Biologie & Verhalten Schon auf Winter eingestellt Wie Honigbienen die kalte Jahreszeit überstehen Sinken die Temperaturen unter 6 bis 7 °C, zieht sich das Bienenvolk zur Wintertraube zusammen. Doch damit die Bienen in die Winterruhe gehen können, muss sich im Volk einiges ändern. Was hier passiert und wie Sie unterstützend eingreifen können, erfahren Sie von Dr. Marc-Wilhelm Kohfink. B ereits zur Sommersonnenwende stellen sich die Bienenvölker auf die kalte Jahreszeit ein. Ein neuer Typ Arbeiterin bildet sich heraus: die Winterbienen. Sie werden parallel zu den Sommerbienen aufgezogen, beteiligen sich aber nicht am Brutgeschäft oder anderen Arbeiten, sondern fressen sich stattdessen durch den Verzehr von Pollen ein Fett-Eiweiß-Polster an. Äußerlich sind beide Gruppen nicht voneinander zu unterscheiden, doch die Hämolymphe (das Insektenblut) von Winterbienen enthält einen geringeren Anteil an Juvenilhormon. Winterbienen schlüpfen zwischen August und Oktober; ihr Anteil an den jungen Bienen nimmt kontinuierlich zu. Während Sommerbienen nur 3 bis 4 Wochen leben, bringen es Winterbienen auf 6 bis 9 Monate und überwintern so das Volk, bis sie im März/April wieder von Sommerbienen abgelöst werden. 1 Außerhalb der Beute ruht die Natur. Im Inneren geht der Überlebenskampf weiter. Fotos: Autor 2 Wirkungsvolle Behandlungen gegen die Varroa-Milbe – hier Ameisensäure mit LiebigVerdunster – sorgen für gesunde Winterbienen. 1 Bienen verändern sich Eine Vielzahl von äußeren Bedingungen leitet die Umstellung von Sommer auf Winter ein. Es sind u. a. die abnehmenden Tageslängen und niedrigere Temperaturen, das Vorhandensein ausreichender Futtervorräte sowie einer legenden Königin, aber auch der Rückgang der Brutaufzucht und damit der Anzahl schlüpfender Bienen. Durch diese Umweltreize produziert die Corpora allata, eine sich bei Insekten in der Schlundregion befindliche Hormondrüse, weniger Juvenilhormon. Dies wiederum bewirkt das oben beschriebene veränderte Verhalten und die anderen Eigenschaften der Winterbienen. Sind z. B. nicht genügend Wintervorräte vorhanden oder ist die Königin nicht in Ordnung, bleibt ein Volk länger aktiv und bildet weniger Winterbienen, mit den entsprechenden negativen Folgen für die Überwinterung. Ähnlich ist es, wenn ein 8 09.2015 ADIZ • die biene • Imkerfreund 2 3 Teil der aufgezogenen Brut durch Varroamilben parasitiert wird, denn zur erfolgreichen Überwinterung bedarf es zahlreicher und gesunder Winterbienen. Auch eine späte Futterreizung im Herbst bewirkt, dass ein Teil der Winterbienen aktiv wird, wodurch sich ihre Lebensdauer vermindert. Der Bien rückt zusammen Sinken im Herbst die Temperaturen, verdichtet sich nach und nach der Sitz der Bienen um ein kleiner werdendes Brutzentrum. Geht es dann in Richtung Gefrierpunkt, schließt sich das Volk zu einer Winterkugel zusammen und redu- 3 Sinken die Temperaturen auf 14 °C, rücken die Bienen näher zusammen. Zuerst bilden sie eine lockere Traube, dann eine feste Winterkugel. ziert mit zunehmenden Minusgraden mehr und mehr seine Größe und Oberfläche und damit den Energieverbrauch. Die Winterkugel weist im Inneren locker sitzende Bienen auf, die durch Zittern ihrer Flügelmuskulatur Wärme erzeugen. Dagegen sitzen im Außenbereich mehrere wärmende Schalen an Hüllbienen wie Dachschindeln übereinander und sorgen so für eine isolierende Ummantelung. Im Kern der Winterkugel, wo sich auch die Königin befindet, herrschen 20 bis 30 °C, wenn gebrütet wird, auch 35 °C, während die Bienen im äußeren Bereich etwa 10 °C halten und den Wärmeabfluss durch unterschiedlich enges Zusammenrücken und leichtes Zittern der Biologie & Verhalten zittern Wärme, wobei sie nahezu dreimal so viel Futter aufnehmen wie die Hüllbienen. Die Wärmeproduktion erfolgt in Intervallen. Sinkt die Temperatur unter eine Schwelle, wird so lange geheizt, bis ein maximaler Schwellenwert erreicht ist. Bei großer Kälte unter minus 20 °C kann die Differenz zur Temperatur im Inneren der Bienenkugel über 50 Grad betragen. Variabler Futterbedarf Temperaturverteilung innerhalb eines Bienenvolkes im Winter (verändert nach Büdel, A. und Herold, E., 1960, S. 131). Flügel regulieren. Die Bienen stecken dabei ihren Kopf in das Innere der wärmeren Traube, während ihr Hinterleib nach außen zeigt. Dieser kühlt bis auf 9 °C ab. Kopf und Brust sind mit 14 °C deutlich wärmer. Um nicht zu verklammen, wechseln sie regelmäßig mit Bienen aus dem Inneren der Kugel die Plätze. Futter als Heizstoff Innerhalb der Kugel finden die Bienen, was sie im Winter benötigen, in Form von Zucker. Damit erzeugen sie durch Muskel- Solange die Völker nicht brüten, steigt unter 10 °C Außentemperatur der Futterverbrauch parallel zu den weiter sinkenden Temperaturen an, um die nötige Innentemperatur in der Wintertraube aufrechtzuerhalten. Je kälter es also ist, desto mehr heizen die Bienen dagegen an. Dabei benötigen größere Völker zwar pro Biene weniger, aber aufgrund ihrer höheren Bienenzahl insgesamt mehr Futter. Die günstige Einwinterungsstärke liegt zwischen 5.000 und 12.000 Individuen. Ist sie geringer, ist der Wärmeverlust der Winterkugel erhöht, und das Völkchen droht zu erfrieren. Ist sie höher, besteht die Gefahr, dass nicht genügend Futterreserven eingelagert wurden und das Volk verhungert. Herrschen zur Wintersonnenwende milde Temperaturen oder geringe Minusgrade, beginnt die Königin mit der Eiablage. Nur bei klirrender Kälte unter –10 °C bleibt das Volk brutlos. Ob es in Brut geht, hängt nicht nur von der Außentemperatur, sondern auch von der Volksstärke ab. Schwächere Einheiten warten auf mil- Grundlagen für eine erfolgreiche Überwinterung ▪▪ Der Standort ist möglichst trocken und windgeschützt. ▪▪ Die Völker sind gesund und ausreichend stark (siehe auch Seite 10). deres Wetter. Der unterschiedliche Brutbeginn erklärt sich daraus, dass stärkere Völker auch bei größerer Kälte die Bruttemperatur von 35 °C leichter halten können. Der Futterverbrauch hängt nun also direkt von der Bruttätigkeit ab. Wasser – Fluch und Segen Je nach Art des Winterfutters spielt Wasser eine wichtige Rolle im Darm der Bienen. Bei mineralstoffreichem Futter (größeren Honigtau-Anteilen) müssen sie zur ausreichenden Verdünnung mehr Wasser in ihrer Kotblase speichern. Gibt es nach dem Brutbeginn im Frühjahr zu wenige Flugtage, kann es zu Ruhrerscheinungen und damit Abkoten im Stock kommen. Wenn die Bienen Winterfutter aufnehmen, entstehen neben Wärme auch CO2 und Wasser. Können die Bienen die Feuchtigkeit zügig abführen, müssen sie weniger heizen, und ihr Futterverbrauch ist geringer als in einer feuchten Umgebung. Die Bienen sind besser vor Kalkbrut geschützt. Am wenigsten Schaden ruft Kondenswasser an den mit Propolis überzogenen Beuteninnenwänden hervor. Schlechter steht es um die Randwaben, gerade in schlecht durchlüfteten Beuten können sie leicht schimmeln. Später nutzen die Bienen eben dieses Kondenswasser zur Aufzucht der Brut. Bei einem Kälterückschlag schränken sie ihre Bruttätigkeit wieder ein und heizen für die noch verbliebene Brut weiter. So ist stets genug Wasser vorhanden. Mit dem Reinigungsflug – meist im Februar – versorgen sich die Bienen zunehmend mit Wasser von außerhalb der Beute. Dann kann auch schon der Imker wieder etwas tun und das Gemüll durch einen Bodenwechsel entfernen, damit die Bienen gut ins Frühjahr starten. Die Königin ist jung und vital. ▪▪ Eine Varroa-Bekämpfung wurde durchgeführt und der Wirkungsgrad über die Abfallrate bzw. Befallsrate mittels Unterlagen-Diagnose bzw. Puderzuckermethode überprüft. Die Werte liegen im September unter 1 Milbe/Tag bzw. 1/50 g Bienen (siehe Schulungsmappe). ▪▪ Einräumige Völker sind mit 12 bis 15 kg und zweiräumige Völker mit 18 bis 22 kg Winterfutter versorgt. Erfahrungswerte des Standortes sind berücksichtigt. ▪▪ Es erfolgt keine Herbst-Futterreizung, um die Winterbienen nicht zu aktivieren und damit physiologisch altern zu lassen. ▪▪ Gitterböden sind für eine gute Durchlüftung und Vermeidung von Schimmelbildung offen. ▪▪ Fluglöcher sind ebenfalls geöffnet, aber mit Mäusegitter versehen. ▪▪ Im Deckel gibt es eine Dämmschicht, um Kältebrücken zu vermeiden. Dr. Marc-Wilhelm Kohfink www.imkerei-kohfink.de Buch-Tipp Marc-Wilhelm Kohfink: Bienen überwintern Gesund und stark ins Frühjahr Verlag Eugen Ulmer Stuttgart 2015 112 Seiten, Preis 19,90 Euro, als PDF 14,99 € ISBN 978-3-8001-8334-0 Leseprobe unter www.ulmer.de ADIZ • die biene • Imkerfreund 09.2015 9
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