Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften „Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung durch die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung“ Kloster Irsee, 14. März 2016 Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 1 Inhalt 1. Kontext 2. Verständnis von Beeinträchtigung und Behinderung 3. Lebensqualität: die Frage nach dem gutem Leben 4. Gesellschaftliche Teilhabe 5. Selbstbestimmung 6. Folgerungen Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 2 Drei signifikante Ereignisse in den 2000er • Inkraftsetzung des Sozialgesetzbuches SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe (2001): Ziel einer Rehabilitation und gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft. • Einführung des neuen Klassifikationssystem der WHO: International Classification of Functioning, Disabilities and Health´ (ICF) (2001): bringt ein verändertes, sozial und gesellschaftlich ausgerichtetes Verständnis von Behinderung zum Ausdruck. • Ratifikation der UN-Menschenrechtskonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung durch die Deutsche Bundesregierung (2009): Zentral: Teilhabe vom Menschen mit Behinderung an den Lebensformen und Gütern der Gesellschaft. (Gröschke, 2011: 10ff) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 3 Neue OBA-Förderrichtlinie Richtlinie zur Förderung von regionalen ambulanten Diensten zur Sicherung der Teilhabe von Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen sowie sinnesbehinderten und chronisch kranken Menschen (Förderrichtlinie Regionale „offene Behindertenarbeit“) Grundsatz: • Führung eines möglichst selbstständigen, eigenverantwortlichen Lebens zu unterstützen und die Familien mit behinderten Angehörigen zu entlasten. • die regionalen OBA-Dienste schaffen Beteiligungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen in den Diensten. Verweist auf Artikel 19 der UN-BRK (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinde) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 4 UN-BRK, Artikel 19: Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben; b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist; c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 5 Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 2. Das Verständnis von Beeinträchtigung und Behinderung Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 6 ICF: International Classification of Functioning, Disability and Health Länder- und fachübergreifende Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes. Bio-psychosoziales Modell, d.h. mit dem Sozialen Modell. Naidoo, Jeannie & Wills, Jane (2010) Lehrbuch der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, S. 61. http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/ eine Synthese des Medizinischen Modells International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) (vgl. WHO 2005: 23). International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) Körperfunktionen: physiologische Funktionen von Körpersystemen (einschließlich psychologische Funktionen) Körperstrukturen: anatomische Teile des Körpers, wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile (vgl. WHO 2005:18ff) Körperfunktionen sind die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich psychologische Funktionen). Körperstrukturen sind anatomische Teile des Körpers, wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile. • Schädigungen sind Beeinträchtigungen einer Körperfunktion oder struktur, wie z.B. eine wesentliche Abweichung oder ein Verlust. http://www.icfillustration.com/icfil_eng/b/b.html ICF: Körperfunktionen und -strukturen ICF: Körperfunktionen und -strukturen Körperfunktionen Körperstrukturen 1 Mentale Funktionen Strukturen des Nervensystems 2 Sinnesfunktionen und Schmerz Auge & Ohr 3 Stimm- und Sprechfunktionen Strukturen, die an der Stimme und dem Sprechen beteiligt sind 4 Funktionen des kardiovaskulären, hämatologischen, Immun- und Atmungssystems Strukturen des kardiovaskulären, des Immun- und des Atmungssystems 5 Funktionen des Verdauungs-, des Stoffwechsel- und des endokrinen Systems Mit Verdauungs-, Stoffwechsel und endokrinen System in Zusammenhang stehende Strukturen 6 Funktionen des Urogenital- und reproduktiven Systems Mit Urogenital- und Reproduktionssystem in Zusammenhang stehende Strukturen 7 Neuromuskuloskeletale und bewegungsbezogene Funktionen Mit der Bewegung in Zusammenhang stehende Strukturen 8 Funktionen der Haut Strukturen der Haut ICF: Bio-psychosoziales Modell (vgl. WHO 2005: 23) Aktivitäten und Partizipation [Teilhabe] http://www.icfillustration. com/icfil_eng/d/d8.html http://www.icfillustration. com/icfil_eng/d/d6.html http://www.icfillustration. com/icfil_eng/d/d5.htm http://www.icfillustration .com/icfil_eng/d/d1.htm Eine Aktivität bezeichnet die Durchführung einer Aufgabe oder Handlung (Aktion) durch einen Menschen. • Beeinträchtigungen der Aktivität sind Schwierigkeiten, die ein Mensch bei der Durchführung einer Aktivität haben kann. Partizipation [Teilhabe] ist das Einbezogensein in eine Lebenssituation. • Beeinträchtigungen der Partizipation [Teilhabe] sind Probleme, die ein Mensch beim Einbezogensein in eine Lebenssituation erlebt. ICF: Aktivitäten und Partizipation [Teilhabe] Lebensbereiche Beispiel 1 Lernen und Wissensanwendung Bewusste sinnliche Wahrnehmung 2 Allgemeine Aufgaben und Anforderungen Mit Stress umgehen 3 Kommunikation Gebrauch von Kommunikationsgeräten 4 Mobilität Körperposition ändern 5 Selbstversorgung Sich waschen 6 Häusliches Leben Einkaufen 7 Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen Mit Fremden umgehen 8 Bedeutende Lebensbereiche Arbeit und Beschäftigung 9 Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben Religion und Spiritualität International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) Faktoren der materiellen, sozialen und verhaltensbezogenen Umwelt (vgl. WHO 2005: 18ff). Eigenschaften und Attribute der Person (z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung, Lebensstil, Motivation, genetische Prädisposition) ICF: Kontextfaktoren http://www.icfillustration .com/icfil_eng/e/e5.html http://www.icfillustration .com/icfil_eng/e/e3.html http://www.icfillustration .com/icfil_eng/e/e2.html http://www.icfillustration .com/icfil_eng/e/e1.html Umweltfaktoren bilden die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt ab, in der Menschen leben und ihr Dasein entfalten. • Ebene des Individuums: unmittelbare, persönliche Umwelt eines Menschen einschließlich häuslicher Bereich, Arbeitsplatz und Schule. • Ebene der Gesellschaft: formellen und informellen sozialen Strukturen, Dienste und übergreifenden Ansätze oder Systeme Personenbezogene Faktoren sind der spezielle Hintergrund des Lebens und der Lebensführung eines Menschen. ICF: Umweltfaktoren Klassifikation Beispiel 1 Produkte und Technologien Medikamente 2 Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt Fußwege 3 Unterstützung und Beziehungen Freunde 4 Einstellungen Einstellung der Wirtschaft zu Teilzeitarbeitsplätzen 5 Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze Rechtsvorschriften ICF: Umweltfaktoren http://www.nichtlustig.de/toondb/080822.html International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) Behinderung entsteht dann, wenn eine unzureichende Passung zwischen den Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, den an sie gerichteten Erwartungen und den Umweltbedingungen. (vgl. WHO 2005: 18ff) ICF: Verständnis von Behinderung Folgen von Behinderung können sich also in eingeschränkten Aktivitäten, begrenzten Partizipationschancen und sozialer Ausgrenzung manifestieren, z.B.: • als Chancenlosigkeit im Bildungssystem, auf die Schwierigkeiten mit sozialen Status und materiellen Sicherheit folgen, • als Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, häufig verknüpft mit • • ökonomischen Risiken, als Ausschluss von Mobilitäts- und Kommunikationsoptionen, als Barrieren in den Zugängen zur Umwelt, zu Dienstleistungen und zu Informationen, die wiederrum Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zusätzlich einschränken. (vgl. Wansing 2005: 83 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 26 UN-BRK - Verständnis von Behinderung Präambel der Behindertenrechtskonvention (BRK) e) In der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Behinderungsbegriff als Wechselwirkung von Beeinträchtigung und Umwelt (UN-BRK) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 27 Folgen: ICF - Verständnis von Behinderung Vom defizitorientierten Ansätzen hin zu einem kompetenzorientierten und ökologischen Verständnis welches die Relativität und Relationalität von Behinderung anerkennt. Behinderung als soziale Konstruktion: Zielsetzungen und Aufgaben der Behindertenhilfe verändern sich. Maßnahmen werden von Menschen mit Unterstützungsbedarfen selbst oder mit Hilfe von Personen, die ihnen zur Seite stehen, bestimmt. (Grundlage für geeignete Hilfen). Stärkung der Position der Nutzerinnen und Nutzer: wie beurteilen diese die Qualität und Wirkungen der Angebote selbst? Konzept der Lebensqualität: mehrdimensionaler Betrachtungsrahmen für einen generellen Blick darauf, was ein „gutes Leben“ für Menschen bedeutet. (Wacker et al. 2005: 10 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 28 Sozialrechtliches Dreieck Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 29 Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 3. Das Konzept der Lebensqualität Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 31 Was ist Lebensqualität? Was verstehen Sie unter Lebensqualität? Was ist Ihnen wichtig für Ihre Lebensqualität? Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 32 Was ist Lebensqualität? http://www.green-contentmarketing.de/tl_files/themes/kaderas/img/Lebensqualitaet%20Bertelsmann%20Stiftung.jpg Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 33 3. Lebensqualität Objektive Lebensbedingungen werden subjektiv unterschiedlich erfahren und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die individuelle Lebensführung gewertet Für die Messung ist eine Erhebungen von Standards bzw. objektiven externalen Merkmalen nicht ausreichend Zentral: wie bewertet eine Person ihre Lebenssituation selbst: Objektiv gute Lebensverhältnisse bedeuten nicht zwangsläufig hohe Zufriedenheit, schlechte Lebensverhältnisse sind nicht unmittelbar mit einer Beeinträchtigung des subjektiven Wohlbefindens verbunden. (Wacker et al 2005: 12 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 35 3. Lebensqualität emc-quadrat.com Definition Verschiedene theoretische Ansatzpunkte und Zugangswege: der Begriff ist noch nicht eindeutig festgelegt. „Lebensqualität begründet sich auf Austauschprozesse zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Lebenslagen, umfasst sowohl Bedürfnisse und Wünsche als auch Einstellungen, Erwartungen und Ressourcen“ (SCHÄFERS 2008: 37). Consumer Empowerment: auch Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zunehmend als wahl- und entscheidungsfähige Nutzerinnen und Nutzer von Dienstleistungen Perspektivenwechsel: Blick geht weg von institutionellen und organisatorischen Interessen und Bezugsgrößen zur Frage nach der Relevanz und Wirkung von sozialer Dienstleistung. (Wacker et al. 2005: 12 ff.) 3. Lebensqualität - Kerndimensionen Kerndimensionen Beispielindikatoren emotionales Wohlbefinden Selbstkonzept, Selbstwertgefühl, Freiheit von subjektiver Belastung, Spiritualität soziale Beziehungen Intimbeziehungen, Freundschaften, Familie, soziale Unterstützung materielles Wohlbefinden persönlicher Besitz, Einkommen, finanzielle Lage, Verfügung über Güter und Dienstleistungen persönliche Entwicklung Lern- und Bildungsmöglichkeiten, Kompetenzen, alltägliche Aktivitäten physisches Wohlbefinden Gesundheitszustand, Ernährungszustand, Mobilität, Möglichkeiten der Erholung Selbstbestimmung Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, persönliche Kontrolle, Selbstverantwortlichkeit, persönliche Ziele und Werte soziale Inklusion Übernahme sozialer Rollen, Zugang zu unterschiedlichen Lebensbereichen, Partizipation am Gemeindeleben Rechte Privatsphäre, würdevolle Behandlung, Nichtdiskriminierung, Mitsprache- und Mitwirkungsrechte vgl. Schäfers 2008: 34ff. Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 45 Beispiel: Messung von Subjektiven Wohlbefinden Subjektives Wohlbefinden als Oberbegriff für die subjektive Dimension von Lebensqualität Operationalisierung Indikatoren Vergleich zwischen individuellen Lebensbedingungen (IST-Stand) und wahrgenommenen Merkmalen der Lebensbedingungen Positiv: Zufriedenheit als kognitive Bewertung der Lebenssituation, Glück, Negativ: Besorgnis- und Belastungssymptome (Erschöpfung, hohe Beanspruchung, Angst, Nervosität, Niedergeschlagenheit) Zukunftserwartungen: Hoffnungen und Befürchtungen in Bezug auf die persönliche zukünftige Entwicklung (Schäfers 2008: 38) Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 4. Teilhabe an der Gesellschaft Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 50 UN-BRK, Artikel 19: Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben; b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist; c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 52 Teilhabe Der Teilhabebegriff wird von WANSING (2012: 96), angelehnt an dem englischsprachigen Begriff „participation“ der UN-BRK, unterschieden in „1. Volle Teilhabe (full participation) im eher passiven Sinne des gleichberechtigten Teilhabens an soziokulturellen Errungenschaften der modernen Gesellschaft (z.B. Freiheit, materielle Sicherheit, Bildung, Information, Mobilität) und 2. Wirksame Teilhabe (effectiv participation) im eher aktiven Sinne der Mitgestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen über die Mitwirkung an demokratischen Planungs- und Entscheidungsprozessen.“ Teilhabe - Voraussetzungen Teilhabe (vgl. Hanslmeier-Prockl 2009) Teilhabe- Objektive Bedingungen Subjektive Bedingungen für Teilhabe für Teilhabe Bereiche (vgl. BMAS 2013) Wahlalternativen (Zugang) Familie und soziales Netz Bildung und Ausbildung Erwerbsarbeit und Einkommen Alltägliche Lebensführung Gesundheit Sicherheit und Schutz vor Gewalt Freizeit, Kultur und Sport Politik und Öffentlichkeit Finanzielle Mittel Kenntnisse Art und Kompetenzen/ und Umfang der Fertigkeiten Vorstellungen Unterstützung von Teilhabe Wunsch zur Teilhabe / bilpol.de Selbstbestimmung Teilhabe Der Begriff der Teilhabe wird im Teilhabebericht der Bundesregierung folgendermaßen beschrieben: • um Möglichkeiten „nutzen zu können“, muss man • sie „nutzen dürfen“ – rechtlichen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein und • sie „nutzen wollen“ - nötige Informationen und Erfahrungsräume müssen vorhanden sein, um Möglichkeiten als relevant wahrzunehmen und selbst darüber zu entscheiden, ob man die Möglichkeiten nutzen möchte oder nicht (vgl. BMAS 2013: 63). Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 56 Teilhabebereich Freizeit Freizeit, Kultur und Sport Frei verfügbare Zeit selbstbestimmt nach individuellen Bedürfnissen nutzen, z.B. nach Entspannung, Bewegung, Bildung, Geselligkeit gestaltbar sein (BMAS 2013: 207ff.). Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. (BMAS 2013: 214) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 59 Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. (BMAS 2013: 218) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 60 Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. (BMAS 2013: 219) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 61 Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. (BMAS 2013: 222) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 62 Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. (BMAS 2013: 224) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 63 Teilhabebereich Freizeit Für viele Menschen mit Beeinträchtigungen führen Teilhabebeschränkungen in die Isolation. • Menschen mit Beeinträchtigungen verbringen ihre freie Zeit häufiger allein als Menschen ohne Beeinträchtigungen. • Je höher der Grad der Behinderung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Menschen ob gewollt oder ungewollt ihre Freizeit allein verbringen. 19 Prozent der Menschen mit einem anerkannten Grad der Behinderung von über 90 verbringen ihre Freizeit allein. • Menschen mit einer anerkannten Behinderung gehen ähnlich häufig künstlerischen oder musischen Tätigkeiten nach, wie Menschen ohne anerkannte Behinderung. • Mobilitäts- und aktivitätseingeschränkte Menschen machen seltener Urlaubsreisen und besuchen seltener kulturelle Veranstaltungen. • Positiver Trend: Mit der Erweiterung des sportlichen Angebots hat sich die Mitgliederzahl des Deutschen Behindertensportbundes in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht: von 207.013 im Jahr 1991 auf 618.621 im Jahr 2011. Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie (BMAS 2013: 210). 64 Teilhabebereiche Wohnen Räumliche-materielle und personelle Angebote, aber auch individuelle Vorstellungen und Erleben (vgl. WACKER et al. 1998: 21ff.; vgl. BMAS 2013: 168f.). Bildung/Arbeit „Bildung trägt zur Persönlichkeitsentfaltung bei und schafft Voraussetzungen für eine selbstbestimmte und aktive gesellschaftliche Teilhabe“ (BMAS 2013: 82ff.). Teilhabebereiche Gesundheit Individuelle Gesundheitszustand beeinflusst die wahrgenommene Lebensqualität und hat Auswirkungen auf die Teilhabechancen in verschiedenen Lebensbereichen.“ (BMAS 2013: 189). Beziehungen Bezugssystem Familie und das soziale Netz eines Menschen nehmen wichtige Stellenwerte in fast allen Lebensbereichen ein. (DWORSCHAK 2004: 55) Teilhabe und Selbstbestimmung „Teilhabe erfordert immer auch ein gewisses Maß an Selbstbestimmung und Selbstständigkeit.“ (Wetzel 2014: 90) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 69 Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 5. Selbstbestimmung Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 70 5. Selbstbestimmung „Selbstbestimmung bedeutet die Möglichkeit, einen Lebensplan zu entwickeln dabei individuelle und selbstgewählte Lebenswege zu gehen und Entscheidungen im Alltag wie auch im Lebenslauf zu treffen, die den eigenen Vorstellungen und Zielen entsprechen: wie man wohnen möchte, welchen Beruf man erlernen und ausüben möchte, welche Beziehungen man eingehen will und was man in seiner Freizeit unternimmt sind Teile dieses Lebensplans.“ (Wacker et al. 2005: 17) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 71 Selbstbestimmung Operationalisierung Indikatoren Kontrolle über das eigene Leben und autonome Gestaltung des Alltags (im Sinne von Entscheidungskompetenz und -autonomie, Eigenverantwortlichkeit, Wahlfreiheit, Erschließen von Freiheitsräumen zur Bedürfnisrealisierung, individuelle Lebensführung Wahlfreiheit Reglementierung (Schäfers 2008: 38) menschentalent.wordpress.com 5. Selbstbestimmmung • Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind zentrale Leitvorstellungen in einer pluralisierten Gesellschaft mit individuellen Lebenswegen • Selbstbestimmung realisiert sich grundsätzlich durch die Teilhabe (an diesen Standards bzw.). an der Gesellschaft – sowohl ökonomisch als auch sozial, kulturell und politisch. • Postulat der Selbstbestimmung schließt auch die „Zumutung“ von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung ein. (nicht entbunden von gesellschaftlichen Erwartungen und Verpflichtungen) (Wacker et al. 2005: 17ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 73 5. Selbstbestimmung Handlungsbedingungen (Gelegenheiten, Kompetenzen und Ressourcen) müssen vorhanden sein, um Entscheidungsspielräume nutzen zu können: Materielle Grundsicherung als Zugangsvoraussetzung für zahlreiche Lebenschancen, Kulturelle Kompetenzen, um sich Bildungs- und Erwerbszugänge zu erschließen, Grundgefühl der Kohärenz (entsteht aus sozial erfahrbaren Zutrauen und hilft, in der eigenen Lebenserzählung eine Sinnzusammenhang zu entdecken oder zu stiften Fähigkeit, soziale Netze zu knüpfen und aufrechtzuerhalten … Ansonsten wird Selbstbestimmung zu einer Lebensanforderung, die kaum zu bewältigen ist und sich als ein zusätzliches Hindernis gesellschaftlicher Teilhabe entpuppt. (Wacker et al. 2005: 18f) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 74 Teilhabe und Selbstbestimmung & Lebensqualität Gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung erhöhen die Lebensqualität. (vgl. EMRICH et al. 2006: 188ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 75 Technische Universität München Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 6. Zusammenfassung und Fragen Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 76 Folgerungen Um Inklusion zu verwirklichen braucht es individuell passende Unterstützung, um Chancen der Partizipation an (subjektiv bedeutsamen) Lebensbereichen zu erhöhen und Exklusion zu vermeiden (Risiken der Ausgrenzung zu reduzieren) Voraussetzung: nicht nur persönliche Beeinträchtigungen und Defizite, sondern in der Interaktion mit seiner Umwelt die gesamte Lebenslage eines Menschen mit Behinderung analysiert wird (Lebenslageansatz): • die häusliche Situation, • Möglichkeiten der Selbstversorgung, • Barrieren in der relevanten Umgebung, • Zugänge zu Bildung und Arbeit, • Nutzbarkeit fachlicher Unterstützung, • Verfügbarkeit sozialer Netzwerke usw. (Wacker et al. 2005: 22 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 77 Partizipationspostulat Neuorganisation: Angebote orientiert an Nachfrage von Menschen mit Behinderung Schaffung von Wahlmöglichkeiten durch eine differenzierte und flexible Angebotsstruktur „auf einer Art Markt zwischen unterschiedlichen Anbietern und unterschiedlichen Spezifikationen von Diensten auszuwählen (choice) und so die Anbieterseite dazu bringen, ihre Bedürfnisse angemessen zu befriedigen; weiter sollen sie in die Beurteilung und Leitungsmessung stärker einbezogen werden, damit die Anbieter ihre Dienste besser auf die individuellen Präferenzen und Wünschen einstellen können (FeedbackFunktion). (Wacker et al. 2005: 25 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 78 Choice Verfahren (Wacker et al. 2005: 25 ff.) Christiane Kellner Lehrstuhl Diversitätssoziologie 79 chaosbaerchen.blog.de Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Quellen Literatur 84. 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URL: https://www.verkuendung-bayern.de/allmbl/jahrgang:2015/heftnummer:4/seite:227 (15.01.2016) BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES (BMAS) (Hrsg.)(2013): Teilhabebericht der Bundes-regierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. URL: http://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-behinderterMenschen/Meldungen/teilhabebericht-2013.html (30.01.2025) DIMDI; WHO (2005): ICF - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. URL: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/ (30.01.2015) DWORSCHAK, WOLFGANG (2004): Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung. Theoretische Analyse, empirische Erfassung und grundlegende Aspekte qualitativer Netzwerkanalyse. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. EMRICH, CAROLIN; GROMANN, PETRA & NIEHOFF ULRICH (2006): Persönliche Zukunftsplanung. Mehr Lebensqualität ist das Ziel! 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S. 71-99 Bilder http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf http://www.icfillustration.com/icfil_eng/d/d1.htm http://www.icfillustration.com/icfil_eng/d/d5.htm http://www.icfillustration.com/icfil_eng/d/d6.html http://www.icfillustration.com/icfil_eng/d/d8.html http://www.icfillustration.com/icfil_eng/b/b.html http://www.nichtlustig.de/toondb/080822.html http://www.green-content-marketing.de/tl_files/themes/kaderas/img/Lebensqualitaet%20Bertelsmann%20Stiftung.jpg http://www.emc-quadrat.com/deine-lebensqualitaet-ist/ https://menschentalent.wordpress.com/2012/05/07/selbstbestimmung http://chaosbaerchen.blog.de/2011/08/23/loriot-tot-11714987
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