Meine beste Entscheidung Wie Hermann Schüller aus einer kleinen Glasfirma in Westerstede einen Branchenchampion geformt hat. Seite 26 FÜR MACHER. Flüchtlinge einstellen SCHUMACHER. Die Chance für den Arbeitsmarkt: Was Betriebe beachten müssen, wenn sie Einwanderer beschäftigen. Seite 18 Nr. 13 November 2015 Preis: 2,90 Euro Bürobedarf I Bürotechnik I Büromöbel www.der-schumacher.de DIE WIRTSCHAFT OLDENBURGER LAND Da wächst etwas heran ES WAR EINMAL ... ... das Perpetuum mobile Zeit der Sagen Nachhaltigkeit ist mehr als ein Modewort. Immer mehr Unternehmen erkennen den Vorteil langfristigen Wirtschaftens. Einige der Vorreiter kommen aus dem Nordwesten. Sisyphos wird zu einem Dasein als menschliches Perpetuum mobile verurteilt. 1712 VON GREGOR KESSLER W Johann Bessler erhält ein Patent auf ein sich ewig drehendes Rad – und nimmt das Geheimnis mit ins Grab. ,, 1775 Die Pariser Akademie der Wissenschaften erklärt, kein Patent auf Perpetua mobilia mehr anzunehmen. 1869 „Eine Maschine, welche sich ohne Energiezufluss von außen fort und fort bewegt, gehört zu den Unmöglichkeiten“ Meyers Enzyklopädie sieht die Sache nüchtern 1938 Er läuft und läuft und läuft: Volkswagen belehrt alle Zweifler eines Besseren. Steuereinnahmen des Bundes* in Mrd. € 280** 200 2015 100 0 1969 2015 * bis 1990 Westdeutschland,** geschätzt; Grafik: BG; Quelle: Finanzministerium DAS DOSSIER ZUR NACHHALTIGKEIT: SEITE 9–16 Illustration: Malte Knaack: Torsten von Reeken; Public Domain (3); dpa (2) Nie versiegende Quelle orte können wie Kleider sein: Benutzt man sie viel, leiern sie aus. Nachhaltigkeit ist so ein Wort. Seit Jahren hört man es so häufig und in so vielen Zusammenhängen, dass es inzwischen für alles passt: für nachwachsende Bäume und nicht nachlassende Gewinnströme, für vorausschauende Politik und für Kommunikationsabteilungen mit blumigem Wortschatz. Dabei ist das Wort längst mehr als ein grünes Mäntelchen, das sich Politiker und Unternehmer mit ein paar netten Worten umhängen. Es ist ein Anspruch, an dem sich messen lassen muss, wer es nutzt. Das zu vergessen kann sehr unangenehm werden, wie Volkswagen gerade erfahren muss: Genüsslich zitieren Kritiker die hehren Ansprüche aus dem Nachhaltigkeitsbericht des Autobauers, während der Abgasskandal größer und größer wird. Es geht auch anders, wie Beispiele aus unserer Region zeigen. Im Kleinen etwa die Hofgemeinschaft Grummersort. Die Bio-Käserei zwischen Oldenburg und Hude wollte sich den Vorwurf, Wasser zu predigen, aber Wein zu trinken, nie anhören müssen. Kann man guten Gewissens ein Demeter-Siegel für das eigene Brot verwenden, wenn zwar der Weizen biologisch angebaut wurde, aber die Backstube mit Wärme aus Kohlekraftwerken beheizt wird? Kann man nicht, finden die Gründer – und haben eine eigene Holzvergaseranlage und zwei Blockheizkraftwerke gebaut. „Energieversorgung, Milchviehhaltung, Landwirtschaft – für uns gehört das alles zusammen“, erklärt Käserin Gudrun Junge-Grahl. Wer Nachhaltigkeit richtig versteht, sieht in ihr nicht allein den Imagegewinn – sondern einen unternehmerischen Vorteil. Und der hört bei Effizienzmaßnahmen nicht auf, deren Investitionen sich nach wenigen Jahren amortisiert haben. „Wenn Unternehmen nachlässig mit Ressourcen umgehen, schöpfen sie aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Kapital – der Umwelt – keinen ausreichenden Wert“, attestiert Klaus Fichter, Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. „Das ist dann weder ökologisch nachhaltig noch betriebswirtschaftlich.“ Diese Erkenntnis setzt sich bei Familienunternehmen und Mittelständlern schneller durch als bei börsennotierten Unternehmen. Der Mischkonzern Haniel etwa, seit mehr als 250 Jahren im Familienbesitz, hat das Adjektiv „enkelfähig“ nicht nur zum Namen seines Mitarbeitermagazins gemacht, sondern sieht es als Leitthema langfristiger Unternehmensstrategie. Und der familiengeführte US-Konzern Mars hilft Kakaobauern, effizientere Bewässerungsanlagen anzuschaffen und ertragreichere Kakaobäume zu pflanzen. Nicht primär aus Nächstenliebe, sondern damit es auch künftig genügend Kakao für die Mars-Riegel gibt. Es ist die alte Weisheit des Hans Carl von Carlowitz, die hier durchschlägt. Der sächsi- Sauber bleiben! Wer in der Wirtschaft oben stehen will, kommt am Thema Nachhaltigkeit nicht vorbei. sche Beamte verfasste bereits vor 300 Jahren ein Standardwerk zur dauerhaften Bewirtschaftung von Wäldern – und gilt damit als Begründer der Nachhaltigkeit. Seine zentrale Erkenntnis hat nichts an Aktualität eingebüßt: Lebe nicht von der Substanz, sondern vom Ertrag. Doch nicht nur die Sicherung der Produktion zwingt Unternehmen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigten. Es sind zunehmend auch Kunden, die erkennen, dass etwas nicht stimmt, wenn ein Kilo Hähnchen weniger als fünf Euro kostet. So viel Kritik hat Niedersachsens Geflügelwirtschaft in den vergangenen Jahren einstecken müssen, dass man der Sache nun wissenschaftlich beikommen will: Ein von der Branche mitfinanziertes Institut an der Universität Vechta soll zeigen, wie Nachhaltigkeit und Massentierhaltung zusammengehen. Für viele Konsumenten ist die Sache bereits klar: Billiges Fleisch kann nicht nachhaltig sein. Pro Kilo Hühnerfleisch werden fast 5000 Liter Wasser benötigt – ein Drittel dessen, was für ein Kilo Rindfleisch benötigt wird, aber in einer Welt, in der Millionen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, noch immer viel zu viel. Ganz zu schweigen von Flächenverbrauch und dem CO2-Abdruck. Entsprechend steigt die Zahl der Vegetarier – und deren Nachfrage. Der Wurstspezialist Rügenwalder aus Bad Zwischenahn hat als einer der Ersten reagiert und macht inzwischen gute Umsätze mit einem wachsenden Sortiment aus vegetarischen Artikeln. Andere Fleischhersteller ziehen nach, darunter Deutschlands größter Geflügelfleischerzeuger Wiesenhof mit Sitz im Kreis Vechta. Und das Oldenburger Start-up Vekoop läuft so gut, dass der vegane Onlinehandel demnächst in größere Räume zieht. Die Beispiele zeigen: Es sind auch die Kunden, die der Nachhaltigkeit auf die Sprünge helfen, indem sie anders einkaufen. Und dabei im Kopf behalten, welches das nachhaltigste Produkt ist: Das, das man nicht kauft. Tel. 0441-3407080 www.harders-lichtideen.de INHALT 2 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 28 A ls wir für unsere Serie „Zum Duell!“ einen Autor suchten, der gegen die BTC-Vorstände Jörg Ritter und Dirk Thole im Badminton antreten würde, war Robert Otto sofort begeistert: „Mit Sport wollte ich schon immer mal Geld verdienen!“ Was er nicht wusste: Die beiden Manager sind bestens austrainiert. Wie sich Otto und sein Doppelpartner Jörg Schürmeyer aus der Affäre gezogen haben, lesen Sie ab Seite 28. Weniger für Sport, dafür aber für guten Käse, begeistert sich unser Autor Gregor Kessler. Von der Hofgemeinschaft Grummersort bei Hude hatte der Hamburger daher längst gehört – sein Ruf eilt dem kleinen Bio-Erzeuger voraus. Ob er das Potenzial hat, mit Käse wie dem „Grummersorter Zwerg“ aus der Nische herauszuwachsen, wollte Kessler bei einem Ortsbesuch wissen: Seite 10. Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge ist groß in unserer Region. Auch viele Unternehmen würden gern ihren Teil dazu beitragen und Zuwanderern Jobs anbieten. Worauf sie dabei achten müssen, lesen Sie in unserem A bis Z ab Seite 18. Viel Vergnügen bei der Lektüre! UNTERNEHMEN 3 4 Rüdiger zu Klampen, Wirtschaftsredakteur Impressum Autoren dieser Ausgabe: Carola Felchner, Nadine GruneHerausgeber und Verlag: wald, Gregor Kessler, Rüdiger zu Nordwest-Zeitung Verlags- Klampen, Volker Kühn, Lars Laue, gesellschaft mbh & Co. KG Nikola Nording, Robert Otto, Stefan Radomsky, Peter Ringel, York Postfach 25 25 Schaefer, Jörg Schürmeyer, 26015 Oldenburg Eva Tenzer, Sabrina Wendt Peterstraße 28-34 26121 Oldenburg Lektorat: Minke Zimmermann Geschäftsführung: Ulrich Gathmann, Einzelverkaufspreis: 2,90 Euro Herbert Siedenbiedel Jahresabonnement: 15,90 Euro (für sechs Ausgaben) Chefredakteur: Rolf Seelheim Leitung Geschäftskunden: B. M. Bauer (verantwortlich Redaktion: für den Anzeigenteil) Volker Kühn Layout: Malte Knaack, Volker Kühn Infografik: Benedikt Grotjahn, Andreas Mohrmann Illustration: Malte Knaack, Carsten Lüdemann Vermarktung: Lars Mensching Druck: WE-Druck GmbH & Co. KG Wilhelmshavener Heerstraße 270 26125 Oldenburg Kontakt: [email protected] 12 31 Torsten von Reeken (3); dpa Editorial NOVEMBER 2015 6 8 12 Rila Als Spedition hat die Unternehmensgruppe aus der Nähe von Osnabrück begonnen – heute ist sie einer von Deutschlands erfolgreichsten Feinkostimporteuren. Rügenwalder Der Wurstspezialist aus Bad Zwischenahn mischt mit vegetarischen Produkten die Branche auf. Doch um so weit zu kommen, musste Marketingchef Godo Röben im eigenen Haus viel Überzeugungsarbeit leisten. Oldenburger Kartonagenfabrik Mit individuellen Verpackungen hat sich der Familienbetrieb bei Firmen im Nordwesten etabliert. Jetzt rückt er näher an seine Kunden heran – dank der Digitalisierung. Wechselfall Iris Behrens ist die neue Frau an der Spitze der ECE-Schlosshöfe in Oldenburg. Wie die 34-Jährige das Einkaufszentrum voranbringen will. 14 10 Fischzucht Vivace ist angetreten, um mit nachhaltiger Produktion den Kaviarmarkt zu erobern. Jetzt ist das Bremerhavener Unternehmen pleite. Wie konnte das passieren? Bio-Lebensmittel Kurze Wege zwischen Kuh und Käse: Mit diesem Konzept hat es die Hofgemeinschaft Grummersort bei Hude zum Insidertipp unter Gourmets gebracht. Nachhaltige Fonds Der Markt für Geldanlagen nach ökologischen und ethischen Kriterien boomt. Wie man das richtige Investment findet – und wie es um die Rendite steht. 15 Kleiderspenden Windeln, Tierkadaver, Lebensmittelreste: Warum werfen Menschen so etwas in Altkleidercontainer? Eine Spurensuche. 16 Meine Meinung Unternehmen müssen mehr als Gewinnmaschinen sein – sie brauchen einen gesellschaftlichen Sinn, schreibt Wirtschaftsprofessor Klaus Fichter im Gastkommentar. STRATEGIEN 17 Start-up Superlab hat eine Diagnosemethode für Lebensmittel entwickelt. Als der Anfangserfolg ausblieb, haben die Gründer die Firma kurzerhand neu aufgestellt. 18 Flüchtlinge Aufenthaltserlaubnis, Residenzpflicht, Wartefrist: Wir erklären, worauf es bei der Einstellung von Zuwanderern ankommt. 20 Onlineprofile Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck, Das gilt im realen Leben genauso wie im Netz. Ein Ratgeber. DOSSIER 9 Poster 2002 hat die Bundesregierung ein Ziel ausgegeben: Deutschland soll nachhaltiger werden. Unsere große Infografik erklärt, wie weit das Land auf dem Weg dorthin vorangekommen ist. 22 Personalsuche Wie findet man gute Führungskräfte? Die wichtigsten Instrumente, vom Karriereportal bis zum guten alten Arbeitsamt. 24 Geld Private Krankenkassen buhlen mit attraktiven Tarifen um junge Gutverdiener. Wann sich der Wechsel lohnt – und wann nicht. LEBEN 25 Fitting Viele Freizeitsportler verletzen sich, weil sie falsch laufen. Eine professionelle Bewegungsanalyse kann Abhilfe schaffen. 26 Karriere Jeder große Unternehmer hat irgendwann die Weichen für seinen Erfolg gestellt. Wir zeichnen diese Momente in einer neuen Serie nach. Zum Auftakt: Wie Hermann Schüller mit Semcoglas ein Branchenschwergewicht geschaffen hat. 28 Zum Duell! Jörg Ritter und Dirk Thole sind ein eingespieltes Team: Gemeinsam führen sie den ITDienstleister BTC. Ob sie auch als Badminton-Doppel harmonieren? Wir haben sie herausgefordert. 31 Stil Frank Simme ist Oldenburgs einziger Maßschuhanfertiger. Für seine Handwerkskunst kommen Kunden von weit her. 32 Frohes Schaffen Ihr Chef gibt immer dieselben Plattitüden von sich? Die Kollegen nerven Sie mit leeren Worthülsen? Dann freuen Sie sich auf unser Phrasen-Bingo! Personen- und Firmenindex FIRMEN UND INSTITUTIONEN AGC Glass Europe..............................................26, 27 Agentbase...........................................................20, 21 Alfred-Wegener-Institut (AWI).................................9 Alte Oldenburger.....................................................24 Autogalerie Schlickel...............................................31 BCA Autoauktionen.................................................31 Bitkom ........................................................ 6, 7, 20, 21 Brembo.....................................................................31 Bremer Landesbank................................................14 BTC Business Technology Consulting..20, 21, 28, 29 Büfa...........................................................................22 Bundesagentur für Arbeit .......................... 18, 19, 22 Bundesamt f. Migration u. Flüchtlinge............18, 19 Bundesrat ..........................................................18, 19 Bundestag...........................................................18, 19 Carl von Ossietzky Universität Oldb. ..... 1, 16, 17, 25 CDU........................................................................6, 7 Club of Rome ..................................................... 12, 13 Coca-Cola...............................................................4, 5 Daimler...........................................................8, 18, 19 Demeter......................................................................1 Deutsche Bank...................................................26, 27 Deutsches Rotes Kreuz (DRK)................................15 Diakonie im Oldenburger Land.............................15 ECE Projektmanagement........................................38 Energy & Meteo Systems ........................................16 Europäische Union (EU)...............................9, 18, 19 EWE ....................................................................28, 29 EWE Tel...............................................................28, 29 Expovivo AG...............................................................8 Facebook ................................................................ 6, 7 EMS PreCab........................................................12, 13 Eurogate.....................................................................1 Evac Group Oy...................................................12, 13 EWE.....................................................................15, 23 Facebook ............................................................ 20, 21 FairWertung ............................................................. 31 Fraunhofer-Inst. f. Arbeitswirt. u. Organisation . 6, 7 Glaverbel ............................................................ 26, 27 Google ...................................................................... 22 Guardian Industries .......................................... 26, 27 Gutfried .................................................................. 4, 5 IDS Scheer..........................................................28, 29 Haniel.........................................................................1 Hofgemeinschaft Grummersort ..................1, 10, 11 Hornbach ........................................................... 26, 27 Hüppe.....................................................................6, 7 Institut für Arbeitsmarkt- u. Berufsforschung......22 Isoglas.................................................................26, 27 Jugendmigrationsdienst (JMD)........................18, 19 Karriere-ganzoben.de ............................................ 22 Mars............................................................................1 Meica ...................................................................... 4, 5 Molitor Schuhe und Sport ...................................... 25 Molkerei Ammerland................................................8 Obi ...................................................................... 26, 27 OECD..................................................................12, 13 Offis-Institut.................................................22, 28, 29 Oldenburger Kartonagenfabrik............................6, 7 Pariser Akademie der Wissenschaften.....................1 Pilkington...........................................................26, 27 PricewaterhouseCoopers..................................28, 29 Rila Feinkost-Importe...............................................3 Rila-Unternehmensgruppe ...................................... 3 Rügenwalder Mühle..........................................26, 27 Saint-Gobain..................................................1, 16, 24 Saturn.........................................................................8 Schüller Qualitätsglas GmbH...........................26, 27 Semcoglas...........................................................26, 27 SoMe...................................................................20, 21 Stackoverflow.com...................................................22 Stiftung Warentest...................................................14 Südwind-Institut ..................................................... 17 Superlab ................................................................... 14 Technologie- u. Gründerzentrum Oldb.(TGO).....17 Tönnies...................................................................4, 5 Tufts University..................................................20, 21 Universität Vechta ..................................................... 1 University of Newcastle, Australia..........................25 University of Texas.............................................20, 21 Vekoop........................................................................1 Verbraucherzentrale Bremen ........................... 12, 13 Vereinte Nationen....................................................15 Vierol ........................................................................ 22 Vivace Caviar..............................................................9 Volkswagen (VW)...........................................1, 14, 16 Washington University......................................20, 21 Weltkommission f. Umwelt u. Entwicklung....12, 13 Westfälische Wilhelms-Universität Münster...20, 21 Wiesenhof...........................................................1, 4, 5 Xing...............................................................20, 21, 22 Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) .. 22 Zentr. f. Orthopädie u. Bewegungsanal.................25 Zimbo ..................................................................... 4, 5 NAMEN Ahlmann, Thomas.............................................12, 13 August der Starke.....................................................15 Back, Mitja..........................................................20, 21 Bath, Jürgen ............................................................. 17 Bauer, Thomas.........................................................15 Behrens, Iris...............................................................9 Bessler, Johann .......................................................... 1 Brandes, Mirko.........................................................25 Brinker, Werner..................................................28, 29 Brundtland, Gro Harlem...................................12, 13 Burmeister, Sabine ................................................ 6, 7 Burmeister, Udo.....................................................6, 7 Burmeister, Ulf.......................................................6, 7 Carlowitz, Hans Carl von.........................1, 12, 13, 16 Drogies, Norbert......................................................22 Fichter, Klaus ....................................................... 1, 16 Frankenbach, Thomas............................................25 Friedman, Milton .................................................... 16 Gabriel, Sigmar..................................................18, 19 Guyard, Laurent.......................................................17 Hellmeyer, Folker.....................................................14 Hinrichs, Frerk.........................................................15 Junge-Grahl, Gudrun.....................................1, 10, 11 Kleene, Cornelia ...................................................... 31 Klötzing, Mara..........................................................31 Kober, Markus....................................................10, 11 Köhler, Angela............................................................9 Koke, Oliver..............................................................31 Kräft, Henning ............................................... 10, 1115 Krogmann, Jürgen ............................................. 28, 29 Krumsieg, Dörthe....................................................25 Laager, Frédéric.......................................................17 Landmann, Kathrin...................................................8 Lüschen, Hans-Hermann ....................................... 24 Marquardt, Matthias...............................................25 Matti, Boris...............................................................17 Meyer, Christian ........................................................ 9 Mittag, Niklas.............................................................8 Molitor, Dirk.............................................................25 Molitor, Lutz.............................................................25 Nahles, Andrea...................................................18, 19 Neumann, Sebastian.........................................20, 21 Oesterhelweg, Frank..................................................9 Peccei, Aurelio....................................................12, 13 Raning, Nils..............................................................17 Rauffus, Christian..................................................4, 5 Richards, Craig.........................................................25 Richter, Bernd............................................................3 Richter, Helmut..........................................................3 Ritter, Jörg...........................................................28, 29 Röben, Godo..........................................................4, 5 Röttgers, Jan...............................................................8 Swatzki, Rolf.......................................................26, 27 Schüller, Herbert................................................26, 27 Schüller, Hermann.............................................26, 27 Seitz, Harald.............................................................22 Simme, Frank...........................................................31 Sisyphos......................................................................1 Stopfer, Juliane...................................................20, 21 Tanger, Karin......................................................20, 21 Thole, Dirk..........................................................28, 29 Viganske, Claudia....................................................15 Weisbuch, Max...................................................20, 21 Winterkorn, Martin ................................................. 16 Zaborowski, Henrik.................................................22 Zetsche, Dieter...................................................18, 19 3 I UNTERNEHMEN DIE WIRTSCHAFT NR. 13 // NOVEMBER 2015 Die Schlossherrin Sie hat einen kniffligen Job: Iris Behrens soll die Oldenburger Schlosshöfe zum Besuchermagnet machen. SEITE 8 Geschmack gefunden Die Rila-Gruppe bei Osnabrück hat sich von einer Spedition zu einem der erfolgreichsten Feinkostimporteure Deutschlands entwickelt. Jetzt startet sie den nächsten Schritt. große Sortimente geworden. Vor 35 Jahren waren Asiatische Lebensmittel auch noch Nischenprodukte.“ Heute hat Richter selbst ein Faible fürs Asiatische entwickelt – sowohl beim Essen als auch beim Taekwondo, seinem Ausgleich. Ausgebuchte Restaurants VON NADINE GRUNEWALD 100 Millionen Euro Umsatz Damit legte der gelernte Landschaftsgärtner den Grundstein für die RilaUnternehmensgruppe, die mit den Jahren immer größer wurde und Tochterfirmen in Griechenland und Chile gründete. „Wir haben frühzeitig Dachmarken für die einzelnen Ländersortimente eingeführt“, sagt Bernd Richter. „Heute vertreiben wir etwa 1200 Produkte und sind einer der be- Michael Gründel; Torsten von Reeken K reisrund, gebaut aus Glas, Stahl, Beton und Naturstein, so thront das „Rila erleben“ zwischen dem Wiehengebirge und dem Stemweder Berg inmitten von Feldern. Der imposante Bau ist das jüngste Aushängeschild der Rila Feinkost-Importe. „Mit allen Sinnen genießen“ lautet das Motto dieses Projekts. Schaut man darauf, wie vor 46 Jahren alles begann, könnte der Kontrast kaum größer sein. „Mein Vater hat anfangs eine Spedition betrieben und den Linienverkehr nach Griechenland und in die Türkei aufgebaut“, erklärt Geschäftsführer Bernd Richter. Zur Fracht gehörten so verschiedene Güter wie Druckmaschinen und Lottoscheine. Weil Helmut Richter nicht mit leeren Lastwagen zurückfahren wollte, kam ihm eine Idee: Für die damaligen Gastarbeiter in Deutschland brachte er Lebensmittel aus ihrer Heimat mit – Weine etwa, Feta oder Pfefferschoten. Und baute so ein Sortiment für Migranten auf. deutendsten Anbieter von LänderFeinkost-Markenspezialitäten.“ 30 bis 40 Prozent davon werden Richter zufolge in den eigenen Tochterbetrieben hergestellt. Im vergangenen Jahr lag die Produktion bei rund 20 000 Tonnen, der Umsatz bei 100 Millionen Euro. Das Unternehmen sei in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen. Richter selbst ist dabei bodenständig geblieben. „Nicht wachsen um jeden Preis, sondern gesundes Wachstum“, das sei ihm wichtig. In etwa 8000 Märkten in Deutschland sind die Feinkostprodukte zu ha- ben – und natürlich auch in der RilaFeinkostwelt, die im Glashaus in Stemwede untergebracht ist. In den Regalen stehen griechische Oliven neben spanischen Mojo-Dips und amerikanischen Barbecue-Saucen – alles für den Endverbraucher. Stolz präsentiert Richter die Produkte. Die stärksten Sortimente seien „Feine Küchen Jürgen Langbein“, die Asien-Produkte und „Lien-Ying“ und die Biomarke „Rinatura“, sagt der 51Jährige. Die afrikanischen Saucen seien hingegen eher ein Nischenangebot. „Aber aus Nischen sind schon Afrikanische Saucen, asiatische Gewürze, indische Papadams: Geschäftsführer Bernd Richter vor einer Auswahl von Rila-Produkten in Stemwede. Zu den meisten Produktlinien gibt es draußen auch einen passenden Bereich im sogenannten Garten der Sinne. Vor, während oder nach dem Essen in einem der Restaurants können die Besucher dort vom japanischen Garten durch den griechischen hin zum italienischen und afrikanischen spazieren und die Anlage genießen. Gegessen werden kann draußen, in der urigen Tapasbar Cafayete im Untergeschoss oder im Restaurant Rotondo im ersten Stock, von wo aus die Besucher einen herrlichen Blick über die Landschaft haben. Im „Rila erleben“ werden auch Weinproben, Themenabende, Comedy oder Varieté angeboten. Entstanden ist die Idee dafür bei der Einweihung eines neuen Logistikzentrums vor rund 13 Jahren. Eine Woche lang kochten Köche in der Logistikhalle jeden Abend für rund 300 Besucher, es gab Musik und Entertainment. Inzwischen sind die Restaurants regelmäßig ausgebucht, Gäste aus Osnabrück, dem Oldenburger Land, Bielefeld und Minden kommen dorthin – zum Essen, Feiern oder für eine Tagung. „Den Gästen gefällt das besondere Flair und die exzellente Küche“, sagt Bernd Richter. Die Gestaltung der Gärten hat Richters Vater übernommen, sein eigenes Steckenpferd sind noch immer Technik und Logistik. Während er durch die Lagerhalle führt, die derzeit um 4000 auf dann 10 000 Quadratmeter erweitert wird, schwingt Begeisterung in seiner Stimme mit. Der Vater von zwei Kindern hat seine Ausbildung in Elektronikentwicklung und Programmierung gemacht. Seit 28 Jahren arbeitet er in dem Familienbetrieb, noch immer tragen einige Computerprogramme seine Handschrift. Das ideale Umfeld. Unternehmer im ecopark wissen: Wo Mitarbeiter sich wohlfühlen, da leisten sie gute Arbeit. Investieren auch Sie in ein gutes Umfeld – für Ihre Mitarbeiter und für Ihr Unternehmen. Im ecopark an der Hansalinie A1. ecopark – der Qualitätsstandort. UNTERN 4 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 Torsten von Reeken; dpa Deutschlands frisch gekürter Marketingchef des Jahres in seinem Reich: Godo Röben sortiert die Produkte von Rügenwalder stets nach aktuellen Absatzzahlen. Was sich am besten verkauft, steht oben links im Regal seines Büros in Bad Zwischenahn. Die fleischlosen Produkte wandern immer weiter Richtung Spitzenplatz. Die Neuerfindung der Wurst Rügenwalders Marketingchef Godo Röben mischt mit vegetarischen Produkten die Fleischbranche auf. Die Wachstumsraten sind gigantisch. Schon wird am Firmensitz in Bad Zwischenahn ein neues Werk geplant. VON RÜDIGER ZU KLAMPEN W enn man in Brake (Kreis Wesermarsch) für das Wochenende einkauft, trifft man am Kühlregal unter Umständen einen seltsam wirkenden Herrn. Der lädt nicht einfach zügig seinen Einkaufswagen voll, sondern verweilt schon mal, nimmt Produkte in die Hand, begutachtet sorgfältig Verpackungen, Inhaltsangaben und Aufdrucke. Das könnte dann Godo Röben sein – beim Sonnabendeinkauf, den er angeblich liebt. Der Marketing- und Entwicklungschef des Wurstspezialisten Rügenwalder Mühle kauft für seine vierköpfige Braker Familie ein. Aber der 45Jährige ist auch irgendwie bei der Arbeit: Es interessiere ihn eben, was die anderen Nahrungsmittelhersteller so an Neuheiten herausbrächten, erzählt er in seinem Büro in der Firmenzentrale an der Industriestraße in Bad Zwischenahn (Kreis Ammerland). Viel öfter allerdings kommt es vor, dass nicht Röben bei der Konkurrenz spioniert, sondern die bei ihm. Denn seit Rügenwalder vor gut einem Jahr sein erstes vegetarisches Produkt auf den Markt gebracht hat, erlebt das traditionsreiche Unternehmen mit seinen rund 560 Mitarbeitern ein rasantes Umsatz- Im Logo prangt sie schon seit mehr als 100 Jahren. Eine echte Mühle hat Rügenwalder aber erst seit Kurzem: 2012 war Einweihung in Bad Zwischenahn. wachstum. Kein Wunder also, dass sich all die anderen Wursthersteller brennend dafür interessieren, was sie da in Bad Zwischenahn machen – für Produkte, Inhalt, Geschmack, Verpackungen, einfach alles. Und der locker daherkommende Röben, gerade in München bei einer Gala zum deutschen Marketingchef des Jahres („CMO of the Year“) gekürt, gilt als der Impulsgeber Nummer eins. Die ganze Branche ist aus dem Häuschen Wursthersteller? Eigentlich passt der Begriff nicht mehr zu Rügenwalder. Denn immer mehr Produkte aus dem Haus schmecken zwar wie Fleisch, sie sehen auch so aus – aber die Zutaten sind pflanzlich. Das Sortiment reicht von Aufschnitt wie dem „Schinken Spicker“, über Frikadellen und Hack bis zu Hamburgern. Die ganze Branche ist wegen des Erfolgs von Branchenpionier Rügenwalder aus dem Häuschen. Fieberhaft werden eigene „Veggie“-Produkte auf den Markt gebracht, etwa von Gutfried, Tönnies, Meica oder Zimbo. Erst vor wenigen Tagen präsentierte Wiesenhof eine ganze Palette zügig entwickelter Neuheiten. Auch alle anderen in der Branche beschäftigen sich inzwischen mit dem Thema, das vor einem Jahr vielerorts noch keines war. Rügenwalder aber liegt mit Abstand vorn. Das Entwicklungs- und Marketingteam um Röben schiebt in kurzen Abständen weitere Produkte ohne Fleisch nach. Die Marke Rügenwalder, einst Synonym für eher schwere Teewurst, wandelt sich. Fleischlose Produkte erreichten binnen wenigen Monaten einen Absatzanteil im zweistelligen Prozentbereich und legen weiter zu, erläutert Röben an einem Regal im Büro. Dort sind die Produkte von Rügen- walder nach Umsatz angeordnet. Vorn liegt noch der Streichwurstklassiker „Pommersche“. Doch die fleischlosen Konkurrenten rücken jeden Monat weiter Richtung Spitze vor, oben links in Röbens Regal. Schon vier fleischlose Produkte liegen unter den Top Ten der Zwischenahner. So etwas fasziniert Röben. Dass starke Marken sein Ding werden könnten, spürte er erstmals als Jugendlicher, in der Ausbildung zum Industriekaufmann bei Coca-Cola in Oldenburg. Er sei sehr stolz gewesen, für so eine Weltmarke tätig zu sein: „Es war cool!“ Seitdem befasst Röben sich mit starken Lebensmittelmarken. Nach dem Fachabitur in Varel studierte er in Bremen „Management im Handel“– und hatte im Praxisteil mehrmals intensiv mit weiteren Weltmarken, wie etwa Beck’s, zu tun. Damals, in den 90er Jahren, sei er erstmals mit Marketing in Berührung gekommen, erzählt Röben. Die aufkommenden Ideen, die neuen systematischen Ansätze hätten ihn inspiriert. So ging es wohl auch Christian Rauffus, dem Chef der Rügenwalder Mühle. Beide trafen 1995 erstmals zusammen, als Röben nach dem Studium Blindbewerbungen verschickte. Ergebnis des Vorstellungsgesprächs bei Rauffus sei in etwa gewesen: „Wenn Sie hier eine Marketingabteilung aufbauen wollen, sind Sie herzlich willkommen.“ So etwas gab es bei den Zwischenahnern zuvor nicht. Rauffus muss gespürt haben, dass hier eine dynamische Nachwuchskraft mit Potenzial für neue Rezepte vor ihm saß. Röben konnte sich ans Werk machen. Was er vorfand: Das Unternehmen hatte zusätzlich zur Produktion auch noch eine eigene Einzelhandelsschiene mit 25 Filialen, ein stark dominierendes Produkt (Rügenwalder Teewurst) und wohl weitere 400 (!) schmackhafte Kleinigkeiten bis hin zu Labskaus und Mockturtle – betriebswirtschaftlich eine gigantische Verzettelung. „Bis auf die Teewurst wurde quasi alles rausgeworfen“, beschreibt Godo Röben den Umbruch. Was folgte, ist bekannt: Rügenwalder, zunächst auf einen starken Kern reduziert, landete ab 1998 regelmäßig Erfolge mit der Einführung neuer Wurstprodukte wie „Pommersche“ und „Schinken Spicker“, die in der hauseigenen Entwicklungsabteilung auf der Basis des bewährten Streichwurstwissens erdacht worden waren. Alle acht großen Marken gebe es noch heute , freut sich Godo Röben. „Wir hatten keinen Flop im Regal.“ Der Umsatz hat sich seit 1995 verfünffacht, für das laufende Jahr werden bis zu 200 Millionen Euro erwartet. Den mittlerweile erreichten Bekanntheitsgrad der Marke Rügenwalder Mühle genieße kaum eine zweite in Deutschland, sagt Röben. Dazu trägt der stolze Werbeetat von angeblich rund 20 Millionen Euro bei. Die Spots, in denen Mitarbeiter des Unternehmens möglichst authentisch und sympathisch rübergebracht werden sollen, sorgten für einiges Aufsehen. Zum Vergleich: 1995 hatte das Unternehmen gerade einmal 50 000 D-Mark ins Marketing gesteckt. Die Mittel werden nun quasi komplett auf einen neuen Markt konzentriert: Produkte in Wurstform, ohne Fleisch, dennoch lecker. „Es geht“, sagt Firmenchef Christian Rauffus norddeutsch-trocken in einer aktuellen Kinowerbung, die ihn inmitten vegetarischer Zutaten zeigt. Wobei man ihm anzumerken meint, dass es zeitweilig wohl auch Zweifel bei Rügenwalder gab. Röben habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die starke Fleischerfraktion im Unternehmen für seine vegetarischen Pläne zu gewinnen, hört man im Betrieb. NEHMEN „ Ich verlasse mich auf mein BauchGefühl “ Godo Röben, Marketingchef von Rügenwalder NOVEMBER 2015 Doch Röben hatte Argumente: Der traditionelle Markt sei „unumkehrbar“ rückläufig. Nach Angaben der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sank der Wurstabsatz hierzulande binnen vier Jahren um zehn Prozent auf 1,3 Millionen Tonnen. Andere Studien zeigen, dass bei mehr als der Hälfte der Verbraucher immer seltener Fleisch auf den Tisch kommt – und die Zahl der komplett vegetarisch lebenden Deutschen ist auf fast acht Millionen geklettert. Es sei etwas „Disruptives“ im Gang, sagt Röben. Es gebe einen breiten Trend weg von Fett und Cholesterin, und selbst im eigenen Familienkreis hat er ein Unwohlsein mit der Tierhaltung ausgemacht. Am Ende überzeugte Röben, dem Marketingkauderwelsch zuwider ist, die Skeptiker im eigenen Haus wohl mit einer schlichten Erkenntnis: „Es geht darum, auch künftig für Umsatz und Gewinn zu sorgen.“ Der Erfolg gibt ihm recht: Schon im ersten Jahr zeichnet sich ein Umsatzanteil fleischloser Produkte von 30 Prozent ab. Röben quittiert diesen Erfolg bescheiden: „Da gab es viele glückliche Fügungen.“ Verblüffend ist seine Entscheidungsgrundlage. Der Marketingchef vertraut weniger Marktanalysen, sondern sagt: „Ich höre auf mein Bauchgefühl.“ Er müsse von einem Produkt überzeugt sein, sonst gehe es nicht. „Das muss schmecken“, erklärt Röben. Man dürfe nicht immer zuerst an die Produktionskosten denken. Trotz aller Erfolge bleibt Röben auf dem Teppich, verweist auf das Team, auf die vielen anderen im Zwischenahner Team, die sich von neuen Ideen infizieren ließen und den Wandel damit letztlich ermöglichen und trugen – voran Christian Rauffus (62) und dessen Sohn Gunnar (46). Und die jetzt alle unter Volldampf arbeiten, um den losgetretenen Boom bewältigen bewältigen zu können. Schon soll gegenüber der Wurstfabrik ein neues Werk entstehen – nur für vegetarische Erzeugnisse, und perspektivisch wohl auch für immer mehr Veganes, also Produkte ganz ohne letzte tierische Bestandteile wie Eier. Auch das ist ein Wachstumsmarkt. Gerade wurden 100 neue Mitarbeiter eingestellt. Godo Röben, Lockenkopf meist ohne Krawatte, bleibt cool, brütet ständig weitere Ideen aus. Sein Büro ist wohl eines der kunterbuntesten weit und breit. Die Flächen der Wände sind fast komplett ausgefüllt – mit Motiven, die dem Marketing und Entwicklungschef der Rügenwalder Mühle persönlich wichtig sind, aber auch im Berufsalltag. Man merkt irgendwie: Er fühlt sich wohl, liebt seine Rolle, So ist auch wohl zu erklären, dass der Braker, den man abends mit dem Hund an der Weser joggen sieht, bodenständig blieb, immun gegen Versuchungen. Andere in der Fleischbranche, die letztlich ums Überleben kämpft, würden ihn sicher gern abwerben. Aber der Marketingchef winkt ab. Er schätzt die Strukturen bei dem Mittelständler Rügenwalder: die familiäre, auf Vertrauen basierende Atmosphäre, die Arbeitsmöglichkeiten an der langen Leine, auch der souveräne Umgang mit Fehlern. Das sei nicht zu toppen, sagt Röben. „Und es ist gerade wieder so spannend!“ LEBENSMITTELPRODUZENT MIT APPETIT AUF MEHR Fleisch? Nein, danke! Veggie to Grow Vegetarier in Deutschland in Mio. Personen Umsatz von Rügenwalder in Mio. € Prognose 200 135 2005 146 2007 172 175 2011 2013 6,29 6,42 6,38 2009 2010 2011 6,60 6,88 7,25 155 2009 2015 2012 2013 2014 Grafik: BG; Quelle: Unternehmen Grafik: BG; Quelle: Vegetarierbund Deutschland Das Unternehmen Die Rügenwalder Mühle hat ihre Wurzeln in der pommerschen Kleinstadt Rügenwalde, wo Carl Müller 1834 eine Fleischerei gründete. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Familie nach Westerstede, 1956 verlagerte der damalige Geschäftsführer Carl Wilhelm Müller den Betrieb nach Bad Zwischenahn. Kurt Rauffus, Ehemann der Erbin Ruth Müller, entwickelte das Unternehmen in der nächsten Generation zu einem mittelständischen Industriebetrieb. Heute leitet ihn sein Sohn Christian Rauffus in sechster Generation. Godo Röben ist seit 1995 im Unternehmen. Die Umsätze sind zuletzt stark gewachsen und könnten in diesem Jahr dank der neuen vegetarischen Produkte 200 Millionen Euro erreichen. Der Markt In Deutschland ernähren sich nach Angaben des Vegetarierbunds fast acht Millionen Menschen fleischlos, Tendenz: steigend. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) geht von etwas niedrigeren Zahlen aus, bestätigt aber den Trend. Ihr zufolge hat sich der Vegetarieranteil in der Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren etwa verzehnfacht. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Deutschen, die ihren Fleischkonsum bewusst einschränken. Diese sogenannten Flexitarier achten besonders auf Qualität und Herkunft des Fleischs und greifen häufig zu Bioprodukten – oder eben zu vegetarischen Fleischalternativen. Entsprechend groß ist das Wachstumspotenzial für diesen Markt. Das OLB-Firmenkundengeschäft Unser Know-how in Ihrer Nähe. Frauke Frers, Firmenkundenbetreuerin: „Als Regionalbank ist die OLB eng mit dem Nordwesten verbunden. Wir sind „Hier zu Hause“ und kennen die Herausforderungen für Unternehmen verschiedenster Branchen. Als zuverlässiger Partner helfen wir Ihnen, Ihre Stärken und Unternehmensziele mit individuellen Konzepten erfolgreich umzusetzen – vom Finanzierungsmanagement über das Liquiditätsmanagement bis hin zum Internationalen Geschäft.“ Vereinbaren Sie jetzt einen Termin mit uns unter 0441 221-1275 oder im Internet auf www.olb.de/firmenkunden – wir freuen uns auf Sie! www.olb.de/firmenkunden Hier zu Hause. Ihre OLB. 6 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 UNTERNEHMEN NOVEMBER 2015 Komplettpaket aus Zwischenahn Die Oldenburger Kartonagenfabrik ist als Hersteller von individuellen Verpackungen für Unternehmen im Nordwesten etabliert. Jetzt stößt der Familienbetrieb aus dem Ammerland in neue Bereiche vor – mithilfe der Digitalisierung und der Industrie 4.0. VON RÜDIGER ZU KLAMPEN W enn Sabine Burmeister in diesen Tagen Besucher durch ihren Betrieb an der Industriestraße in Bad Zwischenahn führt, dann würde sie um einen dunklen Winkel ganz hinten am liebsten einen großen Bogen machen. „Es ist gerade etwas unordentlich hier“, erklärt die Co-Geschäftsführerin der Oldenburger Kartonagenfa- brik mit einem entschuldigenden Lächeln. Für das Durcheinander gibt es allerdings einen guten Grund: Die Firma expandiert. „Hier wollen wir in Kürze unseren nächsten Anbau starten“, erklärt die 47-Jährige. 400 Quadratmeter Betriebsfläche kommen dann hinzu. Die Entwicklungsabteilung wird erweitert – räumlich und technologisch. Es ist bereits die fünfte Erweiterung in der Geschichte der 1972 gegründe- Die Messe für Instandhaltung Hamburg Hamburg Messe, Halle B4 10. – 11. Februar 2016 Mehrere Millionen Quadratmeter Karton und Wellpappe werden in Bad Zwischenahn verarbeitet. Die Produktpalette reicht vom Pappaufsteller bis zur Verpackung ganzer Flugzeugkomponenten. ten Oldenburger Kartonagenfabrik. Längst hat sich das Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 3,5 Millionen Euro als Hersteller von Kartonverpackungen und einer ganzen Reihe weiterer Produkte aus Pappe etabliert. Dass diesmal gerade die Entwicklungsabteilung ausgebaut wird, liegt auch daran, dass die Ammerländer ihre Angebotspalette weiter ausbauen. Sie wollen sich künftig noch mehr mit Produkten positionieren, die auf die individuellen Wünsche von Kunden maßgeschneidert sind. Dabei geht es längst nicht nur um Großserien, die dank hoher Stückzahl niedrige Herstellungskosten versprechen, sondern auch um kleine Chargen – und zwar in Stückzahlen „von eins bis 100 000“, wie Ulf Burmeister erklärt, der das Unternehmen zusammen mit seiner Frau führt. Man werde diese Produkte gemeinsam mit den Kunden entwickeln, unter anderem online und mithilfe von 3-D-Animationen, sagt der 50-Jährige. Damit folgt die Kartonagenfabrik dem großen Trend der Industrie 4.0. Durch das Internet und die Digitalisierung getrieben, wachsen die reale und die virtuelle Welt zunehmend zusammen. Neue technologische Möglichkeiten erlauben es den Unternehmen, immer genauer auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen oder sie sogar direkt in den Herstellungsprozess einzubinden. Das Ergebnis ist eine hoch flexibilisierte Produktion bis hin zu industriell gefertigten Einzelprodukten. Es ist ein gewaltiger Markt, der da heranwächst. Der IT-Branchenver- band Bitkom und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation schätzen das Wachstumspotenzial durch Industrie-4.0-Anwendungen allein im deutschen Maschinenund Anlagenbau auf 99,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025. Auch Mittelständler wie die Oldenburger Kartonagenfabrik mischen auf diesem Feld zunehmend mit. Bislang funktioniert deren Geschäft im Prinzip so: Aus nicht allzu weit entfernten Fabriken wie etwa in Varel werden die Rohstoffe Wellpappe und Karton in unterschiedlichsten Bögen angeliefert angeliefert, zusammengenommen eine Fläche von mehreren Millionen Quadratmetern. Daraus machen die gut 30 Mitarbeiter der Kartonagenfabrik dann etwas – mit gestalterischer Kreativität und optimierten mechanischen Vorgängen wie dem Knicken, Stanzen, Schlitzen und Kleben. Ulf Burmeister, Sohn des Gründers Udo Burmeister, zählt auf: Da sind etwa die speziell für ein Produkt gestanzten Wellkisten mit passgenauen Einlagen, mit denen Kunden besondere Produkte sicher verschicken wollen. Die Zwischenahner entwickeln in diesen Fällen ein Muster für den Kunden mit passender Innenausstattung des Kartons. Das reicht von kleinen Produkten wie etwa den mit Bildern bedruckten Tassen des Oldenburger Fotodienstleisters Cewe bis zu größeren Elementen für den Badezimmerspezialisten Hüppe gleich nebenan in Bad Zwischenahn. Selbst Flugzeugkomponenten werden von der Kartonagenfabrik verpackt. Hinzu kommen verschiedene Standardkartons, die etwa für den Trans- Ihr Gratis-Ticket (Wert 25,00 €) Bei Vorregistrierung mit folgendem Code: 6007 www.easyfairs.com/maintenance-hamburg2016 An einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte Europas setzt die maintenance Hamburg 2016 nicht nur Impulse für Innovationen und Trends, sondern bietet auch die perfekte Plattform für intensiven Informationsaustausch. Besuchen Sie interessante Fachvorträge in unserem Science Center. Premiumpartner Verpackungskünstler in ihrem Element: Ulf Burmeister führt das 1972 von seinem Vater gegründete Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau Sabine Burmeister. UNTERNEHMEN NOVEMBER 2015 „ DIE VIERTE REVOLUTION port auf Paletten optimiert sind. Eine wichtige Kundengruppe sind Onlineversender. Und dann wären da noch zahlreiche weitere individuell gestaltete Produkte wie bedruckte und beklebte Verpackungen. Eine Auswahl davon präsentiert Sabine Burmeister im kunterbunt mit Kartons ausstaffierten Sitzungsraum im ersten Stock: Aufsteller für Marketingzwecke oder Firmenpräsentationen, selbst Losboxen aus Pappe, jeweils mit einer Folie beklebt. Die Kundschaft ist breit gefächert. Auch Sitzobjekte wie ein stabiler hoher Hocker für den Basketball-Bundesligisten EWE Baskets entstehen in Bad Zwischenahn. Gerade für Markenprodukte sei es wichtig, kreative Formen und Oberflächen zu entwerfen, sagt Sabine Burmeister. Auch bei ausgefallenen Produkten oder Kleinserien müsse man die eigenen Stärken betonen. „So können wir Dinge anbieten, die andere nicht können“, sagt sie. Und stolz verweist sie auf eine weitere Spezialität: Die Zwischenahner drucken zum Teil selbst, mit zwei Farben. Die bedruckten Bögen werden dann mit den gewünschten Kartonflächen verleimt und angepresst. Die Gestaltung der Oberflächen ist aber nur ein Teil der Gesamtdienstleistung. Ein wichtiger Produktionsabschnitt ist daneben die Bearbeitung der angelieferten Rohstoffbögen, erläutern die Burmeisters beim Gang durch die Bearbeitungsanlagen, in denen Bögen durch Stanzen und Knicken zu nutzbaren Produkten werden. Dadurch würden Kartons letztlich zu einem „voluminösen Geschäft“. Digitalisierungswelle Zwei neue Standbeine So können wir Dinge anbieten, die andere nicht können “ Sabine Burmeister, Co-Geschäftsführerin, über die Vorteile einer individualisierten Produktion Prognostizierte Investitionen in Industrie-4.0Anwendungen in Deutschland in Mrd. € 2,02 2,31 2,62 1,50 1,06 0,65 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Grafik: BG; Quelle: Statista Individuelle Serienprodukte Ziel dieses Wandels ist eine engere Vernetzung von Kunden und Unternehmen. Sie ermöglicht es im Idealfall, individuelle Produkte unter industriellen Bedingungen zu fertigen. Die Herstellungsprozesse können dabei nahezu in Echtzeit gesteuert und optimiert werden. Torsten von Reeken (2); 123rf Industrie 4.0 Die Oldenburger Kartonagenfabrik folgt mit der technologischen Modernisierung von Anlagen dem Megatrend der deutschen Wirtschaft: der Digitalisierung der Produktion. An diesem Punkt spricht das Paar ein weiteres Geschäftsfeld an, das noch jung, aber aussichtsreich sei: „Wir erledigen auch Kommission und Versand. Das ist ein Bereich, in dem wir wachsen wollen.“ Konkret wollen die Zwischenahner also mehr als die Verpackung liefern – sie wollen auch gleich Produkte lagern, auszeichnen, einpacken und versenden. Bei Versandaktionen stießen Kunden oft an Kapazitätsgrenzen, sagt Firmenchef Ulf Burmeister. In solchen Fällen springe man ein. Zum Konzept des Mittelständlers für die nächsten Jahre gehört noch mehr: Die Kartonagenfabrik startet in nächster Zeit einen Onlineshop (geplant: www.ol-kartons.de). Dadurch könnte der eher regionale nordwestdeutsche Markt der Kartonagenfabrik noch erheblich ausgeweitet und noch effizienter bedient werden. Gleiches gelte für den stabilen Sitzhocker aus eigener Produktion. Der, so haben die Zwischenahner erkannt, könne als individuell gestaltetes Möbelstück für verschiedenste Veranstal- tungen oder auch Privaträume weit über die deutschen Grenzen hinaus Erfolg haben. Für diese Sparte wird die Vertriebsschiene www.pappcube.de eingerichtet. In einem Infopapier spricht die Firma davon, „Pappcube“ als Marke etablieren zu wollen. In Bad Zwischenahn blickt man zuversichtlich in die Zukunft. Die Burmeisters und ihre Mitarbeiter wissen sich dabei inmitten starker Trends. Wie etwa: Der Absatz von Wellpapp- DIE WIRTSCHAFT NR. 13 Die Burmeisters im Lager der Kartonagenfabrik. Die Firma beschäftigt rund 30 Mitarbeiter und kommt auf einen Jahresumsatz von gut 3,5 Millionen Euro. I7 kartonmaterial steigt in Deutschland stärker, als die Wirtschaft insgesamt wächst. Bei immer mehr Produkten setzen Hersteller zudem auf „Monostoffverpackungen“ – und verzichten etwa auf Kunststoffmaterial, erläutert Sabine Burmeister. In diesem Fall kommt Pappe zum Einsatz. Ein unschlagbares Argument sei die Nachhaltigkeit des Rohstoffes, der ja überwiegend aus Recyclingmaterialien gewonnen werde. Partner der Arbeitgeber im Nordwesten Arbeitgeberverband Oldenburg e.V. Bahnhofstraße 14 26122 Oldenburg Tel.: 0441. 21027 0 Fax: 0441. 21027 99 [email protected] www.agv-oldenburg.de INTERESSENVERTRETUNG DER WIRTSCHAFT MODERNER DIENSTLEISTER INDIVIDUELLER ERFAHRUNGSAUSTAUSCH VIELFÄLTIGES BILDUNGSANGEBOT VERTRAUENSVOLLE ZUSAMMENARBEIT 8 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 WECHSELFALL NOVEMBER 2015 Gekommen, um zu bleiben: Iris Behrens ist schon die dritte Managerin der noch jungen Schlosshöfe. VON JÖRG SCHÜRMEYER Torsten von Reeken A ls Iris Behrens kürzlich ihr neues Büro in den Schlosshöfen bezog, hat sie erst einmal ein paar Möbel verrückt. Den Schreibtisch hat die 34-Jährige so platziert, dass sie die offene Bürotür immer im Blick hat. „Ich lebe eine Kultur des offenen Büros“, sagt die neue Chefin des ECE-Einkaufszentrums in Oldenburg. Kontaktfreude, Offenheit, mitbekommen, was um sie herum passiert – das sei ihr wichtig. Mindestens einmal täglich ist sie auch auf der Einkaufsmall unterwegs. „Ich will das Gespräch mit Mietern und Kunden suchen“, sagt sie. Seit vier Monaten führt Behrens als Centermanagerin die Schlosshöfe. So geradlinig, wie sie das Gespräch sucht, verlief ihr Weg in die Huntestadt aber keineswegs – weder geografisch noch beruflich. „Meine Karriere ist eher ungewöhnlich“, räumt sie ein. Geboren in Köln und aufgewachsen in Berlin, studierte Behrens zunächst Germanistik und schloss das Studium mit dem Magister ab. Ihre „große Leidenschaft für Bücher“ befriedigte sie dann allerdings zunächst nicht mit Weltliteratur – sondern mit Auktionskatalogen. Bei BCA Autoauktionen in Neuss, einem der größten Marktplätze Europas für die gewerbliche Vermarktung gebrauchter Fahrzeuge, heuerte sie als Key-Account Managerin für Daimler an. „Die Arbeit dort hat mir viel Spaß gemacht, aber ich habe dann doch noch einmal eine neue Herausforderung gesucht und wollte etwas ganz Die Schlossherrin Iris Behrens ist die neue Chefin der Oldenburger Schlosshöfe. Kein leichter Job: Das Einkaufszentrum bleibt hinter den Erwartungen des Betreibers ECE zurück. Doch die 34-Jährige lässt sich davon nicht abschrecken. Porträt einer Aufsteigerin mit ungewöhnlicher Karriere. anderes ausprobieren“, sagt Behrens – und wechselte vor dreieinhalb Jahren zu ECE. Bei dem Hamburger Projektmanagentunternehmen, einem der größten Entwickler, Planer und Betreiber großer Gewerbeimmobilien in Europa, ließ sie sich zur Centermanagerin ausbilden. Nach Stationen in mehreren ECEShoppingcentern in ganz Deutschland, zuletzt als Assistentin bei der Glacis-Galerie im mittelschwäbischen Neu-Ulm, erhielt sie schließlich die Chance, sich in Oldenburg erstmals als hauptverantwortliche Centermanagerin zu bewähren. Nach Kathrin Landmann, die die Eröffnung des Einkaufszentrums 2011 und die ersten Jahre begleitete, und Niklas Mittag, der nur neun Monate in Oldenburg tätig war, ist Behrens die dritte Centermanagerin bei den Schlosshöfen. „Eine spannende Aufgabe“, wie sie sagt. Die mit 12 500 Quadratmetern vergleichsweise kleine Verkaufsfläche verleihe dem Einkaufszentrum ebenso einen besonderen Charakter wie die Rotunde oder die Kulturlounge. Die Schlosshöfe fallen allerdings nicht nur wegen ihrer Architektur aus dem Rahmen, sondern auch wegen der heftigen Diskussion um die Ansiedlung an sich. Behrens ist das durchaus bewusst. Sie hat aber den Eindruck, dass sich die Wogen geglättet haben. „Ich glaube nicht, dass das in der Stadt heute noch eine große Rolle spielt“, sagt sie. Statt zurückzublicken, schaut Behrens ohnehin lieber nach vorn. Denn ECE Projektmanagement Das zur Holding der Otto-Familie in Hamburg gehörende Unternehmen zählt zu Europas größten Betreibern von Gewerbeimmobilien. In Deutschland managt ECE 196 Shoppingcenter, 14 weitere sind in Bau oder in Planung, zehn werden derzeit umgebaut oder erweitert. Der Umsatz liegt nach ECE-Angaben in allen Centern zusammen bei rund 23 Milliarden Euro pro Jahr, die tägliche Besucherzahl im Schnitt bei 4,4 Millionen. Die Oldenburger Schlosshöfe sind seit ihrer Eröffnung allerdings unter den Erwartungen geblieben. Sie wurden im März 2011 nach kontroverser Diskussion eröffnet. auch hier gibt es für die Centermanagerin, ihr siebenköpfiges Team in Oldenburg und für ECE noch einiges zu tun, um mehr Kundschaft anzulocken. Zwar wollen weder Behrens noch ECE konkrete Zahlen nennen, klar dürfte aber sein, dass die 2011 vom Centerbetreiber ausgegebenen Ziele von 25 000 bis 30 000 Besuchern pro Tag und von einem Jahresbruttoumsatz von 45 Millionen Euro doch etwas zu ambitioniert waren. Selbst ECE-Entwicklungsdirektor Jan Röttgers musste vor einem Jahr einräumen, dass sich die Frequenz im Center und die Umsätze in den Geschäften nicht wie geplant entwickelt hätten. Dennoch verbreitet Behrens Optimismus. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt sie. Einen Schub hat dem Shoppingcenter offenbar die Ansiedlung von Saturn gegeben. Seitdem die Elektronikkette Ende Mai auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern im Untergeschoss der Schlosshöfe eröffnet hat, seien die Besucherzahlen „im zweistelligen Prozentbereich“ gestiegen, so Behrens. Auch größere Leerstände gebe es nicht. Von den rund 85 Geschäftslokalen und Büros im Einkaufszentrum seien lediglich fünf zurzeit nicht belegt. „Wir sind gut aufgestellt“, betont Behrens. Um die Attraktivität der Schlosshöfe weiter zu erhöhen, setzt sie vor allem auf einen „guten Branchenmix“ im Center und besondere Attraktionen. Auf die Frage, ob der Branchenmix in dem Einkaufszentrum denn bisher nicht gut genug gewesen sei und was womöglich fehle, antwortet Behrens diplomatisch. „Es gibt immer Optimierungsbedarf.“ Schon nah am Optimalfall war indes vor wenigen Wochen die Tierausstellung „Zeugen der Urzeit“ in den Gängen der Schlosshöfe. Die von der Schweizer Expovivo AG und dem Naturschutzbund konzipierte Schau sei ein voller Erfolg gewesen. Ähnliche Aktionen im großen Stil, etwa ein StreetArt-Festival im kommenden Jahr, oder auch etwas kleinere wie Modenschauen oder Kinderbasteln in der Weihnachtszeit soll es künftig regelmäßig geben. „Wir wollen, dass der Kunde sich hier wohlfühlt, und wir wollen ihm ein Erlebnis bieten“, sagt die Centermanagerin. Sie selbst hat sich schnell in ihrer neuen Heimat eingelebt. „Oldenburg ist eine schöne Stadt, und der Einzelhandel ist stark aufgestellt“, sagt Behrens und beginnt aufzuzählen: die große Fußgängerzone, die vielen schönen alten Gebäude, die zahlreichen guten Restaurants. „Zudem gibt es hier ein Sortiment, wie man es in vergleichbaren Städten nur noch selten findet.“ Für die 34-Jährige, die ihren Familienstand mit „alleinstehend mit Katze“ beschreibt, war aber nicht nur deshalb sofort klar, nach Oldenburg zu ziehen: „Ich finde es wichtig, hier zu wohnen, um am Leben in Oldenburg teilnehmen zu können.“ Auch langfristig? „Ich habe hier keine möblierte Wohnung, sondern habe sie mir selbst eingerichtet – das zeigt wohl, dass ich hier länger bleiben will“, sagt sie lächelnd. Im Büro der Schlosshöfe-Centermanagerin dürften also in der nächsten Zeit erst einmal keine Möbel verrückt werden. Häuser des Handels Die größten Einkaufszentren in Deutschland nach Verkaufsfläche in m2 Centro Oberhausen 119000 Chemnitz-Center 107000 Main-Taunus-Zentrum Sulzbach Famila XXL Oldenburg 25000 91000 zum Vergleich Schlosshöfe Oldenburg 12500 Grafik: BG; Quelle: eigene Recherche 12 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 DOSSIER Nachhaltigkeit in Zahlen Wie wollen wir in Zukunft leben? Was müssen wir tun, um unseren Kindern eine gesunde Umwelt zu hinterlassen? Diese Fragen hat die Bundesregierung 2002 in der „Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“ beantwortet. Es ist ein Programm zum Umbau Deutschlands in eine zukunftsfähige Gesellschaft. Im vergangenen Jahr hat das Statistische Bundesamt überprüft, ob die Ziele erreicht wurden. Hier stellen wir die wichtigsten Ergebnisse vor. Ein Poster von ANDREAS MOHRMANN UNTERWEGS IN EIN NEUES LAND Ziel 100 101 77 63 20 2 Energieproduktivität und Wirtschaftswachstum 1990 = 100 Ziel 200 180 Männer 2 Märkte öffnen sEntwicklungarbeit men zusam Die Ausgaben für die Entwicklungsländer und humanitäre Hilfen sowie Beiträge an NGOs sind seit 1995 nur leicht von 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf 0,37 Prozent 2012 gestiegen. Ziel für 2015 sind 0,7 Prozent. Studienanfängerquote Das Ziel von 40 Prozent bis 2010 wurde erreicht. 2012 betrug die Quote 53,2 Prozent nach OECD-Standard. Im OECD-Durchschnitt lag die Quote 2011 sogar bei 60 Prozent. Dass Deutschland darunterliegt, ist auf die hohe Bedeutung des dualen Systems hierzulande zurückzuführen. Staatsversc huldung e lich chaft eit Wirts fähigk ngs Leistu Ausländische Schulabsolventen mit Schulabschluss Seit 2003 ist der Anteil der ausländischen Schulabgänger mit mindestens Hauptschulabschluss stetig von 80,3 auf 88,6 Prozent 2012 gestiegen. Sozialer Zusammenhalt ung tell ichs Gle Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern Seit 1995 haben sich die Lohnunterschiede kaum verändert. 2013 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen immer noch um mehr als ein Fünftel niedriger als der der Männer. Ganztagsbetreuung für Drei- bis Fünfjährige Das Ziel von 60 Prozent für 2020 könnte erreicht werden, wenn sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt. 2006 betrug die Quote 22 Prozent, 2013 waren es 39,1 Prozent. In dieser Gruppe wären bis 2020 rund 93 Prozent des Zielwertes von 35 Prozent erreicht. 2006 betrug die Quote 5,9 Prozent, 2013 waren es 13,7 Prozent. Erwerbstätigenquote insgesamt (15 bis 64 Jahre) Die Erwerbstätigenquote insgesamt stieg von 65,1 Prozent im Jahr 1993 um 7,5 Prozentpunkte auf 72,6 Prozent im Jahr 2012. Bei einer Fortsetzung der Entwicklung kann das Ziel von 75 Prozent im Jahr 2020 erreicht werden. n ive kt lien spe mi Per Fa für Gütertransportintensität Personentransportintensität In Verhältnis zum BIP soll die Personenbeförderungsleistung bis 2020 auf 80 Prozent gegenüber 1999 sinken. Gegenwärtig droht Deutschland dieses Ziel zu verfehlen. Zumindest aber sank der Energieverbrauch von 1999 bis 2012 um 12,7 Prozent. Mobilität Anteil des Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung siehe Grafik Lebensqualität La ndb ew irtsc haf tun g Die Wirtschaftskr hängt entscheidend titionen der Un Staates ab. S Grundlage für Innovationen, sond zur Energiezienz bei. Im Verh inlandsprodukt tionen allerdings nen fünf Jahren im Schnitt um 1,5 BIP je Einwohner Von 1991 bis 2013 ist das BIP pro Kopf preisbereinigt um 29,2 Prozent auf 30 250 Euro gestiegen. Wirtschaftswachstum gilt als Voraussetzung für einen erfolgreichen Strukturwandel. Ziel ist es, die Relation zwischen Tonnenkilometer und preisbereinigtem BIP bis zum Jahr 2020 um fünf Prozent gegenüber 1999 zu vermindern. Bis 2012 stieg der Indexwert zwar um acht Prozent, der Energieverbrauch je Tonnenkilometer sank jedoch im selben Zeitraum um ein Fünftel. Vier wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit Internationale Verantwortung ion grat Inte Ganztagsbetreuung für Null- bis Zweijährige Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) sind verantwortlich für eine ganze Reihe von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen. Neben den gesundheitlichen Folgen belasten sie auch die Volkswirtschaft erheblich. ZukWirts unf cha tsv ftlic ors he org e Innov at ion Res sou rcen scho nung 2 it ndhe Gesu g nährun und Er Frauen siehe Grafik Anteil der Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistung siehe Grafik siehe Grafik 6 7 Ökologischer Landbau siehe Grafik Die Nachhaltigkeit kehrs misst die Bu der Beförderungslei ßen-, Schienenverkehr in Relation Bahn und Schiff ger belasten kehrsträger, will rung ihren Anteil kehr steigern. In wird sie ihr selbst 2015 aller 6 Stickstoffüberschuss g tun Menschen mit Adipositas Anteil der Erwachsenen (ab 18 Jahre) in % gesamt siehe Grafik Energieproduktivität Zwischen 1995 und 2008 sind die Einfuhren deutlich gestiegen: von 41 Milliarden Euro auf 152 Milliarden Euro. Nach einem Einbruch 2009 weiter auf 185 Milliarden Euro im Jahr 2012. Anteil der öffentlichen Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen Etwas besser sieht die Entwicklung auf dem Gebiet der Energieproduktivität aus. Seit 1990 ist es Deutschland sowohl gelungen, Energiequellen produktiver zu nutzen, als auch den Verbrauch an Primärenergie leicht zu senken, ohne dass dadurch das Wirtschaftswachstum zurückgegangen wäre. Seine Zielwerte für 2020 beziehungsweise 2050 wird Deutschland ohne zusätzliche Anstrengungen dennoch verfehlen. ung Bild Generationengerechtigkeit Primärenergieverbrauch Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern las 3 14 12 Ziel 76,3* Ziel 47,7** 2013 2020 2050 30- bis 34-Jährige mit tertiärem oder postsekundärem nicht tertiären Abschluss Die Quote bemisst Hochschul- oder Fachschulabsolventen sowie Absolventen mit einer Kombination aus Schulabschluss und Berufsausbildung. Der nationale Indikator betrug 2012 43,4 Prozent – Ziel bis 2020 waren 42 Prozent. ftbe SEITE 12 Bruttoinlandsprodukt Primärenergieverbrauch Der Anteil Jugendlicher, die weder über Abitur noch Fachhochschulreife verfügen und sich auch nicht in Aus- oderWeiterbildungsmaßnahmen befinden, lag 2010 bei 10,4 Prozent – also dicht am Zielwert von zehn Prozent im Jahr 2020. Lu Energieproduktivität 80 60 40 1990 1995 2000 Klim as chu tz Rohstoffproduktivität Ziel der Bundesregierung ist es, dass Deutschland 2020 doppelt so effizient mit Rohstoffen umgeht wie 1994. Trotz signifikanter Verbesserungen werden voraussichtlich aber nur 69 Prozent des Zielwerts erreicht. Eine große Vielfalt an Tieren und Pflanzen gehört nicht nur zu einem leistungsfähigen Naturhaushalt, sie ist auch eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Um sie zu erhalten, ist ein schonender Umgang mit der Natur nötig. Sein selbst gestecktes Ziel, in diesem Jahr eine Artenvielfalt und Landschaftsqualität zu erreichen, die etwa dem Stand von 1975 entspricht, hat Deutschland allerdings deutlich verfehlt. 2011 2015 160 140 120 100 * entspricht 20 % des Verbrauchs von 2008 ** = 50 % des Verbrauchs von 2008 Quelle: Destatis, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. Im Kyoto-Protokoll hat sich Deutschland verpflichtet, seinen Kohlendioxidausstoß im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 21 Prozent gegenbüber 1990 zu senken. Dieses Ziel wurde mit 23,6 Prozent mehr als erfüllt. Das nächste Ziel für 2020, eine Reduktion um 40 Prozent ist allerdings nur mit verstärkten Anstrengungen zu erreichen. und mittlerweile auf europäischer schrieben. 2013 l bei 2147 Millar 26 200 18- bis 24-Jährige ohne Abschluss Treibhausgasemissionen Der Zielwert des Indikators ist bereits erreicht oder wird bis zum Zieljahr voraussichtlich zu mindestens 95 Prozent erreicht sein. Beim Begriff Na die meisten zunächst wie Umweltschutz brauch. Dazu Schuldenstand gen und Zi kommende Gener liegt die Schuldenstandsquote Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung Bes chäf tigu ng Artenvielfalt und Landschaftsqualität 60 2000 5 Drei Prozent des BIP sollen in die Forschung investiert werden – dieses für 2020 gesteckte Ziel wurde bereits 2012 erreicht. Dass Deutschland wieder dahinter zurückfällt, ist unwahrscheinlich. Kriminal ität Indikator entwickelt sich deutlich positiv, das Ziel wird aber dennoch nicht ganz erreicht. Es verbleibt eine Lücke von fünf bis 20 Prozent. 40 Quelle: Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2014 Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP siehe Grafik ien erg En Indikator entwickelt sich zwar positiv, bei anhaltender Entwicklung verbleibt aber eine Lücke bis zum Zielwert von mehr als 20 Prozent. 0 1970 1975 1990 1995 4 Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Stromverbrauch Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch 2015 = 100 107 80 Schuldenstand siehe Grafik Bis 2020 soll der durchschnittlicheVerbrauch neuer Flächen für Straßen und Siedlungen auf maximal 30 Hektar pro Tag sinken. 2012 lag er mit 74 Hektar noch mehr als doppelt so hoch. Von 1990 bis 2013 ist der Ökostromanteil am deutschen Stromverbrauch von 3,4 auf 25,4 Prozent gestiegen. Der Zielwert von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 wird voraussichtlich erreicht – vor allem dank des Booms von Wind- und Solarenergie. are erb eu Ern 1 100 Strukturelles Defizit Der Teil des Staatsdefizits, der nicht auf konjunkturelle Schwankungen und temporäre Effekte zurückzuführen ist, darf 0,5 Prozent des BIP nicht überschreiten. Dieses Ziel wurde seit 2012 nicht mehr überschritten. 1 chnspru ina chen Flä me nah DIE WIRTSCHAFT NR. 13 // NOVEMBER 2015 Zahlen, Daten und Fakten zur Nachhaltigkeit in Deutschland – auf einem doppelseitigen Poster. siehe Grafik Der Anteil von Wind, Wasser, Sonne und Bioenergie soll bezogen auf das Jahr 1990 bis 2020 auf 18 Prozent und bis 2050 auf 60 Prozent steigen. Der Trend deutet auf eine Übererfüllung hin. Bioenergie hat 2013 den größten Anteil an den EE mit 62 Prozent. Die Farblegende erklärt den Stand der Nachhaltigkeitspolitik in wichtigen Politikfeldern. Die Ergebnisse stammen aus dem 5. Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts von 2014. Indikator entwickelt sich in die falsche Richtung: Wenn die gegenwärtige Entwicklung anhält, wird das anvisierte Ziel verfehlt. Staatsdefizit Der durch die Maastricht-Kriterien vorgegebene Wert von drei Prozent des BIP wird seit 2011 stets unterschritten. Artenvielfalt und Landschaftsqualität Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche elfalt Artenvi 9 I DOSSIER Umbau einer Gesellschaft 8 Stickstoff ist einer Pflanzendünger Stickstoff belastet allerdings stark – u weil er das schmutzt und zur Treibhausgasen führ chend fordert die strategie der Bundesr effizienteren Einsatz dünger. Bislang aller Schadstoffbelastung der Luft Ziel war es, den Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickstoffoxid, Ammoniak und flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan bis zum Jahr 2010 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu senken. 2012 wurden 59,6 Prozent erreicht. Vorzeitige Sterblichkeit bei Männern (Todesfälle pro 100 000 Einwohner unter 65 Jahren) Von 1991 bis 2012 ist dieserWert um 43 Prozent zurückgegangen. Er nähert sich damit zunehmend dem bei Frauen an. 2012 starben von 100 000 männlichen Einwohnern 217 vor dem 65. Lebensjahr. Ökolandbau schont in besonderem bauregeln gehören geschlossene Betriebs der Verzicht auf Operation Stör Nachhaltig erzeugter Kaviar aus Loxstedt – das war das Versprechen, mit dem die Fischfarm Vivace 2014 an den Start ging. Das Land und die EU förderten das Projekt mit 667 000 Euro. Jetzt ist die Firma pleite. Wie konnte es so weit kommen? VON LARS LAUE dpa (4) D iese Woche wird es nichts mit einem Termin, vielleicht nächste. Ich melde mich.“ Funkstille. Auf Nachfrage nur Vertröstungen. Erst Anfang Oktober ist Thomas Bauer dann doch gesprächsbereit. Und der Geschäftsführer von Vivace nennt auch einen triftigen Grund für sein Abtauchen: Seine Firma in Loxstedt am Rand von Bremerhaven ist in einen finanziellen Strudel geraten – und am Ende in der Insolvenz versunken. Es hört sich an wie eine jener tragischen, aber leider nicht ungewöhnlichen Wirtschaftsgeschichten: Junges, hoffnungsvolles Unternehmen rutscht kurz nach dem Start in die Pleite. Doch im Fall von Vivace Caviar steckt mehr dahinter. Denn das Unternehmen war mit einem Geschäftsmodell angetreten, das nicht weniger als eine Revolution in der Fischzucht sein sollte: einer ethisch korrekten, nachhaltigen Kaviarproduktion. Statt die Störe, aus denen der Laich gewonnen wird, zu töten, wurden sie bei Vivace gemolken, um an die Delikatesse zu kommen. Von „Kaviar mit gutem Gewissen“ schwärmten die Medien landauf, landab. Die Meeresbiologin Angela Köhler vom renommierten Alfred-WegenerInstitut (AWI) hatte das Verfahren entwickelt. Eine Tierpflegerin streicht dabei mit beiden Daumen am Bauch eines weiblichen Störs entlang – und Unmengen schwarzer Eier fließen in eine Schüssel: Kaviar. Nach wenigen Minuten kommt der Stör wieder zurück in ein Wasserbecken und zieht dort putzmunter sein Bahnen. Das AWI ließ das Verfahren weltweit patentieren, und mit Unterstützung des Instituts gründete Köhler zusammen mit zwei Wissenschaftlern das Unternehmen. Doch der Markterfolg blieb aus. „Der Kaviarabsatz ist nicht so vorangegangen wie gewünscht“, erklärt Geschäftsführer Bauer. Die steigende Produktion in China habe zu einem Preissturz geführt. „Bei den Dumpingangeboten sind wir nur schwer konkurrenzfähig.“ Nachhaltigkeit spiele für die Käufer eben noch nicht die gewünschte Rolle. Das ist allerdings nur ein Teil der Geschichte. Denn zur Absatzkrise des schonend produzierten Luxuslebensmittels kam noch ein rechtlicher Ha- Da für die Gewinnung von reifen Eiern noch keine grundlegenden Erfahrungen zur optimalen Dosierung vorliegen, habe Vivace zusammen mit dem Hersteller eine klinische Studie genehmigt bekommen, die bei Stören unterschiedlicher Herkunft und Adaptation die richtige Dosis ermitteln sollte. Die Studie diente letztlich der Zulassung des Medikaments spezifisch für den Stör. Bald machten allerdings Meldungen die Runde, wonach der Tierversuch zur Hormonbehandlung in erster Linie nicht der Forschung, sondern vielmehr der kommerziellen Produktion von Kaviar dient – und das Land Niedersachsen und die EU, die das Projekt mit 667 000 Euro gefördert hatten, mussten sich kritische Fragen gefallen lassen. Kritische Fragen an den Landwirtschaftsminister ken: Laut Vorgaben der Europäischen Union ist es in Deutschland nicht zulässig, ein Lebensmittel mithilfe von Hormonen zu gewinnen. Genau das aber war bei Vivace in Loxstedt der Fall. Auf der inzwischen nicht mehr erreichbaren Internetseite des Unternehmens hieß es dazu: „Die Störe folgen ihrem natürlichen Lebenszyklus, wenn sie ihre Eier im Frühjahr abgeben. Wärmere Temperaturen, mehr Licht, erhöhte Bewegungsaktivität in schneller Strömung und die Anwesenheit von Männchen und anderen Weibchen führen zur Ausschüttung eines Neuropeptids im Gehirn der Störweibchen, das wie ein Wehenmittel wirkt und die Abgabe der Eier in die Bauchhöhle auslöst. Diese Bedingungen werden in der Vivace-Anlage für die laichreifen Störweibchen so weit wie möglich hergestellt.“ Und weiter: „Zur Synchronisation der Eiabgabe ist allerdings die Verabreichung einer kleinen Menge dieses sonst vom Weibchen selbst produzierten Neuropeptids erforderlich. Etwa ein bis zwei Tage nach dessen Anwendung entlassen die Störe ihre Eier in die Bauchhöhle.“ Es handle sich dabei um ein gängiges Vorgehen bei praktisch allen Tieren, die zur Lebensmittelproduktion dienen, versicherte Vivace. Ohne einen Ovulationsauslöser – ob durch Eigenproduktion im Fisch oder als unterstützendes Medikament – sei es nicht möglich, die Eier aus dem Stör zu streifen. Vivace habe sich auf Empfehlung der Genehmigungsbehörde entschieden, zur Auslösung des Laichvorgangs ein synthetisch hergestelltes Neuropeptid zu verwenden, da dies klar definiert und immer in gleicher Konzentration und Wirksamkeit erhältlich sei. Gewöhnlich müssen Störe sterben, damit Kaviar aus ihnen gewonnen werden kann. Die Fische aus den Zuchtbecken von Vivace wurden sie dagegen gemolken. Die Meeresbiologin Angela Köhler (unten rechts) hatte das patentierte Verfahren entwickelt. Die Hormonbehandlung sei erst möglich geworden, weil die niedersächsischen Behörden das Verfahren als Tierversuch genehmigt hätten, bestätigte Geschäftsführer Bauer gegenüber dieser Zeitung. Anlass für die oppositionelle CDU im niedersächsischen Landtag, mal nachzufragen, was da eigentlich los ist. „Während Minister Christian Meyer Öko-Landwirtschaft und Tierschutz einfordert, unterstützt das Land mit Steuergeldern ein fragwürdiges Projekt, bei dem Tiere massenhaft gequält und Vorschriften bewusst umgangen werden“, meint der Fraktionsvize Frank Oesterhelweg dazu. Ein Ministeriumssprecher dagegen verteidigt das Projekt: „Es handelt sich um eine klassische Förderung der Verarbeitung eines fischereilichen Produkts. Es geht um ein anerkanntes Verfahren, bei dem die Störe nicht getötet werden.“ Das Bundesland sei zudem ins Grundbuch eingetragen, die Förderung deshalb abgesichert. Vivace-Geschäftsführer Bauer spricht von einem der „heißesten Themen“ im Land. Niedersachsen habe mittlerweile die Tierversuchsgenehmigung für Vivace widerrufen und der Firma so „die gesetzliche Grundlage für die Fortführung des Betriebes entzogen“, sagt Bauer. Zwölf Mitarbeiter seien bereits entlassen worden, lediglich ein Tierpfleger sei verblieben – noch. In den nächsten Wochen folge die Abwicklung und Einstellung der einstigen Vorzeigefirma. 10 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 DOSSIER NOVEMBER 2015 Die Reifeprüfung Schnell, viel, billig – der Dreiklang der deutschen Lebensmittelindustrie gilt in der Hofgemeinschaft Grummersort nicht. Die Käserei arbeitet vielmehr langsam und von Hand. Gerade deshalb geht es ihr so gut. Sie tragen Namen wie Elfrieda oder Venus und stehen auch bei Nebel und Regen im Grünen: die Kühe der Hofgemeinschaft in der Nähe von Hude. VON GREGOR KESSLER L angweilig. Geschmacksarm.“ Fast könnte man meinen, Gudrun Junge-Grahl sei gnädig mit den Produkten der Konkurrenz. Aber nach einer kurzen Pause holt die Frau mit dem freundlich-runden Gesicht dann doch die Keule raus: Irgendwie „gummiartig“ schmecke der meiste Käse aus dem Supermarkt. Gummiartig – findet sich etwas Vernichtenderes im Adjektivvorrat eines Feinschmeckers? Wobei sich Gudrun Junge-Grahl, die seit 18 Jahren die Seele der Käserei der Hofgemeinschaft Grummersort ist, nie als Feinschmecker bezeichnen würde. Eher als bewusste Esserin mit Sinn für Geschmack. Als jemanden, der sich Gedanken über regionale Produktionszyklen und traditionelle Herstellung macht – und weiß, das beides sich kaum mehr verträgt mit moderner Lebensmittelproduktion. „Ein Molkereifacharbeiter könnte hier nicht arbeiten“, sagt die 61-Jährige und streicht über den Rand des riesigen Kupferkessels von 1905. „Der sieht ja heute keine Milch mehr, sondern nur noch einen Computermonitor.“ Bei Junge-Grahl und ihrem Käserkollegen Henning Kräft ist das anders. Wenn sie frühmorgens zur Arbeit kommen, sehen sie durch ein Fenster in der Käserei, wie Elfrieda, Venus und die anderen 24 Kühe des Hofs auf der anderen Seite der Scheibe in den Melkstand geführt werden. Keine fünf Meter von diesem Kupferkessel entfernt, getrennt lediglich durch eine Wand, wird dann jene Milch gemolken, die beide anschließend zu Münster und Brie, Camembert und Bergkäse, Gouda und Romadur verarbeiten. Kürzer kann der Weg zwischen Kuh und Käse nicht sein. Das ist kein glücklicher Zufall, sondern langjährige Absicht. Die Hofgemeinschaft Grummersort, entstanden in den späten Siebzigern auf einem jahrhundertealten Resthof zwischen Oldenburg und Hude, arbeitet nach biologisch-dynamischen Idealen. Diese anthroposophische Frühform einer nachhaltigen Landwirtschaft strebt laut Junge-Grahl eine Art Kreislauf an: „Alles, was auf dem Hof produziert wird, soll auch hier verarbeitet werden.“ Kühe und Schafe fressen nur, was auf den eigenen und gepachteten Feldern wächst. Ihre Milch – und keine, gar pasteurisierte, andere – wird in der eigenen Käserei verarbeitet. Der dort produzierte Käse wie auch das auf dem Hof gebackene Brot und das angebaute Gemüse werden mehrheitlich auf eigenen Marktständen verkauft. Es gibt Kriterien, an denen gemessen ist dieser Kreislauf nicht sonderlich erfolgreich. Die Kühe der Hofgemeinschaft etwa geben pro Jahr jeweils um die 6000 Liter Milch. Die LANDWIRTSCHAFT TRIFFT ANTHROPOSOPHIE Das Land Die Hofgemeinschaft Grummersort bewirtschaftet insgesamt 56 Hektar, das meiste davon ist gepachtet. Die Produktion gliedert sich in drei Bereiche: den Gemüseanbau – sowohl im eigenen Gewächshaus wie auch auf freien Flächen –, die Bäckerei mit traditionellem Holzbackofen sowie die Käserei, die etwa 100 000 Liter der eigenen Hofmilch im Jahr verarbeitet. Die Erzeugnisse des Hofs werden fast ausschließlich über die eigenen Marktstände in der Region verkauft. Die Leute Insgesamt wohnen und arbeiten 19 Erwachsene und sechs Kinder auf dem Hof. Aus der Gründungsbesetzung der Hofgemeinschaft im Jahr 1979 leben noch zwei Paare hier. Zusammen mit Käserin Gudrun Junge-Grahl und ihrem Mann, die 2001 auf den Hof gezogen sind, macht das drei Ehepaare, die länger als 25 Jahre verheiratet sind. Es braucht laut Junge-Grahl viel Beharrungsvermögen für ein solches Projekt. „Eine Hofgemeinschaft ist keine Blümchenwiese.“ Hälfte dessen, was aus dem Euter einer „mit Kraftfutter gemästeten Turbokuh“ fließt, wie Gudrun Junge-Grahl mit angemessen verächtlichem Unterton sagt. Natürlich könnte die Hofgemeinschaft auch mehr als bloß 26 Kühe halten, aber dann müsste man Futter zukaufen und die Herde könnte nicht mehr die längste Zeit des Jahres auf der Wiese stehen. Und ganz sicher ließe sich auch mehr Käse herstellen und verkaufen, würde man das Sortiment straffen und Milch zukaufen. All das aber will die Hofgemeinschaft nicht. Aus gutem Grund. Denn es gibt ein Kriterium, gemessen an dem ist der Hof überaus erfolgreich: Während in den vergangenen Jahren reichlich kleine Hofbetriebe im Oldenburger Land schließen mussten, hat die Hofgemeinschaft Grummersort nicht nur überlebt, sie hat sich weit über Oldenburg hinaus einen Namen gemacht als Produzent hochwertiger Bio-Lebensmittel – und ist dadurch gewachsen. Nicht schnell und auch nicht weit über die Gründeridee einer biologisch-dynamischen Landwirtschaft hinaus, aber doch so weit, dass heute 19 Erwachsene und sechs Kinder auf dem Hof leben und arbeiten. Das liegt daran, dass der Hof eben nicht alles daransetzt, schnell größer zu werden und mehr zu produzieren. Und stattdessen Zeit und Wissen darauf verwendet, etwa sehr gute, handwerklich «Großes Design ist meist einfach und klar. Der Weg dahin aber fast immer kompliziert.» Stella Lee Prowse, ehemalige Designstudentin, Parsons, New York Eine Designikone wird 50: das USM Möbelbausystem Haller – Erfahren Sie, wie eine neue Generation von Designern, Künstlern und Architekten Modularität neu definiert. Folgen Sie dem USM Jubiläumsprojekt unter usm.com/project50 Walther Schumacher GmbH Am Patentbusch 10, 26125 Oldenburg Tel.: +49 (0) 441 9 39 79 0, Fax: +49 (0) 441 9 39 79 99, www.der-schumacher.de www.usm.com DOSSIER NOVEMBER 2015 I 11 Kurze Wege zwischen Kuh und Käse – das ist es, was Gourmets aus ganz Deutschland schätzen. Besonders beliebt ist der „Grummersorter Zwerg“, eine Eigenkreation der Hofgemeinschaft. Tobias Frick (4) einwandfreie Rohmilchkäse herzustellen. Einer der das zu schätzen weiß, ist Markus Kober. Der 48-jährige Affineur veredelt und verkauft in einer alten Meierei im schleswig-holsteinischen Besdorf die handgemachten Werke ausgesuchter Hofkäsereien. Kobers Kunden sind die gehobene Gastronomie, aber auch wählerische Käsekenner in ganz Deutschland. Mit am häufigsten bestellen beide Kundenstämme eine Eigenkreation von Gudrun Junge-Grahl: den „Grummersorter Zwerg“. Dieser gereifte Frischkäses aus Kuhmilch gehört mit seinem cremighefigem Aroma, das auch im Alter nicht scharf wird, zu Kobers Favoriten. „Eigentlich gibt es solche heiklen Frischkäse nur in Frankreich“, schwärmt er. „Aber Gudrun JungeGrahl hat sie nicht nur in Norddeutschland nachempfunden, sondern durch die üppigen Kräuterwiesen des Hofs auch mit einer besonderen Milch eine eigene Note gegeben.“ Der Öko-Landbau-Verband VHM war ähnlich begeistert und zeichnete die Zwerge schon kurz nach ihrer Präsentation mit einem Qualitätspreis aus. Wenn Gudrun Junge-Grahl von ihrer Arbeit auf dem Hof erzählt, klingt das so beiläufig, so natürlich wie ein Baum der wächst. Einkaufen war die Oldenburgerin schon früh auf dem Hof. Wer wie sie gern kocht, dem sind gute Lebensmittel wichtig. Wer fünf Kinder auf die Welt gebracht hat, dem erst recht. Sie plauderte oft mit den Menschen auf dem Hof. Als der Käser im Sommer 1997 wegzieht, fragt eine der Gründerinnen, ob sie dort aushelfen könne. Konnte sie. Erst ein bisschen, und weil es Spaß macht, immer mehr. Und weil sie Dinge gern richtig macht und ihr das Studium als Landschaftsarchitektin bei Dicklegen von Milch nichts nutzt, sattelt sie noch eine Reihe Seminare beim Verband für handwerkliche Milchverarbeitung drauf. So gut war die Ausbildung, dass sie den Neuzugang im Hofsortiment, DIE WIRTSCHAFT NR. 13 die Zwerge, vor wenigen Jahren nach kurzem Experimentieren perfektionierte. Betriebswirtschaftlich sind die Grummersorter Zwerge Unsinn. Jeder Einzelne der Kleinen muss von Hand geschöpft und gewendet werden, viel Arbeit für wenig Käse. Und sie gelten nicht ohne Grund als „heikel“: empfindlich gegen Fremdschimmel, schwierig in der Verpackung, sensibel im Transport – und vor allem nicht jedermanns Geschmack. „Das ist purer Luxus“, räumt selbst die Schöpferin ein. In der gleichen Zeit ließe sich ein Vielfaches an Gouda herstellen. „Und der“, weiß Junge-Grahl, „verkauft sich immer.“ Warum also mühen sie sich in der Grummersorter Käserei mit rotgeschmiertem Camembert ab, obwohl schon der weiße anfällig für MucorSchimmel ist? Warum lassen sie die großen Bergkäse ein ganzes Jahr reifen, obwohl das Kapital und Arbeitszeit bindet und die runden Laibe mit den Monaten immer leichter werden? „Das ist vielleicht nicht lukrativ, aber es ist die Krone der Käsekunst“, setzt Junge-Grahl zu einer Erklärung an. Und abgesehen davon, dass sich die beiden Käser auf dem Hof nicht mit der Herstellung von täglich gleichem Frischkäse langweilen wollen, sind es diese handwerklichen Spezialitäten, die das Angebot der Hofgemeinschaft ausmachen. Zum einen natürlich, weil ein Zweieinhalbmann-Betrieb nicht mit den deutschen Milchriesen konkurrieren kann. Die Molkerei Ammerland, Platzhirsch im Oldenburger Land, stellt in einer Stunde mehr Gouda her als die Hofgemeinschaft in einem Jahr. Vor allem aber, weil die Hofgemeinschaft eine eigene Idee vom Wirtschaften hat. Eine, die sich den Luxus gönnt, ein paar Dinge der Natur zu überlassen. Längst etwa hat der Bauer der Hofgemeinschaft den Pflug eingemottet. Das schützt den Boden vor Erosion und lässt den Regenwurm die Belüftung übernehmen. Früher wurde er belächelt, heute hält er dazu Vorträge. Ebenso weigern sich auch Gudrun Junge-Grahl und ihr Kollege, die Bottiche und Kessel, Böden und Wände der Käserei zu sterilisieren. Die Kontrollbehörde toleriert das mit leichter Irritation. Desinfektion, das sei quasi bakterieller Genozid, finden die Käser. Bei der folgenden Neubesiedelung der Flächen setzen sich dann die stärksten Keime durch. Das aber sind nicht automatisch die, die einer Käserei guttun, ist sich Junge-Grahl sicher: „Wir ruinieren uns doch nicht unsere hofeigene Mikroflora.“ Wer weiß schon, ob die Zwerge dann noch so gut wären. Sehen auch Sie Ihre Kunden wegschwimmen? Werden Sie jetzt ein Teil von simply local! Online anbieten – lokal verkaufen. Kontaktieren Sie uns jetzt unter: [email protected] Tel. 0441 - 9988 4623 I www.nwzonline.de/simply-local Der lokale Marktplatz der DOSS 12 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 Nachhaltigkeit in Zahlen Wie wollen wir in Zukunft leben? Was müssen wir tun, um unseren Kindern eine gesunde Umwelt zu hinterlassen? Diese Fragen hat die Bundesregierung 2002 in der „Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“ beantwortet. Es ist ein Programm zum Umbau Deutschlands in eine zukunftsfähige Gesellschaft. Im vergangenen Jahr hat das Statistische Bundesamt überprüft, ob die Ziele erreicht wurden. Hier stellen wir die wichtigsten Ergebnisse vor. Ein Poster von ANDREAS MOHRMANN Staatsdefizit Der durch die Maastricht-Kriterien vorgegebene Wert von drei Prozent des BIP wird seit 2011 stets unterschritten. Artenvielfalt und Landschaftsqualität siehe Grafik 1 Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche Bis 2020 soll der durchschnittliche Verbrauch neuer Flächen für Straßen und Siedlungen auf maximal 30 Hektar pro Tag sinken. 2012 lag er mit 74 Hektar noch mehr als doppelt so hoch. Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Stromverbrauch Von 1990 bis 2013 ist der Ökostromanteil am deutschen Stromverbrauch von 3,4 auf 25,4 Prozent gestiegen. Der Zielwert von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 wird voraussichtlich erreicht – vor allem dank des Booms von Wind- und Solarenergie. Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch Treibhausgasemissionen 101 80 77 63 60 40 20 0 1970 1975 1990 1995 2000 2 Energieproduktivität und Wirtschaftswachstum Ziel 200 180 160 Energieproduktivität 140 120 Bruttoinlandsprodukt 100 80 Primärenergieverbrauch Ziel 76,3* 60 40 1990 1995 2000 Ziel 47,7** 2013 2020 2050 Etwas besser sieht die Entwicklung auf dem Gebiet der Energieproduktivität aus. Seit 1990 ist es Deutschland sowohl gelungen, Energiequellen produktiver zu nutzen, als auch den Verbrauch an Primärenergie leicht zu senken, ohne dass dadurch das Wirtschaftswachstum zurückgegangen wäre. Seine Zielwerte für 2020 beziehungsweise 2050 wird Deutschland ohne zusätzliche Anstrengungen dennoch verfehlen. * entspricht 20 % des Verbrauchs von 2008 ** = 50 % des Verbrauchs von 2008 Quelle: Destatis, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. 3 Männer 14 12 10 8 Quelle: Destatis 6 4 2 0 1999 2003 2005 Res sour cen scho Energieproduktivität siehe Grafik nu n g 2 Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern Zwischen 1995 und 2008 sind die Einfuhren deutlich gestiegen: von 41 Milliarden Euro auf 152 Milliarden Euro. Nach einem Einbruch 2009 weiter auf 185 Milliarden Euro im Jahr 2012. Märkte öffnen Internationale Verantwortung lungsEntwick narbeit e m m a s zu Sozialer Zusammenhalt ion grat Inte Ausländische Schulabsolventen mit Schulabschluss Seit 2003 ist der Anteil der ausländischen Schulabgänger mit mindestens Hauptschulabschluss stetig von 80,3 auf 88,6 Prozent 2012 gestiegen. Gl hs t eic g un ell n ive kt lien e i p rs m Pe r Fa fü Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern Seit 1995 haben sich die Lohnunterschiede kaum verändert. 2013 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen immer noch um mehr als ein Fünftel niedriger als der der Männer. Vier wes Aspek Nachha Ganztagsbetreuung für Drei- bis Fünfjährige Das Ziel von 60 Prozent für 2020 könnte erreicht werden, wenn sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt. 2006 betrug die Quote 22 Prozent, 2013 waren es 39,1 Prozent. Ganztagsbetreuung für Null- bis Zweijährige Anteil der Erwachsenen (ab 18 Jahre) in % Frauen 2 In dieser Gruppe wären bis 2020 rund 93 Prozent des Zielwertes von 35 Prozent erreicht. 2006 betrug die Quote 5,9 Prozent, 2013 waren es 13,7 Prozent. Menschen mit Adipositas gesamt siehe Grafik Die Ausgaben für die Entwicklungsländer und humanitäre Hilfen sowie Beiträge an NGOs sind seit 1995 nur leicht von 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf 0,37 Prozent 2012 gestiegen. Ziel für 2015 sind 0,7 Prozent. 2011 2015 1990 = 100 Primärenergieverbrauch Anteil der öffentlichen Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen Quelle: Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2014 Generationengerechtigkeit ng Ziel 100 Eine große Vielfalt an Tieren und Pflanzen gehört nicht nur zu einem leistungsfähigen Naturhaushalt, sie ist auch eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Um sie zu erhalten, ist ein schonender Umgang mit der Natur nötig. Sein selbst gestecktes Ziel, in diesem Jahr eine Artenvielfalt und Landschaftsqualität zu erreichen, die etwa dem Stand von 1975 entspricht, hat Deutschland allerdings deutlich verfehlt. ut z igu 107 Ziel der Bundesregierung ist es, dass Deutschland 2020 doppelt so effizient mit Rohstoffen umgeht wie 1994. Trotz signifikanter Verbesserungen werden voraussichtlich aber nur 69 Prozent des Zielwerts erreicht. Be sch äft 2015 = 100 Kl im as ch Rohstoffproduktivität ien rg ne eE ar rb Artenvielfalt und Landschaftsqualität Der Zielwert des Indikators ist bereits erreicht oder wird bis zum Zieljahr voraussichtlich zu mindestens 95 Prozent erreicht sein. ue 100 Indikator entwickelt sich deutlich positiv, das Ziel wird aber dennoch nicht ganz erreicht. Es verbleibt eine Lücke von fünf bis 20 Prozent. ne 1 Indikator entwickelt sich zwar positiv, bei anhaltender Entwicklung verbleibt aber eine Lücke bis zum Zielwert von mehr als 20 Prozent. Er Indikator entwickelt sich in die falsche Richtung: Wenn die gegenwärtige Entwicklung anhält, wird das anvisierte Ziel verfehlt. Im Kyoto-Protokoll hat sich Deutschland verpflichtet, seinen Kohlendioxidausstoß im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 21 Prozent gegenbüber 1990 zu senken. Dieses Ziel wurde mit 23,6 Prozent mehr als erfüllt. Das nächste Ziel für 2020, eine Reduktion um 40 Prozent ist allerdings nur mit verstärkten Anstrengungen zu erreichen. alität Die Farblegende erklärt den Stand der Nachhaltigkeitspolitik in wichtigen Politikfeldern. Die Ergebnisse stammen aus dem 5. Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts von 2014. lt vielfa Arten chpru ans nin c he Flä hme na Der Anteil von Wind, Wasser, Sonne und Bioenergie soll bezogen auf das Jahr 1990 bis 2020 auf 18 Prozent und bis 2050 auf 60 Prozent steigen. Der Trend deutet auf eine Übererfüllung hin. Bioenergie hat 2013 den größten Anteil an den EE mit 62 Prozent. Krim in UNTERWEGS IN EIN NEUES LAND Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) sind verantwortlich für eine ganze Reihe von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen. Neben den gesundheitlichen Folgen belasten sie auch die Volkswirtschaft erheblich. Ziel der Bundesregierung ist es daher, bis 2020 einen Rückgang des Anteils von Menschen mit Adipositas zu erreichen. Tatsächlich steigt der Anteil aber kontinuierlich. Erwerbstätigenquote insgesamt (15 bis 64 Jahre) Die Erwerbstätigenquote insgesamt stieg von 65,1 Prozent im Jahr 1993 um 7,5 Prozentpunkte auf 72,6 Prozent im Jahr 2012. Bei einer Fortsetzung der Entwicklung kann das Ziel von 75 Prozent im Jahr 2020 erreicht werden. Erwerbstätigenquote Ältere (55 bis 64 Jahre) 2020 sollte die Quote 60 Prozent betragen, erreichte aber 2012 bereits 61,2 Prozent. Straftaten Die Zahl der jährlichen Straftaten je 100 000 Einwohner soll bis 2020 auf maximal 7000 sinken. Das Ziel scheint realistisch: Von 1993 bis 2012 sank die Zahl von 8337 auf 7327. Anteil der Menschen mit Adipositas siehe Grafik 2009 Eine Idee macht Karriere Public Domain (3) Von der Forstwirtschaft in Sachsen zum Weltgipfel in Rio: die Geschichte der Nachhaltigkeit Der kurfürstlich-sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) gilt als Begründer des Prinzips nachhaltigen Wirtschaftens. 1713 Er ist einer der einflussreichsten Männer im Staate Augusts des Starken: Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann in der sächsischen Silberstadt Freiberg, befasst sich vor 300 Jahren als Erster systematisch mit dem, was heute als Nachhaltigkeit bekannt ist. Ein Jahr vor seinem Tod verfasst er 1713 er das 432-seitige Werk Sylvicultura oeconomica, auch bekannt als „Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“. Darin kritisiert er den Raubbau an den sächsischen Wäldern, die als Energiequelle für die Gruben und Schmelzhütten des Erzgebirges abgeholzt werden. Er warnt zudem vor einer „Holznot“ durch das starke Wachstum der Bevölkerung und die zunehmende Verstädte- rung. Seine zentrale Erkenntnis: Dem Wald darf nur so viel Holz entnommen werden, wie nachwachsen kann – andernfalls ist er in seinem Bestand gefährdet. Das Wort „nachhaltend“ findet sich zwar nur ein einziges Mal in dem dicken Foliant. Dennoch ist Carlowitz heute als Begründer der Nachhaltigkeit bekannt. 1915 In den deutschen Sprachgebrauch findet der Begriff zu Beginn des 20. Jahrhunderts Einzug. In Meyers Konversationslexikon von 1905 heißt es beispielsweise: „Um eine nachhaltige Erwärmung der Räume zu liefern, müssen die Kessel der Warmwasserheizung einen verhältnismäßig großen Inhalt besitzen.“ Der Duden führt den Begriff seit 3 1915. Er versteht Prinzip, nach dem braucht werden da nachwachsen, sic oder künftig wiede werden kann“. In seinem Werk Sylvicultura oeconomica von 1713 erklärt Carlowitz die Grundsätze einer nachhaltigen Waldwirtschaft. 1968 Im Club of Rome v nische Industrielle 1968 Wissenscha ten verschiedenst aus mehr als 30 L ist es, die wichtigs probleme der Men tifizieren und prak vorschläge zu entw der drängendsten aus ihrer Sicht die von Wohlstandsen Ressourcenverbra scheint die vom C Auftrag gegebene SIER NOVEMBER 2015 Beim Begriff Nachhaltigkeit denken die meisten zunächst an Faktoren wie Umweltschutz und Energieverbrauch. Dazu gehört aber auch der Schuldenstand – denn Rückzahlungen und Zinsen dafür belasten kommende Generationen. Seit 2002 liegt die Schuldenstandsquote stets und mittlerweile deutlich höher als auf europäischer Ebene vorgeschrieben. 2013 lagen die Schulden bei 2147 Millarden Euro. Das sind 26 200 Euro je Einwohner. Strukturelles Defizit Der Teil des Staatsdefizits, der nicht auf konjunkturelle Schwankungen und temporäre Effekte zurückzuführen ist, darf 0,5 Prozent des BIP nicht überschreiten. Dieses Ziel wurde seit 2012 nicht mehr überschritten. Schuldenstand siehe Grafik 4 Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP siehe Grafik 5 dung Inn ov ati on ZukWirts unf cha tsv ftlic ors he org e Staatsverschul 30- bis 34-Jährige mit tertiärem oder postsekundärem nicht tertiären Abschluss Die Quote bemisst Hochschul- oder Fachschulabsolventen sowie Absolventen mit einer Kombination aus Schulabschluss und Berufsausbildung. Der nationale Indikator betrug 2012 43,4 Prozent – Ziel bis 2020 waren 42 Prozent. ld Bi - g un Studienanfängerquote Von 1991 bis 2013 ist das BIP pro Kopf preisbereinigt um 29,2 Prozent auf 30 250 Euro gestiegen. Wirtschaftswachstum gilt als Voraussetzung für einen erfolgreichen Strukturwandel. Gütertransportintensität Personentransportintensität In Verhältnis zum BIP soll die Personenbeförderungsleistung bis 2020 auf 80 Prozent gegenüber 1999 sinken. Gegenwärtig droht Deutschland dieses Ziel zu verfehlen. Zumindest aber sank der Energieverbrauch von 1999 bis 2012 um 12,7 Prozent. Mobilität Anteil des Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung siehe Grafik La n db ew irt 60 40 39,5 20 0 2010 2013 Bruttoanlageinvestitionen 5 in % des BIP 23,2 20 17,2 15 10 5 1991 1995 2000 2010 Quelle: Destatis 2013 siehe Grafik ftb Lu Stickstoff ist einer der wichtigsten Pflanzendünger. Ein Übermaß an Stickstoff belastet die Umwelt allerdings stark – unter anderem, weil er das Grundwasser verschmutzt und zur Entstehung von Treibhausgasen führt. Dementsprechend fordert die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung einen effizienteren Einsatz von Stickstoffdünger. Bislang allerdings mit mäßigem Erfolg. 6 el t as 7 g un it ndhe Gesu hrung rnä und E Ökologischer Landbau siehe Grafik 8 Vorzeitige Sterblichkeit bei Frauen (Todesfälle pro 100 000 Einwohner unter 65 Jahren) 2012 starben 130 von 100 000 Frauen vorzeitig. Damit sank die Quote seit 1991 um 35 Prozent. „ Raucherquote von Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) Während der Raucheranteil in dieser Altersgruppe bis 1997 anstieg, sank er in der Folge bis 2012 auf zwölf Prozent. Das entspricht dem Zielwert für 2015. Grenzen des Wachstums, die sich mit der Zukunft der Weltwirtschaft befasst. Zentrale These: Sollte die Zunahme von Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch unverändert anhalten, seien die absoluten Wachstumsgrenzen der Erde im Laufe eines Jahrhunderts erreicht. Die Ergebnisse der Studie werden zunächst kontrovers diskutiert, manche Ökonomen lehnen sie als „gefährlichen Unsinn“ ab. 1987 Unter dem Vorsitz der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland verfasst die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen einen Bericht mit dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“. Der komplette Indikatorenbericht 2014 des Statistischen Bundesamtes Im Wesentlichen ist dauerhafte Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potenzial vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. “ Binnenschifffahrt 18,2 Ziel 14 15 10 9,7 5 0 2010 2012 2015 Aus dem Bericht der Brundtland-Kommission Stickstoffüberschüsse der Gesamtbilanz Deutschl. 7 in kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche Ursprungswerte 140 gleitender Dreijahresdurchschnitt Ziel 2010 80 120 100 98 80 60 40 20 0 2010 2012 Quelle: Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Julius Kühn-Institut und Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement, Universität Gießen Ökolandbau schont die Ressourcen in besonderem Maße. Zu den Anbauregeln gehören etwa möglichst geschlossene Betriebskreisläufe und der Verzicht auf bestimmte Pflanzenschutzmittel. Die Bundesregierung hält die Umstellung von Betrieben für wünschenswert und will die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Flächenanteil von Ökolandbau 20 Prozent erreichen kann. Noch liegt er weit darunter. Von 1991 bis 2012 ist dieser Wert um 43 Prozent zurückgegangen. Er nähert sich damit zunehmend dem bei Frauen an. 2012 starben von 100 000 männlichen Einwohnern 217 vor dem 65. Lebensjahr. Der Anteil soll bis 2015 unter 22 Prozent liegen. Tatsächlich ist der Anteil von 1995 bis 2012 von 28 Prozent auf lediglich 26 Prozent gesunken. Schienenverkehr 20 1990 1995 2000 Vorzeitige Sterblichkeit bei Männern (Todesfälle pro 100 000 Einwohner unter 65 Jahren) Raucherquote von Erwachsenen (ab 15 Jahre) Ziel 25 Anteile in % * ohne Lkw-Nahverkehr (bis 50 km), 2011 und 2012 zum Teil vorläufige Daten; Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Stickstoffüberschuss siehe Grafik Güterbeförderungsleistung* 6 1999 6 Anteil der Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistung sc ha ftu ng Die Nachhaltigkeit des Güterverkehrs misst die Bundesregierung an der Beförderungsleistung von Straßen-, Schienen- , Luft- und Schiffsverkehr in Relation zum BIP. Weil Bahn und Schiff die Umwelt weniger belasten als die übrigen Verkehrsträger, will die Bundesregierung ihren Anteil am Gesamtverkehr steigern. In beiden Bereichen wird sie ihr selbst gestecktes Ziel für 2015 allerdings verfehlen. Ziel war es, den Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickstoffoxid, Ammoniak und flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan bis zum Jahr 2010 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu senken. 2012 wurden 59,6 Prozent erreicht. vereint der italiee Aurelio Peccei aftler und Experter Disziplinen Ländern. Ihr Ziel sten Zukunftsnschheit zu idenktische Lösungswickeln. Eine n Aufgaben ist e Entkopplung ntwicklung und auch. 1972 erClub of Rome in e Studie Die 78,4 0 Schadstoffbelastung der Luft t darunter „ein m nicht mehr verarf, als jeweils ch regenerieren er bereitgestellt Referenzwert 60 BIP je Einwohner Ziel ist es, die Relation zwischen Tonnenkilometer und preisbereinigtem BIP bis zum Jahr 2020 um fünf Prozent gegenüber 1999 zu vermindern. Bis 2012 stieg der Indexwert zwar um acht Prozent, der Energieverbrauch je Tonnenkilometer sank jedoch im selben Zeitraum um ein Fünftel. Lebensqualität Die Wirtschaftskraft eines Landes hängt entscheidend von den Investitionen der Unternehmen und des Staates ab. Sie sind nicht nur die Grundlage für Beschäftigung und Innovationen, sondern tragen auch zur Energie- und Ressourceneffizienz bei. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind diese Investitionen allerdings in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen, im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr. Das Ziel von 40 Prozent bis 2010 wurde erreicht. 2012 betrug die Quote 53,2 Prozent nach OECD-Standard. Im OECD-Durchschnitt lag die Quote 2011 sogar bei 60 Prozent. Dass Deutschland darunterliegt, ist auf die hohe Bedeutung des dualen Systems hierzulande zurückzuführen. che aftli sch higkeit t r i W gsfä tun Leis sentliche kte der altigkeit 80 Quelle: Destatis, Deutsche Bundesbank, Stand: April 2014 Drei Prozent des BIP sollen in die Forschung investiert werden – dieses für 2020 gesteckte Ziel wurde bereits 2012 erreicht. Dass Deutschland wieder dahinter zurückfällt, ist unwahrscheinlich. Der Anteil Jugendlicher, die weder über Abitur noch Fachhochschulreife verfügen und sich auch nicht in Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen befinden, lag 2010 bei 10,4 Prozent – also dicht am Zielwert von zehn Prozent im Jahr 2020. Maastricht-Schuldenstand in % des BIP 1991 1995 2000 2005 Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 18- bis 24-Jährige ohne Abschluss Schuldenstandsquote 4 8 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in % Ziel (ohne Jahr) 20 5,8 1999 2001 2003 2005 2007 2010 2012 Quelle: Destatis Darin wird das Konzept der Nachhaltigkeit unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit formuliert: Es gehe darum, die gegenwärtigen Bedürfnisse der Menschheit so zu befriedigen, dass dadurch künftige Generationen in ihren Bedürfnissen nicht beschnitten werden. 1992 In der Folge kommt es 1992 in Rio de Janeiro zur Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, auch als RioKonferenz oder Earth Summit bekannt. Dort diskutieren fast 20 000 Vertreter staatlicher und nicht staatlicher Organisationen sowie der Zivilgesellschaft über Umweltfragen in einem globalen Rahmen. Als wichtigste Ergebnisse von Rio gelten die Klimarah- Anbaufläche des ökologischen Landbaus menkonvention und die Agenda 21 – ein Aktionsprogramm auf das sich 172 Staaten auf dem Gipfel verständigen. Es verpflichtet die Teilnehmer, ihre Gesellschaften durch eine Vielzahl von Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit umzubauen. In vielen deutschen Städten und Gemeinden arbeitet eine Lokale Agenda 21 an diesen Zielen. Der Weltgipfel von Rio 1992 ist die erste große globale Umweltkonferenz. 2002 Auf Bundesebene beschließt die rot-grüne Koalition im Jahr 2002 unter dem Titel Perspektiven für Deutschland eine Nachhaltigkeitsstrategie. Darin formulierte sie Ziele und Maßnahmen für die Felder Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung. DOSSIER 14 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 NOVEMBER 2015 Grün ist die Hoffnung VON STEPHAN RADOMSKY N iemand wird sein Geld gern in Unternehmen investieren, die den Regenwald abholzen, von Kinderarbeit profitieren oder Landminen herstellen. Auf eine ordentliche Rendite verzichten will aber auch keiner. In der Folge suchen Anleger zunehmend nach Investments, die hohen ökologischen und ethischen Standards gerecht werden. Das Problem: Egal ob „nachhaltig“, „klimafreundlich“ oder „ökologisch“ – bei Geldanlagen sind diese Begriffe nicht klar definiert. Jeder kann sie nutzen. Wer wirklich nach einwandfreien Standards Geld anlegen will, muss deshalb tiefer einsteigen. Grundsätzlich stehen alle Anleger, egal ob ethisch-ökologisch oder konventionell ausgerichtet, vor einer Grundsatzentscheidung: Wollen sie selbst bis ins Detail bestimmen, wo sie ihr Geld investieren? Oder wollen sie ihr Kapital mit dem anderer kombinieren und die Auswahl der Einzelpositionen aus der Hand geben? Der erste Fall bedeutet, selbst in einzelne Aktien und Wertpapiere zu investieren, unterstützt höchstens von einem Anlageberater. Die zweite Alternative spricht für einen oder mehrere Investmentfonds, etwa aktive Aktienfonds, passive Indexfonds (ETFs) oder Mischfonds. Solche Lösungen bieten zwei Vorteile: Zum einen ist das Risiko bei großen, etablierten Fonds geringer, schwere Verluste zu erleiden, als beim Kauf von Einzelwerten. Diese Fonds sammeln das Kapital vieler Anleger ein und sind damit in der Lage, es auf mehr Einzelposten zu verteilen. Das streut das Risiko. Zum anderen laufen Privatanleger sehr viel weniger Gefahr, Geschäftemachern mit grünem Anstrich auf den Leim zu gehen. Denn diese Firmen sammeln ihr Geld in der Regel am sogenannten grauen Kapitalmarkt ein, also außerhalb regulierter Börsenplätze und direkt bei Privatleuten. Generell verfolgen nachhaltige Investmentfonds bei der Auswahl vier Strategien: Häufig definieren sie Ausschlusskriterien, nach denen sie bestimmte Branchen grundsätzlich nicht ins Portfolio nehmen, darunter etwa Waffenhersteller, Alkohol- und Tabakfirmen oder Stromkonzerne, die mit Atomenergie und fossilen Brennstoffen arbeiten. Alternativ formulieren Fonds gezielte Investmentstrategien. Das Geld der Investoren fließt dann nur in bestimmte Branchen wie beispielsweise Bildung, ökologische „ Gar nicht so leicht zu finden: Aktien von nachhaltigen Fonds und Unterne Ein Teil der Marge wird der Qualität geopfert “ Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, über Ökofonds ANGEBOT NUR FÜR GEWERBETREIBENDE BUSINESSDAYS KLEINE KOSTEN. GROSSER SERVICE. RIESEN LEISTUNG. CITROËN BERLINGO AB 129,– € 1 MTL. ZZGL. MWST. CITROËN JUMPER AB 199,– € 1 MTL. ZZGL. MWST. DIE CITROËN NUTZFAHRZEUGE INKL. FULL SERVICE LEASING2: 4 JAHRE GARANTIE, WARTUNG UND VERSCHLEISSREPARATUREN. www.citroen-business.de XXXXXXXXXXX1Ein Full-Service Leasingangebot, nur für Gewerbetreibende gültig bis 31.12.2015, der Banque PSA Finance S.A. Niederlassung Deutschland, Geschäftsbereich CITROËN BANK, Siemensstraße 10, 63263 Neu-Isenburg, zzgl. MwSt. und zzgl. Fracht, für den CITROËN BERLINGO KAWA L1 PROFI BLUEHDI 75 (55 KW) bei 0,– € Sonderzahlung, 10.000 km/Jahr Laufleistung, 48 Monaten Laufzeit. und für den CITROËN JUMPER KASTENWAGEN PROFI 28 L1H1 HDI 110 (81 KW) bei 0,– € Sonderzahlung, 10.000 km/Jahr Laufleistung, 48 Monaten Laufzeit. 2 Leistungen gemäß den Bedingungen des CITROËN FreeDrive à la carte Business Vertrages der CITROËN DEUTSCHLAND GmbH, Edmund-Rumpler-Straße 4, 51149 Köln. Detaillierte Vertragskonditionen unter www.citroen.de. Abb. zeigt evtl. Sonderausstattung/höherwertige Ausstattung. Heinrich Munderloh Automobile Gmbh & Co.KG (H) Kreyenstr. 6 • 26127 Oldenburg-Nadorst Telefon 0441 / 93388-0 •www.citroen-munderloh.de (H)=Vertragshändler, (A)=Vertragswerkstatt mit Neuwagenagentur, (V)=Verkaufsstelle Landwirtschaft oder erneuerbare Energien. Nachhaltigkeitsindizes und damit auch die auf ihnen basierenden ETFs verfolgen dagegen meist den sogenannten Best-in-Class-Ansatz: Hier wird versucht, aus allen Branchen die am nachhaltigsten wirtschaftenden Unternehmen herauszufiltern. Einige Fonds engagieren sich zudem gezielt, um im Dialog und auf Hauptversammlungen die Arbeit „ihrer“ Unternehmen aktiv zu verbessern. Viele Fonds kombinieren auch zwei oder drei dieser Strategien, verfolgen also eine Best-in-Class-Auswahl, geben aber zugleich eine Liste mit gesperrten Branchen vor. Allen gemein ist, dass sie auf die eine oder andere Art Risiken bergen – und nie perfekte Ergebnisse liefern. Beispiel Best in Class: Als weltweit meistbeachteter Nachhaltigkeitsindex gilt der Dow Jones Sustainability Index (DJSI). Um hier aufgenommen zu werden, muss ein Unternehmen in verschiedenen Disziplinen zu den besten zehn Prozent seiner Branche gehören. Entscheidend sind allerdings wirtschaftliche und soziale Faktoren, die Ökologie spielt nur eine verhältnismäßig geringe Rolle. Ein weiteres Problem: Die Einschätzung der Nachhaltigkeit beruht in weiten Teilen auf Eigenangaben der Konzerne. Jahrelang zählte so auch Volkswagen zu den fest im Index gesetzten Unternehmen – bis im September der Abgasskandal aufflog. Zu Anfang Oktober wurden die Wolfsburger daraufhin eilig aus dem Index verbannt. Auch wegen solcher Schwierigkeiten hat die Verbraucherzentrale Bremen gemeinsam mit der Stiftung Warentest bereits Mitte 2014 Aktien- und Rentenfonds untersucht, die sich selbst als ethisch und ökologisch bezeichnen. Nur einer der untersuchten Fonds erfüllte die von den Testern vorgegebenen Ausschlusskriterien gänzlich und bot dabei eine sehr hohe Transparenz für Anleger. Allerdings kann auch das gezielte Investieren auf bestimmten Feldern Risiken bergen. Denn eine dezidierte Strategie kann zu unerwünschten Klumpenrisiken im Portfolio des Fonds führen, etwa wenn überproportional in Unternehmen mit Bezug zu erneuerbaren Energien investiert wird. Da dieses Geschäft stark von Subventionen und anderen staatlichen Hilfen abhängt, bestimmen häufig politische Entscheidungen über Wohl und Wehe der Anleger. Unter dem Strich muss deshalb jeder Sparer selbst genau prüfen, auf welche Merkmale er bei seiner nachhaltigen Geldanlage besonderen Wert legt – und an welchen Stellen er vielleicht kompromissbereit ist. Einen guten Überblick für den Einstieg bietet eine aktuelle, unter Federführung der Bremer Verbraucherschützer erstellte Broschüre. Sie liefert Basiswissen zur grünen Geldanlage, gibt Entscheidungshilfen und erklärt Chancen und Risiken im Nachhaltigkeitssegment. Grundsätzlich bedeuten ethisch und ökologisch einwandfreie Geldanlagen aber „in der Durchschnittsbetrachtung einen Renditeverzicht“, er- Illustration: Malte Knaack Geldanlagen nach ethischen Kriterien beruhigen nicht nur das Gewissen, sie können auch lukrativ sein – wenn man einige Grundregeln beachtet. hmen klärt der Chefanalyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer. Die Produkte nachhaltig wirtschaftender Unternehmen seien in der Regel teurer in der Herstellung, der Preis könne aber nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden – wie etwa der Vergleich von gentechnisch veränderten Pflanzen und der Bio-Landwirtschaft zeige. „Ein Teil der Marge wird hier der Qualität geopfert“, so Hellmeyer. Das muss aber nicht bedeuten, dass nachhaltiges Investieren nicht gutes Geld einbringen kann: Der Testsieger unter den Ökofonds legte in den vergangenen fünf Jahren gut 60 Prozent an Wert zu – trotz der jüngsten Rücksetzer am Aktienmarkt. Auch deshalb berücksichtigt inzwischen die Mehrheit der großen Investoren in Deutschland Kriterien für eine gute Geldanlage – allen praktischen Schwierigkeiten bei der Auswahl zum Trotz. Das ergab die jüngste Nachhaltigkeitsstudie der Fondsgesellschaft Union Investment. Getrieben wird die Entwicklung demnach zugleich von den Werten und Vorgaben der eigenen Unternehmen, aber auch von dem Wunsch nach einem besseren Image und der Nachfrage vonseiten der Kunden. Den Großteil der nachhaltigen Anlagen machen dabei allerdings sogenannte Renten aus, also festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen. Vor allem Versicherer haben hier aufgrund gesetzlicher Vorgaben einen großen Teil ihres Kapitals investiert. Daher sieht Analyst Hellmeyer bisher auch keine Gefahr für eine systematische Überbewertung nachhaltiger Wertpapiere. Natürlich bräuchten Anleger einen „klaren Sinn für Rentabilität“ und dürften sich nicht allein Da wächst etwas heran In Nachhaltigkeitsfonds angelegtes Vermögen in Mrd. €* 710 2010 651 2011 730 716 2012 2013 788 2014 857 2015 Anteil an allen Publikumsfonds des BVI 0,5% 1,1% 1,3% 1,3% 1,4% 1,5% * von BVI-Mitgliedern verwaltete Fonds; Grafik: BG; Quelle: Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) vom Versprechen der Nachhaltigkeit blenden lassen, eine Blase gebe es aber nicht. Ohnehin könnten Anleger, so Hellmeyer, zumindest bei einem durchschnittlichen Konjunkturverlauf mit einer vergleichsweise stabilen Wertentwicklung ethisch-ökologischer Wertpapiere rechnen. Nachhaltig heißt eben auch langfristig. „Bei extremen Konjunktureinbrüchen sind die Einbußen hier aber größer“, warnt Hellmeyer – gerade wenn es um konsumgetriebene Investments gehe. Die Verbraucher kauften in schlechten Zeiten schlicht billiger ein, oft zulasten von Öko-Unternehmen. DOSSIER NOVEMBER 2015 DIE WIRTSCHAFT NR. 13 I 15 Dreckige Windeln, Tierkadaver, gammliger Schinken: Warum werfen Menschen so etwas in Altkleidercontainer? Eine Spurensuche. VON SABRINA WENDT M it Schwung wirft Johann Bosma einen Sack voller Altkleider in die Garage auf dem Gelände des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Schützenhofstraße in Oldenburg. „Frühsport“, nennt er das. Dreimal die Woche leert der 64 Jahre alte Hausmeister die zehn Altkleidercontainer des DRK im Umkreis. Drei Stunden ist er im Schnitt dafür unterwegs. Was er dabei zutage fördert, ist erstaunlich: Fast drei Tonnen Kleidung haben sich binnen 14 Tagen angesammelt – und fast drei Kubikmeter Müll. Laptoptaschen, Sitzkissen oder Duschmatten zählen noch zu den harmloseren Funden. „Vor einigen Jahren hat jemand einen großen Schinken in einen unserer Altkleidercontainer geworfen. Der Gestank war fürchterlich. Als wir den Schinken rausgeholt haben, waren schon Maden drin, die Kleidung mussten wir wegschmeißen und den Container gründlich reinigen“, sagt Bosma. Aber auch volle Windeln und ungewaschene Unterhosen fänden sich regelmäßig in den Containern. Um dem Müllproblem entgegenzuwirken, wurden die Container an der Schützenhofstraße bereits auf den Hof verlagert. „Damit sie nicht mehr direkt am Straßenrand stehen“, sagt Bosma Das habe aber nur zum Teil geholfen. Einen Container habe man sogar ganz abgebaut, weil dort nur Müll reingeschmissen wurde. Die Erfahrungen beim Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche Oldenburg sind nicht ganz so extrem. „Es kommt ab und zu vor, dass Unbekannte Müll oder unbrauchbare Kleidung vor den Kleiderannahmestellen ablegen. Das sind aber eher Einzelfälle“, sagt Frerk Hinrichs, Pressesprecher der Diakonie im Oldenburger Land. Doch was treibt Menschen dazu, Müll in Altkleidercontainer zu werfen? Die Kölner Diplom-Psychologin Claudia Viganske sieht unterschiedliche Motive. „Dinge, an denen das Herz gehangen hat, definiert man nicht zwingend als Müll“, sagt sie. Auch, wenn auf den Containern stehe, dass nur gewaschene Kleidung hereingeworfen werden dürfe, seien manche sicher der Meinung, dass auch eine Bratpfanne oder aussortierte Bettwäsche noch zu gebrauchen seien. Zudem hätten die Container einen „Aufforderungscharakter, irgendetwas hineinzuschmeißen“, erklärt die Psychologin. Vergammelter Schinken oder Kadaver seien natürlich Extrembeispiele. Das Motiv sei in solchen Fällen vor allem die sogenannte unbewusste Provokation. Derweil verlädt Johann Bosma die letzten Säcke mit Müll im Sprinter. „Die bringe ich gleich zur Deponie“, sagt er. Immer montags holt ein Spediteur die Altkleiderspenden an der Schützenhofstraße ab. Spenden an die DRK-Kleiderkammer würden an Obdachlose verteilt, erklärt Bosma. „In vielen Fällen weiß man nicht, wo die Spenden hingehen“, sagt Tho- Sabrina Wendt Nur das Gewissen bleibt sauber mas Ahlmann, Sprecher des Kleiderspendendachverbands FairWertung. Generell würden sie an gewerbliche Sortierbetriebe verkauft. Wegen der hohen Spendenbereitschaft gebe es oft Überschüsse. Die Erlöse könnten für soziale Zwecke wie Suppenküchen oder für den Kauf neuer Bekleidung verwendet werden. „Zurzeit wird meist Sommerkleidung abgegeben, aber Winterkleidung benötigt“, sagt Ahlmann. Mehr als 80 Prozent der Altkleider würden per Container erfasst. Nach Schätzungen des Dachverbandes gibt Die Spendenbereitschaft ist groß, der Sammelcontainer gut gefüllt. Johann Bosma, Hausmeister des DRK, fischt allerdings auch einigen Müll heraus – wieder einmal. es bundesweit rund 120 000 Altkleidercontainer, in denen jedes Jahr rund eine Million Tonnen Altkleider abgegeben werden. Aufgestellt werden die Container von Unternehmen, gemeinnützigen Einrichtungen und Kommunen. Jeder zehnte Container ist laut Schätzungen allerdings illegal – sie stehen ohne Genehmigung an Straßen und Parkplätzen. Die Frage, ob durch Kleiderspenden die Textilindustrie in den Importländern leidet, ist umstritten. Dass dem so sei, hatte eine Studie des SüdwindInstituts aus den 90er Jahren besagt. „Die Annahme, geringere Gebrauchtkleiderimporte oder gar ihr Stopp würde automatisch einen Aufbau der heimischen Textilproduktion in den Importländern bewirken oder ihn begünstigen, trifft nicht zu“, sagt Ahlmann. Vielmehr würde die heimische Produktion durch mangelhaften Zugang zu Kapital und Know-how sowie ungünstige Rahmenbedingungen wie häufige Stromausfälle oder fehlende Ersatzteile gehemmt. Außerdem reiche die Menge an lokal gefertigter Kleidung oft nicht aus, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken. In Afrika sei es etwa so, dass die heimische Textilindustrie hauptsächlich für den Export produziere. „Das Sammeln, Sortieren und Verkaufen von Gebrauchttextilien sichert weltweit vielen Menschen Arbeit und Einkommen“, sagt Ahlmann. In den Importländern biete der SecondhandHandel besonders Frauen und Jugendlichen ohne Berufsabschluss eine Verdienstmöglichkeit. Vielfach hätten sich Schneider auf das Umarbeiten von Secondhand-Kleidung oder das Herstellen neuer Kreationen aus Gebrauchttextilien spezialisiert. Finden wir gemeinsam mit unseren Partnern der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken Antworten. Persönlich, fair, genossenschaftlich. vr.de/weser-ems B. Bosch, Engbers GmbH & Co. KG Genossenschaftsmitglied seit 1993 Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. hen e c e r Sp hr I r e b w i r ü f t! n Zu k u Wir machen den Weg frei. Wir machen den Weg frei. Gemeinsam mit unseren Spezialisten der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken: DZ BANK, Bausparkasse Schwäbisch Hall, DG HYP, DZ PRIVATBANK, easyCredit, MünchenerHyp, R+V Versicherung, Union Investment, VR Leasing Gruppe, WL BANK. MEINE MEINUNG Wir brauchen ein neues Verständnis von Wertschöpfung VON KLAUS FICHTER W as es kostet, wenn man sein Vertrauenskapital verspielt, sehen wir gerade an VW. In atemberaubend kurzer Zeit verliert da ein Unternehmen Ansehen und Kundenvertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Ja, kriminelle Energie gibt es überall und ja, es ist gut, dass sie bestraft wird. Der Abgasskandal steht aber nicht allein für ein Einzelunternehmen und auch nicht nur für Kundentäuschung und den unverantwortlichen Umgang mit Abgasvorschriften einer ganzen Branche, aus dem Fall VW lässt sich etwas Generelles über die Voraussetzungen erfolgreichen Wirtschaftens im 21. Jahrhundert lernen. Der für Niedersachsen so wichtige Global Player liefert vier grundlegende Einsichten dazu: 1. Wertschöpfung basiert nicht auf Wert-Orientierung, sondern auf Werte-Orientierung Die der klassischen ökonomischen Theorie zugrunde liegende Annahme, dass zwischen der Verfolgung individueller privatwirtschaftlicher Ziele und den Zielen der gesamten Gesellschaft eine durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes geschaffene Harmonie besteht, wurde in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem mit der Ausweisung sogenannter externer Kosten widerlegt. Unter den Prämissen einer solchen Metaphysik des Marktes erschien das bedingungslose Streben nach Gewinnmaximierung nicht nur als legitimes Recht, sondern geradezu als moralische Pflicht des Unternehmers im Interesse des Gemeinwohls. Milton Friedman, Fackelträger des Monetarismus und 1976 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, brachte die auch von ihm vertretene theoretische Fehlannahme auf den bekannten Satz: „The business of business is business!“ Was er damit gemeint hat war: Das Geschäft von Unternehmen ist Profitmaximierung. Der Glaubenssatz von Friedman war auch schon damals falsch, gilt aber leider für viele Wirtschaftslenker und Manager bis heute als Orientierungsmaßstab. Wie auch VW zeigt, wird dabei übersehen, dass Unternehmen real vielfältigen Anforderungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen wie Kapitaleigner, Gesetzgeber, Steuerbehörden, Mitarbeiter, Kunden, Nachbarn, Verbände usw. gegenüberstehen und daher heute in modernen betriebswirtschaftlichen Theorien als „multifunktionale Wertschöpfungseinheiten“ charakterisiert werden. Der Wert dessen, was ein Unternehmen leistet, besteht eben nicht mehr allein darin, Gewinne zu erwirtschaften, sondern es muss dies bei gleichzeitiger Nutzengenerierung für Anspruchsgruppen und Gesellschaft tun. Wertschöpfung kann NWZ-Impulse 2015 sich daher nicht allein auf „Wert“ (Gewinn) beschränken, sondern muss „Werte“ schaffen. Konsequenz: Wir brauchen ein erweitertes, werteorientiertes Verständnis von Wertschöpfung. 2. Erfolgreiches Unternehmertum benötigt ein umfassendes Kapitalverständnis Wer heute erfolgreich am Markt agieren möchte, benötigt aber auch ein umfassendes Qualitäts- und Kapitalverständnis. Wer nur in Finanz- und Kostenkategorien denkt, verliert. Ohne Sozialkapital wie gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter, können Unternehmen keine Qualität liefern und keine Innovationen hervorbringen. Und wer als Unternehmen nachlässig mit Energie und Umweltressourcen umgeht, schöpft aus dem ihm zur Verfügung stehenden Umweltkapital keinen ausreichenden Wert und ist daher nicht nachhaltig. Die Maxime des Erfinders der Nachhaltigkeit, Hans Carl von Carlowitz, war schon vor 300 Jahren: Lebe nicht von der Substanz, sondern vom Ertrag! Wertschöpfung bei Kapitalerhalt, das macht erfolgreiches Wirtschaften im 21. Jahrhundert aus. 3. Es geht nicht um Wachstum, sondern um Lösungen für die Herausforderungen der Zeit „ Wir wollen und wir werden in den kommenden Jahren weiter wachsen“, sagte der mittlerweile geschasste VW-Vorstandschef Martin Winterkorn noch vor Kurzem. Wachstum ist in manchen Unternehmensphasen und bestimmten Märkten wichtig, ist aber kein Selbstzweck. Wer sein unternehmerisches Dasein allein über Markterfolge und Marktanteile definiert, ist ökonomisch nicht nachhaltig und gefährdet irgendwann seine „license to operate“. Das Mantra des Wachstums wird in der Wirtschaft gern gesungen, VW gab gar das Ziel aus, der größte Autobauer der Welt zu werden. Wachsen ohne Sinn hat aber keinen Zweck! Im Mittelpunkt von Strategie und Wertschöpfung müssen die Fragen stehen, wie ein Unternehmen Kundenwünsche befriedigt und wie es dazu beiträgt, zentrale gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen. Überzeugende Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu geben, das ist Führungsqualität. Wie dies gelingen kann, zeigen viele der rund 50 000 Unternehmen in der Metropolregion Nordwest. Mehr als 15 Prozent von ihnen liefern marktgerechte umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen und sind in den Zukunftsmärkten der „Green Economy“ erfolgreich, wie etwa erneuerbare Energien, Energieeffizienz, BioLand- und Ernährungswirtschaft oder Kreislaufwirtschaft. Ein Großteil dieser zukunfts- NOVEMBER 2015 Der Abgasskandal um VW zeigt, dass Unternehmen mehr sein müssen als auf Effizienz getrimmte Gewinnmaschinen: Sie brauchen einen gesellschaftlichen Sinn. Ein Gastbeitrag von Klaus Fichter, Professor für Nachhaltigkeit in Oldenburg. trächtigen Betriebe sind noch jung, so wie die Firma Energy & Meteo Systems: Sie wurde 2004 als Spin-off der Universität Oldenburg gegründet und unterstützt mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Software für Wind- und Sonnenstromleistungsvorhersagen den Ausbau erneuerbarer Energien. Damit schafft sie Mehrwert für viele – unter anderem für die über 60 Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind. 4. Unternehmen sind keine Effizienzmaschinen, sondern Sinnwerkstätten Natürlich war und bleibt Effizienz ein wichtiges betriebswirtschaftliches Prinzip. Das gilt übrigens bei sich verknappenden Umweltressourcen und in Zeiten des Klimawandels umso mehr und bedeutet in der Praxis, die Energie- und Materialeffizienz massiv zu verbessern. Die Effizienzsteigerung muss sich auf den eigenen Betrieb, vor allem aber auf die gesamte Wertschöpfungskette bzw. den ganzen stofflichen Produktlebensweg beziehen, von der Gewinnung nachhaltiger Rohstoffe über effiziente Produktions- und Logistikprozesse, die Produktnutzungsintensivierung zum Beispiel durch Sharing- und Contracting-Modelle bis zum Recycling. Effizienz ist also eine wichtige, aber sicher keine hinreichende Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg. Wer glaubt, man könne Unternehmen wie Effizienzmaschinen behandeln, wird im Innovationswettbewerb scheitern und Mitarbeitern keine hinreichende Motivation geben können, wofür das eigene Unternehmen steht und wofür es sich einzusetzen lohnt. Eine zukunftsfähige Unternehmensführung sollte Betriebe als „Sinnwerkstätten“ betrachten. Niemand möchte in einem Unternehmen tätig sein, das als böser Bube Klaus Fichter ist Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Universität Oldenburg. Der 52-Jährige ist federführend verantwortlich für den Studienschwerpunkt EcoEntrepreneurship. Vorsprung durch Wissen 2016 – 6. Staffel – DIE ERSTEN 100 BUCHER Erleben Sie diese zwei spannenden & wissenswerten Vortragsabende und seien Sie live dabei: 8 24.11.2015 Dr. Erkan Altun Vorträge mit prominenten TOP Referenten 15.12.2015 René Borbonus Werteanwalt Klarheit „Werte und Moral sind unabdingbare Bedingungen für eine starke Persönlichkeit.“ „Klar zu scheinen ist einfach – klar zu sein ein Alleinstellungsmerkmal.“ Ein Plädoyer für Werte und Moral des 8er Abos (alle 8 Seminare), die gleichzeitig Abonnent der „NWZ“ sind, erhalten die gesamte Vortragsreihe für Wissen, was zählt – und darüber reden Kulturzentrum PFL Oldenburg, Peterstraße 3 Jeweils dienstags 19.30–21 Uhr (Einlass ab 19 Uhr) Preis: Einzelkarte für 49,– Euro Neue Staffel Mit dem neuen Angebot von 8 Seminarabenden lassen wir Sie bereits im 6. Jahr vom Wissen der Besten profitieren. profitieren. Die erfolgreiche Seminarreihe der Nordwest-Zeitung in Zusammenarbeit mit SPRECHERHAUS® lädt auch in 2016 prominente TOP Referenten nach Oldenburg ein. NUR 199,– Euro! Weitere Infos und Tickets gibt’s hier: © Dunja Antic 7 gilt oder bei dem man nicht weiß, wofür es jenseits von Gewinn und Zahlungsfähigkeit gut sein soll. Führungspersonen müssen in der Lage sein, ihrem Unternehmen und dem Mitarbeiterteam Sinn zu geben! Worin der Sinn besteht, muss jeder für sich, für sein Team und sein Unternehmen selbst beantworten. Das wird in einer freien und pluralen Gesellschaft sehr unterschiedlich ausfallen. Eines steht aber fest: Wer diesen nicht finden und gemeinschaftlich verfolgen kann, wird im harten Wettbewerb nicht bestehen und allein schon ökonomisch nicht nachhaltig sein können. Die Idee der Nachhaltigkeit ist ein hervorragendes Zukunftskonzept für die Wirtschaft und ein wunderbarer Sinnstifter, egal ob Sie Handwerker, Mittelständler, Technologie-Start-up oder Großunternehmen sind. Fazit: Wertschöpfung bei Kapitalerhalt war schon vor 300 Jahren eine gute Idee und ist auch im 21. Jahrhundert noch eine Philosophie, die Grundlage für nachhaltigen Erfolg ist. Borderstep Institut 16 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 2016 01.03.16 | Anitra Eggler – Digitalität & Datenflut 12.04.16 | Werner Tiki Küstenmacher – Glücksgefühl 10.05.16 | Priv.-Doz. Dr. med. habil. Volker Busch – Konzentration 14.06.16 | Chin Meyer – Wohlstand 06.09.16 | Paul Johannes Baumgartner – Begeisterungsfähigkeit 18.10.16 | Frank Mantek – Willenskraft & Erfolg 22.11.16 | Norman Alexander – Menschenkenntnis & Beobachtungsgabe 13.12.16 | Edgar Geffroy – Unternehmenskultur Veranstaltungsort: Kulturzentrum PFL Oldenburg, Peterstraße 3, 26121 Oldenburg | Jeweils dienstags 19.30–21 Uhr (Einlass ab 19 Uhr) Preise: Einzelkarte für 49,– Euro | 39,– Euro* || 8er Abo für 359,– Euro | 259,– Euro* (*Vorteilspreis für Abonnenten der „NWZ“) Infos & Tickets: [email protected], www.sprecherhaus.de oder +49 (0) 2561.69565.170 17 I STRATEGIEN Braucht man das? Für wen sich der Wechsel in eine private Krankenversicherung lohnt. DIE WIRTSCHAFT NR. 13 // NOVEMBER 2015 SEITE 24 Was tun Firmengründer, wenn sie ein gutes Produkt haben, aber der Markterfolg ausbleibt? Sie stellen ihr Start-up neu auf. Die Technologieperle Superlab aus Oldenburg hat es vorgemacht. VON RÜDIGER ZU KLAMPEN W ill man sich das Entwicklungslabor von Frédéric Laager und der Firma Superlab im Oldenburger Technologie- und Gründerzentrum (TGO) anschauen, führt einen der Unternehmer hinunter in den Keller. Er schließt einen Raum ohne Fenster auf, darin eine nochmals verschließbare Kammer. „Lichteinfall wäre tödlich für die Sensoren“, sagt der Biophysiker. In der Dunkelkammer steht ein Scanner, der den inneren Zustand von natürlichen Nahrungsmitteln – wie etwa Kartoffeln – ermitteln kann, ohne dass diese geschält oder zerkleinert werden müssen. Das gilt als ideal für weite Bereiche der Lebensmittelwirtschaft. Die Eigenschaften, die der Scanner aus dem Inneren einer Kartoffel ermittelt, werden mit vordefinierten Zielwerten aus einer Datenbank abgeglichen – dann weiß man, ob etwa die Kartoffel gewünschten Kriterien entspricht, ob sie in gutem Zustand ist oder ob sich Pilze, Parasiten, Krankheitserreger oder Pestizidrückstände darin befinden. Mit dieser Produktinnovation hatte Superlab um den Jungunternehmer Laager (33) in der Oldenburger Gründerszene großes Aufsehen erregt. Aber: Der Durchbruch am Markt ließ trotz Anfangserfolgen auf sich warten. Laager und seine drei Partner Laurent Guyard, Nils Raning und Boris Matti machten eine Erfahrung, die nach Ansicht von Gründerexperten nicht zu unterschätzen ist: Der an sich aussichtsreiche Markt ist blockiert durch Platzhirsche, durch langjährige Lieferbeziehungen. Zähigkeit zahlt sich aus Und wie geht Frédéric Laager damit um? Er sitzt in der Kantine des TGO, es duftet nach leckerem Mittagessen, und er sagt: „Wir machen gerade einen Neustart.“ Das Produkt werde „neu aufgesetzt“. Superlab sieht einen scheinbar unschlagbaren Vorteil auf seiner Seite: die Kosten. Sei der Scanner erst einmal installiert, fielen im Betrieb praktisch nur noch Stromkosten an – im Gegensatz zu vielen anderen Testverfahren im Labor. Was Superlab nach jahrelangem Warten auf Markterfolge von vielen anderen Gründungen unterscheidet: Man gab nicht auf. „Wir sind immer noch zu viert“, beschreibt Laager das stabile Gründerteam von einst um ihn herum. Und die Oldenburger gingen in die Offensive, weiteten den Geschäftszweck auf Basis des vorhandenen Test- und Technologiewissens einfach aus: Es wurden weitere Produkte entwickelt – und die laufen gut an. Darunter ist eine App für Tierärzte. Damit ist Superlab seit einem Jahr online. Laager breitet ein paar Gegenstände auf dem Tisch aus: Smartphone, Scanner, ein etikettiertes Röhrchen für eine Blutprobe speziell für Rinder, vor Ort auf der Weide oder im Stall. Die Zeiten mit quasi „blutverschmierten Formularen“, Papierkram und Verwechslungsgefahr bei abzureißenden und aufzuklebenden Etiketten beim Bearbeiten der Proben sei nun vorbei. Das läuft nun elektronisch über einen Server, mit viel größeren Stückzahlen pro Veterinär und Tag, sagt Laager. Man habe schon zahlreiche Sets verkauft, die Vorzüge machten unter Veterinären die Runde. Und ernste Konkurrenz scheint es in dieser Nische nicht zu geben. Ende des Jahres will man nachlegen: Dann kommt eine weitere App: ein Impfkalender für Veterinäre. Dass Superlab sich ausgerechnet von Oldenburg aus anschickt, spezielle Märkte aufzurollen, ist reiner Zufall. Die Partnerin von Frédéric Laager, eine aus Österreich stammende Meereswissenschaftlerin, fand an der Universität Oldenburg eine passende Stelle – und der Mann zog im Jahr 2010 mit. Es hätte leicht auch anders kommen können: Laager, in der Schweiz geboren, saugte als Jugendlicher Wissen über Biologie nur so auf und studierte nach dem Abitur seine Vorliebe am Biozentrum in Basel. Nach dem Bachelor in Molekularbiologie verschlug es ihn für den Master nach Seoul. In Korea fand er ideale, noch sehr selbst gestaltbare Bedingungen für sein seltenes Lieblingsgebiet vor – die Ermittlung spezieller biochemischer Reaktionen rund um Photonen und ihre Analyse. Das hätten damals nur wenige gemacht. Superlab mache es noch heute, nämlich in praktischen, wirtschaftlich nutzbaren Anwendungen. „Ich habe viel Eigeninitiative“, beschreibt der Unternehmer Laager sich selbst – und verweist auch gern auf seine Publikationen zu den Forschungsprojekten, auf erste Erfahrungen in einem auf Tests im Tierbereich spezialisierten Unternehmen. So sei er zum Veterinärsektor gekommen. Doch Laager, heute laut Visitenkarte CEO, wollte noch mehr: Das Wissen aus den Experimenten, mit denen er Erfahrung angesammelt hatte, selbst praktisch umsetzen, selbst Unternehmer werden. Das erfolgte dann in Oldenburg. Die Stadt gefalle ihm sehr gut. Sie habe eine „angenehme Größe“, sagt er verschmitzt. Beim Blick aus dem Oldenburger TGO-Fenster ist er in Gedanken wohl gerade in der Mega-Metropole Seoul. Oldenburg passt genau in das Lieblingsschema von Gründungsstrategen und Wirtschaftsförderern: technologieorientiert, in Hochschulnähe, potenziell gut für hochwertige Arbeitsplätze. Umgekehrt lobt Laager die Verhältnisse im Oldenburger Gründerzentrum TGO, einen Steinwurf von der Universität entfernt: Das sei eine „Topeinrichtung“. Neben der üblichen Infrastruktur mit kleiner Miete, Hausmeister- , Verwaltungs- und Telefonservice betont Jungunternehmer Laager das Wissen um Fördermitttel und Rüdoger zu Klampen; 123rf (2), Montage: Malte Knaack Blick in das Innere der Kartoffel Das Herz der Firma: Frédéric Laager an der Dunkelkammer von Superlab. Hier steht der Lebensmittelscanncer des Start-ups. die Kontakte, die hier zustande kommen, auch aktiv initiiert durch den langjährig engagierten TGO-Geschäftsführer Jürgen Bath. Dass Superlab die schwierige Startphase überstand, hängt wohl auch mit den speziellen Verhältnissen dieses noch jungen Gründungsprojekts zusammen: Ein klassisches Unternehmen mit entsprechenden festen Strukturen sucht man vergebens. Vielmehr kooperieren hier mehrere formal unabhängige Spezialisten, geografisch weit verstreut, mit Kern im Oldenburger TGO. Den Nahrungsmittelscanner, das erste Produkt, entwickelte Laager mit Nils Raning, den er schon von der Schule in der Schweiz kannte. „Alles online“, beschreibt er die Arbeitsweise über eine gemeinsame Plattform. Laager kümmerte sich mehr um Hardware und Experimente, Raning um die Software. Und die anderen im vierköpfigen Superlab-Team (Boris Matti/Software und Laurent Guyard/ Verträge und Kapital) haben auch ihre jeweiligen Aufgaben in dem Verbund. Alle haben jenseits von Superlab auch noch ihre eigenen zusätzlichen Standbeine. Frédéric Laager etwa gibt Wissen und Erfahrung rund um Tests, Labore und Tiere auch als Berater weiter. Er ist ein Multi-Unternehmer. Finanzrisiken absichern. Ohne Umwege. Über unser Handelszentrum sind Sie direkt mit dem internationalen Finanzmarkt verbunden. Von dort aus unterstützen wir die Steuerung Ihrer unternehmerischen Risiken und nutzen Chancen. Jetzt Termin vereinbaren: Telefon 0421 332-2275 www.bremerlandesbank.de/finanzrisiken STRATEGIEN 18 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 NOVEMBER 2015 Das kleine ABC der Integration Hunderttausende Flüchtlinge kommen allein in diesem Jahr nach Deutschland. Viele der Zuwanderer suchen nach einer Beschäftigung – und viele Unternehmen in der Region würden ihnen gern Jobs anbieten. Doch damit beide Seiten zusammenfinden, sind einige Hürden zu überwinden. Ein Ratgeber von A bis Z. VON JÖRG SCHÜRMEYER te) Blaue Karte EU, die (unbefristete) Niederlassungserlaubnis und die (unbefristete) Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Nicht den Rechtscharakter eines Aufenthaltstitels erfüllen dagegen die ->Aufenthaltsgestattung sowie die ->Duldung. D ie beste Integration sind Sprache, Ausbildung und Arbeit, hat kürzlich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gesagt. Doch wer als Flüchtling heute nach Deutschland kommt und arbeiten will, muss sich häufig erst einmal mit Begriffen beschäftigen, die man in einem gewöhnlichen Sprachkurs eher nicht hört – von Vorrangprüfung über Wartefrist bis Residenzpflicht. In einem Glossar von A wie Aufenthaltserlaubnis bis Z wie Zustimmung der Arbeitsagentur erläutert DIE WIRTSCHAFT die wichtigsten Begriffe: A Auf|ent|halts|er|laub|nis {f} Die Aufenthaltserlaubnis ist ein zeitlich befristeter ->Aufenthaltstitel mit einer Dauer von in der Regel einem bis drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung bzw. dem Übergang in einen Daueraufenthalt. Mögliche Aufenthaltszwecke sind unter anderem die Aufnahme aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Anerkannte Asylbewerber, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen positiven Bescheid erhalten haben, dürfen grundsätzlich uneingeschränkt arbeiten. Auf|ent|halts|ge|stat|tung {f} Flüchtlinge, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Aufenthaltsgestattung. Diese berechtigt sie, bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in Deutschland zu leben und unter bestimmten Bedingungen nach einer ->Drei-Monats-Wartefrist zu arbeiten. Bevor sie eine Arbeit aufnehmen, sind aber noch eine Genehmigung durch die Ausländerbehörde und die Zustimmung der örtlichen Arbeitsagentur erforderlich. Auf|ent|halts|ti|tel {m} Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland grundsätzlich eines Aufenthaltstitels. Das Aufenthaltsgesetz sieht insgesamt fünf verschiedene Aufenthaltstitel vor: das (befristete) Visum, die (befristete) ->Aufenthaltserlaubnis, die (befriste- in ausgewählten Branchen in Deutschland, Anteil in %* an allen Beschäftigten an hier beschäftigten Flüchtlingen** verarbeitendes Gewerbe 20 8 Gesundheit 14 8 Hotel- und Gastgewerbe 4 25 Baugewerbe 5 2 * Stand: März 2015, ** aus Kriegs- und Krisenländern; Grafik: BG; Quelle: IAB Asylbewerber Anträge in Deutschland in tsd. 400 438 300 303 200 100 0 90 2000 15* * Januar–September; Grafik: BG; Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge F Be|rufs|aus|bil|dung {f} Für asylsuchende Ausländer gilt die ->Drei-Monats-Wartefrist für die Aufnahme einer Beschäftigung auch im Falle der Aufnahme einer Berufsausbildung. Für Geduldete gilt hingegen keine Wartefrist, wenn sie eine Ausbildung starten. Für die Aufnahme einer Berufsausbildung ist keine Zustimmung der Arbeitsagentur erforderlich. Flücht|ling {m} Laut Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Ethnie, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmte sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“. Ob eine solche Verfolgung vorliegt, wird in einem Asylverfahren festgestellt. D G B Beschäftigte grund, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Drei-Mo|nats-Wa|rte|frist {f} Personen mit einer ->Aufenthaltsgestattung und Personen mit einem Status der ->Duldung können nach drei Monaten die ->Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung erhalten. Die Frist beginnt dabei am Tag der Meldung des Asylgesuchs und der Ausstellung der Aufenthaltsgestattung. Es gilt allerdings das ->Vorrangsprinzip. Dul|dung {f} Ausländer, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, deren Abschiebung aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, erhalten von der Ausländerbehörde eine „Bescheinigung für die Aussetzung einer Abschiebung“, die sogenannte ->Duldung. Ähnlich wie bei Personen mit einer ->Aufenthaltsgestattung dürfen sie unter bestimmten Bedingungen nach einer ->Drei-Monats-Wartefrist arbeiten. E ESF-BAMF-Pro|gramm {n} Beim ESFBAMF-Programm handelt es sich um berufsbezogene Deutschförderung, die Deutschunterricht, berufliche Qualifizierung und Praktikum miteinander verbinden soll. Die Kurse werden vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) organisiert. Das Programm richtet sich an alle Personen mit Migrationshinter- Ge|mein|nüt|zi|ge Ar|beit {f} Unabhängig vom Arbeitsverbot in den ersten drei Monaten können Asylbewerber gemeinnützige Arbeiten übernehmen. Diese sind möglich bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern. Für die gemeinnützige Arbeit, die 20 Wochenstunden nicht überschreiten darf, wird eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde gezahlt. kräfte) von mindestens 37 752 Euro haben. Flüchtlingen, die sich im Asylverfahren befinden, steht dieser Weg bislang nicht offen – trotz verschiedentlicher Forderungen aus der Politik und von der Bundesagentur für Arbeit. Bei Asylsuchenden, die die Kriterien für die Blaue Karte erfüllen, entfällt die ->Vorrangprüfung aber bereits nach drei Monaten. I In|te|gra|ti|ons|leis|tung {f} Mit der Aufnahme einer Arbeit oder ->Berufsausbildung erlangen Personen mit einer ->Aufenthaltsgestattung kein gesondertes Aufenthaltsrecht. Die Integrationsleistung des Einzelnen spielt also bei der Prüfung des Asylantrags keine Rolle. Bei Personen mit ->Duldung werden hingegen Integrationsleistungen etwa bei der Verlängerung der Duldung oder der Erteilung eines ->Aufenthaltstitels berücksichtigt. J Ge|neh|mi|gung zur Aus|ü|bung ei|ner Be|schäf|ti|gung {f} Bevor Personen mit einer ->Duldung oder einer ->Aufenthaltsgestattung eine Arbeit aufnehmen können, müssen sie sich von ihrer Ausländerbehörde eine Genehmigung einholen. Zudem ist in den meisten Fällen die Zustimmung der Arbeitsagentur vor Ort erforderlich. Nach vierjährigem Aufenthalt in Deutschland ist diese Zustimmung dann nicht mehr notwendig. Ju|gend|mi|gra|ti|ons|dienst {m} Der vom Bundesfamilienministerium geförderte Jugendmigrationsdienst (JMD) unterstützt an 430 Standorten bundesweit junge Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von zwölf bis 27 Jahren mit verschiedenen Angeboten bei ihrem Integrationsprozess. War der JMD bislang nur für junge Migranten mit Bleibeperspektive zuständig, richtet sich das am 2. September an 24 Standorten (u. a. Bremen und Hannover) gestartete Modellprojekt „jmd2start“ ausdrücklich an junge Flüchtlinge, die sich im Asylverfahren befinden oder eine ->Duldung haben. Ihnen soll bei der Integration in Gesellschaft, ->Berufsausbildung und Arbeitsmarkt geholfen werden. H K Hoch|qua|li|fi|zier|te {f} Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten können den ->Aufenthaltstitel der Blauen Karte („Blue Card“) beantragen, wenn sie einen anerkannten Hochschulabschluss und einen Arbeitsvertrag mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 48 400 Euro bzw. in Mangelberufen (u. a. Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte, IT-Fach- Kö|nig|stei|ner Schlüs|sel {m} Der Anteil der Asylbewerber, den jedes Bundesland aufnehmen muss, wird mittels des sogenannten Königsteiner Schlüssels festgelegt. Er wird für jedes Jahr entsprechend der Bevölkerungszahl und den Steuereinnahmen der Länder ermittelt. Für Niedersachsen liegt die Verteilungsquote 2015 bei 9,35696 Prozent. Passgenaue Lösungen für Ihr Gewerbe. Stahlbau und Stahlhallenbau Systemhallen · Normhallen Dach- und Wandsysteme Renault recommends Westerburger Weg 14 · 26203 Wardenburg · Tel.: 04407 7188-0 mail: [email protected] · www.kirchner-stahlbau.de K. Gerdes GmbH Wilhelmshavener Heerstr. 325 Oldenburg · Telefon 04 41 - 3 06 67 www.autohaus-gerdes.de „ STRATEGIEN NOVEMBER 2015 DIE WIRTSCHAFT NR. 13 Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Solche Leute suchen wir “ „ Dieter Zetsche, Daimler-Chef Der syrische Arzt ist nicht der Normallfall 123rf; dpa; Montage: Malte Knaack “ L Leih|ar|beit {f} Bislang war Zeitarbeit bzw. eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer für Menschen mit einer ->Aufenthaltsgestattung oder einem Status der ->Duldung erst nach vierjährigem Aufenthalt möglich. Mit den kürzlich von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Änderungen im Asylrecht entfällt das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete allerdings nach drei Monaten. M Min|dest|lohn {m} Der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro gilt auch für Flüchtlinge. Forderungen nach Abweichungen vom Mindestlohn hatten Vertreter der Bundesregierung zuletzt immer wieder eine Absage erteilt. N Ne|ben|be|stim|mung {f} Jede ->Aufenthaltsgestattung oder ->Duldung muss erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Diese Aussage zur Erwerbstätigkeit erfolgt durch eine sogenannte Nebenbestimmung und ist in dem entsprechenden Aufenthalts- oder Duldungsdokument vermerkt. P Po|si|tiv|lis|te {f} Die Bundesagentur für Arbeit führt halbjährlich eine Fachkräfteengpassanalyse durch. Diese bildet die fachliche Grundlage für die sogenannte Positivliste, in der Mangelberufe in Deutschland aufgeführt sind. Besitzt eine Person mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung einen deutschen oder als gleichwertig anerkannten ausländischen Ausbildungsabschluss in solch einem Mangelberuf entfällt ebenso wie bei Hochqualifizierten die ->Vorrangprüfung. Andrea Nahles, Bundesarbeitsministerin I 19 V Vor|rang|prin|zip {n} Asylbewerber und Geduldete dürfen nach drei Monaten arbeiten. Allerdings besteht für sie nur ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Das heißt, dass die Agentur für Arbeit nach dem Vorrangprinzip zunächst prüft, ob die Stelle auch mit arbeitsuchend gemeldeten Personen besetzt werden kann, deren Arbeitszugang nicht beschränkt ist – also etwa alle deutschen Arbeitnehmer, EU-Bürger oder Ausländer mit einer ->Aufenthaltserlaubnis. Nach 15-monatigem Aufenthalt in Deutschland entfällt die Vorrangprüfung. Für ->Hochqualifizierte oder für die Engpassberufe, die auf der ->Positivliste stehen, ist dies schon nach drei Monaten der Fall. W Wohn|sitz|auf|lage {f} Personen, die Sozialleistungen beziehen, dürfen ihren Wohnsitz nicht frei wählen. Grundsätzlich steht diese Wohnsitzauflage einer Arbeitsaufnahme aber nicht entgegen. Ob ein Wohnsitzwechsel möglich ist, prüft die Ausländerbehörde jeweils im Einzelfall. Z Zu|stim|mung der Ar|beits|a|gen|tur {f} Für eine ->Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung benötigen Personen mit einer ->Aufenthaltsgestattung oder mit einer ->Duldung auch die Zustimmung der Arbeitsagentur. Diese stützt sich auf zwei Kriterien: erstens die Prüfung des ->Vorrangprinzips und zweitens die Arbeitsmarktprüfung. Letztere bezieht sich auf die Arbeitsbedingungen der konkreten Stelle. Mit der Prüfung soll sichergestellt werden, dass die Bedingungen, etwa in Bezug auf Verdienst und Arbeitszeiten, nicht ungünstiger sind als für inländische Arbeitnehmer. Nach vierjährigem Aufenthalt ist die Zustimmung der Arbeitsagentur nicht mehr erforderlich. Prak|ti|kum {n} In der Regel ab dem vierten Aufenthaltsmonat können Asylbewerber und geduldete Personen Praktika absolvieren. Durch eine am 1.August 2015 in Kraft getretene Änderung der Beschäftigungsverordnung ist für bestimmte Praktika keine Zustimmung der Arbeitsagentur mehr erforderlich. Dies gilt für Pflichtpraktika aufgrund eine Ausbildung, Praktika bis zu drei Monaten zur Berufsorientierung auf Ausbildung oder Studium sowie ausbildungsbegleitende Praktika von bis zu drei Monaten. Q Qua|li|fi|ka|ti|ons|a|na|ly|se {f} Flüchtlingen fehlen häufig die Unterlagen, um ihre Berufsqualifikationen in Deutschland anerkennen zu lassen. Über eine Qualifikationsanalyse, etwa in Form von Arbeitsproben oder Fachgesprächen, besteht die Möglichkeit, die beruflichen Kompetenzen festzustellen. Allerdings werden solche Analysen längst noch nicht flächendeckend angeboten. R Re|si|denz|pflicht {f} Bis Ende 2014 galt für Flüchtlinge eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung. Diese erlaubte es Asylsuchenden lediglich, sich im Bezirk der zuständigen Aufenthaltsbehörde aufzuhalten und dort einer Beschäftigung nachzugehen. Am 1. Januar 2015 wurde diese Residenzpflicht gelockert. Seitdem dürfen sich Flüchtlinge in der Regel nach drei Monaten frei im Bundesgebiet bewegen. S Selbst|stän|dig|keit {f} Flüchtlinge oder Asylbewerber dürfen sich nicht selbstständig machen oder ein Unternehmen gründen. Dies ist erst möglich, wenn sie einen ->Aufenthaltstitel besitzen. Finanzrisiken steuern: neue Chancen für Ihr Unternehmen Wenn in China ein Sack Reis umfällt, ist das keinesfalls egal: Dies kann zum Beispiel zu einer Rohstoffpreisänderung führen! Solche Risiken lassen sich managen – wir unterstützen Sie dabei. Unser Beispiel soll zeigen, dass jede aktuelle Marktentwicklung auch Risiken bergen kann. Zins- und Währungsschwankungen, Änderungen der Rohstoff- und Energiepreise oder Ausfallrisiken lassen sich allerdings steuern. Dabei stehen wir Ihnen im täglichen Geschäft gern beratend zur Seite – sowohl national als auch international. Wir helfen Ihnen dabei, mögliche Risiken im Blick zu behalten, durch maßgeschneiderte Produkte erfolgreich zu steuern und Chancen zu nutzen. Durch unsere Experten im eigenen Handelszentrum erfahren Sie ohne Umwege, was sich am Markt gerade bewegt. So können Sie schneller reagieren und dem Wettbewerb einen Schritt voraus sein. Sprechen Sie mit uns – wir beraten Sie branchenspezifisch und individuell. Telefon: 0421 332-2275 www.bremerlandesbank.de/finanzrisiken EinzigartigEs industriEarEal in norddEutschland stEht zum VErkauf die region bremen gehört zu den dynamischsten Logistik- und Industriestandorten deutschlands. durch den kontinuierlichen Aus- und neubau der maritimen Infrastruktur gilt die Logistikbranche als wichtiger Wachstumstreiber im norden der republik. diese positive entwicklung hat in den vergangenen monaten dazu geführt, dass die nachfrage der Industrie nach Logistikimmobilien das Angebot deutlich übersteigt. nun bietet sich nördlich der Hansestadt für Investoren die Chance, von diesem Wachstum mit dem kauf eines einmaligen Industrieareals zu profitieren. Mit international ausgerichteten Unternehmen wie Abeking und Rasmussen, ArcelorMittal, BLG, Lürssen Werft, Mercedes Benz, Siemens Windpower und diversen Zulieferern hat sich die Nordwestmetropole in den vergangenen Jahren zum fünftgrößten Industriestandort der Bundesrepublik entwickelt. Über 41.000 Beschäftigte im Bereich der Logistik unterstreichen die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs für die Region. Doch auch der Immobiliensektor profitiert von dieser Entwicklung: Durch Leerstandsquoten unterhalb der zwei Prozentmarke und Renditen von bis zu zwölf Prozent können Immobilieninvestoren an diesem Erfolg teilhaben. In diesem attraktiven Umfeld, in der unmittelbar an der Weser gelegenen Gemeinde Lemwerder, bietet die Robert C. Spies Gewerbe und Investment GmbH & Co. KG im Rahmen einer Alleinvermarktung jetzt ein Industriegebiet zum Verkauf an. Ein Areal, das mit einer teilbaren Gesamtfläche von 1,3 Millionen Quadratmetern einmalig in der gesamten Metropolregion Bremen ist, wie Martin Zunken, Mitglied des Logistik- und Light-Industrial-Investmentteams von Robert C. Spies erläutert: „Für dieses Zusammenspiel aus Größe, direkter Wasserlage, einer umfassenden Ausstattung und einer hohen Gebäudesubstanz gibt es kein Konkurrenzprodukt.“ GroSSe AuSbAupotentiAle Der ehemalige Werksflughafen von Airbus bietet neben 170.000 Quadratmetern bebauter Industrieflächen vor allem deutliche Ausbaureserven. Denn zu den bereits vorhandenen 550.000 Quadratmetern Bauland kommen noch einmal 750.000 Quadratmeter Perspektivflächen hinzu. „Die ehemalige Landebahn wird vom derzeitigen Mieter als großzügige Lagerfläche genutzt“, erklärt Zunken. „Durch die enormen Flächenpotentiale bietet das Areal eine hohe Drittverwendungsfähigkeit und stellt damit für Investoren eine zukunftssichere Anlage dar. Großzügige Expansionen oder Neuansiedlungen sind hier kein Problem.“ Zudem ermöglichen die bestehenden 36.000 Quadratmeter großen Hallenflächen mit diversen Kranbahnanlagen für die Industrie vielfältige Nutzungsszenarien. optimAle lAGe im Herzen norddeutScHlAndS Derzeitiger Mieter des Industrieareals ist die Carbon Rotec GmbH & Co. KG, Europas führender build-to-print Hersteller von Rotorblättern für Windkraftanlagen. Neben den bereits angeführten Merkmalen profitiert das Unternehmen in Lemwerder von einer verkehrsgünstigen Lage. Das GVZ-Bremen kann aufgrund der in der Nähe gelegenen Autobahnanschlüsse binnen dreizehn Kilometern angedient werden. Diese Situation wird sich durch den bereits beschlossenen Ringschluss der A281 zukünftig deutlich verbessern. Aufgrund des direkten Zugangs zu einer Kaianlage und dem Ochtumhafen verfügt das Grundstück zudem über einen Wasserweg von nur fünfzig Kilometern bis zur Nordsee. „Die Lage lässt keine Wünsche offen“, betont deshalb auch Björn Sundermann, Leiter Projektentwicklung der Bremer Immobilienberatung. „Durch die Vielseitigkeit des Objektes sind für die Nutzungsoptionen so gut wie keine Grenzen gesetzt. AlleinVertrieb: Dipl.-Ingenieur Björn Sundermann T 0421 l 173 93-49 Dipl.-Wirtschaftsingenieur Martin Zunken T 0421 l 173 93-62 IndustrIe- und LogIstIkImmobILIen WWW.robertCspIes.de 20 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 Spiegel der Persönlich Personaler achten längst nicht mehr nur auf Bewerbungsmappen, sondern auch auf Profile in Netzwerken wie Facebook. Wie Bewerber sich dort gut präsentieren – und wie Recruiter Aufschneidern auf die Schliche kommen. VON EVA TENZER P arty-Schnappschüsse, Bikinifotos, anzügliche Mail-Adressen – auf all das sollte besser verzichten, wer in sozialen Netzwerken einen guten Eindruck hinterlassen will. Denn wie im realen Leben gilt auch hier: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Immer stärker schaut nicht nur der eigene Freundes- und Bekanntenkreis auf Onlineprofile. Auch Personalchefs und Recruiter interessieren sich für das Bild, das Bewerber und Mitarbeiter in der virtuellen Welt abgeben. „Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das das nicht tut“, sagt Sebastian Neumann, Initiator und Gründer von #SoMe, einem Verband für Social Media und Social Business. „Es ist eine relativ simple Prüfung, die nicht viel kostet. Ohne großen Aufwand kann ein Unternehmen checken, ob ein Bewerber wirklich passt.“ Das sei letztlich auch ein Stück Eigenschutz der Unternehmen, erklärt Neumann, der als Social-Intranet-Berater für den ITDienstleister Agentbase in Paderborn arbeitet und in Oldenburg den SoMeStammtisch zu aktuellen Entwicklungen der sozialen Medien organisiert. Neumann hat beobachtet, dass gerade junge Menschen sich nicht bewusst sind, wie wichtig ihr Auftritt in Onlineprofilen ist. Wer mit den sozialen Medien aufgewachsen ist, habe oft wenig Hemmung, auch Privates preiszugeben, das nicht in die Öffentlichkeit gehört. Im ungünstigsten Fall könne es passieren, dass später eine Bewerbung in der Personalabteilung auf Interesse stößt, eine Querprüfung in sozialen Medien aber ergibt, dass das Bild dort stark abweicht. „Bei widersprüchlichen Eindrücken wird ein Bewerber dann nicht mehr berücksichtigt.“ Sprich, die beste Bewerbung nutzt am Ende nichts, wenn man den guten Eindruck auf seinem Onlineprofil zunichtemacht. Beim Oldenburger IT-Beratungsunternehmen BTC sieht man die Sache pragmatisch. Prinzipiell begrüßt man es, wenn Mitarbeiter und Bewerber in sozialen Medien aktiv sind – so wie das Unternehmen übrigens auch selbst. Marketingchefin Karin Tanger weiß allerdings, dass viele unsicher sind, wie sie sich präsentieren und mit anderen kommunizieren sollen: „Mein Rat ist immer: Postet nur, was ihr im Zweifelsfall auch auf einer öffentlichen Plakatwand am Haus gegenüber sehen wolltet oder was ihr auch auf eine Postkarte schreiben würdet“, erklärt Tanger. Sie empfiehlt, sich in den sozialen Medien stets so zu verhalten und zu präsentieren wie im richtigen Leben auch. Und das heißt vor allem: positiv und wertschätzend anderen gegenüber. Peinliche Partyfotos und aggressive Kommentare sind tabu. Ein systematisches Bewerberscreening gibt es bei BTC nicht – wenn aber ein Spezialist zum Beispiel zu einem onlinenahen Thema gesucht wird, schauen Führungskräfte schon mal, ob oder wie sich Bewerber im Netz positionieren. Und man sieht es natürlich gern, wenn Mitarbeiter auch zu beruflichen Themen aktiv sind. Anbieter wie Facebook, LinkedIn, Xing, Google Plus, Twitter und Instagram haben weltweit bereits rund zwei Milliarden Nutzer. Um sich einen ersten Eindruck von einer Person zu verschaffen, rufen Kollegen, Freunde und zunehmend auch Personalchefs diese Profilseiten auf. Folglich wird es immer wichtiger, dass diese Seiten entsprechend gepflegt sind. „Der erste Eindruck vollzieht sich automatisch, schnell und anhand minimaler Informationen“, erklärt Mitja Back, Professor für Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Er ist die Basis für unsere sozialen Entscheidungen, dafür, wie wir auf andere reagieren, mit wem wir kurz- oder langfristige Beziehungen eingehen.“ Gemeinsam mit Kollegen hat sich Back erste Eindrücke in sozialen Medien genauer angeschaut. Sie wollten herausfinden, wie Personen wahrgenommen werden und wie Profile gezielt für ein Impression-Management genutzt werden. Zusammen mit Psychologen der University of Texas und der Washington University klopfte seine Arbeitsgruppe Facebook- und Studi-VZ-Profile daraufhin ab, wie ehrlich die Nutzer bei der Eigendarstellung sind. Die Psychologen erfassten die tatsächlichen Persönlichkeitseigenschaften ebenso wie die idealisierten Selbstbilder, also Vorstellungen der Profilbesitzer darüber, wie sie gern wären. Dabei ging es um die sogenannten Big Five der Persönlichkeit: Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit Extraversion und Neurotizismus. Fremde Beurteiler schätzten anschließend die Persönlichkeiten der Nutzer auf Basis der Profile ein. Das Ergebnis überraschte die Psychologen: Die spontanen Eindrücke stimmten mit den tatsächlichen Eigenschaften der Profilbesitzer auffällig gut überein und wurden nicht durch Versuche der Selbstidealisierung verfälscht: „Sie spiegeln die tatsächliche Persönlichkeit wider. Und fremde Beurteiler konnten das erstaunlich genau einschätzen“, berichtet Juliane Stopfer, eine der Leiterinnen der Studie. In Onlineprofilen wird also keineswegs überwiegend ein unrealistisches Ideal der eigenen Person präsentiert. Eine solche Inszenierung bringe ohnehin nichts, ist Neumann überzeugt. Denn das falle früher oder später auf. „Im Social Web lässt sich nicht nur vorzüglich Eigenmarketing betreiben, sondern die eigene Reputation auch ganz leicht beschädigen“, stellt er fest. „Viele Menschen versuchen, über Social-Media-Kanäle ansprechbar, offen und transparent zu „Wir sollten uns daran gewöhnen, dass wir öffentliche Menschen sind“, meint Sebastian Neumann, der in Oldenburg einen Social-MediaStammtisch organisiert. STRATEGIEN NOVEMBER 2015 hkeit sein. Wir sollten uns daran gewöhnen, dass wir öffentliche Menschen sind.“ Trotzdem sei nicht jeder willens und in der Lage, sich in der Öffentlichkeit wirklich gut zu präsentieren. Was also ist wichtig, um einen überzeugenden ersten Eindruck zu hinterlassen? Entscheidend sind die Attraktivität des Profilbilds, Art und Anzahl der Gruppen, denen man angehört, Interessen und Pinnwandeinträge. Das Foto und die Anzahl der Freunde etwa dienen zur Einschätzung der Extraversion, die angegebenen Interessen zur Beurteilung der Offenheit für Erfahrungen. Und auch unsere Freunde färben letztlich auf uns ab: Wer nämlich Freunde hat, die ihre Einträge salopp und formlos verfassen, wird selbst auch als wenig gewissenhaft eingeschätzt. Allerdings hängt der Eindruck immer auch vom Kontext ab: Privat nämlich fällt er vor allem positiv aus, wenn eine Person authentisch ist. Im beruflichen Kontext dagegen sollte man möglichst gewissenhaft und verträglich rüberkommen. Es ist also sinvoll, sich klarzumachen, wofür man ein Netzwerk nutzen möchte, und entsprechend bestimmte Eigenschaften zu betonen. Das klingt durchaus vertraut aus dem realen Leben, und tatsächlich gibt es kaum Unterschiede zwischen dem virtuellen und dem reellen ersten Eindruck, wie Max Weisbuch von der Tufts Univer- sity in einem Experiment gezeigt hat: Menschen, die von reellen Sozialpartnern gemocht werden, kommen auch mit ihren Facebook-Seiten gut an. Sebastian Neumann sieht hier eine gute Möglichkeit, die eigene Marke aufzubauen. Dabei solle man aber weder Trends bedienen noch tun, was alle anderen tun, sondern „verkörpern, was man wirklich ist, ohne Maskerade, und glaubwürdig bleiben.“ Allerdings eben, ohne allzu viel Privates preiszugeben. Es ist eine Gratwanderung. Wie gut aber schätzen wir den Eindruck ein, den wir auf andere machen? Dieser Frage ging Back gemeinsam mit Kollegen in einem weiteren Experiment nach: einem Speed-Dating mit 400 Singles. Das massenhafte Flirten deckte auf, wer wie gut darin ist, den Eindruck einzuschätzen, den er auf andere macht – für den Erfolg bei der Partnerwahl enorm wichtig. Das Ergebnis hier: Frauen, die hohe Werte in der Persönlichkeitsdimension „Verträglichkeit“ erzielen, also freundlicher und hilfsbereiter sind, und Männer, die „soziosexuell unrestriktiver“, also flüchtigen sexuellen Kontakten gegenüber aufgeschlossener sind, punkten besonders. Sie können gut einschätzen, wie sie bei anderen ankommen. Frauen dagegen mit einer weniger stark ausgeprägten Verträglichkeit (missmutig, aggressiv) und soziosexuell restriktivere Männer („kein Sex ohne Liebe“) vertun sich mit der Einschätzung ihrer Wirkung auf Fremde deutlich häufiger. Allerdings kann bei Menschen, die einen besonders guten ersten Eindruck hinterlassen, laut einer weiteren Studie der Münsteraner Forscher durchaus Vorsicht geboten sein. Denn möglicherweise handelt es sich bei ihnen um Narzissten. Back fand nämlich heraus, dass es vor allem diesen Persönlichkeitstypen leicht fällt, Eindruck bei anderen zu schinden. Ob mit Kleidung, Körperhaltung, Gesichtsausdruck oder Wortwahl, diese Typen wickeln andere leicht um den Finger. Ist dann allerdings der erste faszinierende und attraktive Lack ab, schaffen es gerade Narzissten nur selten, Beziehungen auch langfristig positiv zu gestalten. Also: Trau, schau, wem – das gilt im realen Leben ebenso wie online! Illustration: Malte Knaack; Sandra Wiederhold; BTC Wer bin ich? Selbstwahrnehmung und reale Erscheinung können auseinanderfallen – auch beim Auftritt im Netz. „Postet nur, was ihr auch auf eine Postkarte schreiben würdet“, rät Karin Tanger, Marketingchefin von BTC. DER NEUE JAGUAR XF NO BUSINESS AS USUAL. KLEINER KNIGGE FÜRS NETZ Gut die Hälfte aller Personalverantwortlichen in Deutschland informiert sich laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom in sozialen Netzen über Bewerber. 15 Prozent sagen, sie hätten schon Kandidaten abgelehnt, die ihnen dort negativ aufgefallen seien. Wer sich seine Jobchancen nicht durch einen verfehlten Onlineauftritt ruinieren möchte, sollte daher einige Tipps beachten: Klarnamen verwenden: Wer sich hinter einem Pseudonym versteckt, könnte etwas zu verbergen haben. Persönliches und Privates trennen: Nicht jeder Besucher eines Profils muss alles lesen können. Private Inhalte sollten nur denjenigen zugänglich gemacht werden, die sie etwas angehen. Authentisch bleiben: Glaubwürdigkeit ist ein entscheidendes Kriterium für Personaler. Netzwerk sorgsam auswählen: Die Freunde, mit denen man sich im Netz präsentiert, prägen den eigenen Eindruck mit. Postings ansprechend formulieren: Geschäftspartner, Auftraggeber oder Personalchefs könnten an saloppen Einträgen Anstoß nehmen. Nicht übertreiben: Ein herausragend positives Profil erweckt leicht den Eindruck einer narzisstischen Persönlichkeit. Nüchtern bleiben: Unter Alkoholeinfluss ist schon so manches Posting schiefgelaufen. Darum: Don’t drink and tweet! SCHON AB 399,00 ¤* IM MONAT LEASEN. THE ART OF PERFORMANCE Mehr Informationen zu Jaguar Care unter: jaguar.de/JaguarCare *Jaguar XF E-Performance Pure Man.: mit Leaseingrate 399,- ¤, Leasingsonderzahlung 7.882,00 ¤, Barpreis 42.340,- ¤, Laufzeit 36 Monate, Gesamtlaufleistung 60.000 km. Ein Leasingangebot, vermittelt für die Jaguar Bank, eine Zweigniederlassung der FCA Bank Deutschland GmbH, Salzstraße 138, 74076 Heilbronn. Widerrufsrecht nach § 495 BGB für Verbraucher. Kraftstoffverbrauch in l/100 km: 11,9-4,8 (innerorts); 6,7-3,6 (außerorts); 8,6-4,0 (komb.); C02-Emissionen in g/km: 204-104; Co2-Effiziensklasse: E-A+;RL 80/1268/EWG. Abbildung zeigt Sonderausstattung. GmbH AUTOGALERIE SCHLICKEL GMBH Am Patentbusch 11 26125 Oldenburg Telefon 04 41 / 390 390 www.schlickel.de · [email protected] 22 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 STRATEGIEN NOVEMBER 2015 Es braucht schon etwas mehr als einen Pappaufsteller, um einen Chefsessel neu zu besetzen. VON YORK SCHAEFER J Karriere-ganzoben.de Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Der Nordwesten steht bei Hochqualifizierten aus anderen Teilen der Republik nicht unbedingt auf Platz eins der begehrtesten Regionen zum Arbeiten und Leben. Viele zieht es in die Metropolen, wo Großkonzerne mit attraktiven Karrierechancen locken. Arbeitgeber auf dem Land dagegen müssen einiges bieten, um gute Mitarbeiter zu finden und zu halten. Hier setzt das im Sommer gegründete Portal Karriere-ganzoben.de an, das mit der Nordwest-Zeitung kooperiert. „Der Ingenieur, der in Darmstadt studiert hat, weiß nichts über den Nordwesten“, sagt Geschäftsführer Norbert Drogies. Ziel des Portals ist es, das zu ändern – indem es die Lebensqualität des Nordwestens mit seinen Kultur-, Sport- und Bildungsangeboten sowie sowie natürlich den Arbeitgebern der Region darstellt. Karriereganzoben.de versteht sich dabei als Unterstützer der Unternehmen. Unter dem Menüpunkt „Arbeiten“ präsentieren namhafte Mittelständler ihre Stellenangebote. Vertreten sind etwa der Autozulieferer Vierol, der Chemiespezialist Büfa und das Offis-Institut. Einen Mausklick weiter folgen Firmenporträts, unter anderem mit Testimonials von Angestellten und Führungskräften in Videoform. „Wir wollen die Unternehmen in kurzer, knackiger Form für die Bewerber vorstellen“, sagt Drogies, der in diesen individuellen Porträts den Unterschied zu Jobbörsen wie Stepstone oder Monster sieht. Bundesagentur für Arbeit Bei der erschlagenden Anzahl an Jobbörsen im Internet könnte man das gute alte Arbeitsamt glatt übersehen. Dabei sitzt in Bonn eine Einheit, die sich auf die Suche nach Führungskräften in den Bereichen Industrie, Dienstleistungen und Handel spezialisiert hat. Angegliedert an die Zentrale Auslandsund Fachvermittlung (ZAV) vermittelt sie Manager vom Abteilungsleiter aufwärts mit einem Jahresgehalt ab 70 000 Euro. Entsprechend hoch sind die Aufnahmekriterien: „Wir vermitteln Menschen mit langjähriger Berufserfahrung und fachlichen Führungsqualitäten, die überregional mobil sind“, sagt Berater Harald Seitz. 450 bis 500 Stellen 123rf; Montage: Malte Knaack e besser eine Führungskraft zur Unternehmenskultur passt, zur Firmenphilosophie und zum Marktumfeld, desto erfolgreicher kann sie arbeiten. Entsprechend schwer sind solche Manager zu finden. Fünf Instrumente, die bei der Suche helfen: Wo ist hier der Boss? „ Das Finden guter Führungskräfte gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Unternehmen. Wir stellen fünf Instrumente dafür vor – vom Portal Karriere-ganzoben.de bis zur Arbeitsagentur. sind derzeit ausgeschrieben, denen momentan etwa 1800 aktiv suchende Führungskräfte gegenüberstehen. Vorteil der Vermittlung über die Arbeitsagentur im Vergleich zum Personalberater: Es entstehen keine Kosten. „Die sind für die Arbeitgeber ja bereits über die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt“, erklärt Berater Seitz. Businessnetzwerke „An Xing und LinkedIn kommt man heute nicht mehr vorbei“, sagt der bundesweit tätige Recruiting-Coach Henrik Zaborowski aus Bergisch-Gladbach. Aktuell 9,2 Millionen Xing-Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz sprechen eine deutliche Sprache; bei LinkedIn waren es zu Jahresbeginn sechs Millionen. Dementsprechend interessant sind die Netzwerke für Arbeitgeber. Laut einer Analyse des Fachmagazins „PC-Welt“ finden sie bei LinkedIn vor allem potenzielle Mitarbeiter aus höher qualifiziertem und auch internationalem Umfeld. Das Einstellen einer kostenpflichtigen Jobanzeige, die regional eingegrenzt werden kann, gilt als vergleichsweise leicht. Auch bei Xing erreicht man mit einer Stellenanzeige vor allem Mitglieder des Netzwerks, und auch hier lässt sich eine Auffindbarkeit der Anzeige bei Google einbinden. „Zudem kann man eine spezifische Bewerbersuche nach Region, Berufserfahrung und Gehaltsvorstellungen einstellen“, erklärt Henrik Zaborowski. Personalblogger kritisierten allerdings jüngst, dass man bei Xing zu sehr auf Quantität der Stellenanzeigen statt auf Qualität setze und das sogenannte Matching verbesserungswürdig sei, also den passenden Bewerber für die richtige Stelle zu finden. So hatte Xing beispielsweise Führungskräften mit 20 Jahren Berufserfahrung Praktikantenstellen vorgeschlagen. Vorteil beider Netzwerke ist, dass sich der Arbeitgeber direkt einen eigenen Eindruck vom Bewerber und seinem Profil machen kann. Für Recruiting-Coach Zaborowski sind Xing, LinkedIn oder auch Google Plus allerdings nur die Key-Player. Mittlerweile habe fast jede Branche ihr eigenes Jobportal, wie zum Beispiel Stackoverflow.com, eine Community für IT-Experten. Jobbörsen Monster und Stepstone sind die bekanntesten Jobportale mit insgesamt gut einer halben Millionen aktiver Profile. Beide Unternehmen bieten einen internationalen Bewerberpool, eine persönliche Beratung und die Möglichkeit für Arbeitgeber, Firmeninserate zu schalten. Die Platzierung von Stellen- Sie möchten mehr über unsere Zeitung wissen? Dann können Sie mich gerne kontaktieren! Lars Mensching NWZ-Projektleiter Die Wirtschaft und neue Geschäftsfelder Telefon: 04 41 / 99 88 46 13 Handy: 01 51 / 44 87 97 62 E-Mail: [email protected] Die nächste Ausgabe erscheint am 17.Dezember 2015 Anzeigenschluss ist der 27. November 2015 Wir stellen Unternehmen in kurzer, knackiger Form für Bewerber vor “ Norbert Drogies, Geschäftsführer von Karriere-ganzoben.de anzeigen ist natürlich kostenpflichtig. Das Karriereportal Experteer wirbt mit mehr als 80 000 manuell vorselektierten Spitzenpositionen ab 60 000 Euro Jahresgehalt und einem Netzwerk von 20 000 verifizierten Headhuntern. Das Recruiting von hochqualifizierten Fachkräften steht hier klar im Vordergrund. Für Unternehmen und Personalberatungen ist die Registrierung kostenlos, Jobsuchende zahlen eine Monatsgebühr. Persönliche Netzwerke Aus Sicht von Recruitingexperte Zaborowski bieten Empfehlungen von Mitarbeitern aus dem eigenen Unternehmen die beste Chance für eine erfolgreiche Vermittlung. „Wer jemanden empfiehlt, kann in der Regel ganz gut einschätzen, ob er oder sie passt.“ Man könne davon ausgehen, dass sich der potenzielle Bewerber mit dem Empfehlenden bereits über das Unternehmen, die Kultur dort und den Job ausgetauscht hat. Kein Arbeitnehmer empfehle guten Gewissens einen Bekannten, wenn er die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden rund 25 Prozent aller Stellen hierzulande über persönliche Kontakte vermittelt. Regional. StaRk. NWZ-Jobs.de Führendes Netzwerk regionaler Stellenmärkte. Weitere Informationen erhalten Sie unter Tel. 0441/9988-4611 Exklusive Markteinführung bei Telepoint TE ANGEBO GÜLTIG 15 .20 BIS 15.12 Homematic IP startet als Raumklima-Lösung mit sechs Produkten und einer App, mit der Sie das komplette Homematic IP System ganz einfach konfigurieren und intuitiv steuern können. Zukünftig wird Homematic IP zu einem voll umfassenden Smart Home-System ausgebaut und durch viele weitere Produkte ergänzt. 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Elektroheizungen) Manuelles Ein- und Ausschalten auch am Gerät möglich Artikelnummer: 1535100047 Verbindet als zentrales Element das Smartphone mit allen Homematic IP Produkten. 49 99 99 49 Misst Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit Anzeige von Soll- und Ist-Temperatur Zeitgesteuertes Regulieren der Raumtemperatur Einstellbare Wochenprofile Artikelnummer: 1535100049 99 Wandtaster 2-fach Schaltet die Raumklimalösung in den Eco-Modus Frei platzierbar durch Anschrauben oder Ankleben In viele Rahmen von führenden Schalterherstellern integrierbar (55mm) Artikelnummer: 1535100052 Wandthermostat Access Point Serverstand in Deutschland Ethernet-Port (100 Mbit/S) Strikte Einhaltung deutscher und europäischer Datenschutzrichtlinien Artikelnummer: 1535100048 Heizkörperthermostat Ersetzt herkömmliche Thermostate und steuert die Temperatur nach individuellen Bedürfnissen 3 Wochenprofile einstellbar Bedienung auch am Gerät möglich Montage ohne Eingriff in die Heizungsanlage Artikelnummer: 1535100051 49 99 Einfache Installation Einfache Konfiguration Einfache Bedienung Für die Installation sind keinerlei Fachkenntnisse oder besondere Fähigkeiten notwendig. Die gesamte Lösung wird intuitiv über eine Smartphone-App eingerichtet. Um die Konfiguration der Einzelgeräte kümmert sich die Homematic IP Software. Die Bedienung erfolgt raumweise per App oder am Gerät selbst. Bad Zwischenahn • Juniors • Westersteder Str. 2b • (04403) 60234-0 Leer im EmsPark • (0491) 92566-0 Brake im Famila Center • (04401) 85598-0 Oldenburg am Famila Einkaufsland - Wechloy • (0441) 97099-0 Bramsche • Maschstraße 4 • (05461) 70383-0 Quakenbrück • Kramershagen 4 • (05431) 92622-0 Vechta am Famila Center • (04441) 853-0 Cloppenburg im Famila Center • (04471) 7071-0 Jever im Famila Center • (04461) 96360-0 Wildeshausen • Westring 8 • (04431) 74829-0 Firmensitz: Telepoint Elektrohandelsgesellschaft mbH & Co. KG Georg-Bölts-Str. 6/8 • 26135 Oldenburg Druckfehler/Irrtümer vorbehalten! Solange Vorrat reicht. Alles Abholpreise. Keine Mitnahmegarantie. KW43/2015 Zentral steuerbar per App Egal, wo Sie Mit der Sma sind: App steuern rtphoneHomematic Sie jeder Zeit unIP zu jedem Ort. E d von komfortabel.infach Wir beraten Sie gerne! 24 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 GELD NOVEMBER 2015 Mit Risiken gepflastert Private Krankenversicherer ködern junge Gutverdiener mit attraktiven Tarifen. Doch ein Wechsel will wohlüberlegt sein. VON PETER RINGEL s 123rf (2); Montage: Malte Knaack P rompter Facharzttermin, Chefarztbehandlung im Einzelzimmer und nur die Hälfte dafür zahlen: Ein Wechsel in die private Krankenversicherung ist verlockend für junge Gutverdiener. Jeden Monat können sie 100 bis 200 Euro an Beiträgen sparen, Selbstständige oft sogar mehr als 300. Klingt nach einem traumhaften Angebot. Doch wenn beruflich oder privat nicht alles so glatt läuft wie geplant, kann dieser Traum zum Albtraum werden. „Ständig haben wir Anrufe von Älteren, die verzweifelt versuchen, aus der PKV rauszukommen“, berichtet der Oldenburger Versicherungsberater Hans-Hermann Lüschen. Denn die Tarife für junge Alleinstehende sind zwar niedrig – im Alter steigen sie jedoch. Lüschen ist überzeugt: Die attraktiven Einstiegstarife der privaten Versicherer spiegeln nicht die tatsächlichen Kosten, sondern sollen junge, gesunde Kunden locken. Von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) kann nur wechseln, wer Beamter, selbstständig oder gut verdienender Arbeitnehmer ist. Um sich als Angestellter privat zu versichern, muss das Gehalt mindestens ein Jahr lang die sogenannte Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten, die aktuell bei 54 900 Euro liegt. Die Höhe der Beiträge richtet sich neben dem Alter vor allem nach den Vorerkrankungen. Während die Tarife in der GKV vom Bruttoeinkommen abhängig sind, kann der zu Beginn meist günstige Beitrag in der PKV unabhängig von den Einkünften steigen – in den vergangenen zehn Jahren waren es im Schnitt rund fünf Prozent pro Jahr. Das Risiko: Nach oben gibt es keine Deckelung. Der Wechsel in die private Versicherung ist für den genannten Personenkreis leicht. Umgekehrt ist es weit schwieriger. Wer älter ist als 55, hat wenig Chancen, aus der PKV herauszukommen. Lüschen kennt viele Beispiele von Selbstständigen, die von der Beitragslast geradezu erdrückt werden: Der Taxifahrer, dessen Einkommen beständig sinkt, dessen Beiträge für die Familie aber unverändert hoch sind. Der Tankstellenbetreiber, der im Alter seine Tankstelle für etwas über 1000 Euro verpachtet hat, aber 900 Euro für die Krankenversicherung von ihm und seiner Frau zahlt. Und dann gibt es noch die Schicksale der Versicherten, die wegen oberflächlicher Angaben zum Gesundheitszustand aus der Versicherung fliegen und in keiner Krankenkasse mehr aufgenommen werden. „Wer sich privat krankenversichert, profitiert unstrittig von sehr guten Leistungen“, sagt Lüschen, „kaufmännisch ist ein Wechsel aber äußerst unklug.“ Wer objektiv die Risiken abwäge, sei in der GKV besser aufgehoben. Neben der kaum zu kalkulierenden Beitragsentwicklung gelte es vor einem Wechsel zum privaten Versicherer ein weiteres Risiko zu beachten, mahnt der erfahrene Berater und Gerichtsgutachter: Während es bei der GKV einen festen Hilfsmittelkatalog gebe, seien bei der PKV nicht immer Nur vom Feinsten: Die Leistungen privater Krankenversicherer sind gut. Doch für manche werden sie im Alter zu teuer. alle Leistungen bis ins Detail aufgelistet. Nicht selten endeten Streitereien um den Leistungsumfang vor Gericht. Hinzu kommt der Verwaltungsaufwand, weil Privatversicherte für die medizinischen Leistungen zunächst selbst zahlen und die Arztrechnungen später erstattet bekommen. Andere unabhängige Versicherungsberater aus der Region blicken weniger kritisch auf die PKV. Als Vorteil gilt, dass die Versicherten über die Tarifwahl den Umfang ihres Schutzes zum Teil nach ihren Bedürfnissen gestalten können und einen lebenslangen Anspruch auf die vereinbarten Leistungen haben. Zum genauen Abwägen des Risikos wird dennoch geraten. Laut Verbraucherschützern und Versicherungsberatern ist nur individuell zu klären, ob sich ein Wechsel in die PKV lohnt, in der Regel sei dies aber – abgesehen von Beamten – nur bei einem eng begrenzten Personenkreis der Fall: bei jungen Gutverdienern, die in Zukunft ebenfalls mit einem hohen Einkommen rechnen und schon früh wissen, dass sie auch später keinen Nachwuchs wollen – denn für Kinder müssen in der PKV eigene Verträge abgeschlossen werden. Empfohlen wird bei einem Wechsel, die gegenüber der GKV eingesparten Prämien aus den ersten Versicherungsjahren für höhere Beiträge im Alter anzulegen. Lüschen rät dringend, vor einem Wechsel in die PKV bei der Klärung von Vorerkrankungen die Krankenakte vom Hausarzt beizulegen. Damit si- Leasing lohnt sich – auch wenn Sie flüssig sind Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit eines höchstmöglichen Liquiditätseinsatzes bei maximaler Ergebnissteuerung. Profitieren Sie von flexiblen Finanzierungslösungen und erweitern Sie so die Ertrags- und Finanzkraft Ihres Unternehmens. Gern machen wir Ihnen, zusammen mit unserem Partner Deutsche Leasing, ein individuelles Angebot nach Ihrem Geschmack. Unsere Nähe bringt Sie weiter. lzo.com · [email protected] chere man sich dagegen ab, dass die private Versicherung wegen „vorvertraglicher Anzeigenpflichtverletzung“ vom Vertrag zurücktritt. Bei oberflächlichen oder falschen Angaben zum Gesundheitszustand passiere das nicht selten, berichtet der Versicherungsberater. Auch wenn Hausärzte ihre Dokumentation nicht immer gern herausrücken – sie sind dazu verpflichtet: In ihrer Berufsordnung ist unter Paragraf zehn festgeschrieben, dass den Patienten in die sie betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren ist, „soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter entgegenstehen. Auf Verlangen sind der Patientin oder dem Patienten Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben.“ Vor einem Wechsel ist auch zu überlegen, ob zusätzliche Leistungen der Privaten überhaupt in Anspruch genommen werden. Gibt man dem Schulmediziner immer den Vorzug vor dem Heilpraktiker oder hält man die Chefarztbehandlung für ein verzichtbares Statussymbol, dann könnte man in der GKV besser aufgehoben sein. Der Versicherungsberater Lüschen empfiehlt als Alternative zu einem Wechsel in die PKV: In der GKV bleiben und sich bestimmte Leistungen wie die freie Arztwahl oder das Einzelzimmer mit einer privaten Zusatzpolice versichern lassen. Das bieten zahlreiche private Versicherer an, in der Region unter anderem auch die Alte Oldenburger aus Vechta. Dazu gehören etwa Zusatzleistungen wie Krankentagegeld oder für die zahnärztliche Behandlung. 25 I LEBEN Der Letzte seiner Zunft DIE WIRTSCHAFT NR. 13 // NOVEMBER 2015 Frank Simme ist Oldenburgs einziger Maßschuhmacher. Porträt eines Überzeugungstäters. SEITE 31 Entdeckung der Laufkundschaft Warum verletzen sich Freizeitjogger so oft? Weil sie falsch laufen. Sportexperten aus den Nordwesten bieten deshalb professionelle Bewegungsanalysen an. Und machen damit, Manager fit, die auch im Sport auf Leistung gepolt sind. VON CAROLA FELCHNER dpa; Torsten von Reeken S chmerzen in der Achillessehne, Stechen im Knie, Entzündung im Schienbein – Lutz Molitor hatte die klassischen Läuferverletzungen alle. Der 58-jährige Sportladenbesitzer aus Osnabrück läuft seit seiner Jugend, noch immer nimmt er pro Jahr an ein, zwei Wettkämpfen teil. Er hat sowohl die Euphorie beim Überqueren der Ziellinie erlebt als auch den Frust, wenn ihn eine Verletzung zum Pausieren zwang. Das ist ein Problem, das auch viele Führungskräfte und Unternehmer kennen. Gerade sie suchen oft im Sport einen Ausgleich zum Stress im Büro. Gerade sie sind aber auch häufig von Verletzungen geplagt – weil sie es übertreiben. „Manager können nicht einfach nur vor sich hin joggen“, glaubt Thomas Frankenbach, Gesundheitswissenschaftler und Autor des Buchs „Warum Läufer beharrlich sind und Surfer das Leben genießen“. Denn wer im Job auf Leistung gepolt sei, lege im Sport nicht einfach den Schalter um. Vertreter dieser Gruppe erfolgsorientierter Freizeitjogger waren es denn auch, die vor Jahren professionelle Accessoires auf Trimm-dich-Pfade und Joggingstrecken einführten. Schuhe, Hose, Shirts – alles musste auf dem Stand der Technik sein. Inzwischen gehen manche Hobbyjogger noch einen Schritt weiter: Sie lassen ihren Laufstil von Profis analysieren – um mögliche Verletzungen durch einen falschen Bewegungsablauf zu vermeiden. Und damit landen sie dann bei Experten wie Lutz Molitor. „Vor 20 Jahren gab es bei Laufverletzungen die Möglichkeit, zum Arzt zu gehen oder sie auszusitzen“, sagt der Osnabrücker. Doch wenn sich ein gestresster Manager schon die Zeit zum Trainieren nehme, dann wolle er nicht alle paar Wochen aussetzen, um danach wieder bei null anzufangen. „Er will Fortschritte sehen“, sagt Molitor. Kuriere man jedoch nur die Symptome, nicht die Ursache des Laufproblems, sei die nächste Zwangspause programmiert. Ein genauer Blick auf die Physis des Läufers könne diesen Zyklus durchbrechen. Mediziner um Craig Richards von der australischen Universität Newcastle schrieben 2008, dass sich 37 bis 56 Prozent der Hobbyläufer mindestens einmal im Jahr eine Verletzung zuziehen. Laut Studien niederländischer Ärzte sind es sogar mehr als 90 Prozent. Als Molitors Bruder Dirk, OrthopädieSchuhmachermeister und ebenfalls passionierter Läufer, in einem Magazin einen Bericht über Bewegungsanalyse las, war für die beiden klar, dass solch ein Angebot ein echter Mehrwert für die Kunden ihres Schuh- und Sportgeschäfts am Rande von Osnabrück sein könnte. Sie kauften ein Laufband und tüftelten lange an der fachkundigen Betrachtung und Auswertung von Bewegungsabläufen. Zunächst stieß das Angebot, den Athleten erst auf die Beine zu schauen und ihnen dann Schuhe zu verkaufen, auf wenig Euphorie. Inzwischen aber hat sich das geändert. „Die Kunden wollen nicht mehr nur einen Laufschuh kaufen, sie erwarten mehr“, sagt Lutz Molitor. Und dieses Mehr heißt Bewegungsanalyse. Sie hat sich in den vergangenen Jahren zu einem kleinen Trend unter Hobbysportlern entwickelt. Zwei Drittel derjenigen, die sich bei „Schuhe und Sport Molitor“ aufs Laufband stellen, wollen durch den Sport den Kopf freioder ein paar Kilos von den Hüften bekommen – ohne Schmerzen. Hier setzt die Bewegungsanalyse an. Es werden creditreform-oldenburg.de Sie wollen Sicherheit. Creditreform hilft Ihnen, langfristig die Stabilität und Liquidität ihres Unternehmens zu sichern. Fehlstellungen und -belastungen beim Laufen ermittelt und entsprechende Maßnahmen in Form passender Sportschuhe, Einlagen oder Kräftigungs- und Lauftechnikübungen ergriffen. „95 Prozent der Sportler, die zu uns kommen, haben orthopädische Probleme“, berichtet Dörthe Krumsieg vom Zentrum für Orthopädie und Bewegungsanalyse Jörg Meyer in Bremen. Seit fünf Jahren bietet sie Laufanalysen an, mittlerweile führt die Sportwissenschaftlerin sechs bis acht rund zweistündige Beratungen pro Woche durch. „Die Akzeptanz für Analysen seitens der Hobby- und Gesundheitssportler wächst“, bestätigt Matthias Marquardt. Der Arzt und Autor des Standardwerks „Die Laufbibel“ gibt Seminare in ganz Deutschland und hat schon Hunderte Athleten analysiert. Als er vor Jahren seinen Kollegen während eines Praktikums von Bewegungsanalysen erzählte, war deren Reaktion: „Und damit willst du Menschen gesund machen?“ Bei Problemen wurde damals standardmäßig eine Einlage verschrieben – und wenn die nicht half, sollte man das Laufen eben aufgeben. Heute sei dagegen vielen klar, dass die Biomechanik ausschlaggebend ist, um auf Dauer verletzungsfrei zu bleiben. Um die Biomechanik richtig beurteilen und die entsprechenden Schlüsse für den Läufer daraus ziehen zu können, bedarf es allerdings einigen Wissens. „Die Laufbewegung ist komplex. Man darf sich deshalb nicht nur den Fuß anschauen, sondern muss auch Knie, Beinachse und Hüfte in der Bewegung betrachten“, erklärt Lutz Molitor. Knieschmerzen zum Beispiel können sowohl von einer Fehlstellung oder Fehlbewegung des Fußes als auch von einer Instabilität des Beckens ausgelöst werden, Achillessehnenprobleme sowohl von einer Fehlbewegung des Fußes als auch von einer schlechten Lauftechnik. In Molitors Sportladen führen solche Analysen deshalb nur Physiotherapeuten durch, da sie genaue Anatomiekenntnisse mitbringen. Die wachsende Bereitschaft, Geld in schmerzfreies Laufen zu investieren (eine Analyse kostet im Schnitt um die 120 Euro), ist jedoch nicht nur eine Chance auf unbeschwerte Laufkilometer. Sie stellt auch eine interessante Möglichkeit für Sportgeschäftsbetreiber, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler dar, neue Kundschaft zu gewinnen. „Es gibt kein Protokoll für Analysen, jeder macht es anders“, sagt Mirko Brandes vom Institut für Sportwissenschaften an der Uni Oldenburg. Er lehrt und forscht unter anderem im Bereich Bewegungswissenschaft und führt Leistungstests mit Sportlern durch. Da der Titel „Bewegungsanalytiker“ weder geschützt ist noch durch eine bestimmte Ausbildung definiert, ist es umso wichtiger, sich als Anbieter mit gleichbleibender Qualität aus der Masse hervorzuheben. Doch auch eine professionelle Bewegungsanalyse sei kein Allheilmittel, wiegelt Marquardt ab. Man müsse die Erwartungen realistisch halten. Ein passender Schuh und ein sauberer Laufstil bedeuteten nämlich nicht zwangsläufig, dass man so viel laufen kann, wie man möchte. Die Leistungsgrenzen sind individuell und immer eine Kombination aus Training, Material, Technik und Veranlagung. „Eine Laufanalyse ist lediglich der Startschuss“, erklärt Dörthe Krumsieg. Der Startschuss zu einem besseren Läuferleben – denn ohne Zwangspause kommt das Höher, Schneller, Weiter irgendwann von ganz allein. Business Mobilfunk • Firmenverträge • Mobile Device Management • Handys und Tablets • Tarifanalyse und Beratung Business TK-Anlagen • TK- und IT-Technik • DECT- und WLAN-Ausleuchtung • Montage, Service, Wartung und Vermietung • Call-Center-Applikation Stubbenweg 15 26125 Oldenburg Tel. 0441 30005-0 [email protected] www.kuhnt.de LEBEN 26 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 NOVEMBER 2015 „Ich entscheide nie aus dem Bauch heraus“, sagt Hermann Schüller. Den wichtigsten Schritt für den Erfolg von Semcoglas hat er denn auch lange vorbereitet. Sein Antrieb: Ehrgeiz – und eine gute Portion Widerspruchsgeist. Ein glasklarer Plan Wie Hermann Schüller aus einem kleinen Glasereibetrieb in Westerstede einen Branchenchampion mit einem Jahresumsatz von 200 Millionen Euro geformt hat. NEUE SERIE Die einen folgen dem Strom. Die anderen gehen ihren eigenen Weg und bauen etwas Großes auf. In unserer neuen Serie „Die beste Entscheidung meiner Karriere“ zeichnen wir die zentralen Momente in der Laufbahn regionaler Unternehmer nach. VON VOLKER KÜHN Schüller, 63, offener Hemdkragen, braun gebrannt vom Golfspiel im jüngsten Mallorca-Urlaub, lehnt sich bei der Frage zurück und blickt durch die Fensterfront seines Büros in Westerstede. Dann erzählt er vom Glasgeschäft in Europa kurz nach dem Mauerfall. Vier Unternehmen beherrschten damals die Branche, erinnert sich Schüller, zusammen kamen sie auf einen Marktanteil von rund 90 Prozent: Guardian Industries aus den USA, Saint-Gobain aus Frankreich, Pilkington aus Großbritannien und die Belgier von Glaverbel, die inzwischen im Konzern AGC Glass Europe aufgegangen sind. Verglichen mit diesem dominanten Quartett war die Schüller Qualitätsglas GmbH ein Niemand. „Das war praktisch ein Oligopol, wir dagegen waren eine ganz kleine Nummer“, sagt Schüller und stützt die Ellenbogen auf die Glasplatte seines Besprechungstischs. J ede gute Geschichte braucht einen Anfang. Die von Hermann Schüller hat gleich zwei – einen Mitte der Neunzigerjahre und einen deutlich früheren, er spielt Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger. Beginnen wir mit dem späteren, denn das ist der, den Schüller selbst nennt, wenn man ihn fragt, wann das eigentlich losging mit seinem Erfolg als Unternehmer. Wann er den Dingen den nötigen Schwung verlieh und sie in die richtige Richtung lenkte. Wann er die Weichen dafür stellte, dass aus einer kleinen Glasfirma im Ammerland jenes Branchenschwergewicht werden konnte, das heute 1400 Mitarbeiter an 18 Standorten beschäftigt, das 200 Millionen Euro im Jahr erlöst und seine Produkte bis nach Vietnam liefert. Kurz: wann er die beste Entscheidung seiner Karriere traf. Die Großen diktierten aber nicht nur die Regeln auf dem Markt – sie entschieden auch, wer überhaupt mitspielen durfte. Denn um Glas veredeln zu können, um daraus also Isolierglas herzustellen, Spiegel oder die meisten anderen Glasprodukte, benötigt man ein Ausgangsmaterial: Floatglas. Eine eigene Floatglasproduktion konnten sich in den Neunzigern allerdings nur die Großen der Branche leisten – Schüller nicht. Er war darauf angewiesen, dass ihm die mächtige Konkurrenz stets genügend Material verkaufen würde. Für den ehrgeizigen Unternehmer war das eine Situation, mit der er sich nicht abfinden wollte. Und so entwarf er einen Plan: Binnen zehn Jahren würde er über seine eigene Floatglasproduktion verfügen, um aus der Abhängigkeit von den Lieferanten herauszukommen. Für eine Firma seiner Größe war das ein ungewöhnlich ambitioniertes Ziel – vergleichbar vielleicht mit einer Provinzsparkasse, die 1 KONGRESS – 12 PERSONALEXPERTEN 100 Impulse für Personalmarketing und Mitarbeiterführung beschließt, in zehn Jahren in einer Liga mit der Deutschen Bank zu spielen. Allein, war sich Schüller klar, würde er dieses Ziel kaum erreichen. Seinen Umsatz und das Mengenvolumen in der Produktion würde er dafür glatt verdoppeln müssen. Erst wenn er ein Floatglaswerk mindestens zu 50 Prozent auslasten könnte, wäre das wirtschaftliche Risiko tragbar. Also schmiedete er einen zweiten Plan: Er würde einen Partner finden, um die nötige Größe zu erreichen. Das ist der Punkt, an dem der Zufall seinen Auftritt in Schüllers Geschichte hat. Denn just zu dieser Zeit trug sich der Chef eines ganz ähnlich aufgestellten Glasherstellers aus Norddeutschland mit dem Gedanken, sein Geschäft aufzugeben. Rolf Sawatzki, damals Ende 50, verhandelte mit Interessenten über den Verkauf seiner Unternehmensgruppe Isoglas mit Sitz in Nordhorn. Obwohl beide in der gleichen Branche tätig sind und ihre Firmenzentra- 2. Norddeutscher Kongress für 0% ZT 1 JE T O R TE IL I SV PRE H E RN ! S IC MIT MITARBEITER BEGEISTERUNG ® Arbeitgeberimage, Recruiting und Personalmarketing im Mittelstand DER PERSONALKONGRESS FÜR DEN MITTELSTAND: D: DANIELA A. BEN SAID FRANK BUSEMANN SABINE HÜBNER PROF. DR. UWE P. KANNING SABINE ASGODOM DIRK KREUTER „Female Speaker of the Year 2014“ „olympischer Silbermedaillen-Gewinner und Bestseller-Autor“ „Serviceexpertin Nummer 1“ Pro7 „führender Kopf im Personalwesen“ personalmagazin „eine der wichtigsten Frauen der deutschen Wirtschaft“ Financial Times „Speaker of the Year 2011“ 12. 11. 2015 | OLDENBURG | WESER EMS-HALLE Infos & Anmeldung: www.begeisterungs-kongresse.de Geben Sie bei Ihrer Anmeldung den Rabattcode NWZ2015 an und sichern sich einen Preisvorteil von 10%! LEBEN NOVEMBER 2015 I 27 Serientäter: Zeitweise hat Semcoglas fast im Jahrestakt neue Standorte zugekauft. Das Foto zeigt Schüller im Hauptwerk in Westerstede. Erreicht hat sein Vater damit allerdings genau das Gegenteil: Er stachelte den Widerspruchsgeist seines Sohns an. Er weckte in ihm den Willen, seinem Vater zu beweisen, dass er es auf seine eigene Art schaffen würde. Und deshalb heuerte Hermann Schüller selbst dann nicht im väterlichen Betrieb an, als er das Diplom in Betriebswirtschaftslehre in der Tasche hatte und die Zeit als Basketballprofi hinter ihm lag. Stattdessen erhielt er nur die Glassparte von seinem Vater, zusammen mit einem Startdarlehen. Im Gegenzug unterschrieb er einen Erbverzichtsvertrag. Man kann auch darin die beste Entscheidung seiner Karriere sehen. Denn während Schüllers Glasbetrieb zum Mittelständler Semco heranwuchs, haben kleine Tapeten- und Malerbedarfsgeschäfte heute keine Chance Und 2006 schließlich ist Schüller am Ziel: Fast genau zehn Jahre nachdem er beschlossen hat, sein eigenes Floatglaswerk zu haben, feiert Semco die Einweihung in Osterweddingen bei Magdeburg. Er spielt endlich in der Liga der Großen mit. Die zweite Version Das ist die eine Art, die Geschichte von Schüllers Aufstieg zu erzählen. Die Fusion mit Sawatzkis Isoglas 1997 ist darin die beste Entscheidung seiner Karriere. Und wenn man sieht, wie sich das Unternehmen seither zu einem echten Champion in der Glasbranche entwickelt hat, spricht einiges für diese Sichtweise. Man kann die Geschichte allerdings auch viel früher beginnen. Man muss dann zurückgehen bis in Schüllers Schulzeit und zu den Gesprächen, die er mit seinem Vater Herbert Schüller führte. Der hatte damals einen durchaus respektablen Großhandel für Farben, Tapeten, Bodenbeläge und Glas mit 20 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 2,5 Millionen D-Mark. Und sicher hätte er es gern gesehen, wenn sein Sohn nach der Schule in den Betrieb eingestiegen wäre. Doch Hermann Schüller hatte andere Pläne: Er wollte Abitur machen und studieren. Außerdem stand der begabte Basketballer damals am Beginn einer Profikarriere bei Bayern München, die ihn zumindest einige Jahre tragen sollte. Herbert Schüller allerdings hielt nicht viel von einer Unilaufbahn. Wofür sollte das gut sein, wo er doch das florierende Malerbedarfsgeschäft hatte? „Du kannst das nicht, du brauchst das nicht, lass das lieber sein!“: Das war es, was er damals zu hören bekommen habe, erinnert sich Hermann Schüller. mehr gegen Baumärkte wie Obi oder Hornbach. Seinen Erfolg verdankt Schüller in dieser Sichtweise jener Mischung von Trotz, Ehrgeiz und Aufstiegswillen, die sein Vater in ihm geweckt hat. Schüllers Geschichte als Unternehmer hat damit zwei Anfänge – ein Ende ist dagegen nicht in Sicht. Natürlich könnte sich der 63-Jährige zur Ruhe setzen. Er könnte daran arbeiten, sein Golfhandicap von 20,4 zu verbessern oder öfter in den Urlaub fahren. Doch das ist seine Sache nicht. „Unternehmertum hat unglaublich viel mit Leidenschaft zu tun“, sagt Schüller. „Es geht dabei nicht in erster Linie ums Geldverdienen, sondern darum, etwas Bleibendes zu schaffen.“ Wer weiß, vielleicht liegt die beste Entscheidung seiner Karriere ja sogar noch vor ihm. Mercedes zum Mitnehmen. 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Sawatzki ist technikgetrieben, ein Produktmensch, der über ein tiefes Wissen in der Glasverarbeitung verfügt. Schüller dagegen hat seine Stärken vor allem im Vertrieb. Zudem befinden sie sich in unterschiedlichen Lebenszyklen: Hier Schüller, Mitte 40, ein Mann, der seine Karriere längst noch nicht auf dem Zenit sieht und von dem Drang getrieben wird, es den Großen zu zeigen. Da der deutlich ältere Sawatzki, der sich bereits mit der Zeit nach dem Unternehmertum befasst. Trotzdem stellen sie nach den ersten Gesprächen fest: Sie können miteinander. Und auch Sawatzki reizt die Vorstellung, noch einmal anzugreifen. Damit steht, wenn auch nicht gleich ausgesprochen, eine Idee im Raum: Die Unternehmen könnten verschmelzen. Doch keiner der beiden will die Dinge überstürzen. „Ich entscheide nie aus dem Bauch heraus“, erklärt Schüller. Man heirate ja auch nicht gleich nach dem ersten Kennenlernen. Also legen sie einen Zwischenschritt ein, den sie ihre Verlobung nennen: Schüller und Sawatzki gründen eine gemeinsame Marketing- und Vertriebsgesellschaft. Es ist ein Experiment: Sie wollen herausfinden, ob sie auch im Alltag harmonieren, ob es ihnen gelingt, bei all ihrer Unterschiedlichkeit tragfähige Strukturen zu entwickeln. Bislang waren sie Alleinherrscher in ihren Königreichen. Jetzt gibt jeder 50 Prozent seines Territoriums ab und gewinnt dafür 50 Prozent vom anderen. Kann das funktionieren? Der Rollenwechsel ist anfangs nicht einfach. „Es hat mir in dieser Phase geholfen, dass ich mal vier Semester Psychologie studiert habe“, sagt Schüller. Irgendwann aber ist klar: Es funktioniert. Und so schließen sich beide 1997 zu Semcoglas zusammen. Den Namen entwickelt Schüller bei einem Urlaub am Strand von Juist: S wie Schüller und Sawatzki, E wie Engineering und Einkauf, M wie Marketing und Co wie Cooperation. Was folgt, ist eine Phase rasanten Wachstums mit einer ganzen Serie von Zukäufen. Im Jahr 2000 übernimmt Semco einen Standort in Sennfeld, ein Jahr später drei weitere in Gießen, Fulda und Bad Camberg, 2003 folgen Werke in Aschaffenburg und Kiel. DIE WIRTSCHAFT NR. 13 Die andere Karriere: Vor seiner Zeit als Unternehmer war Hermann Schüller als Basketballprofi erfolgreich. In den Siebzigern ging er als Aufbauspieler für Bayern München auf Korbjagd. Die Leidenschaft für den Sport hat ihn nicht losgelassen: Er engagiert sich seit Jahrzehnten für den Basketball in Oldenburg und ist geschäftsführender Gesellschafter des Bundesligisten EWE Baskets. Den Klub, hat er einmal gesagt, führe er mit demselben Einsatz wie einen Standort von Semcoglas. Anbieter: Daimler AG, Mercedesstraße 137, 70327 Stuttgart, Partner vor Ort: Autorisierter Mercedes-Benz Verkauf und Service 26129 Oldenburg, Ammerländer Heerstraße 166–176, Tel.: 0441/7707- 0, Fax: 0441/7707-1200 LEB 28 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 VON ROBERT OTTO Z wei schnelle Schritte nach vorn, die Schuhe quietschen auf dem Hallenboden, der Federball fällt auf meinen Schläger – und landet im Netz. 21:23 verloren, schon wieder. „Man sollte für sich immer sagen können: Ich habe mein Bestes gegeben“, meint Dirk Thole. „Wenn der andere besser war, ist das völlig in Ordnung.“ Eine gute Stunde vorher schälen sich Thole und Jörg Ritter, die beiden Vorstände des Oldenburger IT-Consultingunternehmens BTC, aus ihren dunklen Anzügen und schlüpfen in ihr Sportdress. Wir schlagen zu dritt ein paar lange Bälle über das Netz, zum Warmwerden. Thole poliert währenddessen seinen abgegriffenen Schläger auf. „Ich brauche ein neues Griffband“, hat er gesagt. Schließlich habe der Schläger seit der Abizeit nur herumgelegen. „Ich hatte Sport als viertes Prüfungsfach. Da konnte man mit Badminton gut Punkte sammeln.“ Jörg Ritters aktive Zeit auf dem Badminton-Court liegt „nur“ ein gutes Jahrzehnt zurück. Dass er beim SV Eintracht Oldenburg in der Bezirksoberliga gespielt hat, wissen zu diesem Zeitpunkt weder wir noch sein Doppelpartner. Und deshalb sind wir zuversichtlich, denn der Altersvorteil liegt klar bei uns: Dirk Thole und Jörg Ritter, 46 und 50 Jahre alt, gegen Jörg Schürmeyer und Robert Otto, 38 und 28 Jahre alt, Wirtschafts- bzw. Politikredakteur bei der Nordwest-Zeitung. Zudem haben wir vorsichtshalber geübt – wenn auch gegeneinander. Unsere Gegner dagegen stehen zum ersten Mal gemeinsam auf einem Badminton-Court. Seit 2005 ist Ritter im Vorstand von BTC, Thole stieß Ende 2011 dazu. Seit 2013 führen sie den IT-Dienstleister, eine Tochter von EWE, zu zweit. Mehr als 1600 Mitarbeiter, acht Standorte in Deutschland, Niederlassungen in der Schweiz, Polen, Japan und der Türkei. Bleibt da noch Zeit für Sport? „Die muss man haben“, sagt Ritter. „Alles andere ist immer eine Ausrede.“ Thole sieht das ähnlich: „Wenn einer dauerhaft mehr als 55 Stunden in der Woche arbeitet, dann geht er kaputt“, sagt er. Wer viel in den Job investiert, sollte auch Zeit für Sport finden. Alles eine Frage der Einstellung. Die sah bei ihm selbst vor nicht allzu langer Zeit noch anders aus. 2002 wechselte Thole aus dem EWE-Vorstandsbüro als Geschäftsführer zum Tochterunternehmen EWE Tel. Bis dahin hatte er Tennis in der Landesliga gespielt. Doch plötzlich saß er ständig bis spätabends im Büro. „Von einem auf den anderen Tag habe ich mir eingeredet: Du hast keine Zeit mehr für Sport!“ Und keine für die Familie. „Am Wochenende habe ich dann Wein getrunken und Chips gegessen. Irgendwann wog ich 95 Kilo – 15 zu viel“, erzählt Thole. Zwei Ärzte bescheinigten ihm, auf dem besten Wege zu einer Diabetes-Erkrankung zu sein. Torsten von Reeken (10); 123rf Marathontraining im Morgengrauen Seitdem steht Thole jeden Tag um fünf Uhr auf, setzt eine Stirnlampe auf und läuft. Erst einen Kilometer, dann zwei. 2014 lief er sieben Marathons, in diesem Jahr vier – ohne Wettbewerb geht’s nicht. „Das habe ich in mir“, sagt Thole. Und das bekommen wir jetzt zu spüren. Keine zehn Bälle hat Thole mit neuem Griffband geschlagen, da sagt er: „Von mir aus kann’s losgehen.“ Den ersten Aufschlag hat Dirk Thole – und gibt ihn vorerst nicht mehr her. Erst nach vier Punkten in Folge für das BTC-Doppel wechselt die Angabe. Zehn Punkte haben wir am Ende des ersten Satzes, 21 unsere Gegner. Verlernt haben beide in den vergangenen Jahren offensichtlich wenig. Zumindest reicht es noch, um uns über das Feld zu scheuchen. Thole und Ritter haben ihre Seite des Spielfeldes waagerecht geteilt – einer ist für die kurzen Bälle zuständig, einer für die langen. Wir beackern jeweils die linke und die rechte Hälfte unserer Seite – ein Fehler. Vor allem Ritter lässt uns laufen. Während seine langen Schläge kurz vor der Linie landen, lässt der Manager unsere Bälle reihenweise unberührt ins Aus fallen. Seine Angaben spielt er gekonnt mit der Rückhand knapp über das Netz und mindestens ebenso genau ins Feld. Spätestens nach dem ersten Satz ist klar, warum wir Thole und Ritter beim Badminton treffen. „Ich gewinne gern“, sagt Ritter und lacht. „Deshalb habe ich etwas ausgesucht, wo das nicht ganz aussichtslos ist.“ Auch wenn er das aktive Training vor zehn Jahren beendet hat, fühlt sich Ritter auf dem Court wohl. Beim SV Eintracht hat er sogar seine Frau kennengelernt. Bis auf einen dreijährigen Abstecher ins Saarland hat Ritter immer in Oldenburg gelebt. Er gehörte zum ersten Jahrgang, der an der Uni bis 1991 Informatik studiert hat. „Es gab immer eine große Nähe zu allem, was hier im Informatikumfeld passierte. Daraus ist dann mehr entstanden. Es gab immer die nächste Chance, es ging immer weiter.“ Mitte der 90er Jahre kam Ritter aus dem Saar- Zu Due Sie sind ein eingespieltes Team führen seit zwei Jahr Oldenburger IT-Consu Aber harmonieren si Vorstandsetage? Um das hera einem Badminton-Do Für eine der beiden schmerzhafte Le BEN um uell! m: Dirk Thole und Jörg Ritter ren gemeinsam das ultingunternehmen BTC. ie auch außerhalb der auszufinden, haben wir sie zu oppel herausgefordert. Seiten sollte es eine ektion werden. NOVEMBER 2015 land zurück nach Oldenburg, um zu promovieren. Heute nennt er seinen Abstecher nach Saarbrücken seine Zeit im Ausland. Und irgendwie war seine Rückkehr auch abzusehen: „Die Saarländer haben ein ähnliches Verhalten wie die Oldenburger. In Saarbrücken gibt’s einen Spruch: Der Saarländer löst sich vom Elternhaus und baut in den Vorgarten. So ähnlich ist es hier auch.“ Gleichberechtigtes Doppel Das Unternehmen führen Thole und Ritter gleichberechtigt, aber mit unterschiedlichen Aufgaben. Thole ist vor allem für die Zahlen zuständig, Ritter für die Inhalte. „Wir wollen vorleben, dass wir ein Team sind“, sagt Thole, „gerade auch bei der Komplexität und Menge an Themen, an Produkten, an Services, an unterschiedlichen Kunden. Das kann nicht mehr von einem Kopf allein gesteuert werden.“ Und als Team funktionieren sie auch beim Badminton. Einer ist für die kurzen Bälle zuständig, einer für die langen. Und während ich noch vorn am Netz stehe, wo ich den Ball von Thole mit Mühe erwischt habe, feuert mir Ritter den Ball direkt am Körper vorbei. Trotz eines guten Starts geben wir auch Durchgang zwei ab. Nach kurzer Führung heißt es 13:21. „Das macht Spaß“, sagt Thole – ganz ohne Häme. Auch der 46-Jährige war nur kurz weg: Banklehre in Osnabrück, Studium in Bayreuth. „Oldenburg bietet doch alles“, sagt er. Obwohl er betont, dass er im Gegensatz zum „Ur-Oldenburger“ Ritter Süd-Oldenburger ist. Aufgewachsen ist Thole in Vechta, heute lebt er in Lohne. Mit Ritter hat Thole aber nicht nur den Heimatsinn, sondern auch der Ehrgeiz gemeinsam. „Wenn ich mich auf einen Sport einlasse, muss es auch darum gehen zu gewinnen“, sagt er. Während Ritter vor allem durch Technik und Übersicht glänzt, hechtet sein Doppelpartner im dritten Satz hinter einem kurz gespielten Ball her. Obwohl wir besser werden, geht auch Satz drei an unsere Gegner – 16:21. Doch wir kommen näher. Nicht nur von sich selbst fordert Thole Ehrgeiz, auch von seinen Mitarbeitern. „Wenn sich jemand nicht anstrengt und nicht versucht, seine Höchstleistung zu bringen, dann ist das verurteilenswert.“ An ihre Mitarbeiter haben beide hohe Ansprüche. „Wir wollen starke, selbstbewusste Charaktere“, sagt Thole. Bei den Produkten, die BTC anbietet, wollen die Manager immer unter den top drei in Deutschland sein, egal „ob man ein System weiterentwickeln soll oder ein Shopsystem einführt“, sagt Thole. Seit der Vorstand 2013 auf zwei Personen halbiert wurde, ist auch für die Mitarbeiter die Verantwortung gestiegen. „Ich kann mich als Vorstand nicht um 325 Euro kümmern, das muss ein Mitarbeiter selbst entscheiden können. Nur so ist ein Wechsel von vier zu zwei Vorständen möglich“, sagt Thole, der sich trotz allem auch als Individualist sieht. „Viele Manager sind mehr Individuum als Teamplayer. Aber eine gute Mannschaft kann auch aus mehreren Individualisten bestehen.“ Eigentlich wäre längst Schluss, trotzdem spielen wir einen vierten Satz. Und jetzt müssen auch unsere Gegner noch einmal alles geben. Wir kämpfen uns von 16:20 auf 20:20 heran – vergeblich. Am Ende fällt der Federball auf meinen Schläger – und landet im Netz. Aber wenn die Gegner besser waren, ist das vollkommen in Ordnung. MANAGER GEGEN REPORTER Die Manager Seit dem Vorstandsumbau führen Jörg Ritter (50) und Dirk Thole (46) den IT-Dienstleister BTC gemeinsam. Ritter ist in Oldenburg geboren und studierte hier Informatik. Nach einem Abstecher zu IDS Scheer in Saarbrücken kehrte er 1995 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Informatikinstitut Offis nach Oldenburg zurück. 2000 promovierte er, seit 2005 ist er Teil des BTCVorstands, seit 2013 für das operative Geschäft und die Unternehmensentwicklung verantwortlich. Thole studierte Betriebswirtschaft in Bayreuth. Nach Stationen bei Pricewaterhouse-Coopers in Oldenburg, im Vorstandsbüro von EWE und als Geschäftsführer bei EWE Tel wechselte der Diplom-Kaufmann 2011 in den BTC-Vorstand. Beide sind verheiratet, Ritter hat ein Kind, Thole drei. Das Unternehmen Die BTC Business Technology Consulting AG bezeichnet sich selbst als eines der führenden IT-Consultingunternehmen Deutschlands. Das Unternehmen mit mehr als 1600 Mitarbeitern und Hauptsitz in Oldenburg erzielte 2014 einen Umsatz von 201,3 Millionen Euro. Die Serie Sein wahres Ich zeigt der Mensch eher im Wettkampf als bei einer Tasse Tee. In dieser Serie fordern wir daher in jeder Ausgabe Entscheider heraus. Ob Tischkicker oder Tennis, Bowling oder Boxen – die Disziplin bestimmt der Interviewpartner. Unter anderem haben wir gegen Ex-EWE-Chef Werner Brinker Basketball und gegen Oldenburgs OB Jürgen Krogmann Fußball gespielt. Die Kontrahenten: Jörg Ritter (mittleres Bild, vorn links) und Dirk Thole (hinten links) treten bei Bahama-Sports in Oldenburg gegen Robert Otto (vorn rechts) und Jörg Schürmeyer an. Anzeige Anzeige DIE WIRTSCHAFT – Profis aus der Region Ergonomische Büromöbel Abbruchunternehmen Büroeinrichtung Abbruchunternehmen Sven Schubert Renken-Variostem Borsigstr. 3-9 26160 Bad Zwischenahn Tel. 0 44 03 / 22 79 Individuelle Büroeinrichtungen. 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Der besondere Schuh hat weder besondere Materialien, noch ist er für einen speziellen Anlass. „Meine Kunden sind meist mit der Standardware in den Schuhläden nicht mehr zufrieden“, sagt der Schuster. Entweder hätten sie zu große oder zu breite Füße, oder sie ärgerten sich über die Kurzlebigkeit manches Lederpaares. Simme füllt mit seinem Geschäft eine Lücke, und seine Kunden nehmen dafür weite Wege in Kauf. Selbst aus Hannover kommen Käufer in seinen Laden und lassen sich beraten. Viele finden auch über seinen Webshop zu ihm. Der deutlich höhere Preis gegenüber dem Einzelhandel schreckt sie dabei nicht. Ein Maßschuhpaar von Simme kostet zwischen 1200 und 1300 Euro. „Im Laden geht es meist um modische Aspekte, ich kümmere mich um die optimale Passform für den Kunden und somit den höchsten Tragekomfort“, sagt der Schuster. Simme geht „handwerklich“ an die Sache heran. Ihm sind das richtige Material und solide Herstellung wichtig – künstlerische Entfaltung und schräge Designs sind ohnehin nicht gefragt. Kein Schnickschnack eben. Muss es vermutlich auch nicht sein, denn 90 Prozent seiner Kunden sind männlich. Und die haben andere Anforderungen an einen Schuh als Frauen, sagt der Experte. „Bei Frauen wechselt die Mode zu stark“, sagt der 43-Jährige. Bei Männern habe sich die Form der Schuhe in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Ob Bundschuh, Blattschnitt oder der lochgemusterte Budapester – die Männermode entwickle sich langsam und wiederhole sich stetig. „Ein Maßschuh hält bis zu zwölf Jahre, da sollte man keine Experimente wagen“, sagt Simme. Daher verarbeitet er vor Torsten von Reeken (5) Der Letzte seiner Zunft allem Kalbsleber. „Ich bin kein Freund von exotischem Schlagenleder für Schuhe“, sagt er. Da weigere er sich auch gern. Die Qualität seines Materials ist dem Schuster, der neben der Herstellung auch Schuhe repariert, äußerst wichtig. „Ich tue mich bei der Beschaffung mit anderen Maßschuhmachern in Deutschland zusammen“, sagt Simme. Sein Leder kommt aus Italien und wird in Frankreich gegerbt. „Es gibt immer weniger Gerbereien, die das Le- ... mit dem Maserati Ghibli Ob Auto, Fahrrad oder Draisine: Wir testen in jeder Ausgabe ein anderes Verkehrsmittel. VON SABRINA WENDT E in kurzer Tritt aufs Gaspedal, der Motor röhrt, und mein Puls steigt. Oliver Koke von der Oldenburger Autogalerie Schlickel erklärt mir noch schnell die technischen Finessen des Maserati Ghibli, dann bin ich bereit für eine Testfahrt. Das ist bestimmt ein Benziner, denke ich mir bei dem satten V8-Sound, der aus den vier Auspuffrohren dröhnt. Doch ich werde eines Besseren belehrt. Unter der Haube werkelt ein V6-Diesel mit 275 Pferdestärken. Das Schalten übernimmt ein Achtgang-Automatikgetriebe. Wer möchte, kann über den Knauf auch selbst schalten, optional gibt es Schaltwippen. Optisch besticht der Wagen durch seine elegante Linie mit typischen Merkmalen des zur Fiat-Gruppe gehörenden Autobauers – etwa dem mächtigen Kühlergrill mit Dreizack-Logo und den Alurädern. Maserati setzt auf Komfort, der Ghibli ist eine Limousine, die auch sportlich kann. Wer den Sportmodus auswählt, wird nicht nur mit einem satten V8-Sound belohnt, der Wagen fährt auch mit höherer Drehzahl und zieht schneller an, verbraucht aber mehr. Für lange Strecken eignet sich der Komfortmodus. Bequem von A nach B zu kommen, lautet hier die Devise. Ich entscheide mich für den Sportmodus. Um den Wagen ken- nenzulernen, werden ein paar Runden in Oldenburgs Innenstadt gedreht. Der Ghibli hat Heckantrieb, die Lenkung ist sehr direkt. Nun wird es Zeit, den sportlichen Italiener von der Leine zu lassen. Ein kurzer Zwischenstopp, um das Ziel ins Navi einzugeben: Apen im Ammerland. Das Cockpit wirkt aufgeräumt, alle wichtigen Funktionen sind einfach erreichbar, die Bedienung ist meist selbsterklärend. Ein Gimmick ist die für Maserati obligatorische analoge Uhr in der Mitte der Armatur. Auch sonst ist alles an Bord, was man von einer Limousine der gehobenen Mittelklasse zu einem Listenpreis ab 65 000 Euro erwartet: Tempomat, Ledersitze, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Klimaautomatik und ein schlüsselloses Schließsystem sind nur einige Funktionen. Andere wie Sitzheizung oder WLAN gibt es gegen Aufpreis. Auf der Autobahn ist der Ghibli in seinem Element – kein Tempolimit und freie Strecke. Ich trete kräftig aufs Gaspedal, nach einer kurzen Anfahrtschwäche legt der V6Motor los. In knapp über sechs Sekunden beschleunigt der Wagen auf 100 Stundenkilometer, Schluss ist erst bei 250 Sachen. Ich schalte nun in den Komfortmodus. Prompt wird der Motor leiser, die Drehzahl sinkt. Die leistungsstarken Brembo-Bremsen reagieren auch bei hoher Geschwindigkeit zuverlässig. Entspannt komme ich am Zielort an. Nun heißt es einzuparken – mit der Rückfahrkamera und dem Parkassistenten klappt das problemlos. Auf dem Parkplatz ernte ich neugierige Blicke von Passanten. Der Spagat zwischen Klassik und Moderne ist den Italienern mit dem Ghibli gelungen. Etwas wehmütig gebe ich den Wagen nach einigen Stunden wieder ab. Limousine, die auch sportlich kann: Mit 275 PS beschleunigt der Maserati Ghibli in knapp über sechs Sekunden auf 100 Stundenkilometer. Der Schuster und sein Leisten: Frank Simme arbeitet mit traditionellen Werkzeugen und Materialien. Für Schnickschnack wie Schlangenleder hat er nichts übrig. der so bearbeiten, wie wir es brauchen“, erzählt Simme. Mit rund 150 Maßschuhmachern in Deutschland zählt die Branche auch eher zu den Winzlingen. Eine besondere Herausforderung sei die Beschaffung von Pech für den Fadenabschluss. „Es produziert niemand mehr Pech“, sagt er. Nur in Leipzig seien er und seine Kollegen doch noch fündig geworden. Wenn er das passende Material für den Kunden ausgewählt hat und nach einem langen Gespräch weiß, was für einen Schuh er sich wünscht, geht es an die Produktion. Über den Leisten wird ein Plastikschuh angefertigt, mit Leder überzogen und gezwickt. Bei der zweiten Anprobe wird so lang probiert, bis der Schuh optimal passt. Erst danach kann er weiterverarbeitet werden. Im Schnitt einen Schuh pro Woche produziert Simme mit seinen Mitarbeiterinnen Mara Klötzing und Conny Kleene. Vom Leisten bis zum fertigen Schuh kann es bis zu 16 Wochen dauern. Am Ende wird der Leisten aufgehoben – fürs nächste Mal. WIR LIEBEN KÜCHEN. Die neuen Sonntag, den 8.11. 2015 Modelle sind da! verkaufsoffen von 13-18 Uhr ÜBER 60 MARKENKÜCHEN AUF ÜBER 1900 M2 AUSSTELLUNGSFLÄCHE Küchen Tenne GmbH Düserweg 2 • 26180 Rastede Tel. 0 44 02 / 9 26 80 www.kuechen-tenne-rastede.de Mo. – Fr. 9 – 18.30 Uhr Sa. 9 – 16.00 Uhr 32 I DIE WIRTSCHAFT I NR. 13 FROHES SCHAFFEN NOVEMBER 2015 It’s Bingo-Time! Worthülsen, Stilblüten, ausgelutschte Phrasen: Was uns von Kollegen, Chefs und Mitarbeitern täglich um die Ohren gehauen wird, ist oft kaum zu ertragen. Machen wir das Beste daraus – beim Bullshit-Bingo! VON VOLKER KÜHN (TEXT) UND CARSTEN LÜDEMANN (ILLUSTRATION) „Wir haben uns die Entscheidung gewiss nicht leicht gemacht, aber wir kommen nicht umhin ...“ (... Ihren Arbeitsplatz zu streichen / ... das Werk in Nordenham zu schließen etc.) „Überprüfen Sie bitte Ihr Mindset, ob Sie noch immer das richtige Wording finden.“ „In einem herausfordernden Marktumfeld ist es uns gelungen, die rückläufigen Ergebniszuwächse über das Niveau der Mitbewerber hinaus zu steigern.“ „Ich will nicht, dass Sie von Problemen reden, ich erwarte, dass Sie mir Lösungen präsentieren.“ „Wir müssen die Kunden (Mitarbeiter / Geschäftspartner) da abholen, wo sie stehen.“ „Sie wissen, dass die Geschäftsleitung Ihren Wunsch nach einer Gehaltserhöhung prinzipiell vollumfänglich befürwortet. Leider ...“ „Wer mich kennt, der weiß, ... (... dass ich nichts mit denen gegen mich erhobenen Vorwürfen ... / ... stets in bester Absicht ...) „Es gehört bei uns zum Prinzip gelebter Transparenz ...“ „... werden Sie es als Ausdruck besonderer Wertschätzung verstehen, dass wir Ihnen anstelle einer Gehaltszulage den Titel Deputy Designer of Cross-Functional Operations verleihen.“ „Unsere rock solid Status-quo-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass eine zunehmende Volatilität der Schwellenlandindizes auch künftig nicht ausgeschlossen werden kann.“ „Es gehört zu unserem Core Business das Agendasetting jeder Änderung des Marktumfelds asapst anzupassen.“ „Dafür bräuchte man entschieden mehr Manpower.“ „Ich begrüße durchaus Ihre Initiative, aber Ihr Vorschlag erscheint mir leider doch etwas zu akademisch.“ „Am Ende des Tages ist das Einzige, was zählt, dass ...“ „Könnten wir das Meeting für einen kurzen Bio-Break unterbrechen? Ich hatte wohl etwas zu viel Kaffee.“ „Die Broker waren schon so lange bullish, dass die jüngste Correction längst überfällig war.“ „Ich bin der Letzte, der Kollegenschelte betreiben würde. Aber Herr Schröder aus der Projektfinanzierung ...“ „Schön, dass Sie das Projekt bekommen haben, aber seien wir mal für einen Moment ehrlich: Das waren doch Low-Hanging Fruits.“ „Exzellente Idee! Arbeiten Sie bitte trotzdem noch einen Plan B aus.“ „Sie können nicht erwarten, dass wir die Targets erreichen, wenn das Forecast aus der Unit Marktforschung regelmäßig dermaßen ungenau ist.“ „Meine Schwächen? Ich bin vielleicht manchmal etwas zu genau in meiner Arbeit.“ „Da draußen auf den Märkten herrscht Krieg, und wir werden ihn nur gewinnen, wenn ...“ (... wir alle zwei Stunden mehr arbeiten / ... das Werk in Nordenham schließen.) „... glauben wir, dass unser neues Produkt das Potenzial zu einem echten Game-Changer hat.“ „Natürlich wird Work-Life-Balance in unserem Hause großgeschrieben. Bei Belastungsspitzen allerdings ...“ „Wenn die Urgency nicht mit der Solution matcht, müssen wir das ganze Projekt reschedulen.“ DIE SPIELREGELN: FINDEN SIE FÜNF PHRASEN IN EINER REIHE Jeder Kollege Ihrer Abteilung benötigt einen Spielbogen. Machen Sie Kopien, besser noch: Kaufen Sie diese Ausgabe kiloweise am Kiosk. Dann geht’s los. Wann immer Ihnen in den folgenden Stunden und Tagen eine der oben genannten Phrasen begegnet, dürfen Sie das entsprechende Feld durchstreichen. Zunächst bedeutet das eine gewisse Umstellung: Statt nur höflich zu den Worthülsen Ihrer Vorgesetzten und Kunden zu nicken, müssen Sie wirklich auf das achten, was sie sagen, Wort für Wort! Das ist hart, aber andernfalls ziehen all die sinnentleerten Floskeln und Perlen des Business-Talk an Ihnen vorbei. Ein Tipp: Studieren Sie Jahresbilanzen, Ad-hoc-Mitteilungen sowie die Berichte von Wirtschaftsweisen und Ministerien! Sie werden reiche Beute machen. Lauschen Sie dem Moderator des Börsensenders, lesen Sie das Editorial Ihres Konzernchefs in der Mitarbeiterzeitung – überall werden Sie fündig! Haben Sie alle Phrasen in einer Reihe (horizontal, vertikal oder diagonal) angekreuzt, springen Sie auf und rufen: „Bingo!“ Der Erste, der „Bingo“ ruft, hat gewonnen. Zur Belohnung muss der Kollege mit den wenigsten Kreuzen auf seinem Spielbogen Sie im nächsten Team-Meeting vertreten, Sie dürfen schwänzen. Und jetzt committen Sie sich mal schön für die kreative Challenge!
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