Hubertus Halbfas: So bleib doch ja nicht stehn. Mein Leben mit der Theologie. 416 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag Patmos Verlag, Ostfildern 2015 28 Euro Der Untertitel bezeichnet sehr treffend den Duktus dieser Lebensbeschreibung des wohl bekanntesten katholischen Religionspädagogen (Jg. 1932). Wer auch nur annähernd mit seiner Vita vertraut ist, weiß, dass Halbfas nicht über sein Leben und Schaffen erzählen kann ohne all die Diskussionen und Kämpfe mit Vertretern der Amtskirche, die ihn schon frühzeitig seine kirchliche Lehrbefugnis kosteten. Spätestens sein Buch „Fundamentalkatechetik“ (1968) war damals der Markstein für einen anhaltenden Dissens. Dabei signalisierten seine weitsichtigen Impulse zur Glaubensvermittlung schon die beginnende Wendezeit in der Katechese und stützten die Religionspädagogik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin, vor allem bezüglich des schulischen Religionsunterrichts. Über die Auseinandersetzungen berichtet Halbfas - nach den ersten Kapiteln zu den Kinder- und Jugendjahren, die Studienzeit, erste Lehr-Jahre in Paderborn und die Anfänge seiner Professur in Reutlingen - recht ausführlich und dokumentiert den Konflikt durch Wiedergabe von Protokollen und dem entsprechenden Schriftverkehr, der (laut Verlagsangaben) bislang unzugänglich war. Insgesamt sehr aufschlussreich und entlarvend - jedenfalls kein Ruhmesblatt innerkirchlicher Konfliktbewältigung. Halbfas´ Kritik vor nunmehr fast einem halben Jahrhundert bezog sich auf das Versagen kirchlicher Verkündigungssprache, das Verdrängen theologischer und naturwissenschaftlicher Forschung sowie neuer exegetischer Erkenntnisse, das abwehrende Beharren auf traditionellen dogmatischen Positionen und Sprachformen, die so nicht mehr vertretbar schienen. Nun, die folgenden Jahrzehnte haben ihm weithin Recht gegeben. „Traditionsabbruch“ und „Glaubensverlust“ sind zu Chiffren eines beschleunigten Umbruchs in Kirche und Gesellschaft geworden. Und neuere Austrittszahlen sprechen für sich. Der veränderten Lage für Glaube und Kirche hat Halbfas durch sein beharrliches Entwickeln einer anderen Religionsdidaktik mutig entgegengewirkt. Vor allem seine Unterrichtswerke für die Klassen 1 bis 10 (nebst umfangreichen Lehrerbänden und weiteren Materialien) sorgten dafür, dass Kinder und Jugendliche in den achtziger Jahren andere Zugänge zu Glaube und Religion erleben konnten. Während seine fachlichen Beiträge (etwa „Das dritte Auge“ und „Wurzelwerk“) mehr den Insidern bekannt sind, ist sein „Sprung in den Brunnen“ bis heute ein spiritueller Dauerbrenner geblieben. Viele der fast sechzig Kapitel des Buches bilden eine Art erzählte Werkgeschichte über Anliegen, Inhalte und Entstehen seiner vielfach breitenwirksamen Bücher - inklusive der daraus folgenden Diskussionen. So zum Beispiel die großartige Trilogie über die Bibel (2001), das Christentum (2004) und den Glauben (2010), die in Darstellung und Inhalt ihresgleichen suchen. Über den „Glaubensverlust“ (2011) und folglich den veränderten Bedingungen für den „Religionsunterricht nach dem Glaubensverlust“ (2012) galten seine jüngsten und vieldiskutierten Reflexionen. Wer mit seinem Werk weniger vertraut ist, den warnt der Verfasser gleich zu Beginn: „Darum findet sich in dieser Autobiografie ein Leben beschrieben, das unvorbereitete Leser heftig irritieren, ihnen aber auch hilfreich sein kann“ (8). Das könnte als Motto für alle seiner Beiträge zur Religionspädagogik gelten: heilsame Verunsicherung, vorausblickende Provokation und produktive Impulsgebung zu einer anderen Glaubensrede und einer zeitgemäßen Vermittlungsform. Sein detailreicher und spannend zu lesender Lebensbericht ist daher zugleich ein informatives Sachbuch, das seinerseits argumentierend und polemisierend zum Nachdenken herausfordert. Der fachliche Stellenwert des Halbfas´schen Werkes steht außer Frage - auch da, wo seinen Wegen nicht jeder folgen mag. Die gegenwärtige Religionspädagogik verdankt ihm richtungweisende Anregungen. Vielen Lehrkräften (und nicht nur ihnen) hat er neue Perspektiven und Einsichten erschlossen, den biblischen Glauben wieder sprachfähig und existenziell wieder vermittelbar gemacht. Reiner Jungnitsch
© Copyright 2024 ExpyDoc