Pressemitteilung des OÖ Gemeindebundes

Pressemitteilung des
OÖ Gemeindebundes
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16. Juni 2015
Die Gemeinden von morgen
Gemeindebund-Präsident LAbg. Bgm. Hans Hingsamer betonte beim Symposium in Wallern „Die
Gemeinden von morgen“, dass wir in den nächsten Jahren Antworten auf viele Fragen, die im
örtlichen Zusammenleben eine große Rolle spielen, brauchen. Fragen, wie z.B.
Gibt es eine optimale Gemeindegröße?
Einer WIFO-Studie aus dem Jahr 2010, die vom Finanzministerium zur Finanzausgleichsreform in
Auftrag gegeben wurde, ist zu entnehmen, dass es keine eindeutigen Resultate hinsichtlich
optimaler Gemeindegröße gibt. Die optimale Größe hängt vielmehr vom Standpunkt des
Betrachters ab.
Es erscheint insgesamt kaum sinnvoll, eine optimale Gemeindegröße zu definieren und politisch
anzustreben. Ebenso wenig lässt sich eine allgemein gültige Mindestgröße theoretisch kaum
begründen.
Auswertungen aus einer Weltbank-Studie haben ergeben, dass Einsparungen und
Effizienzgewinne durch Gemeindefusion keinesfalls sicher sind und Gebietsformen nicht als
Patentlösung zur Verringerung finanzieller Probleme angesehen werden sollen. Skalenvorteile sind
ex post fast immer geringer, als ex ante eingeschätzt.
Ist die Bürgernähe bei kleinen Einheiten stärker?
Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. In kleineren Einheiten ist auch die Ehrenamtlichkeit
wesentlich ausgeprägter als in großen Einheiten. Es ist auch feststellbar, dass die Identifikation der
Bürger und die Bereitschaft zur (politischen) Mitgestaltung mit zunehmender Größe abnimmt.
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OÖ Gemeindebund
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Symposium „Die Gemeinden von morgen“, 16.6.2015 in Wallern
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Wie kann gemeindeübergreifende Zusammenarbeit in der Praxis gelingen?
Der Zusammenschluss von Gemeinden ist ein Dauerthema in vielen europäischen Staaten. Da die
Gemeindeautonomie im Vordergrund stehen soll oder besser gesagt, muss, sollte eine
obrigkeitliche Festlegung eines Zusammenschlusses ultima ratio sein.
Die Zusammenarbeit der Gemeinden wird vorwiegend von obrigkeitlichen Vorgaben, wie
Steuersystem udgl. bestimmt.
Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Betriebsansiedlung funktioniert eigentlich erst, seit die
Möglichkeit besteht, die Kommunalsteuer ohne falsche Finanzkraftstärke der Standortgemeinde
aufzuteilen. Die Kommunalsteuer ist die wichtigste gemeindeeigene Steuer, die einer Gemeinde
einen gewissen finanziellen Spielraum verschafft, der in weiterer Folge einen gewissen Wohlstand
auszubauen helfen kann.
Würde die Gemeinde nicht eine Kommunalsteuer, also eine Beteiligung an den Arbeitslöhnen,
sondern beispielsweise eine diese Steuer weit überwiegende Geldzuweisung des Staates für
unbebauten Grund und Boden oder einen bestimmten Betrag für jeden Baum im Gemeindegebiet
bekommen, würde es um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Betriebsansiedlung sehr
schlecht bestellt sein.
Abgesehen von den immer dominierenderen wirtschaftlichen Überlegungen fehlen den
Gemeinden Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit, die mehr als effektivere Nutzung und
Auslastung bestimmter Geräte und Einrichtungen bedeutet. Koordinationen aus wirtschaftlichen
Gründen sind notwendig und sinnvoll, aber noch lange nicht alles.
Jede Gemeinde sollte mit mindestens einer anderen Gemeinde gemeinsame Überlegungen über
die künftige Entwicklung anstellen. Somit würde der Alleingang einzelner Gemeinden ausscheiden.
In gemeinsamer Abstimmung könnten die verbündeten Gemeinden Überlegungen anstellen,
beispielsweise wie sie jeweils ihren Ortskern beleben oder wie sie sich präsentieren sollen, um
neue Bürger zur Ansiedlung auf ihrem Gebiet zu bewegen und diese auch zu halten.
Für solche Abstimmungen müssten die bündniswilligen Gemeinden zumindest darüber
nachdenken, was eigentlich ihre Besonderheit ausmacht, durch die sie sich von anderen
Gemeinden unterscheiden oder gar hervorheben. Die Gemeinden müssten sich darüber klar
werden, was sie, andere Gemeinden aber nicht haben.
Wenn eine Gemeinde diese Besonderheiten gefunden hat, sollten in weiterer Folge Überlegungen
angestellt werden, ob man mit einer anderen Gemeinde gemeinsame Sache machen soll, um die
herausgefundenen Stärken behalten oder gar ausbauen zu können. Mit diesen Überlegungen ist
man schon sehr weit, aber noch lange nicht am Ziel.
Bei einer Kooperation denken kleinräumig und selbständig mehrere Gemeinden über eine
gemeinsame Entwicklung nach. Bei zusammengelegten Gemeinden würde künftig nur mehr eine
Gemeinde nachdenken, wobei noch zu bedenken ist, dass wertvolle Kapazität verloren gehen
könnte, weil vielen Bürgerinnen und Bürgern die nötige Identifizierung mit dem neuen
Gemeindegebilde fehlt.
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Symposium „Die Gemeinden von morgen“, 16.6.2015 in Wallern
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Die übergeordneten Gebietskörperschaften sollten intelligente Förderungsmöglichkeiten
erarbeiten oder zulassen, die die Gemeinden zu einer Zusammenarbeit bewegen, die
ausschließlich ein noch angenehmeres Leben der Gemeindebürger zum Ziel hat. Dies könnte die
große kommunale Aufgabe des 21. Jahrhunderts sein.
Bei Gemeindeverbänden besteht die Gefahr, dass die Gestaltungsmöglichkeit der einzelnen
Gemeinde schrumpft. Die individuelle Entscheidungsmöglichkeit der Gemeinde wird eingeengt. Da
die Gestaltungsmöglichkeit geringer wird, ähnelt dieses System jenem eines Supermarktes. So wie
jede Handelskette Alles und in jeder Filiale Gleiches anbietet, könnte das Angebot eines
Gemeindeverbandes aussehen. Wenn hier ein neues Produkt auf den Markt kommt (Tendenz
steigend), ist es in allen Filialen (= Gemeinden) erhältlich.
Es besteht die Gefahr, dass Gemeinden durch massive Vorgaben von selbständigen agilen
Gebilden und Einrichtungen auf eine Filialbedeutung eines Konzerns absinken.
Die Gemeindezusammenarbeit ist sehr stark von steuerpolitischen Überlegungen geprägt. Gäbe es
beim Finanzausgleich keine einwohnerabhängigen Größenklassen und keine Zuweisung der Mittel
nach Einwohnern, würde die zukünftige Entwicklung der Gemeinden ganz anders aussehen.
Würden nicht Menschen, sondern z.B. Bäume und unverbauter Grund und Boden für die
Verteilung der Finanzmittel entscheidend sein, würden in Windeseile sämtliche
Flächenwidmungspläne überarbeitet.
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Welche Rahmenbedingungen beeinflussen das Leben in einer Gemeinde?
Eine Gemeinde hat neben dem Bereich der Hoheitsverwaltung den immer mehr an Bedeutung
gewinnenden Bereich der Lebensraumgestaltung. Im Bereich der Lebensraumgestaltung geht es
darum, dass ein Leben im heutigen Sinn in einem bestimmten Gebiet überhaupt ermöglicht wird
und Einrichtungen für ein angenehmes Leben geschaffen werden.
Welche Überlegungen soll bzw. hat eine Gemeinde anzustellen?
Wie können wir einen Bürger/eine Bürgerin davon überzeugen, dass er/sie in unserer
Gemeinde leben und bleiben soll?
Oder gehen wir einen Schritt weiter: Warum soll der Bürger/die Bürgerin in unsere
Gemeinde kommen?
Die Gemeinde wird hinterfragen müssen, wie der Bürger/die Bürgerin leben will. Wenn der
Bürger/die Bürgerin ein eigenes Haus haben will, wird man Antworten auf die Frage suchen
müssen, ob die Gemeinde leistbare attraktive Grundstücke und entsprechende
Rahmenbedingungen hat.
Die Gemeinde wird sich fragen müssen, ob sie alle Selbstverständlichkeiten bieten kann,
wie Straße, Kanal, Wasser- und Stromversorgung, Breitbandanschluss, Abfallentsorgung,
Kindergarten, Schule, Feuerwehr, Rettung, Winterdienst, usw.
Was könnte man unter Rahmenbedingungen verstehen? Hierbei könnten folgende Überlegungen
für die Bürgerinnen und Bürger eine Rolle spielen:
Habe ich
- einen Arbeitsplatz im Ort oder in der Nähe?
- geeignete Freizeiteinrichtungen (Sportangebote)?
- attraktive Einrichtungen für jede Generation?
- entsprechende Verkehrsverbindungen?
- passende öffentliche Verkehrsmittel für Schule und Beruf?
- ein gutes Kulturangebot?
- eine bunte Vereinsstruktur?
- eine umfassende Nahversorgung?
- eine akzeptable medizinische Versorgung?
Aus der vor einigen Tagen erschienenen Gemeindestudie 2015 ergibt sich, dass eine gute
Kinderbetreuung weit oben auf der Prioritätenliste der Menschen steht. Der Investitionsbedarf
wird in den nächsten Jahren in diesem Bereich sehr hoch sein. Schon jetzt wendet eine Gemeinde
durchschnittlich € 5.600,-- pro Jahr und betreutem Kind auf.
Auch die bestmögliche Pflegeversorgung liegt den Befragten sehr am Herzen. Während in den
ländlichen Gebieten die Hauspflege noch eine viel größere Rolle spielt, ist in den Ballungsräumen
die institutionelle Pflege in fixen Einrichtungen ein Bereich, der immer höhere Investitionen
erfordert. Wir müssen darauf achten, dass wir die unterschiedlichen Pflege- und
Betreuungsformen gleichstellen, andererseits geht es natürlich auch um die Finanzierung.
Bei der klassischen Infrastruktur dürfen sich die Gemeinden über extrem große Zufriedenheit der
Menschen freuen. Dort, wo die Gemeinden Einfluss haben, ist die Qualität sehr hoch. Die
Herausforderungen haben sich auf einen Bereich verschoben, der eigentlich nicht direkt bei der
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Gemeinde liegt. Medizinische Versorgung, Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten usw. nehmen an
Bedeutung zu. Hier erwarten sich die Menschen, dass die Gemeinden stärker mitwirken, um diese
Angebote auszubauen bzw. zu erhalten.
Die Gemeinde wird sich fragen, ob sie sich das alles leisten kann, was der Bürger haben will. Die
Gemeinde wird sich weiters fragen: Wo sind wir billiger, besser (z.B. längere Öffnungszeiten),
vielseitiger, usw.
Was müsste sich für die Gemeinde ändern, damit sie in der Lage ist, das alles zu finanzieren? Die
Gemeinde wird auch Überlegungen anstellen müssen, wie sie Eigeninitiativen der Bürgerinnen und
Bürger fördern kann.
Weitere Überlegungen der Gemeinde könnten sein:
Sind unsere Einnahmen nach Erfüllung der Pflichtausgaben erschöpft? Wo haben wir Schwächen?
Was ist uns welches Ergebnis wert? Wo kann sich unsere Gemeinde durchaus mit anderen
vergleichen?
Überlegungen des Bürgers/der Bürgerin könnten sein:
Wo ist meine Gemeinde im Vergleich besser?
Habe ich/haben meine Kinder hier eine Zukunft?
Kann ich einem Freund empfehlen, hier zu leben und ist er nach dieser Empfehlung noch
mein Freund?
LAbg. Bgm. Hans Hingsamer
Präsident des OÖ Gemeindebundes
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