Repetitorium aus Zivilrecht Allgemeiner Teil Reinhard Schamberger Institut für Zivilrecht [email protected] (Folien auf Grundlage von Andreas Rechberger und Bernhard Motal) Inhalt Allgemeiner Teil des Zivilrechts – Teil II I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen III. Stellvertretung 2 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Ausgangslage »„Pacta sunt servanda“ »Unwirksamkeitsgründe durchbrechen diesen Grundsatz • Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit »Absolute Nichtigkeit »Relative Nichtigkeit »Anfechtbarkeit »Gesamtnichtigkeit – Teilnichtigkeit 3 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Geheimer Vorbehalt (Mentalreservation) »Ein Vertragsteil erklärt bewusst etwas anderes als er will. »Gültigkeit? Vertrauenstheorie »„Durchschauter Vorbehalt“ str »Mentalreservation – Scheingeschäft 4 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Nicht ernst gemeinte Erklärungen »Scherz- und Lehrerklärungen, Werbesprüche udgl »Keine Täuschungsabsicht des Erklärenden »Grundsätzlich unwirksam »Ausnahmsweise rechtsgeschäftliche Bindung (Vertrauenstheorie) Irrtumsanfechtung 5 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Scheingeschäft »Willenserklärungen, die bloß zum Schein abgegeben werden, um Dritte oder Behörden zu täuschen »Einvernehmen der Parteien »„Verdecktes Geschäft“ wird „nach seiner wahren Beschaffenheit“ beurteilt (§ 916 Abs 1 S 2) »Schutz Dritter (§ 916 Abs 2) keine Einrede des Scheingeschäfts »Scheingeschäft – Umgehungsgeschäft 6 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Ursprüngliche oder anfängliche Unmöglichkeit » Geradezu Unmögliches (§ 878) • Rechtlich Unmögliches oder faktisch Absurdes • Absolute Nichtigkeit des Vertrages • Ersatz des „Vertrauensinteresses“ • Culpa in contrahendo – „Kulpakompensation“ 7 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts » Sonstige („schlichte“) Unmöglichkeit • „Subjektive Unmöglichkeit“ („Unvermögen“) • Wirksamkeit des Vertrages • Str, welche Ansprüche dem Gläubiger bei endgültigem Ausbleiben der Leistung zustehen » Teilunmöglichkeit (vgl § 878 S 2) 8 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Gesetz- und Sittenwidrigkeit (§ 879) »Abs 1: Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten »Abs 2: Demonstrative Fallaufzählung »Abs 3: Inhaltskontrolle von AGB »Rechtsfolgen: „absolute“ oder „geltendzumachende“ (relative) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts 9 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts » Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 879 Abs 1) • Verstoß gegen gesetzliches Gebot oder Verbot • Inhaltsverbote – Abschlussverbote • Nichtigkeit nur, wenn Verbotszweck es verlangt • Gültigkeit, wenn das Verbot nur Art, Ort und Zeit des Abschlusses betrifft • Beispiele – Schwarzarbeit/Pfuschervertrag – Verkauf von Waren außerhalb der Öffnungszeiten – Verkauf von Heroin 10 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts » Verstoß gegen die guten Sitten (§ 879 Abs 1) • Gute Sitten: Inbegriff jener Rechtnormen, die im Gesetz nicht ausdrücklich angesprochen sind, sich aber aus der Betrachtung der rechtlichen Interessen ergeben (Allgemeiner Rechtsgrundsätze; Moral?) • Grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen • Fallgruppen – Verletzung von Allgemeininteressen – Einschränkung der persönlichen Sphäre und Freiheit – Ausnützung der wirtschaftlichen Übermacht 11 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts »Die Sondertatbestände des § 879 Abs 2 • Entgeltliche Heiratsvermittlung (Z 1) • Entgeltliche Vermittlung medizinisch unterstützter Fortpflanzung (Z 1a) • Pactum de quota litis (Z 2) • Veräußerung einer erhofften Erbschaft/Vermächtnis zu Lebzeiten des Erblassers (Z 3) 12 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts »§ 879 Abs 2 Z 4: Wucher • Auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses) • Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Bewucherten – „Leichtsinn, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung“ • Ausnutzen dieser Beeinträchtigung durch Gegenseite • „Kreditwucher“, „Sachwucher“, „Lohnwucher“, „Mietwucher“ usw 13 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts »Inhaltskontrolle von AGB (§ 879 Abs 3) • „Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.“ • Nur vertraglichen Nebenbestimmungen • Vgl auch § 6 KSchG 14 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts » Rechtsfolgen des § 879 • „Absolute“ Nichtigkeit: – Verstoß gegen Gesetze, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen – Von Amts wegen wahrzunehmen 15 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • „Geltendzumachende“ (relative) Nichtigkeit: – Schutzzweck der übertretenen Norm bezweckt bloß den Schutz eines Vertragspartners – Gerichtlich geltendzumachendes Gestaltungsrecht – § 879 Abs 2 Z 4 (Wucher) • Gesamt- oder Teilnichtigkeit? – Schutzzweck der Verbotsnorm 16 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Gröblich benachteiligende Bestimmungen in AGB – (Teil-)Nichtigkeit – Restgültigkeit – Geltungserhaltende Reduktion? – Ergänzende Vertragsauslegung? 17 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Formmängel – Gesetzliche Form » Grundsatz der Formfreiheit – Formvorschrift als Ausnahme » Zwecke von Formvorschriften: • Schutz vor Übereilung • Beweisfunktion • Offenkundigkeit • Gläubiger- und Drittschutz 18 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts » Arten von Formvorschriften: • Einfache Schriftform • Notariatsakt und notarielle Beurkundung oder Gerichtsprotokoll • Errichtung vor einem Rechtsanwalt, Notar oder Gericht • Erfordernis von Zeugen 19 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts »Rechtsfolge bei Verstößen • Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, soweit der Zweck es erfordert • Leistungsverpflichtung des Schuldners nicht schlechthin nichtig Naturalobligation • Tatsächliche Leistung des Versprochenen heilt den Mangel der Form (vgl § 1432) 20 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts Beispiel: B haftet als Bürge und Zahler schriftlich für ein Darlehen der G-Bank an S mit einer Bürgschaftssumme in Höhe von € 100.000,-. Wegen der zuverlässigen Rückzahlung des Kredits vereinbaren B und die G-Bank mündlich eine vorzeitige Absenkung der Bürgschaftssumme auf € 30.000,-. Unmittelbar danach gerät S in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die G-Bank fordert unter Berufung auf das Formgebrechen der mündlichen Änderung der Bürgschaftsverpflichtung von B die aushaftende Kreditsumme von € 40.000,-. 21 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts Beispiel: G sendet der K-Bank per Mail die Bestätigung, dass er für die Rückzahlung des Kredits des S garantiert. Als S in Verzug gerät und Terminsverlust eintritt, zahlt G auf erstes Anfordern die aushaftende Kreditsumme. Beispiel: L wird von seinen Gläubigern bedrängt. Er verkauft und übergibt daher seiner Gattin M ein wertvolles Gemälde, damit die Gläubiger nicht darauf zugreifen können. 22 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts • Formmängel – rechtsgeschäftliche („gewillkürte“) Form » Zwar keine gesetzlich vorgeschriebene Form erforderlich, aber von den Parteien vereinbart » § 884: Zweifelsregel, wonach keine rechtgeschäftliche Bindung der Parteien, wenn gewillkürte Form noch nicht eingehalten » Vgl auch §§ 6 Abs 1 Z 4, 10 Abs 3 KSchG 23 I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts Beispiel: Der Bauunternehmer T kauft beim Händler R Stahl um € 700,-/Tonne. Sie vereinbaren, dass „Abänderungen und Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Rechtswirksamkeit der schriftlichen Bestätigung beider Vertragspartner bedürfen; dies gilt auch für den Fall einer Vereinbarung des Abgehens von dieser vereinbarten Schriftform." Als in der Folge der Stahlpreis sinkt, einigen sich T und R per Handschlag auf einen Preis von € 500/Tonne. Nach Abschluss des Projekts fordert R von T die Zahlung von € 700,-/Tonne. 24 Inhalt Allgemeiner Teil des Zivilrechts – Teil II I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen III. Stellvertretung 25 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Voraussetzung »Vertrag • Regelungsproblem »Privatautonomie »Willenstheorie – Erklärungstheorie - Vertrauenstheorie • Maßgeblicher Zeitpunkt »Vertragsabschluss 26 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Irrtum »„Unter Irrtum versteht man die unzutreffende Vorstellung von der Wirklichkeit; der falschen steht die mangelnde Vorstellung gleich.“ »Arten des Irrtums • Erklärungsirrtum • Geschäftsirrtum • Motivirrtum 27 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Erklärungsirrtum • Der Erklärende meint, etwas anderes zu erklären, als er wirklich erklärt; Irrtum über die Erklärung selbst – Mangelndes Erklärungsbewusstsein – Fehler im Erklärungsakt – Übermittlungsfehler – Irrtum über Bedeutung der Erklärung 28 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen » Ungelesen unterschriebene Urkunden • Grundsätzlich wird Urkundeninhalt zum Erklärungsinhalt • Ungelesen unterschriebene Urkunde, aus Vorgesprächen besteht aber Einigkeit über den Inhalt • Ungelesen unterschriebene Urkunde, aber keine Vorstellungen vom Inhalt • Ungelesen unterschriebene Urkunde mit ungewöhnlichen Bestimmungen, aus Vorgesprächen besteht aber Einigkeit über den Inhalt (und der Vertragspartner weiß, dass der Irrende die Urkunde nicht nochmals durchlas) 29 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: A kommt mit B überein, sämtliche Anteile an der Hotelbetriebsgesellschaft Sonnenblick GmbH zu einem Preis von € 100.000,- übernehmen. A hat auch schon einen Vertragsentwurf mit, den B auch sofort ungelesen unterschreibt. Was A dadurch entgeht, neben dem Anteilskaufvertrag umfasst die Urkunde auch noch die Verpflichtung des A, eine persönliche Bürgschaft für die Kredite der Sonnenblick GmbH bei der R-Bank zu übernehmen. 30 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: A kommt mit B überein, sämtliche Anteile an der Hotelbetriebsgesellschaft Sonnenblick GmbH zu einem Preis von € 100.000,- übernehmen. Tags darauf schickt ihm der Anwalt des B eine Vertragsurkunde, die A ungelesen unterschreibt und retourniert. Was A dadurch entgeht, neben dem Anteilskaufvertrag umfasst die Urkunde auch noch die Verpflichtung des A, eine persönliche Bürgschaft für die Kredite der Sonnenblick GmbH bei der R-Bank zu übernehmen. 31 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Blankounterschrift • Blankett ≠ Ungelesene Urkunde • Verdeckte Blankettausfüllung Anfechtung (denkbar) • Offene Blankettausfüllung Stellvertretungsrecht 32 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Geschäftsirrtum • Irrtum über die Natur des Geschäfts, seinen Inhalt (Gegenstand) oder über eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft (oder Identität) der Person des Geschäftspartners • Aufklärungspflichten (§ 871 Abs 2) »Motivirrtum • „Punkte, die außerhalb des Geschäftsinhalts liegen“ (Beweggrund) • IdR unbeachtlich 33 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Beachtlichkeit des Motivirrtums: – Listige Irreführung (§ 870) – Unentgeltliches Geschäft (§ 901) – Wegfall der Geschäftsgrundlage – Beweggrund wird Vertragsinhalt – Letztwillige Verfügung (§ 572) 34 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Abgrenzungsfragen • Kalkulationsirrtum – Kalkulationsgrundlage wird Vertragsinhalt • Irrtum über den gemeinen Wert (Verkehrswert) einer Sache • Rechtsfolgenirrtum – Falsche Vorstellung über Rechtsfolgen 35 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Unwesentlicher – Wesentlicher – Unbeachtlicher Irrtum • Wesentlich, wenn der Erklärende ohne ihn das Geschäft nicht geschlossen hätte • Unwesentlich, wenn er sich auf einen Nebenpunkt des Vertrages bezieht, also ohne ihn das Geschäft von beiden (!) Vertragspartnern anders geschlossen worden wäre 36 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Anfechtungsvoraussetzungen • Irrtumsveranlassung – Adäquate Verursachung – sorgfaltswidriges Verhalten? – Verschuldensunabhängig • Irrtum hätte auffallen müssen – Erklärungsgegner hat fahrlässig Irrtum nicht erkannt < Irrtum ist aufgefallen – Sonderfall: durchschauter Irrtum (str) 37 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Irrtum wurde rechtzeitig aufgeklärt – Res-integra-Lehre – aA Ehrenzweig: „Redintegration“ zulässig – aA F. Bydlinski: Redintegration“ zulässig , wenn ansonsten das Äquivalenzverhältnis grob gestört wäre 38 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Gemeinsamer Irrtum – Strittig – Von Rsp als vierter Anfechtungsgrund anerkannt – Vertrauen des Irrenden auf Bestehen des Vertrages, wenn man selbst irrt? – Rsp: beachtlich – K/W: Unterfall der „Redintegration“ – AA: Wegfall der Geschäftsgrundlage 39 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Anfechtungsrecht • Gestaltungsrecht – gerichtlich geltend zu machen • Verzicht im Voraus möglich – Ausnahme Verbraucher (§ 6 Abs 1 Z 14 KSchG) • Verjährung: 3 Jahre ab Vertragsschluss (§ 1487) 40 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen – Schuld- und Sachenrechtliche ex tunc Wirkung » Sachenrechtliche Rückabwicklung: § 366 » Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: § 877 » Sonderfall: Dauerschuldverhältnisse und Gesellschaftsverträge – Konkurrenzen » Gewährleistung (§ 922 ff) » Schadenersatz statt Gewährleistung (§ 933a) » Laesio enormis (§ 934) 41 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Prüfungsschema 1. Liegt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein Irrtum über Gegenwärtiges vor? 2. Ist der Irrtum Geschäftsirrtum iwS? 3. Liegt eine der Alternativvoraussetzungen des § 871 Abs 1 vor? 42 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen 4. Wie hat der Irrtum den Vertrag beeinflusst? wesentlich unwesentlich unbeachtlich 4.1. 4.2. 4.3. 43 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen 4.1. Irrtum hat den Vertrag wesentlich beeinflusst? • Anfechtung • Wegfall des Vertrages • Rückerstattung/Vergütung von Leistungen • Dingliche Rückforderung 44 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen 4.2. Irrtum hat den Vertrag unwesentlich beeinflusst? • Anpassung an hypothetisch irrtumsfreien Vertrag • Vertragsänderung • (Teil-)Rückerstattung / Vergütung von Leistungen • Dingliche Rückforderung 45 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen 4.3. Irrtum hat den Vertrag unbeachtlich beeinflusst? • Keine Anfechtung oder Anpassung 46 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen » Arglist (§ 870) • „zivilrechtlicher Betrug“ • „List ist bewusste Täuschung: Der Erklärende wird vorsätzlich durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Willensäußerung bewogen.“ • Tun – Unterlassen • Anfechtung auch bei arglistig herbeigeführtem Motivirrtum • Verjährung: 30 Jahre ab Vertragsschluss • Zwingendes Recht 47 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Furcht – Drohung – Zwang (§ 870) • „ungerechte und gegründete Furcht“ • Drohung, die den Willen des Erklärenden beeinflusst • Mittel-Zweck-Relation • Gerichtlich geltend zu machen • Anfechtung oder Anpassung des Vertrages (§ 872 pa) • Verjährung: 3 Jahre ab Wegfall der Drohung • Zwingendes Recht 48 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: A hat das Fahrrad des B gestohlen und verkauft. B droht nun dem A, Strafanzeige gegen ihn einzubringen, wenn er ihm nicht binnen drei Tagen den Wert des Fahrrades ersetzt. C droht D, gegen ihn Strafanzeige wegen Veruntreuung von Unternehmensvermögen einzubringen, wenn er ihm nicht seinen Porsche schenkt. D erklärt sich daraufhin einverstanden. 49 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: C fährt mit seinem neuen Fahrrad von einer Feier alkoholisiert nach Hause. Als er schon fast zu Hause angekommen ist, fährt er seinen Nachbarn D an, der Prellungen und Abschürfungen erleidet. C ist Berufskraftfahrer und würde seinen Job verlieren, sollte ihm der Führerschein entzogen werden. Daher willigt er in den Vorschlag des D ein, gegen eine Entschädigung von € 10.000,von einer Anzeige abzusehen. 50 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Herbeiführung von Willensmängeln durch Dritte (§ 875) • Vertrag grundsätzlich gültig • Anwendung der §§ 870 ff, wenn – der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder – von derselben offenbar wissen musste • Dritte ist nur, wer nicht Geschäftsgehilfe des Irrenden ist, also nicht dessen – Stellvertreter – Verhandlungsführer – Bote 51 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: A kauft beim Elektrohändler E den Fernseher „UltraView“. Sein Nachbar B hat ihm nämlich „listig“ erzählt, dass dieser über eine 3D-Funktion verfüge, was aber nicht stimmt. Kann A den Kaufvertrag mit E wegen Irrtums anfechten? 52 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Wegfall der Geschäftsgrundlage (clausula rebus sic stantibus) • Die Vertragsparteien irren über das Bestehen, Fortbestehen oder den Eintritt bestimmter Umstände (Geschäftsgrundlagen) • Gesetzlich nicht geregelt • Umstände sind nicht Bedingung (§ 901) des Geschäfts oder zum Vertragsinhalt erhoben • Anfechtung oder Anpassung des Vertrages • Dogmatik: Gesamtrechtsanalogie oder ergänzende Vertragsauslegung 53 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Prüfungsschema 1. Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde von den Parteien nicht bedacht und daher nicht geregelt 2. Unvorhersehbares Ereignis 3. Ereignis muss „von außen“ kommen (Krieg, Naturkatastrophe uÄ) 4. Geschäftstypische Voraussetzung 5. Festhalten am Verträge würde zu einer schweren Äquivalenzstörung oder Zweckvereitelung führen 54 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel („Krönungszugsfall“): Für die Besichtigung eines Krönungszuges mietet A von B ein Fensterplatz in einer Straße, durch die der Zug führen soll. Der Krönungszug findet jedoch nicht am geplanten Ort statt, sondern wird kurzfristig verlegt und verläuft nun über den Schottenring. Kann der Vertrag wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage angefochten werden? 55 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: C bucht bei der D-Kulturreisen GmbH eine Reise nach Syrien. Nach Abschluss des Reiseveranstaltungsvertrages bricht in Syrien ein Bürgerkrieg aus und das Außenministerium erlässt eine Reisewarnung. Kann der Vertrag wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage angefochten werden? 56 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen »Schadenersatzpflichten wegen List/Drohung (§ 874) • Schadenersatzpflicht (volle Genugtuung) des Irreführers oder Drohenden (Partner oder Dritter) • Der fahrlässig Irreführende haftet nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo • Aufhebung oder Anpassung des Vertrages und Ersatz des weitergehenden Nachteils / Schadenersatz 57 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen » Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis) • § 934 ABGB: „Hat bey zweyseitig verbindlichen Geschäften ein Theil nicht einmahl die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Werthe erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten Theile das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern.“ • Objektive Äquivalenzstörung von Leistung und Gegenleistung • Verkürzung über die Hälfte (49 : 100) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses • Gerichtlich geltend zu machen 58 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Verjährung: 3 Jahre ab Vertragsschluss • Wirkung der Anfechtung – K/W: schuldrechtlich ex tunc; sachenrechtlich ex nunc – P. Bydlinski: schuldrechtlich ex tunc; sachenrechtlich ex tunc • Facultas alternativa • Zwingendes Recht (§ 935) – Zulasten eines Unternehmers dispositiv (§ 351 UGB) 59 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Keine laesio enormis, wenn – der Erwerber ein überhöhtes Entgelt aus besonderer Vorliebe bezahlt, – der Erwerber den wahren Wert der Sache kannte oder – die Parteien eine gemischte Schenkung schließen wollten oder – die Sache in einer gerichtlichen Versteigerung erworben wurde sowie – Glücksvertrag (§ 1268) oder Vergleich (§ 1386) 60 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen Beispiel: A kauft vom Oldtimerhändler B einen Pontiac Firebird 1979 um € 50.000,-, weil er glaubt, derartige Modelle seien soviel Wert. Tatsächlich beträgt der Wert nur € 20.000,-. Beispiel: C kauft vom D einen Gebrauchtwagen um € 4000,-, der, würde er die vertragsgemäßen Eigenschaften („100% betriebssicher“) haben, tatsächlich € 4000,- Wert wäre. Der Gebrauchtwagen hatte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen versteckten Defekt, der € 2500,- an Reparaturkosten verursachen würde. 61 II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen • Wertmissverhältnis aufgrund einer Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Sache (Vorhandensein von Mängeln) – K/W und Rsp: Die Verkürzung ist am Geleisteten zu messen ist. Die Gründe für die Verkürzung sind irrelevant Anfechtung zulässig. – P. Bydlinski: Die Verkürzung ist am Vereinbarten und nicht am Geleisteten zu messen ist keine Anfechtung. 62 Inhalt Allgemeiner Teil des Zivilrechts – Teil II I. Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts II. Fehlerhafte Willenserklärungen und ihre Folgen III. Stellvertretung 63 III. Stellvertretung • Grundsatz: „Wer handelt, handelt für sich selbst“ »Privatautonomie »Erweiterung des Aktionsradius • Begriffe »Stellvertretung: rechtsgeschäftliches Handeln (des Stellvertreters) für einen anderen (den Vertretenen) in dessen Namen »Vertretungsmacht (Vollmacht): Rechtsmacht, im fremden Namen (mit Wirkung für den Vertretenen) zu handeln 64 III. Stellvertretung • Mittelbare Stellvertretung Vertreter Vertrag 2 Vertrag 1 Dritter Vertretener Keine Rechtsbeziehungen 65 III. Stellvertretung • Unmittelbare Stellvertretung Keine Rechtsbeziehungen Vertreter Auftrag, Ermächtigung, oÄ Dritter Vertretener Vertrag 66 III. Stellvertretung • Voraussetzungen 1. 2. 3. 4. Vertretungstaugliches Rechtsgeschäft Handeln „im Namen“ des Vertretenen Vertretungsmacht Geschäftsfähigkeit des Stellvertreters 67 III. Stellvertretung 1. Vertretungstaugliches Rechtsgeschäft »Vertretungsfeindliche Rechtsgeschäfte • Eheschließung (§ 17 EheG) • Familienrechtliche Geschäfte (vgl § 145) • Letztwillige Verfügungen (vgl § 564) • Einwilligung in Heilbehandlungen • Errichtung von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten 68 III. Stellvertretung 2. Handeln „im Namen“ des Vertretenen »„Offenlegungsgrundsatz“ – Abschlussfreiheit »Ausdrücklich oder aus den Umständen erkennbar • Erkennbarkeit? »Handeln auf fremde Rechnung unzureichend »Keine Offenlegung Eigengeschäft des Handelnden 69 III. Stellvertretung »Sonderfall: „Geschäft für den, den es angeht“ • Kein Interesse an der Identität des Vertragspartners • Keine Offenlegung erforderlich • Verpflichtet wird Vertretener • Zum Beispiel sofort erfüllte Barkäufe 70 III. Stellvertretung »Sonderfall: Vorbehalt der Person des Vertretenen • Vertretener wird bei Vertragsschluss nicht bekanntgegeben • Zulässig, wenn Dritter mit Vorbehalt einverstanden ist • Vertreter muss Machtgeber binnen vereinbarten oder angemessener Frist nennen • Nichtbekanntgabe falsus procurator 71 III. Stellvertretung »Sonderfall: Schlüsselgewalt • § 96: „Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen.“ • Vertretungsverhältnis muss bekannt oder aus den Umständen erkennbar sein • Keine Offenlegung erforderlich • Geschäft gilt für nichthandelnden Ehegatten 72 III. Stellvertretung » Sonderfall: Handeln unter fremden Namen • Der Handelnde erklärt, er handle für sich selbst (im eigenen Namen), wobei er aber den Namen einer anderen Person als seinen angibt. • „Allerweltsname“: Eigengeschäft des Handelnden • Name weckt Identitätsvorstellung: – Unter Abwesenden: Geschäft für Namenspartei – Unter Anwesenden: Geschäft für Namenspartei, wenn für Geschäftsgegner Namensträger wesentlich » Mangelnde Vollmacht falsus procurator 73 III. Stellvertretung Beispiel: A stellt sich beim Porschehändler als der Soft-DrinkProduzent Dietrich M. vor und schließt einen Kaufvertrag über einen Sportwagen zum Preis von € 200.000,-. Beispiel: Der Fußballstar David Alaba bucht eine Urlaubsreise unter dem Namen David Müller, um unerkannt zu bleiben. 74 III. Stellvertretung 3. Vertretungsmacht »Bevollmächtigung »Gesetzliche Vertretung »Organmäßige Vertretung 75 III. Stellvertretung »Bevollmächtigung • Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht • „Vollmacht“ entsteht durch einseitige (empfangsbedürftige) Erteilung des Machtgebers • Innenvollmacht – Außenvollmacht • Unterscheide Innen- und Außerverhältnis • Geschäft formpflichtig Vollmacht formpflichtig 76 III. Stellvertretung • Erlischt durch – Befristung/Bedingung – Abschluss des betreffenden Geschäfts – Widerruf/Aufkündigung – Tod des Machtgebers oder Machthabers – Insolvenz des Machtgebers oder Machthabers 77 III. Stellvertretung • Erstreckung auf den Todesfall (§ 1022) – Testamentsvollstrecker • Begrenzte Fortwirkung (§ 1025) – Unaufschiebbare Geschäfte sind fortzusetzen • Gutglaubensschutz (§ 1026) – Vollmacht erloschen, aber gutgläubigen Dritten ohne sein Verschulden unbekannt – Vertrag wirksam – Machtgeber kann vom Machthaber Ersatz fordern 78 III. Stellvertretung »Gesetzliche Vertretung • Gesetzliche Vertretung nicht (voll) geschäftsfähiger Personen • Eltern – Kind (vgl aber § 170 Abs 3) • Sachwalter im übertragenen Wirkungskreis • Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger • Ex lege oder kraft Gerichtsbeschluss 79 III. Stellvertretung »Organmäßige Vertretung • Juristische Personen können nur durch physische Personen, sog „Organe“, handeln. • Organmäßige Stellvertreter durch Verfassung der Gesellschaft befugt • Vorstand der AG oder der Geschäftsführer der GmbH »Besonderheiten der Prokura (§§ 48 ff UGB) • Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 UGB) 80 III. Stellvertretung 4. Geschäftsfähigkeit des Stellvertreters »§ 1018: Stellvertreter kann nur sein, wer zumindest beschränkt geschäftsfähig ist (ab 7 Jahren) »Risiko des Vertretenen »Völlig Geschäftsunfähige nur im Rahmen des § 170 Abs 3 81 III. Stellvertretung • Verwaltervollmacht (§ 1029) »„Wer einem Andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist.“ »Widerlegliche Vermutung – leichte Fahrlässigkeit schadet »Reichweite? »Hausverwalter: • Abschluss und Kündigung von Bestandverträgen, Versicherungsverträge, usw 82 III. Stellvertretung • Anscheinsvollmacht »Rechtsscheinlehre (§§ 1026, 1029, 1030, 1033; §§ 54, 56 UGB) »„Vertrauen auf den äußeren Tatbestand“ »Voraussetzungen – Bestehen eines konkreten Rechtsscheins – Zurechenbare Verursachung dieses Anscheins durch den Betroffenen – Gutgläubiges Vertrauen auf diesen Rechtsschein 83 III. Stellvertretung • Duldungsvollmacht »≠ Anscheinsvollmacht »Dulden des Geschäftsherrn kann eine stillschweigende Willenserklärung sein rechtsgeschäftliche Vollmacht »Bsp: Nicht bevollmächtigter Angestellter schließt im Namen seines Dienstgebers, der anwesend ist und das Auftreten des Angestellten schweigen hinnimmt, Geschäfte ab. 84 III. Stellvertretung • Umfang der Vollmacht »Privatautonome Gestaltung »Umfang der Außen- oder Anscheinsvollmacht: objektive Auslegung der Bevollmächtigungserklärung »IZw deckt sich Umfang mit Auftrag/Ermächtigung »Gegenstand und Natur des Geschäfts beachtlich »Generalvollmacht – Gattungsvollmacht – Einzelvollmacht »Unumschränkte Vollmacht – beschränkte Vollmacht 85 III. Stellvertretung »Beschränkung der Vollmacht gegenüber Verbrauchern (§ 10 KSchG) • Vollmacht, die ein Unternehmer erteil hat, erstreckt sich im Verkehr mit Verbrauchern auf alle Rechtshandlungen, die derartige Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen. • Beschränkung der Vollmacht nur wirksam, wenn sie Verbraucher bewusst war (Kenntnis) • Beschränkung der Vollmacht war dem Verbraucher infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst Rücktrittsrecht des Unternehmers • Leichte Fahrlässigkeit schadet nicht 86 III. Stellvertretung Beispiel: A will sich beim Möbelhändler B ein neues Bücherregal für sein Wohnzimmer kaufen und findet ein passendes um € 50,-. Der Verkäufer C räumt dem Konsumenten L einen Preisnachlass in Höhe von 5 % ein, wenn A per Erlagschein binnen zwei Wochen bezahlt. Im Geschäft des Möbelhändlers B ist beim Eingang gut sichtbar folgendes Schild aufgehängt: „Unsere Verkäufer sind nicht dazu befugt, Rabatte zu gewähren!“ 87 III. Stellvertretung Beispiel: A will sich beim Möbelhändler B ein neues Bücherregal für sein Wohnzimmer kaufen und findet ein passendes um € 50,-. Der Verkäufer C räumt dem Konsumenten L einen Preisnachlass in Höhe von 5 % ein, wenn A per Erlagschein binnen zwei Wochen bezahlt. In den AGB des Möbelhändlers B findet sich folgende Klausel: „Verkäufer dürfen Rabatte auf Verkaufspreise nur gegen schriftliche Bestätigung gewähren“. 88 III. Stellvertretung • Vertretung ohne Vertretungsmacht »„Handelt jemand im fremden Namen, ohne vertretungsbefugt zu sein, so ist er Scheinvertreter (Vertreter ohne Vollmacht, falsus procurator).“ »Keine rechtsgeschäftliche Wirkung für vermeintlich Vertretenen bei • Mangelnder Vertretungsmacht • Überschreitung der Vertretungsmacht »Keine rechtsgeschäftliche Wirkung für den Scheinvertreter 89 III. Stellvertretung »Heilung des Mangels der Vollmacht • Bis dahin Geschäft „schwebend unwirksam“ • Nachträgliche Genehmigung des unwirksam Vertretenen – Stillschweigende Annahme? • Vorteilszuwendung • Wirkt auf Vertragsschluss zurück 90 III. Stellvertretung • Beispiel: Der Malerlehrling A kauft für den Malermeisters B beim Großhändler U im Namen des B, jedoch ohne Vollmacht, 100 Eimer Wandfarbe um € 2.000,- und stellt sie ins Lager des B. B verwendet einen der Kübel im Glauben, dass er selbst diese kürzlich gekauft habe. Wurde der Vollmachtsmangel saniert? 91 III. Stellvertretung »Haftung des Scheinvertreters (falsus procurator) • Culpa in contrahendo (§ 1019) – Aufklärungspflicht • Vorsätzliches oder fahrlässiges Verschweigen der mangelnden Vertretungsmacht Haftung • Vertrauensschaden (negatives Interesse) – Vermögensnachteil des Dritten im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages – Aber: Begrenzung mit hypothetischem Erfüllungsinteresse (§ 1019 S 2) • Mitverschulden: § 1304 92 III. Stellvertretung Beispiel: A kauft von B, der für X auftritt, aber keine Vollmacht hat, einen Tisch um € 100,-, der € 110,- wert ist. Im Glauben, einen Vertrag geschlossen zu haben, lehnt A wenig später ein Angebot des Y ab, der denselben Tisch um € 90,- verkaufen wollte. X genehmigt nicht. 93 III. Stellvertretung »Haftung des Scheinvertretenen für den Scheinvertreter – Grundsätzlich keine Haftung – Ausnahmsweise Haftung auf Vertrauensschaden (negatives Interesse), wenn eine Zurechnung des Scheinvertreters als Erfüllungsgehilfe (§ 1313a) des Geschäftsherrn in contrahendo zu bejahen ist – Bsp: „Vertreter“ ist mit rechtsgeschäftlichem Kontakt mit Dritten betraut (Erfüllungsgehilfe in contrahendo) 94 III. Stellvertretung • Missbrauch der Vertretungsmacht • Geschäft hält sich im Rahmen der Vollmacht, der Vertreter überschreitet aber seinen Auftrag – Vertretungshandlung gültig – Trennung von Auftrag und Vollmacht – Haftung des Vertreters gegenüber dem Vertretenen im Innverhältnis 95 III. Stellvertretung • Kollusion – Absichtliches Zusammenwirken des Vertreters und des Dritten, um den Vertretenen zu schädigen – Auftragswidriges Geschäft ungültig (Trennung von Auftrag und Vollmacht dient Verkehrs- und Vertrauensschutz) – Auch, wenn dem Vertreter die Pflichtwidrigkeit nicht bewusst ist, sie jedoch dem Dritten bekannt oder für ihn offenkundig war 96 III. Stellvertretung • Insichgeschäft (§ 271 pa) »Der Vertreter erzeugt rechtsgeschäftliche Wirkungen für und gegen den Vertretenen durch Willenserklärung an sich selbst. »„Selbstkontrahieren“ ≠ „Doppelvertretung“ »Grundsätzlich unzulässig »Ausnahmen • Der oder die Machtgeber sind einverstanden • Selbstkontrahieren bringt ausschließlich rechtliche Vorteile für den Vertretenen • Selbstkontrahieren zulässig, wenn keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen besteht (Verkauf zu einem Markt- oder Börsenpreis) 97 III. Stellvertretung • Abgrenzungsfragen » Treuhand • Der Treuhänder übt Rechte im eigenen Namen, aber auf Grund einer besonderen Bindung zu einer anderen Person (dem Treugeber) im fremden Interesse aus. • Der Treuhänder „kann mehr, als er darf“. • Fudicia – Ermächtigungstreuhand • Fremdnützige Treuhand – eigennützige Treuhand • Offene Treuhand – Verdeckte Treuhand 98 III. Stellvertretung » Abschlussvermittler • Personen, die Abschlussgelegenheiten nachweisen und potentielle Kontrahenten zusammenbringen • Handelsmakler • Handelsvertreter 99 III. Stellvertretung »Bote • „Verlängerte Hand“ seines Auftraggebers • Erklärungsbote – Teilt den fremden Willen mit, übermittelt schon „Vollzogenes“ • Empfangsbote – Nimmt fremde Willenserklärungen für seinen Geschäftsherrn entgegen 100 III. Stellvertretung • Fehler bei Wiedergabe der ihm aufgetragenen Erklärung – Gilt gegen Auftraggeber » Anfechtung nach §§ 870 ff – Ausnahme: absichtliche Entstellung der Erklärung oder gar keine Bote » Haftung des Boten wegen culpa in contrahendo 101
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