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Interview mit Professor Dr. Joachim Hermann Ullrich, Präsident der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt
Frage: Herr Professor Ullrich, könnten Sie bitte zunächst die Aufgaben der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt umreißen?
Prof. Ullrich: Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist die höchste Instanz in
Deutschland, was das Messen ganz allgemein angeht. Oder wie wir das nennen, die
Metrologie. Die Metrologie ist die Wissenschaft vom Messen und seine Anwendung. Das
betrifft letztendlich alle Messgrößen, die irgendwie zum Zuge kommen im täglichen Leben,
die man sich überhaupt ausdenken kann.
Insbesondere die sieben Basiseinheiten und die Basismessgrößen, das ist die Zeit, das ist die
Länge, unter anderem elektrischen Strom, das ist die Temperatur. Dazu gibt es
Basiseinheiten, die messen wir möglichst genau, so genau, wie sonst niemand in
Deutschland. Wir sind auch dafür zuständig, dass all diese Messgrößen international
vergleichbar sind. Wir sind seit 1875 Teil der Meterkonvention, waren eine der
Unterzeichnerstaaten. Es geht insbesondere um die Basiseinheiten, diese internationalen
Basiseinheiten, also die Sekunde, Meter, Ampere, Kelvin usw. Das Kilogramm ist natürlich
ganz wichtig. Die sind international so abgestimmt, dass wir immer über das Gleiche reden.
Weltweit gibt es also in jedem Land Institutionen wie wir und wir vergleichen uns auch
ständig in unseren Messmöglichkeiten. Also wir müssen diese Einheiten, wie wir sagen,
realisieren. Wir müssen zum Beispiel einen Meter auf einen Mikrometer oder einen
Nanometer genau messen können. Dass wir das können und wie gut wir das können, das
vergleichen wir international. So dass zum Beispiel dann auch ganz klar ist, für eine
globalisierte Industrie, wenn wir irgendwo in Brasilien produzieren, den Kolben für ein Auto
und hier zum Beispiel den Zylinder, dass der Mikrometer überall der Gleiche ist. Dass wir
letztendlich eben international vollständig abgestimmt alle Messgrößen, die irgendeine
Relevanz haben in der Wirtschaft realisieren hier und weitergeben können an die
Gesellschaft.
Frage: Also Metrologie, die Wissenschaft vom Messen, klingt sehr abstrakt. Was hat diese
Wissenschaft nun mit unserem ganz konkreten Alltag zu tun?
Prof. Ullrich: Ja, das ist sehr konkret. Ich mach das am liebsten immer an folgendem Beispiel
klar: Sie stehen morgens auf, der Wecker klingelt und sie können sicher sein, dass diese Zeit
weltweit synchronisiert ist. 400 Atomuhren, einige bei uns, mit die genauesten der Welt bei
uns, werden weltweit synchronisiert, so dass ihre Flugpläne, die Bahnzeiten, das
Banktransfers, die sie vielleicht nachts getätigt haben, alle synchronisiert und vernünftig
laufen.
Sie fahren zum Arzt, sie lassen sich ein kleines Blutbild machen zum Beispiel, aber wir stellen
sicher, dass die 3000 klinischen Labors in Deutschland richtig messen. 70 Prozent der
Messwerte, die im Krankenhaus anfallen, werden letztendlich durch uns verifiziert oder
werden auf uns zurückgeführt, wie man das so schön nennt. Wir stellen also sicher, dass das
wirklich funktioniert.
Frage: Ihre Forschung beschränkt sich nicht auf die Neubestimmung vom Maßeinheiten. Sie
führen auch sehr praktische Forschungen durch. Können Sie an praktischen Beispielen
erläutern, wie so ein Projekt entsteht?
Prof. Ullrich: Wie kommen solche Projekte zustande? Also wir hatten eigentlich ein ganz
aktuelles. Wir bauen gerade ein Zentrum für Windenergie. Das ist folgendermaßen zustande
gekommen. Wir haben also bei ins in der PTB geschaut, was machen wir denn bezüglich
neuer Energieformen und wo wird die Expertise der PTB insbesondere gebraucht. Da hat sich
herauskristallisiert, in Gesprächen mit Industrien, mit Universitäten, mit akkreditierten
Labors, dass gerade im Bereich der Windenergie zum Beispiel große Getriebe natürlich
benötigt werden und dass die Ausfallzeiten, die damit verbunden sind, dass das Getriebe
kaputt geht am Ende des Tage die signifikantesten sind. Es geht zwar selten kaputt, aber
wenn, dann ist es richtig heftig.
Es stellt sich auch heraus, dass die Hersteller großer Getriebe hauptsächlich auch deutsche
Firmen sind, die großes Interesse haben diese Getriebe besser zu vermessen und da reden
wir jetzt von Zahnrädern größer zwei Meter, manchmal auch größer vier Meter. Also richtig
große Getriebeteile, die dann präzise bei uns vermessen werden sollen. Bei den Flügeln
reden wir von Riesendrehmomenten, also da treten 2.000 Tonnen Kräfte auf, auf einen
Hebelarm von einem Meter. 2.000 Tonnen auf einen Meter, die man momentan nicht, wie
wir sagen rückgeführt messen kann. Also nicht so genau messen kann, dass man sich wirklich
sicher ist. Die Kraft ist soundso groß oder diese Hebelkraft ist so groß und deswegen haben
wir einen Antrag gestellt für große Getriebe, um große Getriebe besser charakterisieren zu
können und diese großen Drehmomente besser messen zu können. Es geht um 14 Millionen
Euro, es sind mehrere Industriebetriebe dabei, sind akkreditierte Labors dabei, sind
Universitäten dabei. Das ist ein Beispiel.
Es gibt viele andere Bespiele, zum Beispiel hochpräzise Spiegel für die verschiedensten
Anwendungen, zum Beispiel EUV-Lithografie. Das sind also die Fabrikationen für Chips der
nächsten Generation. Die müssen noch kleiner und feiner strukturiert werden. Dazu braucht
man kürzere Wellenlängen von Licht, die das machen letztendlich und dazu braucht man
Spiegel, die müssen charakterisiert werden. Das passiert zum Beispiel bei uns.