Oekologie Landbau Heft 176 - Stiftung Ökologie & Landbau

BODEN | EINFÜHRUNG
Unsere Böden
stehen unter Druck
Sie sind die Basis unseres Lebens. Grund genug, sie zu schützen.
Möchte man meinen. Doch die Trendwende beim Bodenschutz bleibt aus.
Der Ökolandbau muss deshalb weiterhin aktiv für seine bodenschonenden
Verfahren werben und das Thema hochhalten.
W
VON JOHANNES AUGUSTIN
rungsmittel den Boden, um zu gedeihen. Neben der reinen
Produktionsfunktion haben Böden eine Vielzahl weiterer
Eigenschaften: Sie sind Lebensraum, reinigen und speichern
Wasser, binden beträchtliche Mengen Kohlendioxid, filtern
und puffern Schad- und Fremdstoffe, sie archivieren Natur- und Kulturgeschichte, sind Lagerstätten verschiedener
Ressourcen und bieten nicht zuletzt auch das Fundament
für Siedlungs- und Verkehrsflächen. Dieser Reichtum bleibt
größtenteils unter der Oberfläche verborgen. Sei es, weil wir
die Leistungen nicht bewusst wahrnehmen oder auch weil
viele Zusammenhänge noch unerschlossen sind. Bezeichnend
ist, dass in diesem Jahr hauptsächlich vom Internationalen
Jahr des Bodens gesprochen wurde, obwohl es im Original
International „Year of Soils“ heißt und es doch genau um die
Vielzahl der Böden geht.
ir übersehen ihn, wir gehen über ihn hinweg.
Wir treten ihn mit Füßen. Tagtäglich. Dabei
brauchen wir ihn, wie die Luft zum Atmen.
Höchste Zeit, dass wir über den Boden reden.“ So beginnt der
Aufklärungsfilm1 des Potsdamer Forschungsinstituts IASS
(Institute for Advanced Sustainability Studies) zum Schutz
der Böden. Ein Forum, um über den Zustand der Böden weltweit zu reden, bietet das Internationale Jahr der Böden. Im
Jahr 2015 setzen die Vereinten Nationen das Thema auf die
politische Agenda, um auf die grundlegende Bedeutung dieser nicht erneuerbaren Ressource aufmerksam zu machen
und das Bewusstsein für sie zu schärfen. Am Ende steht die
Frage nach dem Nutzen. Jahresthemen dienen der Schwerpunktsetzung in bestimmten Aufgabengebieten, sie bündeln
Aktionen, bringen unterschiedliche Partner zusammen und
geben Anregungen für weitere Aktivitäten. Das Jahr 2015 ist
nicht nur das Jahr der Böden, sondern auch das Internationale Jahr des Lichts sowie das Internationale Jahr der Karten
und der Kartographie. Dass der Boden hierbei die größte öffentliche Wahrnehmung erfährt, möge richtungsweisend
sein, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen.
  Quadratmeter pro Kopf
Knapp 30 Prozent der insgesamt 51 Milliarden Hektar großen
Erdoberfläche bestehen aus Land, wovon ungefähr 4,9 Milliarden Hektar landwirtschaftlich genutzt werden. Den größten
Anteil nimmt dabei das Grünland mit fast 70 Prozent ein. Der
ackerbaulichen Nutzung, inklusive Sonderkulturen und dem
Anbau mehrjähriger Pflanzen unterliegen etwa 30 Prozent
(FAO, 2014). Da diese Fläche nur auf Kosten von Wäldern und
Ressource mit vielen Aufgaben
Die Bedeutung des Bodens als zentrale Lebensgrundlage für
Menschen, Tiere und Pflanzen ist gegenwärtig nur wenig
präsent. Dabei brauchen mehr als 90 Prozent unserer Nah-
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 Film ansehen unter http://kurzlink.de/soil
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FOTO: Klaus Leidorf
Felder südlich von Augsburg: Eine Landkarte der intensiven Landwirtschaft.
durch Erosion verloren (Heinrich-Böll-Stiftung et al., 2015).
Auch in Deutschland ist die Bodenerosion ein bedeutendes
Problem: Jährlich werden durch Wind und Wasser zwischen
drei und zehn Tonnen Boden pro Hektar Land abgetragen
(Europäische Kommission, 2011; IASS, 2013). Durch den Einsatz von schweren Maschinen zum falschen Zeitpunkt verlieren die Böden außerdem ihre Fähigkeit, Wasser aufzunehmen
und ausreichend Gasaustausch zuzulassen. In der Europäischen Union zeigen deshalb 35 Prozent der landwirtschaftlichen Böden Verdichtungserscheinungen. Noch stärker in
Erscheinung tritt jedoch der Bodenverlust durch Versiegelung
von Flächen. Derzeit werden in Deutschland jeden Tag etwa
73 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen,
die dann für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur
Verfügung stehen (Statistisches Bundesamt, 2015). Das erklärte Ziel der Bundesregierung, diese tägliche Inanspruchnahme von Flächen bis 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren, ist bei
den aktuellen Versiegelungsraten kaum einzuhalten. Durch
Degradation verlieren die Böden ihre Funktion als Lebensraum, Puffer und Produktionsfaktor und werden somit für
die Landwirtschaft unbrauchbar. Soziale, ökonomische und
ökologische Folgekosten sind enorm. Laut wissenschaftlichen
Berechnungen gehen jedes Jahr bis zu 400 Milliarden Euro
durch Bodenerosion verloren (Eswaran et al., 2001; IASS,
2013). Pro Kopf und Jahr sind das ungefähr 60 Euro. Wenn
jetzt schnell auf nationaler und internationaler Ebene gehandelt wird, können die Folgen der Bodendegradation mit
tragbaren Kosten vermieden werden.
Z
anderen Ökosystemen ausgeweitet werden kann, ist ein schonender Umgang mit den Böden zwingende Voraussetzung für
die Ernährungssicherung der Welt. Derzeit stehen uns statistisch etwa 2 000 Quadratmeter Ackerfläche pro Kopf für unsere Ernährung, Futtermittelproduktion sowie Rohstoffproduktion für Textilien und Biosprit zur Verfügung. Prognosen
zufolge wird sich dieser Anteil bei weiter steigenden Bevölkerungszahlen bis 2050 erheblich verringern. Wie man dieser
Herausforderung mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft begegnen kann, untersucht derzeit die Zukunftsstiftung Landwirtschaft auf einem 2 000 Quadratmeter großen Testfeld unweit
von Berlin (siehe Artikel Haerlin, S. 38 ff.). Dass dabei sowohl
Ernteverluste als auch Lebensmittelverschwendung drastisch
reduziert werden müssen, ergibt sich eingedenk einer nachhaltigen Bodennutzung eigentlich von selbst. Auf der anderen
Seite muss die Steigerung der Erträge auf nahezu gleichbleibender Fläche, sprich die Intensivierung, genauso diskutiert
werden (siehe auch ÖKOLOGIE & LANDBAU, Heft 3/2015).
Gerade der Ökolandbau ist hier gefragt, um als glaubhafte Alternative weiter an Akzeptanz zu gewinnen. Dass eine
notwendige Ertragssteigerung derzeit allerdings nicht ohne
Konsequenzen bliebe, belegen aktuelle Zahlen: Obwohl der
Einsatz von mineralischem Dünger weltweit weiter steigt,
nehmen die globalen Erträge jährlich immer langsamer zu
(Heinrich-Böll-Stiftung et al., 2015). Die Widerstandsfähigkeit der Böden leidet unter der intensiven Bewirtschaftung
mit engen Fruchtfolgen. Schätzungen zufolge gehen jedes Jahr
weltweit rund 24 Milliarden Tonnen an fruchtbarem Boden
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BODEN | EINFÜHRUNG
Ökolandwirtschaft schützt Böden
das Thema Boden weiterhin auf die globale Agenda zu setzen. Ende 2015 laufen die Millenniumsentwicklungsziele2 aus
und werden durch die globalen Nachhaltigkeitsziele ersetzt.
Bis jetzt wurden 17 Ziele vereinbart, deren Erfolgskontrolle
durch 169 Indikatoren abgedeckt ist (Hsu et al., 2014). Der
Boden ist zur Bewertung der Entwicklungsschritte bisher
nicht genannt. Umso wichtiger ist deshalb, dass jedes Land für
sich auf nationaler Ebene entsprechende Maßnahmen für den
Bodenschutz formuliert, wie etwa 20 Prozent Ökolandbau.
In diesem Jahr wurde viel über den Boden geredet. Dabei
sprechen die Böden doch eigentlich für sich selbst. Das Internationale Jahr der Leguminosen 2016 kann helfen, diesen
Dialog weiterzuführen. …
Angesichts des Zustands unserer Böden können wir es uns
nicht länger leisten, untätig zu sein. Mit einer natürlichen
Bodenneubildungsrate von rund einem Zentimeter in 100 bis
300 Jahren sind Böden in menschlichen Zeithorizonten gedacht nicht erneuerbar (Umweltbundesamt, 2014). Damit die
Fruchtbarkeit und das Ertragspotenzial dennoch dauerhaft
erhalten bleiben, ist eine auf lange Sicht ausgerichtete Bodenbewirtschaftung notwendig. Nachhaltiger Bodenschutz
bedeutet deshalb ganz praktisch, dass durch aufbauende Prozesse die Bodenbiologie gefördert wird, die Flächen durch
standortangepasste Maßnahmen vor Erosion geschützt werden, eine Bearbeitung mit schwerem Gerät nur zum richtigen Zeitpunkt erfolgen sollte und die Humusbildung aktiv
gefördert wird (siehe Artikel Mäder, S. 26 ff.). Die ökologische
Landwirtschaft ist hier bereits in vielen Bereichen Vorreiter:
Vielfältige Fruchtfolgen, die Zuführung organischer Substanz
in den Boden durch Untersaaten und Zwischenfrüchte und
der Einsatz von Leguminosen sind Maßnahmen, die problemlos auch von der konventionellen Landwirtschaft etabliert
werden können. Denn das Potenzial der Böden als größter
Kohlenstoffspeicher neben den Ozeanen lässt sich nur ausschöpfen, wenn konventionell und ökologisch wirtschaftende
Landwirte in Sachen Nachhaltigkeit zusammenarbeiten. Dass
neben der klimaregulierenden Eigenschaft des Humus gleichzeitig auch die Wasserspeicherung im Boden verbessert wird,
ist in trockenen Jahren wie diesem besonders wichtig. Die
derzeit vom Thünen-Institut durchgeführte Bodenzustandserhebung geht diesen Fragen weiter auf den Grund (siehe
Artikel Freibauer, S. 18 ff.).
Literatur
» Eswaran, H., R. Lal, P. F. Reich (2001): Land degradation: An overview. Abrufbar unter http://kurzlink.de/eswaran
» Europäische Kommission (2011): Boden – Der verborgene Teil des
»
»
»
Weiter dranbleiben
»
Der hohe Wert der Ressource Boden wurde mittlerweile auch
außerhalb der Landwirtschaft erkannt. Vorsorglich kaufen Investoren zunehmend große Landflächen auf, was zu folgendem Paradox führt: Durch die Bodendegradation wird die
Ressource knapp, wodurch wirtschaftliches Interesse geweckt
wird und der Druck auf die Flächen noch weiter zunimmt.
Die Immobilität der Ressource Boden verwässert durch den
globalen Handel mit Land so allmählich. Ein Internationales
Jahr der Böden ist also notwendig, aber nicht hinreichend,
um auf den Schutz der Lebensgrundlage aller aufmerksam zu
machen. Die geballten Informationen des Bodenatlas oder die
Amsterdam Erklärung der Kampagne „Rettet unsere Böden“
oder das Argumentarium des Netzwerkes „Boden. Grund
zum Leben“ sind die süßen Früchte dieses Jahres. Sie helfen,
»
»
 Die Millenniumsentwicklungsziele wurden auf der Millenniumskonferenz der
Vereinten Nationen im Jahre  von mehr als  Ländern verabschiedet. Sie
sollten ursprünglich bis  erreicht werden. Ab Ende dieses Jahres werden
diese Ziele durch die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) ergänzt.
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Klimazyklus. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union
(Hrsg.), LUX-Luxemburg. Abrufbar unter http://kurzlink.de/
boden-klima
FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) (2014):
Statistical database of the Food and Agriculture Organization
of the united Nations (FAO). I-Rome. Abrufbar unter faostat.fao.org
Heinrich-Böll-Stiftung, Institute for Advanced Sustainability Studies,
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Le Monde diplomatique (Hrsg.) (2015): Bodenatlas 2015. Daten und Fakten über
Acker, Land und Erde. Berlin, Potsdam. Abrufbar unter http://
kurzlink.de/boden
Hsu, A. (2014): SDGs: SDGs – Soil development goals? Abrufbar
unter http://kurzlink.de/hsu
IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) (Hrsg.) (2013):
Fruchtbare Böden – Entscheidend für den Kampf gegen Hunger
und Klimawandel! Potsdam. Abrufbar unter http://kurzlink.de/iass
Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2015): Umweltökonomische Gesamtrechnungen. Nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Indikatoren zu Umwelt und Ökonomie. Wiesbaden. Abrufbar unter
http://kurzlink.de/umweltoeko
Umweltbundesamt (Hrsg.) (2014): Schwerpunkte 2014. Jahrespublikation des Umweltbundesamtes. Dessau-Roßlau. Abrufbar unter
http://kurzlink.de/umweltbundesamt
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