Die Welt steckt voller guter Ideen – Unternehmen

Dieser Beitrag stammt aus Beschaffung aktuell 9/2015
MANAGEMENT
Open Innovation: Mit externen Ideen die interne Entwicklung beschleunigen
Die Welt steckt voller guter Ideen –
Unternehmen nutzen nur einen Bruchteil
Das sich rasant verändernde Kundenverhalten zwingt Unternehmen heutzutage, sich immer wieder neu zu erfinden und
das eigene Leistungsspektrum ständig zu verbessern. Die konsequente Einbeziehung externer Ideen in den internen
Entwicklungsprozess könnte die stetig wachsenden Forschungs- und Entwicklungskosten eindämmen. Aber zuerst muss
man die internen Prozesse in den Griff bekommen.
Neu gedacht
T
opaktuelle Produkte veralten mittlerweile oft binnen Monaten und nicht
mehr binnen Jahren. Unternehmen
stützen sich nicht mehr auf Dutzende, sondern Hunderte von Patenten. Unterdessen
verdoppeln sich die Forschungs- und Entwicklungskosten alle fünf Jahre.
Die entscheidende Frage in diesem kundengetriebenen Entwicklungswettlauf lautet,
was letztendlich erfolgreiche Innovatoren
vom Wettbewerb abhebt. In Sachen Open Innovation haben Strategen mittlerweile einige
Grundregeln für den Praxiseinsatz entwickelt.
Vorreitern wie Procter & Gamble dienen sie
als Grundlage für erfolgreiche Entwicklungsarbeit.
kaufs, diese zu identifizieren und für das eigene Unternehmen nutzbar zu machen.
Leider beschränkt sich der Auftrag vieler Einkaufsabteilungen auf eine Reduzierung der
Kosten. Weniger als die Hälfte der Euro-Stoxx50-Unternehmen verfügt über ein internes Innovationsteam, um Lösungen am Markt zu
entdecken und die Entwicklung neuer Angebote gemeinsam voranzutreiben. Als Katalysator helfen solche Teams dem Einkauf einzuschätzen, ob sich aus einer Entwicklung am
Markt die Notwendigkeit ergibt, selbst tätig
zu werden oder nicht. Darüber hinaus fördern
Innovationsteams die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, beispielsweise mit den
Bereichen Finanzen, Recht und Marketing.
DESSEN UNGEACHTET führt eine erschreckend hohe Zahl von Unternehmen Fehlschläge bei Innovationen auf externe Faktoren wie
Qualitätsmängel bei Lieferanten zurück, obwohl in Wahrheit interne Faktoren den Erfolg
vereitelten. Häufig scheitern externe Ideen
auch am Fehlen einer Strategie, die festlegt,
was im eigenen Betrieb geschehen soll und
was sich outsourcen lässt. Im Ergebnis verwerfen Unternehmen großartige Ideen, weil
sie diese nicht selbst entwickelt haben, sie ihnen zu riskant erscheinen oder noch nichtvorhandene Ressourcen benötigen würden.
Bevor sich Unternehmen offen generierten Innovationen schmücken können, müssen sie
daher zuerst in den Spiegel blicken und ihre
internen Prozesse auf Vordermann bringen.
Nachfolgend finden sich drei Lösungsansätze
für die gängigsten Herausforderungen:
Nummer 2: Auf neue Formen der Zusammenarbeit setzen. Viele Unternehmen haben bislang versucht, den Open-Innovation-Ansatz
über Wettbewerbe mit Lieferanten und Hochschulen mit Leben zu füllen. Doch damit kratzten sie nur an der Oberfläche dessen, was
machbar ist.
Über digitale Plattformen können Unternehmen heute Hunderttausende Köpfe auf der
ganzen Welt erreichen. Virtuelle Marktplätze
für Ideen verbinden Menschen und damit
auch Kunden, die noch nie zuvor Kontakt miteinander hatten. Gemeinsam können diese
nicht nur kleinere Herausforderungen, sondern auch große strategische Hindernisse aus
dem Weg räumen. Jeden Tag bringt beispielsweise die in Massachusetts ansässige Crowdsourcing-Plattform InnoCentive Tausende Lösungssuchende mit mehr als 200 000 Problemlösern zusammen.
Nummer 1: Den Beschaffungsprozess neu
durchdenken. Geschäftsführer können ihr
Management zwar auffordern, Ideen externer
Lieferanten in ihre Arbeit einzubeziehen.
Doch letztendlich ist es eine Aufgabe des Ein-
20
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
Beschaffung aktuell 2015 09
Nummer 3: Eine offene Kultur schaffen. Viel zu
häufig werden Erfindungen Dritter vom mittleren Management erst kritisch beäugt und
dann verworfen; letztendlich greift sie dann
Innovationsnetzwerke
Unternehmen sollten ihr Netzwerk verbreitern
und öffnen, um bestmögliche Ergebnisse bei
Innovationen zu erzielen:
1. Universitäten
Bei führenden akademischen Institutionen
sowie Start-ups können F&E-Abteilungen
Technologien und Innovationen mit einem
Bezug zu eigenen Kerntechnologien und
-produkten identifizieren und sie für das
eigene Unternehmen nutzbar machen.
2. Digitale Plattformen
Digitale Plattformen sind soweit ausgereift,
dass Unternehmen über sie auf einfache Art
und Weise einen Zugang zu den besten Ideen
von nahezu einer Million Studenten, Ingenieuren und Wissenschaftlern erhalten können.
3. Lieferanten
Unternehmen sollten ein umfassendes Relationship-Management für ihre zehn bis zwanzig
wichtigsten Lieferanten aufsetzen und auf
dieser Basis die Zusammenarbeit und den
direkten Austausch mit den zuständigen
Geschäftsbereichen fördern. Voraussetzung:
Die strategischen Lieferanten betrachten sie
gleichfalls als besonders wichtige Kunden.
4. Kunden
Mithilfe regelmäßiger Umfragen lässt sich
herausfinden, ob Kunden den Mehrwert bei
marktgängigen Produkten bemerken, der
nicht zuletzt auf Innovationen und Technologien von Lieferanten basiert. Im Gegenzug
können auch Kunden durch die Etablierung
von Feedback-Kanälen ihre Innovationsvorschläge unterbreiten.
Dieser Beitrag stammt aus Beschaffung aktuell 9/2015
ein cleverer Wettbewerber auf. Die Ursache
für ein solches Verhalten liegt in der Regel in
der jeweiligen Unternehmenskultur. Einige
Unternehmen versuchen tendenziell alle in
ihren Produkten genutzten Patente selbst in
der Hand zu behalten. Andere lehnen Innovationen von außen mit Blick auf eventuelle
rechtliche Probleme ab.
Open-Innovation-Strategien können nur dann
funktionieren, wenn sie die unterschiedlichen
Unternehmenskulturen
und
die
verschiedenen Verhaltensweisen der dort arbeitenden Menschen berücksichtigen. Unter
dieser Voraussetzung profitieren aber selbst
besonders risikoaverse Unternehmen hiervon. In einem ersten Schritt können sie beispielsweise die eigenen Stärken festlegen. Daraufhin werden Mitarbeiter beauftragt, Wege
zu finden, um hierzu passende externe Ideen
zu entdecken und abteilungsübergreifend bewerten zu lassen.
Drei Fragen, die sich Unternehmen stellen sollten
Die folgenden drei Fragen zeigen, ob Unternehmen die richtige Strategie, das passende
Lieferantenmanagement und die entsprechende Organisation besitzen, um herausragende externe Ideen intern zu nutzen:
Inwieweit ist die Beschaffungsstrategie
auf die entscheidenden Werttreiber für das
operative Geschäft abgestimmt?
In welchem Maß fördert und nutzt das
Unternehmen Innovationen von Lieferanten
zum eigenen Vorteil?
Verfügt das Unternehmen über die
notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen, um mit dem OpenInnovation-Ansatz nachhaltige Ergebnisse
zu erzielen?
·
·
·
Ideen externer Lieferanten einzubeziehen ist
eine Aufgabe des Einkaufs. Viel zu häufig
werden Erfindungen Dritter erst kritisch beäugt
und dann verworfen. (Foto: Rawpixel/Fotolia)
Manche Unternehmen erkennen das brach
liegende Potenzial in Sachen Open Innovation
erst infolge eines Fehlschlags mit einem neuen Produkt. So lange sollten Führungskräfte
keinesfalls warten. Mit einer zielgerichteten
Analyse lässt sich aufzeigen, in welchem Maß
eigensinniges Verhalten im Innern Innovationen von außen daran hindert, Wachstum
und Profitabilität zu steigern. Solche Verbesserungen bringen im Übrigen oft genauso
viel, wenn nicht sogar mehr, als konventionelle Initiativen zur Kostenreduzierung.
Die Autoren
Gregory Kochersperger und Xavier Nougues,
Partner bei Oliver Wyman
Beschaffung aktuell 2015 09
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
21