„Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung

Technische Universität München
Fakultät für Sport- und
Gesundheitswissenschaften
„Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit
Beeinträchtigung durch die Förderung
gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung“
Kloster Irsee, 14. März 2016
Christiane Kellner
Lehrstuhl Diversitätssoziologie
1
Inhalt
1. Kontext
2. Verständnis von Beeinträchtigung und Behinderung
3. Lebensqualität: die Frage nach dem gutem Leben
4. Gesellschaftliche Teilhabe
5. Selbstbestimmung
6. Folgerungen
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2
Drei signifikante Ereignisse in den 2000er
•
Inkraftsetzung des Sozialgesetzbuches SGB IX „Rehabilitation und
Teilhabe (2001):
 Ziel einer Rehabilitation und gleichberechtigten Teilhabe behinderter
Menschen an der Gesellschaft.
•
Einführung des neuen Klassifikationssystem der WHO: International
Classification of Functioning, Disabilities and Health´ (ICF) (2001):
 bringt ein verändertes, sozial und gesellschaftlich ausgerichtetes
Verständnis von Behinderung zum Ausdruck.
•
Ratifikation der UN-Menschenrechtskonvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderung durch die Deutsche Bundesregierung (2009):
 Zentral: Teilhabe vom Menschen mit Behinderung an den
Lebensformen und Gütern der Gesellschaft.
(Gröschke, 2011: 10ff)
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3
Neue OBA-Förderrichtlinie
Richtlinie zur Förderung von regionalen ambulanten Diensten zur Sicherung
der Teilhabe von Menschen mit geistigen und/oder körperlichen
Behinderungen sowie sinnesbehinderten und chronisch kranken Menschen
(Förderrichtlinie Regionale „offene Behindertenarbeit“)
Grundsatz:
•
Führung eines möglichst selbstständigen, eigenverantwortlichen
Lebens zu unterstützen und die Familien mit behinderten Angehörigen zu
entlasten.
•
die regionalen OBA-Dienste schaffen Beteiligungsstrukturen für
Menschen mit Behinderungen in den Diensten.
 Verweist auf Artikel 19 der UN-BRK (Unabhängige Lebensführung und
Einbeziehung in die Gemeinde)
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4
UN-BRK, Artikel 19: Unabhängige Lebensführung
und Einbeziehung in die Gemeinschaft
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen
mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben,
und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss
dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu
erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass
a)
Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen
und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen
Wohnformen zu leben;
b)
Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen
Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen
Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung
des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur
Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;
c)
gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit
Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren
Bedürfnissen Rechnung tragen.
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Gesundheitswissenschaften
2. Das Verständnis von Beeinträchtigung und Behinderung
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6
ICF: International Classification of
Functioning, Disability and Health
Länder- und fachübergreifende
Beschreibung des funktionalen
Gesundheitszustandes.
Bio-psychosoziales Modell, d.h.
mit dem
Sozialen Modell.
Naidoo, Jeannie & Wills, Jane
(2010) Lehrbuch der
Gesundheitsförderung. Köln:
Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, S. 61.
http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/
eine Synthese des
Medizinischen Modells
International Classification of
Functioning, Disability and Health (ICF)
(vgl. WHO 2005: 23).
International Classification of
Functioning, Disability and Health (ICF)
Körperfunktionen: physiologische
Funktionen von Körpersystemen
(einschließlich psychologische
Funktionen)
Körperstrukturen:
anatomische Teile des Körpers, wie
Organe, Gliedmaßen und ihre
Bestandteile
(vgl. WHO 2005:18ff)
Körperfunktionen sind die physiologischen Funktionen von
Körpersystemen (einschließlich psychologische Funktionen).
Körperstrukturen sind anatomische Teile des Körpers, wie Organe,
Gliedmaßen und ihre Bestandteile.
• Schädigungen sind Beeinträchtigungen einer Körperfunktion oder struktur, wie z.B. eine wesentliche Abweichung oder ein Verlust.
http://www.icfillustration.com/icfil_eng/b/b.html
ICF: Körperfunktionen und -strukturen
ICF: Körperfunktionen und -strukturen
Körperfunktionen
Körperstrukturen
1
Mentale Funktionen
Strukturen des Nervensystems
2
Sinnesfunktionen und Schmerz
Auge & Ohr
3
Stimm- und Sprechfunktionen
Strukturen, die an der Stimme und dem
Sprechen beteiligt sind
4
Funktionen des kardiovaskulären,
hämatologischen, Immun- und
Atmungssystems
Strukturen des kardiovaskulären, des
Immun- und des Atmungssystems
5
Funktionen des Verdauungs-, des
Stoffwechsel- und des
endokrinen Systems
Mit Verdauungs-, Stoffwechsel und
endokrinen System in Zusammenhang
stehende Strukturen
6
Funktionen des Urogenital- und
reproduktiven Systems
Mit Urogenital- und Reproduktionssystem
in Zusammenhang stehende Strukturen
7
Neuromuskuloskeletale und
bewegungsbezogene Funktionen
Mit der Bewegung in Zusammenhang
stehende Strukturen
8
Funktionen der Haut
Strukturen der Haut
ICF: Bio-psychosoziales Modell
(vgl. WHO 2005: 23)
Aktivitäten und Partizipation [Teilhabe]
http://www.icfillustration.
com/icfil_eng/d/d8.html
http://www.icfillustration.
com/icfil_eng/d/d6.html
http://www.icfillustration.
com/icfil_eng/d/d5.htm
http://www.icfillustration
.com/icfil_eng/d/d1.htm
Eine Aktivität bezeichnet die Durchführung einer Aufgabe oder Handlung
(Aktion) durch einen Menschen.
• Beeinträchtigungen der Aktivität sind Schwierigkeiten, die ein Mensch
bei der Durchführung einer Aktivität haben kann.
Partizipation [Teilhabe] ist das Einbezogensein in eine Lebenssituation.
• Beeinträchtigungen der Partizipation [Teilhabe] sind Probleme, die
ein Mensch beim Einbezogensein in eine Lebenssituation erlebt.
ICF: Aktivitäten und Partizipation [Teilhabe]
Lebensbereiche
Beispiel
1
Lernen und Wissensanwendung
Bewusste sinnliche Wahrnehmung
2
Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
Mit Stress umgehen
3
Kommunikation
Gebrauch von
Kommunikationsgeräten
4
Mobilität
Körperposition ändern
5
Selbstversorgung
Sich waschen
6
Häusliches Leben
Einkaufen
7
Interpersonelle Interaktionen und
Beziehungen
Mit Fremden umgehen
8
Bedeutende Lebensbereiche
Arbeit und Beschäftigung
9
Gemeinschafts-, soziales und
staatsbürgerliches Leben
Religion und Spiritualität
International Classification of
Functioning, Disability and Health (ICF)
Faktoren der materiellen, sozialen und
verhaltensbezogenen Umwelt
(vgl. WHO 2005: 18ff).
Eigenschaften und Attribute der Person
(z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung, Lebensstil,
Motivation, genetische Prädisposition)
ICF: Kontextfaktoren
http://www.icfillustration
.com/icfil_eng/e/e5.html
http://www.icfillustration
.com/icfil_eng/e/e3.html
http://www.icfillustration
.com/icfil_eng/e/e2.html
http://www.icfillustration
.com/icfil_eng/e/e1.html
Umweltfaktoren bilden die materielle, soziale und einstellungsbezogene
Umwelt ab, in der Menschen leben und ihr Dasein entfalten.
• Ebene des Individuums: unmittelbare, persönliche Umwelt eines
Menschen einschließlich häuslicher Bereich, Arbeitsplatz und Schule.
• Ebene der Gesellschaft: formellen und informellen sozialen Strukturen,
Dienste und übergreifenden Ansätze oder Systeme
Personenbezogene Faktoren sind der spezielle Hintergrund des Lebens
und der Lebensführung eines Menschen.
ICF: Umweltfaktoren
Klassifikation
Beispiel
1
Produkte und Technologien
Medikamente
2
Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt
Fußwege
3
Unterstützung und Beziehungen
Freunde
4
Einstellungen
Einstellung der Wirtschaft
zu Teilzeitarbeitsplätzen
5
Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze
Rechtsvorschriften
ICF: Umweltfaktoren
http://www.nichtlustig.de/toondb/080822.html
International Classification of
Functioning, Disability and Health (ICF)
Behinderung entsteht dann, wenn eine unzureichende Passung zwischen den
Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, den an sie gerichteten Erwartungen
und den Umweltbedingungen.
(vgl. WHO 2005: 18ff)
ICF: Verständnis von Behinderung
 Folgen von Behinderung können sich also in eingeschränkten Aktivitäten,
begrenzten Partizipationschancen und sozialer Ausgrenzung manifestieren,
z.B.:
• als Chancenlosigkeit im Bildungssystem, auf die Schwierigkeiten mit
sozialen Status und materiellen Sicherheit folgen,
• als Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, häufig verknüpft mit
•
•
ökonomischen Risiken,
als Ausschluss von Mobilitäts- und Kommunikationsoptionen,
als Barrieren in den Zugängen zur Umwelt, zu Dienstleistungen und zu
Informationen, die wiederrum Selbstständigkeit und Selbstbestimmung
zusätzlich einschränken.
(vgl. Wansing 2005: 83 ff.)
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UN-BRK - Verständnis von Behinderung
Präambel der Behindertenrechtskonvention (BRK)
e) In der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig
weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung
zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und
umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen
und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.
Behinderungsbegriff als Wechselwirkung
von Beeinträchtigung und Umwelt
(UN-BRK)
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Folgen: ICF - Verständnis von Behinderung
 Vom defizitorientierten Ansätzen hin zu einem kompetenzorientierten
und ökologischen Verständnis welches die Relativität und Relationalität
von Behinderung anerkennt.
 Behinderung als soziale Konstruktion: Zielsetzungen und Aufgaben der
Behindertenhilfe verändern sich.
 Maßnahmen werden von Menschen mit Unterstützungsbedarfen selbst
oder mit Hilfe von Personen, die ihnen zur Seite stehen, bestimmt.
(Grundlage für geeignete Hilfen).
 Stärkung der Position der Nutzerinnen und Nutzer: wie beurteilen diese
die Qualität und Wirkungen der Angebote selbst?
 Konzept der Lebensqualität: mehrdimensionaler
Betrachtungsrahmen für einen generellen Blick darauf, was ein „gutes
Leben“ für Menschen bedeutet.
(Wacker et al. 2005: 10 ff.)
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Sozialrechtliches Dreieck
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3. Das Konzept der Lebensqualität
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Was ist Lebensqualität?
Was verstehen Sie unter Lebensqualität?
Was ist Ihnen wichtig für Ihre Lebensqualität?
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Was ist Lebensqualität?
http://www.green-contentmarketing.de/tl_files/themes/kaderas/img/Lebensqualitaet%20Bertelsmann%20Stiftung.jpg
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3. Lebensqualität
 Objektive Lebensbedingungen werden subjektiv unterschiedlich
erfahren und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die individuelle
Lebensführung gewertet
 Für die Messung ist eine Erhebungen von Standards bzw. objektiven
externalen Merkmalen nicht ausreichend
 Zentral: wie bewertet eine Person ihre Lebenssituation selbst: Objektiv
gute Lebensverhältnisse bedeuten nicht zwangsläufig hohe
Zufriedenheit, schlechte Lebensverhältnisse sind nicht unmittelbar mit
einer Beeinträchtigung des subjektiven Wohlbefindens verbunden.
(Wacker et al 2005: 12 ff.)
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3. Lebensqualität
emc-quadrat.com
Definition
 Verschiedene theoretische Ansatzpunkte und Zugangswege: der Begriff ist noch nicht
eindeutig festgelegt.
„Lebensqualität begründet sich auf Austauschprozesse zwischen objektiven
Lebensbedingungen und subjektiven Lebenslagen, umfasst sowohl Bedürfnisse und
Wünsche als auch Einstellungen, Erwartungen und Ressourcen“ (SCHÄFERS 2008: 37).
 Consumer Empowerment: auch Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zunehmend
als wahl- und entscheidungsfähige Nutzerinnen und Nutzer von Dienstleistungen
 Perspektivenwechsel: Blick geht weg von institutionellen und organisatorischen
Interessen und Bezugsgrößen zur Frage nach der Relevanz und Wirkung von sozialer
Dienstleistung.
(Wacker et al. 2005: 12 ff.)
3. Lebensqualität - Kerndimensionen
Kerndimensionen
Beispielindikatoren
emotionales
Wohlbefinden
Selbstkonzept, Selbstwertgefühl, Freiheit von subjektiver Belastung, Spiritualität
soziale
Beziehungen
Intimbeziehungen, Freundschaften, Familie, soziale Unterstützung
materielles
Wohlbefinden
persönlicher Besitz, Einkommen, finanzielle Lage, Verfügung über Güter und
Dienstleistungen
persönliche
Entwicklung
Lern- und Bildungsmöglichkeiten, Kompetenzen, alltägliche Aktivitäten
physisches
Wohlbefinden
Gesundheitszustand, Ernährungszustand, Mobilität, Möglichkeiten der Erholung
Selbstbestimmung
Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, persönliche Kontrolle,
Selbstverantwortlichkeit, persönliche Ziele und Werte
soziale Inklusion
Übernahme sozialer Rollen, Zugang zu unterschiedlichen Lebensbereichen,
Partizipation am Gemeindeleben
Rechte
Privatsphäre, würdevolle Behandlung, Nichtdiskriminierung, Mitsprache- und
Mitwirkungsrechte
vgl. Schäfers 2008: 34ff.
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Beispiel:
Messung von Subjektiven Wohlbefinden
 Subjektives Wohlbefinden als Oberbegriff für die subjektive Dimension
von Lebensqualität
Operationalisierung
Indikatoren
Vergleich zwischen individuellen
Lebensbedingungen (IST-Stand) und
wahrgenommenen Merkmalen der
Lebensbedingungen
Positiv: Zufriedenheit als kognitive Bewertung der
Lebenssituation, Glück,
Negativ: Besorgnis- und Belastungssymptome
(Erschöpfung, hohe Beanspruchung, Angst,
Nervosität, Niedergeschlagenheit)
Zukunftserwartungen: Hoffnungen und
Befürchtungen in Bezug auf die persönliche
zukünftige Entwicklung
(Schäfers 2008: 38)
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4. Teilhabe an der Gesellschaft
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UN-BRK, Artikel 19: Unabhängige Lebensführung
und Einbeziehung in die Gemeinschaft
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen
mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben,
und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss
dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu
erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass
a)
Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen
und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen
Wohnformen zu leben;
b)
Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen
Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen
Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung
des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur
Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;
c)
gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit
Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren
Bedürfnissen Rechnung tragen.
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Teilhabe
Der Teilhabebegriff wird von WANSING (2012: 96), angelehnt an dem
englischsprachigen Begriff „participation“ der UN-BRK, unterschieden in
„1. Volle Teilhabe (full participation) im eher passiven Sinne des
gleichberechtigten Teilhabens an soziokulturellen Errungenschaften der modernen
Gesellschaft (z.B. Freiheit, materielle Sicherheit, Bildung, Information, Mobilität)
und
2. Wirksame Teilhabe (effectiv participation) im eher aktiven Sinne der
Mitgestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen über die Mitwirkung an
demokratischen Planungs- und Entscheidungsprozessen.“
Teilhabe - Voraussetzungen
Teilhabe (vgl. Hanslmeier-Prockl 2009)
Teilhabe-
Objektive Bedingungen
Subjektive Bedingungen
für Teilhabe
für Teilhabe
Bereiche
(vgl.
BMAS 2013)
Wahlalternativen
(Zugang)
Familie und
soziales Netz
Bildung und
Ausbildung
Erwerbsarbeit
und Einkommen
Alltägliche
Lebensführung
Gesundheit
Sicherheit und
Schutz vor
Gewalt
Freizeit, Kultur
und Sport
Politik und
Öffentlichkeit
Finanzielle
Mittel
Kenntnisse
Art und
Kompetenzen/
und
Umfang der
Fertigkeiten
Vorstellungen
Unterstützung
von Teilhabe
Wunsch zur
Teilhabe /
bilpol.de
Selbstbestimmung
Teilhabe
Der Begriff der Teilhabe wird im Teilhabebericht der Bundesregierung
folgendermaßen beschrieben:
• um Möglichkeiten „nutzen zu können“, muss man
• sie „nutzen dürfen“ – rechtlichen Rahmenbedingungen müssen
gegeben sein und
• sie „nutzen wollen“ - nötige Informationen und Erfahrungsräume
müssen vorhanden sein, um Möglichkeiten als relevant wahrzunehmen
und selbst darüber zu entscheiden, ob man die Möglichkeiten nutzen
möchte oder nicht (vgl. BMAS 2013: 63).
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Teilhabebereich Freizeit
Freizeit, Kultur und Sport
Frei verfügbare Zeit selbstbestimmt nach individuellen Bedürfnissen
nutzen, z.B. nach Entspannung, Bewegung, Bildung, Geselligkeit
gestaltbar sein (BMAS 2013: 207ff.).
Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die
Isolation.
(BMAS 2013: 214)
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Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die
Isolation.
(BMAS 2013: 218)
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Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die
Isolation.
(BMAS 2013: 219)
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Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die
Isolation.
(BMAS 2013: 222)
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Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die
Isolation.
(BMAS 2013: 224)
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Teilhabebereich Freizeit
Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation.
•
Menschen mit Beeinträchtigungen verbringen ihre freie Zeit häufiger allein als Menschen ohne
Beeinträchtigungen.
•
Je höher der Grad der Behinderung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Menschen
ob gewollt oder ungewollt ihre Freizeit allein verbringen. 19 Prozent der Menschen mit einem
anerkannten Grad der Behinderung von über 90 verbringen ihre Freizeit allein.
•
Menschen mit einer anerkannten Behinderung gehen ähnlich häufig künstlerischen oder
musischen Tätigkeiten nach, wie Menschen ohne anerkannte Behinderung.
•
Mobilitäts- und aktivitätseingeschränkte Menschen machen seltener Urlaubsreisen und
besuchen seltener kulturelle Veranstaltungen.
•
Positiver Trend: Mit der Erweiterung des sportlichen Angebots hat sich die Mitgliederzahl des
Deutschen Behindertensportbundes in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht: von 207.013
im Jahr 1991 auf 618.621 im Jahr 2011.
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(BMAS 2013: 210).
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Teilhabebereiche
Wohnen
Räumliche-materielle und personelle Angebote, aber auch individuelle
Vorstellungen und Erleben
(vgl. WACKER et al. 1998: 21ff.; vgl. BMAS 2013: 168f.).
Bildung/Arbeit
„Bildung trägt zur Persönlichkeitsentfaltung bei und schafft
Voraussetzungen für eine selbstbestimmte und aktive gesellschaftliche
Teilhabe“ (BMAS 2013: 82ff.).
Teilhabebereiche
Gesundheit
Individuelle Gesundheitszustand beeinflusst die wahrgenommene
Lebensqualität und hat Auswirkungen auf die Teilhabechancen in
verschiedenen Lebensbereichen.“ (BMAS 2013: 189).
Beziehungen
Bezugssystem Familie und das soziale Netz eines Menschen nehmen
wichtige Stellenwerte in fast allen Lebensbereichen ein. (DWORSCHAK
2004: 55)
Teilhabe und Selbstbestimmung
„Teilhabe erfordert immer auch ein gewisses Maß an
Selbstbestimmung und Selbstständigkeit.“
(Wetzel 2014: 90)
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Gesundheitswissenschaften
5. Selbstbestimmung
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70
5. Selbstbestimmung
„Selbstbestimmung bedeutet die Möglichkeit, einen Lebensplan zu
entwickeln dabei individuelle und selbstgewählte Lebenswege zu gehen
und Entscheidungen im Alltag wie auch im Lebenslauf zu treffen, die den
eigenen Vorstellungen und Zielen entsprechen: wie man wohnen möchte,
welchen Beruf man erlernen und ausüben möchte, welche Beziehungen
man eingehen will und was man in seiner Freizeit unternimmt sind Teile
dieses Lebensplans.“ (Wacker et al. 2005: 17)
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71
Selbstbestimmung
Operationalisierung
Indikatoren
Kontrolle über das eigene Leben und autonome
Gestaltung des Alltags (im Sinne von
Entscheidungskompetenz und -autonomie,
Eigenverantwortlichkeit, Wahlfreiheit, Erschließen
von Freiheitsräumen zur Bedürfnisrealisierung,
individuelle Lebensführung
Wahlfreiheit
Reglementierung
(Schäfers 2008: 38)
menschentalent.wordpress.com
5. Selbstbestimmmung
• Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind zentrale
Leitvorstellungen in einer pluralisierten Gesellschaft mit individuellen
Lebenswegen
• Selbstbestimmung realisiert sich grundsätzlich durch die Teilhabe (an
diesen Standards bzw.). an der Gesellschaft – sowohl ökonomisch als
auch sozial, kulturell und politisch.
• Postulat der Selbstbestimmung schließt auch die „Zumutung“ von
Selbstständigkeit und Eigenverantwortung ein. (nicht entbunden von
gesellschaftlichen Erwartungen und Verpflichtungen)
(Wacker et al. 2005: 17ff.)
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5. Selbstbestimmung
Handlungsbedingungen (Gelegenheiten, Kompetenzen und Ressourcen)
müssen vorhanden sein, um Entscheidungsspielräume nutzen zu können:
 Materielle Grundsicherung als Zugangsvoraussetzung für zahlreiche
Lebenschancen,
 Kulturelle Kompetenzen, um sich Bildungs- und Erwerbszugänge zu
erschließen,
 Grundgefühl der Kohärenz (entsteht aus sozial erfahrbaren Zutrauen
und hilft, in der eigenen Lebenserzählung eine Sinnzusammenhang zu
entdecken oder zu stiften
 Fähigkeit, soziale Netze zu knüpfen und aufrechtzuerhalten
 …
 Ansonsten wird Selbstbestimmung zu einer Lebensanforderung, die
kaum zu bewältigen ist und sich als ein zusätzliches Hindernis
gesellschaftlicher Teilhabe entpuppt.
 (Wacker et al. 2005: 18f)
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Teilhabe und Selbstbestimmung &
Lebensqualität
Gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung
erhöhen die Lebensqualität.
(vgl. EMRICH et al. 2006: 188ff.)
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6. Zusammenfassung und Fragen
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Folgerungen
 Um Inklusion zu verwirklichen braucht es individuell passende
Unterstützung, um Chancen der Partizipation an (subjektiv
bedeutsamen) Lebensbereichen zu erhöhen und Exklusion zu
vermeiden (Risiken der Ausgrenzung zu reduzieren)
 Voraussetzung: nicht nur persönliche Beeinträchtigungen und Defizite,
sondern in der Interaktion mit seiner Umwelt die gesamte Lebenslage
eines Menschen mit Behinderung analysiert wird (Lebenslageansatz):
• die häusliche Situation,
• Möglichkeiten der Selbstversorgung,
• Barrieren in der relevanten Umgebung,
• Zugänge zu Bildung und Arbeit,
• Nutzbarkeit fachlicher Unterstützung,
• Verfügbarkeit sozialer Netzwerke usw.
(Wacker et al. 2005: 22 ff.)
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Partizipationspostulat
 Neuorganisation: Angebote orientiert an Nachfrage von Menschen mit
Behinderung
 Schaffung von Wahlmöglichkeiten durch eine differenzierte und flexible
Angebotsstruktur
 „auf einer Art Markt zwischen unterschiedlichen Anbietern und
unterschiedlichen Spezifikationen von Diensten auszuwählen (choice) und
so die Anbieterseite dazu bringen, ihre Bedürfnisse angemessen zu
befriedigen;
 weiter sollen sie in die Beurteilung und Leitungsmessung stärker
einbezogen werden, damit die Anbieter ihre Dienste besser auf die
individuellen Präferenzen und Wünschen einstellen können (FeedbackFunktion).
(Wacker et al. 2005: 25 ff.)
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Choice Verfahren
(Wacker et al. 2005: 25 ff.)
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79
chaosbaerchen.blog.de
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Quellen
Literatur
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ASELMEIER, LAURENZ (2008): Community Care und Menschen mit geistiger Behinderung. Gemeinwesenorientierte Unterstützung in England, Schweden und
Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag.
BAYERISCHEN STAATSMINISTERIUMS FÜR ARBEIT UND SOZIALES, FAMILIE UND INTEGRATION, BAYERISCHEN BEZIRKE (Hrsg.)(2015): Richtlinie zur Förderung von
regionalen ambulanten Diensten zur Sicherung der Teilhabe von Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen sowie
sinnesbehinderten und chronisch kranken Menschen. URL: https://www.verkuendung-bayern.de/allmbl/jahrgang:2015/heftnummer:4/seite:227
(15.01.2016)
BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES (BMAS) (Hrsg.)(2013): Teilhabebericht der Bundes-regierung über die Lebenslagen von Menschen mit
Beeinträchtigungen.
Teilhabe
–
Beeinträchtigung
–
Behinderung.
URL:
http://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-behinderterMenschen/Meldungen/teilhabebericht-2013.html (30.01.2025)
DIMDI; WHO (2005): ICF - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. URL: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/
(30.01.2015)
DWORSCHAK, WOLFGANG (2004): Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung. Theoretische Analyse, empirische Erfassung und grundlegende
Aspekte qualitativer Netzwerkanalyse. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
EMRICH, CAROLIN; GROMANN, PETRA & NIEHOFF ULRICH (2006): Persönliche Zukunftsplanung. Mehr Lebensqualität ist das Ziel! In: Geistige Behinderung 45 (3),
188-199
GRÖSCHKE, DIETER (2011): Arbeit – Behinderung – Teilhabe. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
HANSLMEIER-PROCKL, GERTRUD (2009): Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung. Empirische Studie zu Bedingungen der Teilhabe im Amulant
Betreuten Wohnen in Bayern. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt
NAIDOO, JEANNIE & WILLS, JANE (2010) Lehrbuch der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
SCHÄFERS, MARKUS (2008): Lebensqualität aus Nutzersicht. Wie Menschen mit geistiger Behinderung ihre Lebenssituation beurteilen. Wiesbaden: VS Verlag.
S. 33-185
Quellen
Literatur
SCHALOCK, Robert L. et al. (2002): Conceptualization, measurement, and application of quality of life for persons with intellectual disabilities: Report of an
international panel of experts. In: Mental Retardation 40 (6), 457-470
WACKER, ELISABETH; WANSING, GUDRUN, SCHÄFERS, MARKUS (2005): Personenbezogenen Unterstützung und Lebensqualität. Teilhabe mit einem Persönlichen
Budget. Wiesbaden: DUV.
WACKER, ELISABETH; WETZLER, RAINER; METZLER, HEIDRUN & HORNUNG, CLAUDIA (1998): Leben im Heim. Angebotsstrukturen und Chancen selbständiger
Lebensführung in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Baden-Baden: Nomos.
WANSING, GUDRUN (2005): Teilhabe an der Gesellschaft. Menschen mit Behinderung zwischen Inklusion und Exklusion. Wiesbaden: VS Verlag.
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https://menschentalent.wordpress.com/2012/05/07/selbstbestimmung
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