BODEN | EINFÜHRUNG Unsere Böden stehen unter Druck Sie sind die Basis unseres Lebens. Grund genug, sie zu schützen. Möchte man meinen. Doch die Trendwende beim Bodenschutz bleibt aus. Der Ökolandbau muss deshalb weiterhin aktiv für seine bodenschonenden Verfahren werben und das Thema hochhalten. W VON JOHANNES AUGUSTIN rungsmittel den Boden, um zu gedeihen. Neben der reinen Produktionsfunktion haben Böden eine Vielzahl weiterer Eigenschaften: Sie sind Lebensraum, reinigen und speichern Wasser, binden beträchtliche Mengen Kohlendioxid, filtern und puffern Schad- und Fremdstoffe, sie archivieren Natur- und Kulturgeschichte, sind Lagerstätten verschiedener Ressourcen und bieten nicht zuletzt auch das Fundament für Siedlungs- und Verkehrsflächen. Dieser Reichtum bleibt größtenteils unter der Oberfläche verborgen. Sei es, weil wir die Leistungen nicht bewusst wahrnehmen oder auch weil viele Zusammenhänge noch unerschlossen sind. Bezeichnend ist, dass in diesem Jahr hauptsächlich vom Internationalen Jahr des Bodens gesprochen wurde, obwohl es im Original International „Year of Soils“ heißt und es doch genau um die Vielzahl der Böden geht. ir übersehen ihn, wir gehen über ihn hinweg. Wir treten ihn mit Füßen. Tagtäglich. Dabei brauchen wir ihn, wie die Luft zum Atmen. Höchste Zeit, dass wir über den Boden reden.“ So beginnt der Aufklärungsfilm1 des Potsdamer Forschungsinstituts IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) zum Schutz der Böden. Ein Forum, um über den Zustand der Böden weltweit zu reden, bietet das Internationale Jahr der Böden. Im Jahr 2015 setzen die Vereinten Nationen das Thema auf die politische Agenda, um auf die grundlegende Bedeutung dieser nicht erneuerbaren Ressource aufmerksam zu machen und das Bewusstsein für sie zu schärfen. Am Ende steht die Frage nach dem Nutzen. Jahresthemen dienen der Schwerpunktsetzung in bestimmten Aufgabengebieten, sie bündeln Aktionen, bringen unterschiedliche Partner zusammen und geben Anregungen für weitere Aktivitäten. Das Jahr 2015 ist nicht nur das Jahr der Böden, sondern auch das Internationale Jahr des Lichts sowie das Internationale Jahr der Karten und der Kartographie. Dass der Boden hierbei die größte öffentliche Wahrnehmung erfährt, möge richtungsweisend sein, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Quadratmeter pro Kopf Knapp 30 Prozent der insgesamt 51 Milliarden Hektar großen Erdoberfläche bestehen aus Land, wovon ungefähr 4,9 Milliarden Hektar landwirtschaftlich genutzt werden. Den größten Anteil nimmt dabei das Grünland mit fast 70 Prozent ein. Der ackerbaulichen Nutzung, inklusive Sonderkulturen und dem Anbau mehrjähriger Pflanzen unterliegen etwa 30 Prozent (FAO, 2014). Da diese Fläche nur auf Kosten von Wäldern und Ressource mit vielen Aufgaben Die Bedeutung des Bodens als zentrale Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen ist gegenwärtig nur wenig präsent. Dabei brauchen mehr als 90 Prozent unserer Nah- ÖKOLOGIE & LANDBAU | Film ansehen unter http://kurzlink.de/soil 12 www.soel.de EINFÜHRUNG | BODEN FOTO: Klaus Leidorf Felder südlich von Augsburg: Eine Landkarte der intensiven Landwirtschaft. durch Erosion verloren (Heinrich-Böll-Stiftung et al., 2015). Auch in Deutschland ist die Bodenerosion ein bedeutendes Problem: Jährlich werden durch Wind und Wasser zwischen drei und zehn Tonnen Boden pro Hektar Land abgetragen (Europäische Kommission, 2011; IASS, 2013). Durch den Einsatz von schweren Maschinen zum falschen Zeitpunkt verlieren die Böden außerdem ihre Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und ausreichend Gasaustausch zuzulassen. In der Europäischen Union zeigen deshalb 35 Prozent der landwirtschaftlichen Böden Verdichtungserscheinungen. Noch stärker in Erscheinung tritt jedoch der Bodenverlust durch Versiegelung von Flächen. Derzeit werden in Deutschland jeden Tag etwa 73 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen, die dann für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung stehen (Statistisches Bundesamt, 2015). Das erklärte Ziel der Bundesregierung, diese tägliche Inanspruchnahme von Flächen bis 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren, ist bei den aktuellen Versiegelungsraten kaum einzuhalten. Durch Degradation verlieren die Böden ihre Funktion als Lebensraum, Puffer und Produktionsfaktor und werden somit für die Landwirtschaft unbrauchbar. Soziale, ökonomische und ökologische Folgekosten sind enorm. Laut wissenschaftlichen Berechnungen gehen jedes Jahr bis zu 400 Milliarden Euro durch Bodenerosion verloren (Eswaran et al., 2001; IASS, 2013). Pro Kopf und Jahr sind das ungefähr 60 Euro. Wenn jetzt schnell auf nationaler und internationaler Ebene gehandelt wird, können die Folgen der Bodendegradation mit tragbaren Kosten vermieden werden. Z anderen Ökosystemen ausgeweitet werden kann, ist ein schonender Umgang mit den Böden zwingende Voraussetzung für die Ernährungssicherung der Welt. Derzeit stehen uns statistisch etwa 2 000 Quadratmeter Ackerfläche pro Kopf für unsere Ernährung, Futtermittelproduktion sowie Rohstoffproduktion für Textilien und Biosprit zur Verfügung. Prognosen zufolge wird sich dieser Anteil bei weiter steigenden Bevölkerungszahlen bis 2050 erheblich verringern. Wie man dieser Herausforderung mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft begegnen kann, untersucht derzeit die Zukunftsstiftung Landwirtschaft auf einem 2 000 Quadratmeter großen Testfeld unweit von Berlin (siehe Artikel Haerlin, S. 38 ff.). Dass dabei sowohl Ernteverluste als auch Lebensmittelverschwendung drastisch reduziert werden müssen, ergibt sich eingedenk einer nachhaltigen Bodennutzung eigentlich von selbst. Auf der anderen Seite muss die Steigerung der Erträge auf nahezu gleichbleibender Fläche, sprich die Intensivierung, genauso diskutiert werden (siehe auch ÖKOLOGIE & LANDBAU, Heft 3/2015). Gerade der Ökolandbau ist hier gefragt, um als glaubhafte Alternative weiter an Akzeptanz zu gewinnen. Dass eine notwendige Ertragssteigerung derzeit allerdings nicht ohne Konsequenzen bliebe, belegen aktuelle Zahlen: Obwohl der Einsatz von mineralischem Dünger weltweit weiter steigt, nehmen die globalen Erträge jährlich immer langsamer zu (Heinrich-Böll-Stiftung et al., 2015). Die Widerstandsfähigkeit der Böden leidet unter der intensiven Bewirtschaftung mit engen Fruchtfolgen. Schätzungen zufolge gehen jedes Jahr weltweit rund 24 Milliarden Tonnen an fruchtbarem Boden www.soel.de 13 ÖKOLOGIE & LANDBAU | BODEN | EINFÜHRUNG Ökolandwirtschaft schützt Böden das Thema Boden weiterhin auf die globale Agenda zu setzen. Ende 2015 laufen die Millenniumsentwicklungsziele2 aus und werden durch die globalen Nachhaltigkeitsziele ersetzt. Bis jetzt wurden 17 Ziele vereinbart, deren Erfolgskontrolle durch 169 Indikatoren abgedeckt ist (Hsu et al., 2014). Der Boden ist zur Bewertung der Entwicklungsschritte bisher nicht genannt. Umso wichtiger ist deshalb, dass jedes Land für sich auf nationaler Ebene entsprechende Maßnahmen für den Bodenschutz formuliert, wie etwa 20 Prozent Ökolandbau. In diesem Jahr wurde viel über den Boden geredet. Dabei sprechen die Böden doch eigentlich für sich selbst. Das Internationale Jahr der Leguminosen 2016 kann helfen, diesen Dialog weiterzuführen. Angesichts des Zustands unserer Böden können wir es uns nicht länger leisten, untätig zu sein. Mit einer natürlichen Bodenneubildungsrate von rund einem Zentimeter in 100 bis 300 Jahren sind Böden in menschlichen Zeithorizonten gedacht nicht erneuerbar (Umweltbundesamt, 2014). Damit die Fruchtbarkeit und das Ertragspotenzial dennoch dauerhaft erhalten bleiben, ist eine auf lange Sicht ausgerichtete Bodenbewirtschaftung notwendig. Nachhaltiger Bodenschutz bedeutet deshalb ganz praktisch, dass durch aufbauende Prozesse die Bodenbiologie gefördert wird, die Flächen durch standortangepasste Maßnahmen vor Erosion geschützt werden, eine Bearbeitung mit schwerem Gerät nur zum richtigen Zeitpunkt erfolgen sollte und die Humusbildung aktiv gefördert wird (siehe Artikel Mäder, S. 26 ff.). Die ökologische Landwirtschaft ist hier bereits in vielen Bereichen Vorreiter: Vielfältige Fruchtfolgen, die Zuführung organischer Substanz in den Boden durch Untersaaten und Zwischenfrüchte und der Einsatz von Leguminosen sind Maßnahmen, die problemlos auch von der konventionellen Landwirtschaft etabliert werden können. Denn das Potenzial der Böden als größter Kohlenstoffspeicher neben den Ozeanen lässt sich nur ausschöpfen, wenn konventionell und ökologisch wirtschaftende Landwirte in Sachen Nachhaltigkeit zusammenarbeiten. Dass neben der klimaregulierenden Eigenschaft des Humus gleichzeitig auch die Wasserspeicherung im Boden verbessert wird, ist in trockenen Jahren wie diesem besonders wichtig. Die derzeit vom Thünen-Institut durchgeführte Bodenzustandserhebung geht diesen Fragen weiter auf den Grund (siehe Artikel Freibauer, S. 18 ff.). Literatur » Eswaran, H., R. Lal, P. F. Reich (2001): Land degradation: An overview. Abrufbar unter http://kurzlink.de/eswaran » Europäische Kommission (2011): Boden – Der verborgene Teil des » » » Weiter dranbleiben » Der hohe Wert der Ressource Boden wurde mittlerweile auch außerhalb der Landwirtschaft erkannt. Vorsorglich kaufen Investoren zunehmend große Landflächen auf, was zu folgendem Paradox führt: Durch die Bodendegradation wird die Ressource knapp, wodurch wirtschaftliches Interesse geweckt wird und der Druck auf die Flächen noch weiter zunimmt. Die Immobilität der Ressource Boden verwässert durch den globalen Handel mit Land so allmählich. Ein Internationales Jahr der Böden ist also notwendig, aber nicht hinreichend, um auf den Schutz der Lebensgrundlage aller aufmerksam zu machen. Die geballten Informationen des Bodenatlas oder die Amsterdam Erklärung der Kampagne „Rettet unsere Böden“ oder das Argumentarium des Netzwerkes „Boden. Grund zum Leben“ sind die süßen Früchte dieses Jahres. Sie helfen, » » Die Millenniumsentwicklungsziele wurden auf der Millenniumskonferenz der Vereinten Nationen im Jahre von mehr als Ländern verabschiedet. Sie sollten ursprünglich bis erreicht werden. Ab Ende dieses Jahres werden diese Ziele durch die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) ergänzt. ÖKOLOGIE & LANDBAU | Klimazyklus. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union (Hrsg.), LUX-Luxemburg. Abrufbar unter http://kurzlink.de/ boden-klima FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) (2014): Statistical database of the Food and Agriculture Organization of the united Nations (FAO). I-Rome. Abrufbar unter faostat.fao.org Heinrich-Böll-Stiftung, Institute for Advanced Sustainability Studies, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Le Monde diplomatique (Hrsg.) (2015): Bodenatlas 2015. Daten und Fakten über Acker, Land und Erde. Berlin, Potsdam. Abrufbar unter http:// kurzlink.de/boden Hsu, A. (2014): SDGs: SDGs – Soil development goals? Abrufbar unter http://kurzlink.de/hsu IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) (Hrsg.) (2013): Fruchtbare Böden – Entscheidend für den Kampf gegen Hunger und Klimawandel! Potsdam. Abrufbar unter http://kurzlink.de/iass Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2015): Umweltökonomische Gesamtrechnungen. Nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Indikatoren zu Umwelt und Ökonomie. Wiesbaden. Abrufbar unter http://kurzlink.de/umweltoeko Umweltbundesamt (Hrsg.) (2014): Schwerpunkte 2014. Jahrespublikation des Umweltbundesamtes. Dessau-Roßlau. Abrufbar unter http://kurzlink.de/umweltbundesamt JOHANNES AUGUSTIN Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL), [email protected] 14 www.soel.de
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