Selbst ist das Dorf - Universität Bamberg

Wohnen
8 . NOV E M B E R 2 0 1 5
NR. 45
SEITE 51
F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U N G
Jenseits des Trachtenvereins: In manchen Dörfern hat schon ein neuer Fitnesskurs die Stimmung verbessert.
Selbst ist
das Dorf
Über die Städte wissen wir alles. Doch wie
steht es mit dem Land? Wie sieht die
Zukunft zwischen Kuhglocken-Romantik
und Schrumpfung aus? Besser als gedacht.
Von Judith Lembke
W
enn Nathalie Franzen Biogemüse einkaufen will,
fährt sie aus dem Dorf, in
dem sie wohnt, ins 30 Kilometer entfernte Mainz. Auf dem Wochenmarkt am Dom findet sie alles, was
das Herz einer Liebhaberin regionaler
Produkte höher schlagen lässt: Biofleisch
aus Rheinhessen, rotwangige Äpfel aus
der Südpfalz und natürlich Riesling aus
dem Rheingau. Sie fährt eine halbe Stunde und sucht fast ebenso lange einen
Parkplatz, obwohl sie einige der Produzenten direkt vor der Haustür hat. Doch
beim Biobauern in ihrem Dorf bekommt
sie nur einmal in der Woche frisches Gemüse. Auf Vorbestellung. Per Fax.
„Das idealisierte Land finden wir mittlerweile in der Stadt. Dort gibt es Bauernmärkte und Urban Gardening. Die
Parks werden wieder als Naherholungsgebiete genutzt“, sagt Humangeograph
Marc Redepenning von der Universität
Bamberg. Die Städter holen sich den
ländlichen Raum in Metropolen – oder
zumindest das, was sie sich darunter vorstellen. Eigentlich nur konsequent:
Denn während immer mehr Deutsche in
Städten leben, geben dieselben Menschen in Befragungen vermehrt „das
Land“ als bevorzugten Wohnort an.
Doch was ist „das Land“, von dem die
Menschen träumen, aus dem sie aber
fortziehen?
Die Städte wurden in den vergangenen
Jahrzehnten analysiert, vermessen und
vermarktet, vom Land haben die meisten
nur ein vages Bild, das irgendwo zwischen Romantisierung und Trostlosigkeit
changiert. Und diese Lücke zwischen Ideal und Wirklichkeit wird in Zukunft noch
weiter auseinanderklaffen. „Wir sehen
eine zweigeteilte Entwicklung“, sagt Stephan Petermann, der für AMO, den Forschungszweig des niederländischen Architekturbüros OMA von Rem Ko0lhaas,
die Zukunft des ländlichen Raumes erforscht. Einerseits werde das Land mit seiner ursprünglichen Natur vermehrt als
Rückzugsort für gestresste Städter geschätzt. Auf der anderen Seite sehe man
eine „Rationalisierung der Landschaft“.
Das Bild gerader, von der industriellen
Landwirtschaft gezogener Linien wird
durch riesige Nutzgebäude komplettiert:
Datenzentren von Apple und Google werden das Landbild seiner Ansicht nach
ebenso prägen wie die Verteilzentren von
Internetversendern wie Amazon. Romantisierung und Rationalisierung – das sind
widerstrebende Ansprüche an dieselben
Regionen. Ein Konflikt, für den Petermann auch keine Lösung kennt.
In Zahlen gefasst, zählen zum ländlichen Raum 98 Prozent der Erdoberfläche, auf der aber nur knapp die Hälfte
der Menschheit wohnt. In Deutschland leben laut Bundesinstitut für Raumforschung auf dem Land 18 Prozent der Bevölkerung auf 60 Prozent der Fläche. Es
werden immer weniger: Fast drei Viertel
aller ländlichen Gemeinden haben zwischen 2006 und 2011 Einwohner verloren,
hat das Berlin-Institut für Bevölkerung
und Entwicklung herausgefunden.
Nathalie Franzen weiß genau, was sich
hinter diesen Zahlen verbirgt. Sie ist von
Beruf Dorfplanerin, versucht gemeinsam
mit den Bewohnern Strategien für ländliche Gemeinden zu entwickeln, die aus
dem Gleichgewicht geraten sind. Sie
kennt sie alle: Die schmucken Fachwerkorte, die zwar hübsch anzuschauen sind,
sich aber anfühlen wie Freilichtmuseen,
weil die Bewohner nur am Wochenende
dort sind. Die Schlafdörfer am Rand der
Metropolen, deren einzige Lebensader
die S-Bahn-Linie in die Großstadt ist.
Aber auch Eifeldörfer, so zersiedelt und
abgelegen, dass sie „Oh, mein Gottt
denkt“, wenn sie das erste Mal dort vorbeikommt – die aber so voller Gemeinschaftsgeist und Bürgersinn stecken, dass
sie schlechte Lage und Schönheitsmängel im Wettbewerb um Zuzügler durch
gute Stimmung wettmachen.
Franzen glaubt nicht an das Klischee
der sterbenden deutschen Dörfer, in denen Wildschweine durch Vorgärten streifen und Brombeerhecken über Jägerzäune wuchern werden, nachdem der letzte
Bewohner gerstorben ist und von der
Kreisverwaltung die Straßenbeleuchtung
abgestellt wurde. Sie glaubt aber auch
nicht, dass jedes Dorf den demographischen Trend überlisten und auf Wachstum umschalten kann. Aber man könne
die Schrumpfung aufhalten. „Ob man
ein Dorf retten kann, hängt vor allem
daran, ob seine Bewohner es wollen“,
sagt sie.
In Deutschland entscheidet zunächst
einmal die Lage über die Zukunft. Befindet das Dorf sich in der Nähe einer prosperierenden Großstadt und hat am besten noch eigene Autobahnabfahrt und
S-Bahn-Anschluss, muss es sich nach Ansicht von Geograph Redepenning keine
Sorgen um seine Zukunft machen. Wegen steigender Immobilienpreise in den
Städten wird der Radius dessen, was als
„zentrumsnaher ländlicher Raum“ gilt,
immer größer. Denn Familien, die im eigenen Haus wohnen möchten, müssen
immer weiter herausziehen, um sich das
leisten zu können.
Anders sieht es hingegen mit Dörfern
aus, die das Institut für Raumforschung
zum „peripheren ländlichen Raum“
zählt. Ab 45 Minuten Pendelzeit zum Arbeitsplatz wird es kritisch. Das sind die
Orte, in denen nach Ansicht von Dorfplanerin Franzen das Engagement der Bewohner die zentrale Rolle spielt. Bilden
sie Fahrgemeinschaften zum Einkaufen
in die nächste Kreisstadt, wenn die Busverbindung eingestellt wird? Gründen
die Dorfbewohner Schulen und Kindergärten in freier Trägerschaft, wenn die
Kommune diese Aufgabe nicht mehr erfüllt? Manchmal brauche es aber auch
nur ganz kleine Impulse, damit die Stimmung wieder von hoffnungslos auf optimistisch dreht. „Oft reicht es, dass neben
dem Männergesangsverein und dem
Trachtenclub auch ein Fitnesskurs und
Babymassage angeboten werden, damit
die jüngere Dorfbevölkerung sich wieder
wohl fühlt“, sagt Franzen.
Doch damit Fahrgemeinschaften entstehen, der Dorfkern belebt oder auch
nur ein Raum zum Hip-Hop tanzen gefunden wird, braucht es engagierte Dorfbewohner – Raumpioniere, wie der Architekt Philipp Oswalt sie in einem 2013 veröffentlichten Buch genannt hat. So einer
ist Ulf Häbel aus Freienseen, einem
800-Einwohner-Dorf im Vogelsbergkreis.
Als der pensionierte Pastor den Telefonhörer in seinem ausgebauten Bauernhof abnimmt, kommt er gerade „vom
Bau mit den Somaliern“ wie er erzählt.
„Der Bau“, das ist die alte Dorfschmiede,
die auf Initiative von Häbel und anderen
Dorfbewohnern zu einem Ort der Begegnung für alle Generationen des Dorfes
werden soll: mit Tagespflege für die Alten, einem Dorfladen und einer Werkstatt, in der Handwerker im Ruhestand
mit den Kindergartenkindern bauen, basteln und werken sollen. Die Somalier wiederum sind Asylsuchende aus dem nahen
Flüchtlingsheim, die gemeinsam mit den
Dorfbewohnern auf dem Bau anpacken.
„Wir machen viel in Eigenleistung, und
die Flüchtlinge helfen lieber mit, als dass
sie herumsitzen“, sagt Häbel.
Der ehemalige Pfarrer ist Dorfbewohner aus Überzeugung: „Die Stadt bietet
Komfort, das Dorf lebt von Beteiligung.
Hier kann man sich noch selbst einbringen und seinen Lebensraum gestalten“,
sagt er. Seine eigenen Biographie ist dafür ein Beweis. Als er vor 26 Jahren mit
seinem fünf Kindern in den Ort zog,
sank die Bevölkerung, die Schule hatte geschlossen. „Gerade die Schule ist ein
wichtiges Rückgrat für den ländlichen
Foto vario image
Raum“, ist Häbel überzeugt. Also gründete er mit Gleichgesinnten selbst eine, mit
der evangelischen Kirche als Träger. Ein
Waldkindergarten kam hinzu. Nun die
Dorfschmiede.
Mittlerweile gibt es wieder Menschen,
die bewusst nach Freienseen ziehen, weil
sie Teil dieses engagierten Dorfes werden
wollen. Die Schrumpfung wurde aufge-
halten. „Die vom freiwilligen Engagement getragene Infrastrukturentwicklung
ist ein Zuzugsmotiv“, steht in einer Langzeitstudie des Thünen-Instituts, die den
Wandel der ländlichen Lebensverhältnisse seit 1952 in zehn westdeutschen und
seit der Wiedervereinigung auch vier ostdeutschen Dörfern untersucht – unter anderem in Freienseen.
Eine Allgemeingültigkeit will Heinrich
Becker, Koordinator der Studie, aus dem
Beispiel im Vogelbergkreis nicht ableiten:
„Dorfbewohner sind nicht engagierter,
nur weil sie auf dem Land leben.“ Die Individualisierung macht auch vor dem
ländlichen Raum nicht halt. Stadt und
Land – sind nicht nur Gegensatz, sondern in vielem ähnlicher, als man denkt.
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