„Unterschiedliche Interessenlagen auf einen Nenner bringen“

Restrukturierung
„Unterschiedliche
Interessenlagen auf
einen Nenner bringen“
Für den nachhaltigen Erfolg einer Restrukturierung ist professionelle Kommunikation
unabdingbar, weil sie Vertrauen schafft. Ein
Interview mit dem Insolvenzverwalter und
Restrukturierungsexperten Dr. Frank Kebekus,
Vorstand des Instituts für Interdisziplinäre
Restrukturierung (iir).
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Angst um Arbeitsplätze: In Insolvenzund Restrukturierungssituationen
artikulieren Mitarbeiter ihre Interessen
meist auch öffentlich. Im Bild eine
Demonstration von Beschäftigten des
Druckmaschinenherstellers manroland.
© Frank Rumpenhorst/dpa
Dr. Frank Kebekus: Der treibende Gedanke für die Gründung des iir war die Erfahrung, dass eine möglichst frühzeitige Sanierung bzw. Restrukturierung für alle
Beteiligten vorteilhafter ist als ein zu spät
eingeleitetes Insolvenzverfahren. Schlägt
ein Unternehmen diesen Weg erst ein,
wenn es keine Alternative mehr gibt, ist
der Ausgang unvorhersehbar. Der Insolvenzverwalter wird dann zum Unfallchirurgen. Gelingen Wiederbelebung und
Notoperation nicht, kann er nur noch abwickeln: die übrig gebliebenen Vermögenswerte verkaufen, mit dem Erlös die
Gläubiger, so gut es geht, bedienen, die
Mitarbeiter entlassen und den Betrieb
schließen. Dabei wären viele Unternehmen, die dieses Schicksal erleiden, durchaus sanierungswürdig und auch sanierungsfähig – wenn die Möglichkeiten
genutzt würden, die das Insolvenzrecht
heute bietet.
Themen und Trends
Herr Dr. Kebekus, Sie haben das iir 2009 mitbegründet. Was hat Sie dazu bewegt?
c
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Restrukturierung
Kebekus: Meiner Erfahrung nach ja. Und
sie werden nicht ausreichend vorbereitet. Dass im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens ein Restrukturierungsansatz erarbeitet wird, der von allen betroffenen
Stakeholdern akzeptiert wird, geschieht
Zielgerichtetes Storytelling
schafft Vertrauen.
zu selten. Dadurch wird die Chance vertan, durch frühzeitige Abstimmung eines
Sanierungskonzepts die unterschiedlichen Interessenlagen der beteiligten
Anspruchsgruppen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Nach dem Gang
zum Amtsgericht ist das viel schwieriger. Warum? Weil dann oft die erfahrenen Führungskräfte aus dem Spiel sind,
Panik um sich greift und die Firma in
Schockstarre verfällt.
Wie lassen sich die Interessengegensätze zwischen den Akteuren denn ausgleichen?
Kebekus: Das ist eine Frage der Kommunikation, bevor das Kind in den
Brunnen fällt. Internen wie externen
Stakeholdern ist doch am besten gedient, wenn es gelingt, Produktionsunterbrechungen, Umsatzeinbrüche oder
Führungsprobleme und die daraus resultierende Vernichtung von Werten
und Arbeitsplätzen zu vermeiden.
Schließlich haben in einer existenzbedrohenden Unternehmenskrise alle Beteiligten
dasselbe
Grundinteresse:
größtmöglichen Nutzen aus ihrer geschäftlichen oder vertraglichen Beziehung zum Unternehmen zu ziehen.
Banken, Kreditversicherer und Lieferanten wollen einen möglichst hohen Prozentsatz ihrer Forderungen realisieren.
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Und Mitarbeitern, Standortpolitikern
und der Bundesagentur für Arbeit geht
es um den Erhalt der Arbeitsplätze. Das
alles lässt sich nur dann gewährleisten,
wenn die Geschäftstätigkeit des Unternehmens nachhaltig fortgeführt wird.
Sie plädieren also für einen Gläubigerschutz,
wie wir ihn vom US-amerikanischen „Chapter
11“ her kennen?
Kebekus: Ein entsprechendes Verfahren
gibt es im deutschen Insolvenzrecht
schon seit zwölf Jahren. Damals schuf
der Gesetzgeber die Möglichkeit, mit
Zustimmung der betroffenen Gläubiger
von den Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens abzuweichen, um ein von
der Insolvenz bedrohtes Unternehmen
in Ruhe zu restrukturieren. Beim Insolvenzplanverfahren entwickelt der Insolvenzverwalter gemeinsam mit der
Unternehmensleitung einen Sanierungsplan. Auf dieser Basis wird dann mit den
Gläubigern ein teilweiser Schuldenerlass
verhandelt. Für den Unternehmer bzw.
Geschäftsführer bedeutet das: Er wird
nicht abgestempelt als Versager, dem
man den Betrieb aus der Hand nehmen
muss, oder gar als Schuldiger, der zu bestrafen ist. Stattdessen wird er Teil der
Lösung.
Welche Rolle spielt dabei Kommunikation?
Kebekus: Für ein Insolvenzplanverfahren ist zielgerichtetes Storytelling in
Richtung der Stakeholder eine entscheidende Erfolgsvoraussetzung. Es gilt
ja, das Vertrauen von Gläubigern,
Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern
dafür zu gewinnen, dass die aktuellen
Manager das Unternehmen mit Hilfe
externer Fachleute wieder flottmachen.
Dafür brauchen wir eine glaubwürdige
Geschichte, eine überzeugende Zukunftsperspektive, auf die sich alle Mitwirkenden
einlassen wollen. Klare Prozesse, juristische Expertise, Personal- und Finanzierungspläne geben strukturelle Sicherheit. Doch für den nachhaltigen Erfolg
einer Restrukturierung ist professionelle
Kommunikation mit allen Beteiligten
nicht weniger wichtig. Gelingt beides
und der Plan geht auf, kann das Unternehmen nach erfolgreicher Restrukturierung sogar besser dastehen als die
Konkurrenz. Die Praxis zeigt, dass potenzielle Geldgeber davon ausgehen,
dass ein Betrieb, der durch ein solches
Verfahren gegangen ist, keine Leichen
mehr im Keller hat. Das Unternehmen
kommt dann sogar leichter an frische
Kredite oder Investitionen als Firmen,
bei denen der Kapitalmarkt noch Altlasten sieht, versteckte Risiken befürchtet
oder die Equity Story nicht deutlich erkennt.
Wie können Kommunikationsberater eine Restrukturierung darüber hinaus unterstützen?
Kebekus: Fünf Ziele sind meiner Erfahrung nach am engsten mit Kommunikation verknüpft: Betrieb am Laufen und
Zulieferer bei der Stange halten, Loyalität der Kunden und Verbleib der Leistungsträger im Unternehmen sichern,
Sozialpartner konstruktiv einbinden.
Drei Aufgaben stehen im Vordergrund:
Die Führungsmannschaft muss Orientierung geben – durch eine glaubwürdige
Situationsanalyse, größtmögliche Transparenz und verlässliche Aussagen. Sie
muss Zuversicht vermitteln, indem sie
ein klares Zielbild entwickelt, ihre Strategie verständlich macht und einen Weg
weist, den vor allem jene für gangbar
halten, die ihn zu bewältigen haben.
Schließlich kommt es darauf an, Interessengemeinschaft herzustellen. Intern
bedeutet das vor allem: das mittlere
Management in die Verantwortung ein-
Kurzprofil
Dr. Frank Kebekus
und iir
Dr. Frank Kebekus ist seit 16 Jahren als Insolvenzverwalter und
Restrukturierungsexperte tätig und gehört zu den Pionieren des Insolvenzplanverfahrens in Deutschland. Er ist Vorstand des Instituts für
Interdisziplinäre Restrukturierung (iir) e. V. in Berlin, das in Kooperation mit der Humboldt-Universität das Ziel verfolgt, das Sanierungsund Insolvenzrecht weiterzuentwickeln und ein praxistaugliches
Restrukturierungsmodell zu erarbeiten.
zubinden und die Mitarbeiter auf das gemeinsame Ziel einzuschwören.
Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass die
Organisationskommunikation unverzichtbares Element des interdisziplinären Ansatzes
ist, den das iir vorantreiben will?
Themen und Trends
Mit anderen Worten: In Deutschland werden
Insolvenzanträge tendenziell zu spät gestellt?
Kebekus: Unbedingt. Die Führungskräfte brauchen in einer solchen Situation
Unterstützung im Hinblick auf die Entwicklung kommunikativer Inhalte, Prozesse, Strukturen und Fertigkeiten. Sie
müssen lernen, zielgerichtet zu kommunizieren und im Wettlauf mit Gewerkschaftern über eine reibungslose
Informationskaskade die Position der
Unternehmensführung abzusichern. Dabei sind nicht selten Ängste vor Kommunikation in Konfliktsituationen abzubauen. Viele stehen ja zum ersten Mal vor
Herausforderungen dieser Art. Hinzu
kommt der Druck der Medienberichterstattung, deren Bedeutung gern überschätzt wird. Das kann zu einer auf floskelhafte Kernbotschaften reduzierten
Einbahnstraßen-Kommunikation führen,
mit der die Menschen, deren Mitwirkung
die Unternehmensführung benötigt,
nicht zu gewinnen sind.

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