THEMA DES TAGES 14 DPA Ohne Internet geht nichts mehr. Nicht in privaten Haushalten. Nicht in Unternehmen. Doch gerade der ländliche Raum ist immer noch teilweise abgeschnitten vom Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Landkreise Göttingen, Osterode und Northeim stehen in den Startlöchern, die Breitbandversorgung auszubauen. Abkürzungen DSL und Mbit/ss DSL steht für „digital subscriber line“, also für digitalen Teilnehmeranschluss. Die Geschwindigkeit, mit der die digitalen Daten übertragen werden, wird in Bit pro Sekunde angegeben. Mbit/s sind Megabits, also seht die Geschwindigkeit 16 Mbit/s für 16 000 Kilobits. Diese Geschwindigkeit ist bei vielen Anbietern Standard – aber nicht überall verfügbar. Das Breitband-Kompetenzzentrum Niedersachsen hat 2013 einen Atlas veröffentlicht, in dem die Versorgung im Land kartiert ist (breitband-niedersachsen.de). Die Daten zeigen beispielsweise für Bremke, eine maximale Geschwindigkeit von 6 bis 16 Mbit/s auf. Der Online-Rechner der Telekom bietet allerdings für die gleiche Adresse einen „Hybrid Turbo“ bis zu 25 MBit/s Geschwindigkeit fürs Festnetz und Funk mit bis zu 50 MBit/s an. (telekom.de) MITTWOCH, 26. AUGUST 2015 Schnelles Internet? „Löcher in der Datenautobahn!“ VON MicHAeL BRAKeMeieR Göttingen/Northeim. „Über die Löcher in den Straßen fahren meine Lkw drüber, aber die Löcher in den Datenautobahnen behindern beziehungsweise verzögern mein Tagesgeschäft.“ Dirk Niemeyer, Sprecher des Landkreises Northeim, zitiert einen Northeimer Unternehmer, um die große Bedeutung leistungsstarker Internetverbindungen hervorzuheben. „In einer digitalisierten Welt hat eine leistungsstarke Internetverbindung von mindestens 50 Megabit pro Sekunde bei den Unternehmen Priorität und stellt einen wichtigen Standortfaktor dar.“ Das Alltagsgeschäft finde überwiegend digital statt. Daher erwarteten die Betriebe eine leistungsstarke Verbindung, die ihren Anforderungen gerecht werde und einen reibungslosen Geschäftsablauf sicherstelle. Ihm seien zwar keine Fälle bekannt, sagt Niemeyer, in denen eine mangelnde Internetverbin- dung eine Firmenansiedlung in der Region verhindert habe, es sei aber auch nicht auszuschließen, dass sich ein Unternehmen vorab wegen der mangelnden Datenverbindung für einen anderen Standort entschieden hat. Eine vom Landkreis Northeim in Auftrag gegebene Breitbandstrukturplanung habe ergeben, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung nicht mit schnellem Internet versorgt ist. So genannte weiße Flecken, die Berei- Unterversorgung ist „mittlere Katastrophe“ che kennzeichnen, in denen keine Breitbandversorgung von mindestens 30 Megabit pro Sekunde vorhanden ist und innerhalb der nächsten drei Jahre keine Versorgung durch ein Telekommunikationsunternehmen zu erwarten ist. Nach einer 2014 erschienenen Untersuchung des Tüv Rheinland im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums sind in Niedersachsen im ländlichen Raum in rund 58 Prozent der Haushalte Internetanschlüsse mit bis zu 16 Mbit/s verfügbar (bis 30 Mbit/s in 46 Prozent der Haushalte, bis zu 50 Mbit/s in 34 Prozent der Haushalte). In den Städten liegt die Verfügbarkeit der genannten Bandbreiten bei mehr als 90 Prozent. Detlev Barth, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Göttingen, kennt diese weißen Flecken in der High-SpeedInternetversorgung. Gewerbegebiete in Osterode, Bilshausen, Hedemünden oder Volkmarshausen etwa seien unterversorgt. Barth spricht von einer „mittleren Katastrophe“. Gleichzeitig plädiert er dafür, dass sich Firmen nach Alternativen umsehen. Nicht immer sei der ehemalige Monopolist Telekom die beste Wahl. So habe sich etwa ein Unternehmer aus dem Mündener Bereich geweigert, einen fünfstelligen Betrag für den Anschluss an das bestehende Breitbandnetz zu zahlen. Heute nutze er ohne Probleme eine „Satellitenlösung“, so Barth. Auch wenn die Stadt Göttingen nicht als weißer Fleck gilt, ist im Stadtgebiet auch nicht alles rosig. „Die DSL-Versorgung in den Göttinger Gewerbegebieten ist keineswegs als ausreichend zu bewerten“, urteilt Hans Hahn von der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung (GWG). Während gängige Definitionen Internetverbindung ab einem bis zwei Megabit zu den Breitbandanschlüssen zählen, erwarten Unternehmen längst leistungsstärkere Anschlüsse. „Stand der Technik ist, dass Firmen in den Gewerbegebieten eine leistungsfähige Bandbreite mit VDSL 50 als Infrastruktur erwarten, so wie dies in den 1,3 Milliarden für Breitbandausbau Wohngebieten im Vorwahlbereich 0551 bereits erfolgt ist“, sagt Hahn. „Seitens der Unternehmen wird uns berichtet, dass selbst Bandbreiten von DSL 16 noch längst nicht überall vor Ort tatsächlich auch verfügbar sind“, sagt Hahn. Angaben der Telekom „bis zu 100 Mbit/s“ wie sie die Telekom im Internet auf Karten zur Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen angibt, seien kritisch. „Wo 50 oder 100 steht, werden nicht immer 50 oder 100 Mbit/s zur Verfügung gestellt“, sagt Hahn. Sowohl die Kreise Göttingen und Osterode sowie Northeim bereiten sich vor, das Breitbandnetz auszubauen. Wann es damit los gehen kann, weiß derzeit niemand. Noch stünden nicht alle Förderrichtlinien von Land und Bund fest, sagt Barth. Erst wenn diese vorlägen, könne die politische Diskussion über das weitere Vorgehen beim Ausbau beginnen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies hat angekündigt, dass das Land bis 2018 1,3 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung stellt. Flächendeckend mindestens 30 Mbit/s wollen Göttingen und Osterode anbieten, Northeim sogar 50 Mbit/s. Dabei sind zwei Modelle denkbar: Die Landkreise bauen eine eigene passive Infrastruktur auf, oder sie beauftragen eine Telekommunikationsfirma mit dem Ausbau und bezuschussen diesen, damit es sich für die Firma wirtschaftlich rechnet. „Die Versorgung mit schnellem Internet muss so selbstverständlich sein wie die Versorgung mit Wasser, Strom, Straßen und Telefon“, hatte Göttingens Landrat Berhard Reuter (SPD) bereits im April gesagt. Verbindungsqualität ausreichend Bei den Großunternehmen läuft alles gut VON SVeN GRüNewALD Göttingen. KWS, Ottobock, Sartorius, Thimm – welche Erfahrungen haben die großen Firmen aus der Region mit der Netzanbindung gemacht? Der Grundtenor ist überall derselbe: alles gut. „Die Verbindungskapazitäten bei uns werden als gut und ausreichend betrachtet“, sagt Meike Brönneke, Referentin Unternehmenskommunikation beim Verpackungsunternehmen Thimm aus Northeim. „Erweiterungen sind aktuell nicht geplant.“ Ähnlich sieht es beim Saatguthersteller KWS Saat SE in Einbeck aus, wie Unternehmenssprecherin Mandy Schnell betont: „KWS hat in Einbeck eine sehr gute breitbandige Internetanbindung. Auch ein Ausbau ist möglich. Im Herbst werden wir beispielsweise unsere Internetanschlüsse auf 2x300 Mbit/s aufrüsten.“ Die Preise für breitbandige Internetanschlüsse lägen in Einbeck zwar noch höher als beispielsweise in Hannover, aber immerhin gibt es die High-Speed-Verbindungen. „An anderen Standorten sieht das ganz anders aus. Die meisten unserer Standorte liegen außerhalb von größeren Städten, wo es für wenig Bandbreite sehr schnell sehr teuer wird oder gar nicht möglich ist.“ Sartorius hat gemeinsam mit den Providern alle seine Göttinger Standorte mit Glasfaserleitungen ausgerüstet. „Aktuell besteht daher kein Engpass“, so Inga Stucke, Kommunikationsreferentin bei Sartorius. Generell hat Sartorius die Erfahrung gemacht, dass eine gute Breitbandversorgung möglich ist, sofern der Ausbau vom Unternehmen finanziell mitgetragen wird. Und auch Ottobock hat an seinem Hauptstandort in Duderstadt durch eine breitbandige Anbindung zum Rechenzen- trum der Sycor in Göttingen keine Probleme: „Diese Verbindung ist ausreichend dimensioniert und entspricht unseren Anforderungen“, sagt Mike König, Global Head of IT bei Ottobock. Probleme allerdings gibt es in Duderstadt. „Hier mussten wir aufgrund mangelnder Netzwerkinfrastruktur drei Standorte per Richtfunkverbindung in unser Netzwerk integrieren.“ Betroffen sind das Näder Family Office im alten Bahnhof, der Otto Bock Campus sowie das Max Näder Haus.“ Entsprechend wünscht man sich, auch im Hinblick auf die Erschließung weiterer Standorte für die Otto Bock Gruppe, einen Ausbau des Netzes in Duderstadt. Während die Großunternehmen mit der vorhandenen Infrastruktur gut ihre Bedürfnisse abdecken, entzündet sich Kritik allerdings daran, dass es grundsätzlich an Transparenz für die Ausbaupläne mangelt.
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