglichkeiten der Warnung und Ahndung ihnen zur Verfügung stehen. Dazu kann eine Broschüre oder eine Online-Plattform entstehen, auf der eigene Erfahrungen und Vorschläge zu Reaktionsweisen, aber auch landespezifische Symbole und Codes von Diskriminierung aktualisiert werden. Ähnliches gilt ebenso für die Fortbildung des Sicherheitspersonals sowie des Ordnungsdienstes. Zusätzlich ist es hier ausschlaggebend, neben den eigenen Möglichkeiten und ihren rechtlichen Grenzen auch die Formen der gegenseitigen Zusammenarbeit und Ablaufpläne für Ernstfälle deutlich zu machen. Sicherheitsmitarbeiter und Ordner sollten genau wissen, wen sie wann konsultieren. Ein erfolgreicher Ordnungsdienst fördert die Zuschauerfreundlichkeit und soziale Inklusion, wenn er jeden Menschen auch von seiner Ausstrahlung her willkommen heisst und im Falle von Diskriminierungen oder Diskriminierungsvorwürfen angemessen und besonnen agiert. Im Bereich des Sicherheitspersonals ist es besonders für Sicherheitsbeauftragte und weitere verbands- oder vereinsinterne Spielbeobachter von Bedeutung, Diskriminierungen in Form von Schrift, Bild und Gesängen zu erkennen und Zuschauerdynamiken zu begreifen. Dort wo vorhanden, gilt dies insbesondere für das Sicherheitspersonal in der Videoüberwachung. In Fortbildungen sollten Sicherheitsbeauftragte das nötige Feingefühl trainieren und lernen, wie einzuschreiten ist, wenn Vielfalt eingeschränkt und Diskriminierung verübt wird. Je nach Land kann auch die zuständige Polizei in einen gegenseitig fortbildenden Austausch eingebunden werden. 10.3 Projekte und Kampagnen Die Auswahl an Bildungsprojekten und diesbezüglichen Kampagnen ist im weltweiten Fussball gross. Ihre Herangehensweisen sollten im Fussball auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet sein: Genauso wie es diverse Angebote für Kinder und Jugendliche verschiedener Altersklassen anzupassen gilt, lassen sich auch Wege für die Erwachsenenbildung festlegen. Über den Tellerrand schauen: Der Fussballbetrieb kann die eigenen Projekterfahrungen immer auch mit den gängigen und aktuellen 58 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Methoden der allgemeinen Bildungsarbeit vergleichen und somit überprüfen. Angebote steigern ihre Wirksamkeit, wenn auch die sozialen Milieus der Zielgruppen und die entsprechenden regionalen Umstände erwogen werden. Projekte und Fortbildung sind eng miteinander verknüpft: in Workshops, Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Seminaren, internationalem Jugendaustausch, aber auch in Videoprojekten und Ausstellungen. Kooperationen mit anderen Angeboten in der jeweiligen Region eines Verbands sind allemal vielversprechend. Information, Aufklärung und Sensibilisierung für Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball meinen einen fortlaufenden Prozess. Ein Verband kann seinen Mitgliedern auch Informationsmaterial zur Förderung von Bildung im Hinblick auf Vielfalt und Antidiskriminierung bereitstellen. Während der hier vorliegende FIFA Good Practice Guide für Vielfalt und Antidiskriminierung einen Möglichkeitsrahmen offeriert, kann z. B. ein eigener regionalbezogener Good Practice Guide entstehen, der je nach Gesetzeslage des jeweiligen Landes vertiefender und noch praktischer die passenden Strategien und Beispiele zusammenfasst. Kombiniert ein Verband diverse der hier genannten Möglichkeiten, entsteht eine wiedererkennbare Kampagne, der ein Verband einen bestimmten Turnus geben kann. Kampagnen wirken authentischer und damit erfolgreicher, wenn es gelingt, die eigenen Fussballfans partizipatorisch einzubauen. 10.4 Dokumentation Die Dokumentation diskriminierender Vorfälle, vor allem aber von positiven Beispielen von Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball in Schrift und Bild sind für die ständige Entwicklung der Bildung als Säule des eigenen Verbands wichtig. So schafft ein Verband die Grundlage zur Verbreitung guter Praxisbeispiele zu Vielfalt und Antidiskriminierung, zum Austausch und zum gegenseitigen Lernen seiner Mitglieder und der weiteren Akteure. Des Weiteren unterstützen Dokumentationen in diesem Bereich die Evaluation. Vor dem Halbfinale der FIFA FrauenWeltmeisterschaft Deutschland 2011™: Worte gegen Diskriminierung von Japans Saki Kumagai und Schwedens Charlotte Rohlin. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Vor dem Halbfinale des FIFA Konföderationen-Pokals Brasilien 2013: Worte gegen Diskriminierung von Spaniens Iker Casillas und Italiens Gianluigi Buffon. 10.5 Evaluation Eine regelmässige Evaluation ist für alle fünf Säulen des Verbandskonzepts und der daraus hervorgehenden Initiativen für Vielfalt und Antidiskriminierung von Bedeutung. Dennoch soll diese gerade im Bereich Bildung wegen seiner zahlreichen und sehr unterschiedlichen Ansätze in den Regionen betont werden. Ein jährlicher Zwischenbericht z. B. ist hilfreich, um erfolgreiche Faktoren einer Bildungsarbeit messbarer gegen weniger erfolgreiche abzugrenzen. Ferner kann so deutlich werden, welche Projekte einerseits eher anlassbezogen einzusetzen sind und welche andererseits als fortwährende Elemente für das Verbandsprofil sinnvoll sein können. Pädagogische Richtungen und Methoden werden überprüft. So wird der Gefahr vorgebeugt, eine Monokultur in Methodik und Praxis entstehen zu lassen. Eine gelungene Kombination von Ansätzen unterschiedlicher Methodik und Praxis ist der Garant dafür, die Ausrichtung von Initiativen eines Mitgliedsverbands nicht ins Leere laufen zu lassen. Die Evaluation sichert dabei zusätzlich, dass stets die korrekte Terminologie im Kontext Vielfalt und Antidiskriminierung verwendet wird. 10.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie Am effektivsten kann Bildung im Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung gefördert werden, wenn die lokal vorhandenen Methoden als Grundlage genommen werden. Diese kann dann mit internationalen Herangehensweise aufgefrischt werden. Ein positives Beispiel im Fussballkontext, die konkrete Übungen anbietet, ist das CONCACAF-Handbuch für Vielfalt von 2014. 59 60 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Die Selbstverpflichtungserklärung Ein einfaches, aber durchaus wirksames Projekt kann die Einführung von selbst vereinbarten Verpflichtungen der Spieler und Trainer sein. Dazu wird lediglich ein einfacher Zettel, eine Tafel o. Ä. benötigt. Darauf kann vor einem Spieltag festgehalten werden, was sich alle Akteure für ihr nächstes Spiel vornehmen und was sie vermeiden wollen. Diese Verpflichtungen können über eine Diskussion zwischen Trainer und Mannschaft, aber auch moderiert von aussen aufgestellt werden. Vor einzelnen Spielen kann daran erinnert werden. Selbstverpflichtungserklärungen können vor Spielen entscheidend sein, die historisch oder durch aktuelle Konflikte aufgeladen sind. Einerseits beruhigen und fokussieren sie die Spieler auf das Sportliche und seine Fairness, andererseits hat ein solches Auftreten positive Effekte im Hinblick auf die Zuschauer. Es ist nicht zwingend erforderlich, aber durchaus hilfreich, wenn auch hier eine externe Person von aussen als Moderator hinzugezogen wird, die keiner- lei Interessen bezüglich eines beteiligten Teams oder Konflikts hat. Aktivierung von Spielern und Trainern In den Verträgen mit Spielern und Trainern könnte ein Passus verankert werden, der monatlich den Aufwand von einer gewissen Anzahl von Arbeitsstunden für den Projekteinsatz in Sachen Vielfalt und Antidiskriminierung vorsieht. Sind sie über die Inhalte von Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball informiert, können sie Patenschaften für örtliche Schulen oder Bildungsprojekte übernehmen. Mit ihrem Gesicht, ihrem Potenzial als Vorbild, ihrem Wissen und ihren Erfahrungen, nicht nur zu Vielfalt und Antidiskriminierung, können sie sich dann direkt bei den Menschen in der Region sozial engagieren. Aktivierung von Zuschauern Zuschauer können angefragt und beteiligt werden, indem sie eine gemeinsame Aktion im Stadion initiieren. Fans können z. B. in FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung einer Arbeitsgruppe ermuntert werden, selbst Aktionen zu zeigen, die Vielfalt und Antidiskriminierung im Stadion sowie um sie herum fördern. Nutzung von sportlichen Ereignissen Workshops, Podiumsdiskussionen etc. können auch im Rahmen eines Fussballbzw. Fanturniers stattfinden. Dort können Spieler zwischen den Spielen zusammenfinden, um gemeinsam zu Vielfalt und Antidiskriminierung Erfahrungen auszutauschen und sich weiterzubilden. Fussballturniere können unter ein bestimmtes Motto für Vielfalt und Diskriminierung gestellt werden. Zusätzlich zum offiziellen Punktesystem kann eine Fairnesswertung erarbeitet werden, die zu positivem Verhalten anregt. Teil eines fairen Verhaltens zur Berücksichtigung in einer solchen Fairnesswertung kann z. B. die Anwendung der FIFA-Initiative „Handschlag für den Frieden“ sein. Sensibilisierung von Jugendlichen und Fussballfans An dieser Stelle eine ausführliche Liste von bildungsorientierten Projekten zu nennen, die Informationen und Aufklärung bieten, würde den Rahmen dieses Good Practice Guide sprengen. Die Bandbreite solcher Projekte erstreckt sich von Aufklärungskampagnen gegen Rassismus und Diskriminierung bis hin zu pädagogisch vorbereiteten Schulbesuchen von Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und anderen Offiziellen. Spieler diskutieren mit Jugendlichen z. B. über ihre Erfahrungen mit Rassismus und andere Formen von Diskriminierung. In Einzelfällen werden Spieler von Fachkräften dazu vorbereitet und selbst geschult. Dazu gehören z. B. auch antidiskriminierende Ratgeber, in denen Vorurteile und Mythen um Migrierte und ihre Nachkommen oder um Menschen bestimmter Religionszugehörigkeit entlarvt werden. Darüber hinaus werden Schulungsmaterialien für das Lehrpersonal an Schulen oder für Sozialarbeiter in lokalen Projekten entwickelt. Diese greifen geschickt das Interesse am Fussball, an seiner Geschichte und seinen Fankulturen auf, um Jugendliche und Fans zielgruppengerecht anzusprechen. Zu empfehlen ist in Bezug auf die o. g. Punkte z. B. ein Besuch auf der Homepage der europaweiten Initiative Show Racism the Red Card (SRTRC). Initiierung von Projekttagen Mit Schulen, der regionalen Regierung, Universitäten, Firmen und anerkannten Bildungseinrichtungen können soziale oder pädagogische Projekttage initiiert werden, die Fussball, Vielfalt und Antidiskriminierung zum Thema haben. Sie können beim Verband, bei den Vereinen oder auch in den beteiligten Einrichtungen selbst veranstaltet werden. Es kann Lehr- und Unterrichtsmaterial erarbeitet werden, das Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball einarbeitet. Auch Fussballspieler, Trainer und Schiedsrichter können in Schulklassen von ihren Erfahrungen berichten. Drehpunkteinrichtung Zur Koordination der o. g. Beispiele haben zahlreiche Verbände und Vereine ständige Treffpunkte für Fans eingerichtet. Diese Räume können von Fans selbst verwaltet werden. In anderen Fällen erwartet sie dort ein Fanbeauftragter oder eine pädagogische Fachkraft zur Unterstützung. Diese Einrichtungen können auch klassische Sozialarbeit anbieten, die Fans in ihren sozialen Lebensund Konfliktlagen stabilisieren. Dies kann erheblich dazu beitragen, dass Fussballfans Aggressionen und Diskriminierung in Produktivität umleiten. 61 64 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball 11 Vielfalt und Antidiskriminierung durch Netzwerkarbeit und Kooperation Netzwerkarbeit und Kooperation bilden an dieser Stelle eine eigene Strategiesäule. Die FIFA erachtet es als grundlegend, zur Sicherung von Vielfalt und Antidiskriminierung Erfahrungen, Kräfte und Zeit, aber auch Finanzen zusammen mit fachkompetenten Partnern zu bündeln. Netzwerke begründen Denkfabriken und Ideenwerkstätten. Sie sind notwendig, weil die Felder Vielfalt und Antidiskriminierung auch dem Fussball ständig neue Herausforderungen bereiten. Die Grundinhalte von Vielfalt und Antidiskriminierung verpflichten zu einem Aufeinanderzugehen und zu einem ständigen Voneinanderlernen. In Netzwerken und Kooperation kann dies produktive Synergien und Wechselwirkungen erzeugen. Netzwerkarbeit und Kooperation eröffnen einen Querschnittsbereich. In ihm finden sich die Säulen Politik, Sanktion, Kommunikation und Bildung gleichermassen miteinander verquickt wieder. Netzwerk und Kooperation bieten sich insbesondere in Verknüpfung mit dem Bereich Bildung an. Insgesamt geht es um die Einbindung von Menschen nicht nur als aktive Sportler und Sportorganisatoren, sondern auch mit ihren sozialen Bedürfnissen. Der Einsatz für Vielfalt und Antidiskriminierung ist nicht politisch. Er folgt dem menschenrechtlichen Prinzip, dass jeder Mensch je nach Interesse und Begabung Fussball spielen und erleben können sollte. Um Viel- falt und Antidiskriminierung pädagogisch und sozialwissenschaftlich fachkompetent aufzustellen, finden sich zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Partner. Sie initiieren Projekte, die die integrierenden Kräfte des Fussballs nutzen. Das tun sie auch gemeinsam mit den Verbänden und Vereinen. Einerseits werden Zielgruppen so in grösserem Ausmass erreicht, andererseits auch mit zusätzlich kompetenter Unterstützung. Netzwerke werden zu Multiplikatoren von Wissen und Ideen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit eines Verbands oder Vereins wird von Netzwerkarbeit und Kooperation profitieren. So wird die Glaubwürdigkeit eine Verbands oder Vereins untermauert. Angehörige von Minderheiten fühlen sich besser mitgenommen. Netzwerke liefern nicht nur Chancen, gemeinsam bessere Ergebnisse zu erreichen. Sie schaffen Mechanismen, um in Notfällen adäquat und schnell agieren zu können. Deswegen kann es zielführend sein, Netzwerktreffen einzuführen. Sie schaffen Raum für einen lokalen, aber auch landesweiten Austausch über zukünftige Vorschläge und Entwicklungen im Bereich Vielfalt und Antidiskriminierung. Ein Austausch über aktuelle Einschätzungen, z. B. über Rassismus oder Homophobie im Fussball und in seinen Fanszenen, kann für die Sicherheitsabteilungen der Verbände und Vereine wichtig sein. Auch ein inter- Vielfalt und Antidiskriminierung durch Netzwerkarbeit und Kooperation Eigene Arbeitsgruppe Weitere Arbeitsgruppen und Projektkooperation Konferenzen und Publikationen Beteiligung von Fans Internationaler Austausch 65 2014: die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung in Aktion. nationaler Austausch über Problemstellungen und Erfahrungen mit Lösungswegen erweitert den eigenen Horizont und schafft Partnerschaften. Die Arbeit der FIFA für Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball lebt durch die Kooperation mit den Mitgliedsverbänden. Die FIFA ist auf Netzwerke und Hinweise ihrer Mitgliedsverbände angewiesen. Auch Hinweise von Experten, die Fussball mit Vielfalt und Antidiskriminierung professionell verbinden, sind punktuell hilfreich. Ohne Kooperation hätte auch das hier vorliegende Handbuch nicht erstellt werden können. Jason Roberts, ehemaliger grenadischer Nationalspieler, ist Mitbegründer des Sports People’s Think Tank und war 2014 Berater der FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung. 11.1 Eigene Arbeitsgruppe Hausinterne Arbeitsgruppen Im besten Fall binden Vielfalt und Antidiskriminierung hausintern alle operativen Bereiche eines Mitgliedsverbands ein. Unterschiedliche fachliche Vorgaben können gelegentlich unterschiedliche Perspektiven und Lösungen hervorbringen, obwohl es allen dabei auf die Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung ankommt. Deswegen ist insbesondere eine strategische Abstimmung zwischen den Abteilungen nötig, die für das Disziplinarreglement, die Sicherheit, die sportliche Ausbildung, die Organisation der Wettbewerbe und Veranstaltungen sowie für die soziale Verantwortung bzw. die Nachhaltigkeit zuständig sind. Den Mitgliedsverbänden sei geraten, abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen zu Vielfalt und Antidiskriminierung zu initiieren, in der gegenwärtige Ereignisse besprochen und Handlungen aufeinander abgestimmt werden. Da Vielfalt und Antidiskriminierung Teil des sozialen Lebens ist, macht es Sinn, Mitarbeiter und Ehrenämtler unabhängig von ihrer Position im Verband zur Mitwirkung einzuladen. Möglicherweise gibt es Mitarbeiter und Ehrenämtler, die sich privat mit dem Bereich auskennen oder gar selbst schon 66 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball von Diskriminierung betroffen waren. So kann ein Verband das gesamte Wissen in seiner Organisation in gleichberechtigter Weise nutzbar machen. Es ist empfehlenswert, dass sich solche Arbeitsgruppen regelmässig treffen. Das macht von plötzlichen, öffentlich diskutierten Ereignissen unabhängig. Es unterstützt die konzeptionelle Herangehensweise eines Verbands an die Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung. Regelmässigkeit lässt selbstbewusster und zielgenauer agieren, als unter Druck stehend zu reagieren. Da das Themenspektrum und die persönlichen wie beruflichen Zugänge zu Vielfalt und Antidiskriminierung individuell unterschiedlich sein können, sollte den Arbeitsgruppen die nötige Zeit gewährt werden, um eine gemeinsame Arbeitsebene und folglich Ziele zu entwickeln. Die Qualität einer solchen Arbeitsgruppe lässt sich je nach den Tagungsthemen durch die Einladung von Gastexperten aufwerten. Organisationsübergreifende Arbeitsgruppen Interdisziplinäre Experten, die Fussball mit Vielfalt und Antidiskriminierung verbinden, können auch in eine ständige Arbeitsgruppe eingeladen werden. Sie berät den Verband. Einer solchen Arbeitsgruppe können also nicht nur die relevanten Abteilungen eines Verbands angehören, sondern auch die jeweilige Konföderation, Fussballvereine, staatliche und nichtstaatliche Instanzen (z. B. aus Wissenschaft und Polizei), Fanorganisationen und zum Thema profilierte Journalisten. Fussballspiel für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung während des FIFA-Footbal-forHope-Festivals 2014 in Caju. Ein Beispiel dafür ist die FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung, die seit 2012 jährlich tagt. Ihre Arbeit ist für die FIFA richtungsweisend, damit Richtlinien und Resolutionen in der Praxis umgesetzt und bevorstehende Turniere hinsichtlich Vielfalt und Antidiskriminierung analysiert werden können. Solche Arbeitsgruppen können Ratschläge zur Überarbeitung von Verbandsrichtlinien und Entwürfe für ein Leitbild zu Vielfalt und Antidiskriminierung erstellen. Ein Expertenbeirat kann die Sanktionspraxen eines Verbands begleiten. Eine gemischte Arbeitsgruppe kann Ratschläge für mehr Vielfalt und Antidiskriminierung in der Medienberichterstattung entwickeln. Verbände sollten solche interdisziplinären Arbeitsgruppen nutzen, um die in diesem Handbuch genannten Säulen der Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball und ihre daraus entstehenden Aktionspläne stets zu erneuern. In jedem Fall sollte ein Verband von vornherein die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Kompetenzen einer solchen Arbeitsgruppe aufzeigen, um sie mit den Erwartungen der Teilnehmenden abzugleichen. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung 11.2 Weitere Arbeitsgruppen und Projektkooperation Vor der FIFA FussballWeltmeisterschaft 2006™ diskutieren FIFA-Präsident Blatter und FIFAExekutivkomiteemitglied Franz Beckenbauer über Rassismusprävention. Die Teilnahme an Arbeitsgruppen platziert den Verband als kompetenten sozialen Mitspieler in der Region. Mitgliedsverbände sollten bei Einladungen von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zu Arbeitsgruppen und Gremien prüfen, ob diese das eigene Konzept zu Vielfalt und Antidiskriminierung voranbringen können. Zunächst müssen in Arbeitsgruppen offene Fragen gestellt werden, um daraufhin Ziele formulieren zu können. Mitgliedsverbände sollten positiver wie negativer Kritik stets aufgeschlossen gegenüberstehen und sie als konstruktive Bereicherung begreifen. Es gibt Arbeitsgruppen, die nicht immer sofort, sondern eher perspektivisch bereichernd sein können. Manche dienen zu inhaltlichen Vergleichen und zur Entwicklung von Projekten, andere sind ein Pool möglicher neuer Partnerorganisationen. Symbolisch kann Arbeitsgruppen anderer Organisationen zu Tagungszwecken auch ein Raum in der Zuständigkeit des Verbands angeboten werden. Aus erfolgreichen Arbeitsgruppen unterschiedlicher Teilnehmender gehen Projektkooperationen hervor, die einige Arbeitsgruppenmitglieder für bestimmte Zeit zur Zusammenarbeit verpflichten. Projektkooperationen können auf der Säule Kommunikation angeschoben werden, um z. B. Handreichungen für eine Medienberichterstattung zu erarbeiten, die Vielfalt und Antidiskriminierung im Fussball gerecht werden kann. 11.3 Konferenzen und Publikation Konferenzen sind eine weitere Möglichkeit, um Netzwerke zu einem bestimmten Thema anzuhören und zu aktivieren. Auf allen Ebenen des Fussballs können Mitglieder in grösserer Zahl angesprochen werden. Experten kommen nicht nur als Redner, sondern auch als Teilnehmende zu weiterentwickelnden Diskussionen. Konferenzen können themenbezogen und einmalig stattfinden, es kann aber auch ein wiederkehrender Turnus für eine Konferenz mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Kontext Vielfalt und Antidiskriminie- Viele Fussballverbände organisieren Veranstaltungen gegen Rassismus. Hier ein Event des italienischen Fussballverbands in Turin (2015). rung eingeführt werden. Konferenzen müssen nicht zentral, sondern können auch in einzelnen Landesregionen durchgeführt werden. Verbände können Fussballvereine und landesregionale Strukturen dazu aufrufen, eigene Tagungen zu organisieren. Dies bietet nicht nur finanzielle Einsparungen, sondern mitunter auch die Möglichkeit, örtlichen Fragestellungen detaillierter zu begegnen. Tagungen können als landesregionale Anhörungen organisiert werden, in denen Vereine, ihre Ehrenämtler und auch Fans Lob, Kritik und konstruktive Ideen äussern können. So kann ein Verband seine Ausrichtung entlang der Meinungsbilder und Bedürfnisse seiner Mitglieder thematisch zentriert einfangen. Am Ende von Konferenzen können Publikationen stehen, die Diskussions- und Ergebnisstände festhalten, aber auch praktische 67 68 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Beispiele und Lösungsansätze, die vergleichend und weiterentwickelnd konkrete Hilfestellungen bieten. 11.4 Beteiligung von Zuschauern Zuschauer werden häufig auf ihr Risikopotenzial reduziert. Dabei können sie auch Risikopartner werden. Eingeladen zu einer Umfrage zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung kann der Verband Vorschläge und Erwartungen hinsichtlich seines Engagements bei ihnen erfragen. So kann sich dieser direkt bei seinen Fans rückversichern, Innovationen mehren und Kooperationen bei Kampagnen vorbereiten. Der Verband kann Zuschauer ein diesbezügliches Forum bieten, indem er Treffen oder einen Fankongress initiiert oder fördert. Fanvertreter können als permanente Mitglieder oder situative Experten in Arbeitsgruppen mitwirken, die Vielfalt und Antidiskriminierung behandeln. So können Konfliktschlichtungen direkt erfolgen. Engagement gegen Diskriminierung und Selbstregulierung sind wichtige Elemente von Fussball-Fankulturen. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Werden Fussballfans in die Planung von fanbezogenen Kampagnen involviert und rechtzeitig über geplante Kampagnen des Vereins informiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese auch angenommen werden. Die Einbindung von Zuschauern erhöht die Chance auf eine Selbstregulierung unter ihnen und fördert ihre Zivilcourage für Vielfalt und Antidiskriminierung im Sinne des Verbands. 11.5 Internationaler Austausch Dieser Good Practice Guide ist ein Versuch, internationale Erfahrungen zu bündeln und zur Verfügung zu stellen. So kann es für Mitgliedsverbände sinnvoll sein, internationale Kontakte auszubauen, die sich gezielt mit einzelnen Themenbereichen von Vielfalt und Antidiskriminierung auseinandersetzen. Denn das Lernen von den Nachbarn und Mitspielern aus der ganzen Welt sowie das Angebot eigener Entwicklungen als Lernfeld sollten Teil des Fussballs als globaler Sport sein. Neben der Mitarbeit in internationalen Arbeitsgruppen und Gremien können Verbände oder Vereine auch verbindliche Partnerschaften mit anderen Verbänden oder Vereinen eingehen, die ein gemeinsames Projekt zur Förderung von Vielfalt und Antidiskriminierung, z. B. zur Förderung nachbarschaftlicher Verhältnisse oder der Inklusion von Menschen mit Migrationshintergrund, realisieren. Ebenso kann es sinnvoll sein, internationale Praktika auszu- schreiben, die sich an Personen richten, die sich mit juristischen, sport- und sozialwissenschaftlichen Schwerpunkten von Vielfalt und Antidiskriminierung auseinandersetzen. Internationaler sportlicher Austausch, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, drängt sich geradezu auf, den Themenkomplex Vielfalt und Antidiskriminierung explizit einzubauen. Viele Städte haben Partnerstädte in diversen Ländern – das Konzept der Partnerstadt kann auf den Fussball übertragen werden und hilfreich sein, soziale Themen mit dem Fussball spielend zu verknüpfen. 11.6 Beispiele aus der Weltfussballfamilie Viele Beispiele haben sich im Abschnitt zuvor bereits abgezeichnet. Das bleibt nicht aus, wenn von Netzwerkarbeit und Kooperation im Fussball die Rede ist. Partizipation von Angehörigen von Minderheiten In einigen Fussballverbänden finden Gremien oder Arbeitsgruppen zur Förderung von Migrierten und ihren Nachkommen statt. Erörtert wir dabei, wie eine Willkommenskultur in Fussballvereinen gefördert werden kann, um Angehörige von Minderheiten gezielter anzusprechen. Aus solchen Gremien können zielgruppenorientierte Plakatkampagnen oder Probetrainingseinheiten entstehen. Sie werden 69 70 Teil II / Strategischer Gesamtansatz zur Förderung von Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung im Fussball Fussballverbände kooperieren mit den Ligen und Regierungen, um Aktionen gegen Diskriminierung zu starten. Hier in Deutschland beim Spiel des FSV Mainz gegen VfL Wolfsburg: „Mach einen Strich durch Vorurteile.“ auch in den jeweiligen Stadtquartieren angeboten, grössere Vereine können entsprechende Kooperationen mit Teams aus unteren Spielklassen eingehen. Dazu können moderierte Erzählabende mit Spielern und bei Jugendspielern auch Elternabende organisiert werden, bei denen persönliche Erfahrungen ausgetauscht werden. Zur Öffnung des Vereins können Elemente der eigenen Verbands- oder Vereinsgeschichte hervorgehoben werden, die jenseits einer reinen Ergebnis- und Erfolgsberichterstattung stattfinden. Sie können Geschichten von Menschen und dem sozialen Umfeld des Vereins erzählen, die Aspekte von Vielfalt in den Vordergrund stellen. Dies kann in Form einer Ausstellung passieren, an der interessierte Menschen aus den Stadtquartieren aktiv beteiligt werden können. Hier gibt es auch Beispiele von Vereinen, die von Homosexuellen oder Menschen bestimmter Religionszugehörigkeit gegründet worden sind. Diese Vereine berichten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind – wie jeder andere Verein auch. Dank der Gründung können bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielter angesprochen werden. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen, die in ihrer Freizeit Fussball spielen, dies gern mit Menschen tun, die ähnliche Erfahrungen im Alltag machen. Das gehört zur Geschichte des Fussballs. Denn jenseits des professionellen Fussballs ist der soziale Austausch eher noch wichtiger. Des Weiteren können Vertrauenspersonen hinzugezogen werden, um angeklagte Spieler vor den Sportgerichten zu beraten. Um das Zusammenleben in Vielfalt in den Vereinen explizit zu fördern, haben Verbände und Vereine auch Manager für Vielfalt oder Beauftragte für soziale Inklusion eingesetzt. Kampagnen von und mit Fussballfans Fussballfans sind weltweit dafür bekannt, selbst oder in Kooperation mit Verbänden, Vereinen und nichtstaatlichen Organisationen äusserst kreative Initiativen für Vielfalt und Antidiskriminierung zu starten – oder daran teilzunehmen. Zahlreiche solche Aktionen beschreiben z. B. UEFA und Fare network in ihrer im Jahre 2003 veröffentlichten Broschüre „Vereint gegen Rassismus im europäischen Fussball. UEFA-Handbuch für gute Verhaltensregeln“. Sie steht online zur Verfügung. Vereinsgründungen Es gibt viele positive Erfahrungen sozialer Inklusion, in denen Vereine, die von Angehörigen von Minderheiten gegründet wurden, am regulären Spielbetrieb der Verbände teilnehmen können. Dies wird als partizipatives, integratives Moment verstanden und nicht als Selbstabschottung. Aktionswoche von Fare network Ein säulenübergreifendes Beispiel ist die Fare-Aktionswoche. Ihr Kern zielt auf Information, Aufklärung und Sensibilisierung zu Vielfalt und Antidiskriminierung als Teil von Bildung ab. Hinzu kommt der medial äusserst förderliche Effekt dieser über Jahre etablierten Kooperation hunderter von Gruppen und Organisationen. FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Hierbei ruft der nichtstaatliche Zusammenschluss Fare network jährlich europaweit Fangruppen, Fussballvereine und -verbände sowie weitere Interessierte auf. Während zwei Oktoberwochen sollen Aktionen für Vielfalt und gegen Diskriminierung in und um europäische Stadien entstehen. Das können Fan- oder Vereinsbanner sein, aber auch Podiumsdiskussionen, Workshops und Konferenzen, die sich z. B. mit sozialer Inklusion von Frauen im Fussball und in seinen Fanszenen auseinandersetzen. Es gibt auch Schwerpunkte, die sich beispielsweise mit gegenwärtigen Situationen von Homound Transphobie im Fussball und in seinen Fanszenen auseinandersetzen. Unterstützung von geflüchteten Menschen Es gibt Vereine und Fussballfangruppen, die sich für Geflüchtete engagieren. Sie laden Geflüchtete zu Stadionbesuchen ein und verteilen Freikarten. Darüber hinaus gibt es Beispiele, in denen versucht wird, Geflüchtete in das Vereinsleben oder als Aktive einzubinden. Fangruppen fördern den Freizeitfussball unter ihnen, während verschiedene Initiatoren auch Ausrüstung spenden. 71 72 Bibliografie und Verweise Bibliografie und Verweise FIFA-Dokumente: • FIFA-Verhaltenskodex, Ausgabe 2012: http://de.fifa.com/mm/document/affederation/bodies/01/62/05/88/danlagedeutsch.pdf • FIFA-Ethikreglement, Ausgabe 2012: http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/01/10/77/47/ codeofethics2012d.pdf • FIFA-Disziplinarreglement, Ausgabe 2011: http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/50/02/75/discoinhaltd.pdf • FIFA-Reglement für Stadionsicherheit, Ausgabe 2012: http://de.fifa.com/mm/document/tournament/competition/51/53/98/safetyregulations_d. pdf • FIFA: Spielregeln. Ausgabe 2015/2016: http://de.fifa.com/mm/Document/FootballDevelopment/Refereeing/02/36/01/11/ LawsofthegamewebDE_German.pdf • FIFA-Statuten, Ausgabe April 2015: http://de.fifa.com/mm/Document/AFFederation/Generic/02/58/14/48/2015FIFAStatutesDE_ German.pdf • Resolution gegen Rassismus. Ausserordentlicher FIFA-Kongress 2001: http://de.fifa.com/sustainability/news/y=2007/m=5/news=au%C3%9Ferordentlicher-fifakongress-buenos-aires-resolution-518220.html • Resolution des 63. FIFA-Kongresses gegen Rassismus und Diskriminierung (in Verbindung mit Punkt 11.2 der Kongresstagesordnung), 2013: http://de.fifa.com/mm/document/afsocial/anti-racism/02/08/56/92/fifa-paper-againstracism-de-def_german.pdf Unvollständige Auswahl weiterer Dokumente • Asians in Football Forum/Football Unites, Racism divides: Asians can play football. Another wasted decade. A report from the Asians in football Forum: http://www.furd.org/resources/Asians%20Can%20play%20football.pdf • Australian Human Rights Commission: Know your Rights. Disability Discrimination: https://www.humanrights.gov.au/our-work/disability-rights/publications/know-yourrights-disability-discrimination • Australian Human Rights Commission: Know your Rights. Racial Discrimination and Vilification: https://www.humanrights.gov.au/our-work/race-discrimination/publications/know-yourrights-racial-discrimination-and-vilification Bibliografie und Verweise • Bingham Cup Sydney 2014/Australian Rugby Union/National Rugby League/Australian Football League/Football Federation Australia/Cricket Australia: Anti-Homophobia & Inclusion Framework for Australian Sports: http://youcanplay.com.au/resources/Anti-homophobia-framework.pdf • Bündnis für Demokratie und Toleranz/Deutsche Sportjugend/Koordinationsstelle Fan-Projekte: 11 Fragen nach 90 Minuten. Was tun gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball? http://www.vereint-gegen-rechtsextremismus.de/SharedDocs/Downloads/VGR/DE/bpb. pdf?__blob=publicationFile • Bündnis für Demokratie und Toleranz/Makkabi Deutschland e.V.: Vielfalt trifft Fussball: http://www.buendnis-toleranz.de/system/files/dokument_pdf/bfdt_fussball_bro_6.pdf • Black Collective of Media in Sport. The D Word. A Guide to Diversity in the Sports Media: http://www.farenet.org/wp-content/uploads/2015/02/The-D-Word-Guide.pdf • Light for the World (Bruijn, P./Regeer, B./Cornielje, H./Wolting, R./Van Veen, S./Maharaj, N.): Count me in. Include People with Disabilities in Development Projects. A Practical Guide for Organisations in North and South: http://www.lightfortheworld.nl/docs/default-source/policies-and-papers/count-me-in--include-people-with-disabilities-in-development-projects.pdf?sfvrsn=8 • Kommission der Europäischen Union: Weissbuch Sport: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52007DC0391 • CONCACAF: CONCACAF Diversity Handbook: http://www.concacaf.com/wp-content/uploads/2015/01/Diversity_Handbook_English.pdf • DFB: Fussball und Homosexualität. Eine Informationsbroschüre des DFB: http://daten.verwaltungsportal.de/dateien/news/2/0/8/0/2/5/dfb_broschuere.pdf • DFB: Tor! Integration von A–Z. Das Nachschlagewerk: http://www.dfb.de/vielfaltanti-diskriminierung/integration/von-a-bis-z/ • DFB: Tor! Integration fängt bei mir an. Praxishandbuch: http://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/13452-IntegrHandb_2013_100dpi.pdf • Discover Football: Claiming the Pitch. 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Levels of representation of visible ethnic Minorities and Women in Leadership Positions, and the experiences of elite level ethnic minority Coaches. Executive Summary: http://www.farenet.org/wp-content/uploads/2014/12/The-glass-ceiling-in-footballscreen3.pdf 75 76 FIFA Good Practice Guide zu Vielfalt und Antidiskriminierung Offizielle Publikation der Fédération Internationale de Football Association Herausgeberin Fédération Internationale de Football Association Geschäftsführender Generalsekretär Markus Kattner FIFA-Strasse 20, Postfach, 8044 Zürich, Schweiz T: +41 (0)43 222 7777, F: +41 (0)43 222 7878, FIFA.com Konzept und Redaktion FIFA, Nachhaltigkeitsabteilung Fotos FIFA via Getty Images, FIFA Foto-Net und Domenic Aquilina/Fussballverband von Malta Lektorat und Übersetzung FIFA-Sprachendienst Layout/Produktion FIFA-Produktion 10.15 PDF FAD/gde/lsc Fédération Internationale de Football Association FIFA-Strasse 20 Postfach 8044 Zürich Schweiz T: +41 (0)43 222 7777 F: +41 (0)43 222 7878 FIFA.com
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