Interview ( 0,3 MB)

Interview mit Marco Herold, Teamleiter LEILA aktiv und Silke Korbel, Leitung Motiv AG
21.5.2015
Seit dem 01.04.2015 gibt es bei uns im Bereich Markt und Integration das Team LEILA aktiv.
Ein Teil hiervon ist die Motiv AG, um die es im folgenden Interview geht. Daneben gehören
zum Team noch die mit europäischen Mitteln geförderten Projekte „ESF-Bundesprogramm
für Langzeitarbeitslose“ und „Coaching von Bedarfsgemeinschaften“.
Mitarbeiterzeitung: Silke, was heißt eigentlich Motiv AG?
Silke: Motiv AG steht für motivieren und aktivieren und Gruppen.
Mitarbeiterzeitung: Und was heißt LEILA aktiv?
Marco: Die Bezeichnung LEILA aktiv schließt zum einen an das Projekt LEILA 50 Plus an,
das zum Jahresende ausläuft. Hier wurden in den letzten Jahren Ansätze ausprobiert, die wir
nun seit dem 1.4.2015 in das Regelgeschäft im Jobcenter mit einer festen Struktur eingebaut
haben; sprich: sie sind nun Teil der Geschäftspolitik. Beispiele sind: die aktive
Arbeitgeberansprache für unsere KundInnen mit ihren spezifischen Belangen. Hier sind die
kleinen und mittleren Unternehmen die passenden. Zudem wurde aus LEILA 50 plus heraus
der Ansatz des Gruppencoachings entwickelt. Zum anderen greift LEILA aktiv eine Art des
behördlichen Arbeitens auf, die man weitläufig dem Begriff „Work-first-Ansatz“ zuschreiben
kann. Auf Deutsch: „Arbeit zuerst“, aber mit anderen Ansätzen als den bisher bekannten.
Das Lernziel „Der Kunde erkennt seine aktive Rolle“ zieht sich durch wie ein roter Faden. In
der Welt der kommunalen Jobcenter ist dieser Ansatz etwas gewohnter, genauso wie in
anderen europäischen Ländern wie der Niederlande. Den ersten Kontakt mit dem
Gruppencoaching hatten wir z. B. durch das Jobcenter Landkreis Offenbach, der PRO
Arbeit.
Mitarbeiterzeitung: Erkennt der Kunde seine aktive Rolle nicht durch 1:1-Gespräche?
Warum Gruppencoaching?
Silke: Im Grunde schon. Der Ansatz unseres Gruppencoachings ist eine Ergänzung in
mehrfacher Hinsicht: 1) Bei Kundinnen und Kunden, die bei schon lange bei uns im Bezug
sind kommen wir teilweise mit dem 1:1-Ansatz alleine nicht mehr weiter. Das
Gruppencoaching bietet hier die Möglichkeit, neue Impulse zu setzen, die dann im
Einzelgespräch aufgegriffen werden. Bei den Langzeitarbeitslosen liegt auch der Ursprung
unseres Gruppencoachings. 2) In der Motiv AG, das inzwischen für jeden Tag ein
Gruppenangebot vorhält gelingt es uns auch, unsere Dienstleistungen für die Kunden
zusammenzuführen. Beispiel: eine Kundin stellt am Mittwoch einen Antrag auf Alg II. Am
nächsten Montag ist sie schon mit weiteren KundInnen im Aktivierungs- und
Orientierungscoaching. Am Dienstag kommt Peter mit seinen Stellen und vermittelt sie in
eine MAG bei einem Arbeitgeber. Ist die Kundin allerdings zu weit weg vom ersten
Arbeitsmarkt kann am Dienstag Udo mit einer Arbeitsgelegenheit nachsteuern. Ist die Kundin
noch alleinerziehend, kann die Kundin das Coaching von Bedarfsgemeinschaften bei Julia
und Barbara in Anspruch nehmen. Hat die Kundin noch gesundheitliche Probleme gibt es
unser JobFit-Angebot, ein Gesundheitscoaching. Die Struktur der Motiv AG verbindet all
unsere Kompetenzen, die wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben. Warum dann für
diese Angebote bei einem Träger Maßnahmen einkaufen?
Marco: Genau, deshalb sind wir mit der Motiv AG seit dem 15.4.2015 auch wie ein
Bildungsträger nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung
(AZAV) zertifiziert. Um den Trägern zu signalisieren: wir erfüllen die gleichen Standards wie
ihr, wir mogeln uns da nicht durch. Wir werden aber nicht nach außen gehen.
Mitarbeiterzeitung: Das hört sich ja alles gut an. Aber was kommt am Ende raus? Für die
Zahlen des Jobcenters und für die Kolleginnen und Kollegen.
Marco: Seit Beginn des Aktivierungs- und Orientierungscoachings haben seit dem 13.4.
in der ersten Woche nach Antragstellung 69 KundInnen eine Einladung erhalten. 46 haben
teilgenommen bzw. nehmen noch teil, da die Maßnahmedauer 4 Wochen beträgt. Durch
Peters Betriebskontakt kam bisher 1 Einstellung dabei raus, es laufen 4 Arbeitserprobungen
laufen, 8 assistierte Vorstellungsgespräche sind gelaufen. 3 Anträge wurden zurückgezogen,
es fanden auch diverse Wechsel in andere Motiv AG-Angebote statt (siehe oben). Man muss
bedenken: Davor schlummerten die KundInnen bis zur Bewilligung erst einmal im Bestand.
Bei den genannten Fällen passiert schon was vor dem Leistungsbescheid. Das ist ein
Fortschritt: für die KundInnnen und für uns. Im Idealfall fallen die Kunden komplett vor dem
Erstgespräch in der Vermittlung raus, oder sie haben schon einen konkreteren Plan für die
weitere Strategie. Beim Gruppencoaching für Langzeitarbeitslose, das wir seit Anfang
2013 durchführen haben wir im Schnitt ein passable Integrationsquote von ca. 22 Prozent.
Und das bei einer Zielgruppe, bei der es erst einmal darum geht, einen neuen Ansatz der
Zusammenarbeit zu finden. Das Gruppencoaching-Prinzip funktioniert hier, weil es die
KundInnen motiviert.
Bei den sonstigen Angeboten der MotivAG müssen wir aber noch Erfahrungswerte sammeln.
Da wir aber zertifiziert sind und die fachkundige Stelle Certqua prüft, müssen wir uns auch
den Zahlen stellen. Sprich: Am Ende des Jahres können wir Genaueres von uns geben.
Mitarbeiterzeitung: Was bringt es für die KollegInnen?
Silke: Für die KollegInnen aus dem MuI-Bereich, die „im Rotationssystem“ beim den
Gruppencoachingangeboten einspringen hatte es schon das Positive, dass sie durch die
vorgeschaltete Schulung einen neuen Ansatz zur Zusammenarbeit mit den KundInnen
kennengelernt haben. Das ist natürlich nur ein ideeller Wert, aber die Arbeit muss ja auch
Spaß machen. Und es gibt die Freiheit, den Ansatz für sich selbst zu nutzen. Warum fünfmal
am Vormittag mit KundInnen die Eigenbemühungen im Einzelgespräch thematisieren? In
einer Gruppe geht das auch, mit den positiven gruppendynamischen Effekten. Gestützt wird
die Motiv AG durch feste Coaches wie den Kollegen Ralf sowie Silke, die als „SpringerCoach“ agiert, als Leitung übergeordnete Fragen klärt und so gut wie möglich administrative
Aufgaben abnimmt. Ein Aufgabengebiet, das noch im Wandel ist.
Mitarbeiterzeitung: Und für die KollegInnen aus der Leistung?
Silke: Für die ändert sich in ihrer Arbeit nichts. Die Hauptbetreuung bleibt wie bisher: vor
dem Leistungsbescheid beim EAS, danach beim zuständigen pAp.
Mitarbeiterzeitung: Wie geht es weiter mit der Motiv AG?
Marco: Wir bewegen uns weiter auf diesem Entwicklungspfad. Ich denke die Zukunft der
kundenorientierten Arbeit liegt in dem Zusammenspiel von Einzelgesprächen und
Gruppencoaching, da es die richtige Mischung zwischen „Fördern, motivieren und fordern“
darstellt. Unsere Motiv AG wurde von der RD Bayern als Vorzeigemodell zum Umgang mit
Langzeitarbeitslosen in einen „Modulbaukasten“ als best-practice-Beispiel aufgenommen.
Am 22.6.2015 darf sich unser Jobcenter beim bundesweiten Tag der Jobcenter zusammen
mit 7 anderen Jobcentern u. a. wg. dieses Ansatzes präsentieren. Hier wurden wir aus ca. 75
Jobcentern ausgewählt! Nicht ohne Grund dürfen wir deshalb stolz drauf sein, denn es gibt
nicht viele gemeinsame Einrichtungen, die hier etwas Gleichartiges ausprobieren. Ich kenne
aktuell nur das JC Segeberg ganz im Norden. Das Abweichen von der gewohnten Routine
kann aber auch Unsicherheiten verursachen. Deshalb auch ein dickes Danke an all
diejenigen Kolleginnen aus Adams Team, die den Ansatz mit nutzen sowie mit ihrer
Kooperation stützen.
Anmerkungen der Redaktion:
Die Motiv AG im Internet: www.sozialnetz-ab.de/motivag
Den Wochenplan mit weiteren Infos gibt es in der Infoplattform: IKS  Markt und Intregration
 Motiv AG