Kunst an 35 Orten

Schwäbische Zeitung 27.09.2015 Lokales
Kunst an 35 Orten
Ravensburger Kunstnacht begeistert mit Werken an 35 Orten – Rekord im Kunstmuseum: 1651
Besucher gezählt
von Maria Anna Blöchinger
Zum Auftakt der Kunstnacht eröffnete Kulturamtsleiter Franz Schwarzbauer die Bauwagengalerie des
Welfengymnasiums. (Foto: Blöchinger )
Ravensburg / sz Eine breite Vielfalt an Kunst hat die Besucher bei der Ravensburger Kunstnacht in
den Bann gezogen – darunter waren große und kleine, hochwertige und unscheinbare
Schmuckstücke.
Zum Auftakt der Kunstnacht eröffnete Kulturamtsleiter Franz Schwarzbauer eine Bauwagengalerie
des Welfengymnasiums. Kunstschüler, flankiert von Lehrern boten vor der Galerie auf Rädern
„praktische Kunst zu günstigen Preisen“. Im Wagen drinnen überraschten Pin-up-Girls die Besucher.
Oldtimerbusse brachten die Besucher an die etwas außerhalb liegenden Ausstellungsorte. Zur Galerie
Rössler in der Spohnstraße aber war es nicht weit. Im idyllischen Hinterhof präsentierte Berthold
Rössler unter freiem Himmel großformatige Gemälde. Nur ein paar Schritte weiter, vor und in den
Räumen der Kunstschule Schraf in der Reichlestraße, entfaltete sich buntes Leben: Alevtina Schraf,
die in Moskau Kunst studierte, ehe sie Textildesign erlernte, zeigte eigen Kreationen sowie Werke
von Schülern aller Altersklassen.
Reh im rosa Gehege
Blaue Leuchtstoffröhren und rote Pfeile zeigten zum Glück an: Hier ist Kunstnacht. Im ersten der drei
hintereinander liegenden Räume von „Casagranda Foto“, Gartenstrasse, umgaben kleinformatige
Gemälde auf Holz den Künstler und Kunsttherapeuten Mark Tunkel. Vom Traum inspiriert, mit Ironie
gewürzt: ein Reh im rosa Gehege, geflügelte Wesen. Räume tiefer zeigte Claudia Casagranda sehr
menschliche Aktfotografien und Christel Gehring gefilzte Vögel.
Im Foyer des Landratsamts ließen Mitglieder des Verbands Bildender Künstler Württemberg, Region
Bodensee-Oberschwaben, Kleinplastiken sehen. Keramik-Schreine von Christiane Lehmann lösten bei
Maximilian Eiden, Leiter des Kultur- und Archivamts, und Kunsthistorikerin Andrea Dreher
Erörterungen und Interpretationen aus.
In der hereinbrechenden Dämmerung führte der Weg zum Süd Studio für Virtuellesin der
Georgstraße. „Typographie kann unter Umständen Kunst sein“, heißt das Motto der zwei in Berlin
ausgebildeten Grafikerinnen Simone van Eldik und Tanja Kapahnke. Von ihnen stammt der
augenfällige Flyer der Kunstnacht. Im Spiel mit Buchstaben verwandelten sie die Kunstnacht zur
Kussnacht.
Partystimmung herrschte in der Empfangshalle von Schwäbisch Media in der Karlstraße. Der Verein
„akume“, das heißtafrikanische Kultur und Musik in Europa, brachte die Vielfalt des
Nachbarkontinents zutage. Farbenfrohe Skulpturen, Gemälde und Fotografien, Trommeln unter der
Leitung von Pierrick Nzoungani und afrikanische Speisen zogen die Besucher an. Die Gemälde der
1976 in der Republik Kongo geborenen Rhode Bath-Schéba Makoumbou thematisieren die Rolle der
Frau. Fotograf Myiramahirwe erzählt von Lebensfreude und Überlebenskampf.
Nun strahlte der Mond über der Kunstnacht. An der Polsterei „Vermöbelt“ in der Oberen Breiten
Straße mit Aquarellen, Zeichnungen, Holz- und Linoldrucken von Meret Eichler kam man heute nicht
vorbei. Zahlreiche Besucher lauschten der Kunsthistorikerin Andrea Dreher, die aus
Reisetagebüchern der 1928 in Ravensburg geborenen Künstlerin las.
Vor der Jodokskirche flammten kleine Lichter. Menschen tauschten sich aus, darunter eine
Franziskanerin im weißen Novizenschleier. In der Kirche erschauerte die Seele in neonblauem Licht.
Wie gebannt drang sie vor zu einer mit schwarzem Tuch abgeteilten Blackbox. In vier Videos
erzählten Menschen ihre Geschichte. Eine herzliche Begrüßung löste den Bann: „Willkommen im
Raum der Fremde.“
In der Rosenstraße gab es Gedränge vor den Schmuckstücken von Ines Mischke und Janusz
Zadurowicz, den Papierarbeiten von Carola Weber-Schlak. Ein paar Häuser weiter erklärte die
Künstlerin Siegi Treuter, deren Werke schon im Landratsamt zu bewundern waren, in der „art box“,
zwischen bezaubernden, altehrwürdigen Gegenständen, ihre Malerei.
„Man muss ein Auge fürs Schöne haben“, meinte ein Kunstschwärmer. Das kleine Ladengeschäft von
Kunsthandwerk Frei in der Herrenstraße wirkte wie verwandelt: Marina Llorca-Dreher hatte für die
Holzdrucke von Ottmar Voll viel Raum geschaffen.