Stipendien 2015/2016

Medieninformation
„Großen Literaturstipendien“ 2015/2016 an Barbara Hundegger und Petra Maria Kraxner
verliehen.
Kulturlandesrätin Beate Palfrader überreichte die mit jeweils 15.000 Euro dotierten „Großen
Literaturstipendien“ des Landes Tirol für die Jahre 2015 und 2016 am Montagabend im Landhaus.
Barbara Hundegger erhielt das Arbeitsstipendium in der Sparte Lyrik für ihren Langtext
„anich.atmosphären.atlas“. Petra Maria Kraxner überzeugte die Jury mit dem Stück „Schubladen-KindDreivierteltakt. Ein Spiel mit Zuordnungen und Schubladendenken“ in der Sparte Drama. „Ich freue
mich, dass wir mit Hilfe der Stipendien die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Schaffen dieser
beiden Autorinnen lenken können,“ gratulierte LRin Palfrader.
„Barbara Hundegger will mit ihrem lyrischen Großprojekt die Welten des Tiroler Kartografen Peter
Anich einfangen und in einer Art Gedichte-Atlas sein Leben und Werk reflektieren“, begründete LRin
Palfrader die Entscheidung der Jury. Diese erkennt darin ein „stimmiges Konzept“, das die Tiroler
Persönlichkeit „in einem neuen Blickwinkel erscheinen lassen kann“. Gerade die Gattung Lyrik biete
dabei „besondere Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit literarischer Imagination und
historischem Faktenmaterial“, so die Jury. „Durch Sprachkritik und Sprachspiel, aber auch durch die
formale Gliederung der Texte zeichnet die Autorin nicht nur ein differenziertes Bild der fiktiven oder
faktischen Person, sondern auch seines kartografischen Handwerks nach.“
„In der Sparte Drama legt Petra Maria Kraxner ein äußerst gelungenes, zeitkritisches Theaterkonzept
vor“, betonte LRin Palfrader. Die Jury lobte die originelle Ausgangskonstruktion: „Aus Datenmaterial
der aktuellen Statistik Austria bastelt die Schriftstellerin drei ProtagonistInnen – die
Mehrheitsösterreicherin, den Minderheitenösterreicher und den Mittelschnittösterreicher. Diese sollen
durch ein Klischee-Raster von Szenen getrieben werden, bis jede Mehrheit in irgendeiner Situation die
Minderheit war und jede Minderheit die Mehrheit usw., bis – wie die Autorin schreibt – ‚jeder in jeder
Schublade geschlafen hat‘“. Für die Jury eine „vielversprechende dramaturgische Methode und ein
reizvoller künstlerischer Bruch einer auf Zahlen basierenden scheinbaren Ordnung“.
Vergabe alle zwei Jahre
Das Land Tirol vergibt die Arbeitsstipendien alle zwei Jahre in zwei unterschiedlichen Sparten. „Damit
geben wir Autorinnen und Autoren, die sowohl biografisch als auch literarisch eng mit Tirol verbunden
sind, die Möglichkeit, sich ganz auf ihre schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren“, erklärte LRin
Palfrader. Der Kulturbeirat für Literatur, darstellende Kunst und Film des Landes Tirol wählt die
Stipendiaten auf Vorschlag der Jury einstimmig aus. Dieses Jahr bestand diese aus Doris Happl,
Chefdramaturgin am Volkstheater Wien, Gabriele Wild vom Literaturhaus am Inn und Regisseur sowie
Autor Ekkehard Schönwiese. In den Jahren 2013/2014 gingen die „Großen Literaturstipendien“ an die
Autoren Martin Plattner (Drama) und Martin Fritz (Prosa).
Verleihung der
Großen Literaturstipendien des Landes Tirol
für die Jahre 2015 und 2015
Die Jury zu Barbara Hundeggers „anich.atmosphären.atlas“:
Das Projekt besticht durch die klare Definition des Vorhabens, das den Bogen der Welt eines Bauern
und Drechslers zur Welterfassung mit Hilfe des Abbildens spannt. Karten als Strategie der
Welterfassung waren in Zeiten des revolutionären Umbruchs vom Feudalismus hin zur Demokratie ein
Halt in einer haltlosen Zeit. Dieser Versuch des Anhaltens einer aus den Fugen geratenen Ordnung
der Dinge, wo das Wort nicht mehr hält, was es (ver)spricht, ist auch ein Symptom gegenwärtiger
Befindlichkeit, die sich im digitalen kartographischen Erfassen äußert. Die Karte (Navigation, Ortung
von Freunden etc.) ist die einzige Bodenhaftung im unübersehbaren Chaos der Daten. Das Projekt
„anich.atmosphären.atlas“ verdichtet lose Atmosphäre zum konzentrierten Blick auf Ursachen von
gesellschaftlichen Entgleisungen. Wir haben die Welt neu zu vermessen, um den Vermessenheiten
entgleister Züge der Zeit Herr zu werden. Das Projekt hinterfragt die Atmosphäre digitaler
Visualisierungen mit Mitteln der Lyrik. Es sensibilisiert für die Analogie zur Intention des
Weltvermessens kurz vor der französischen Revolution und dem „In den Griff bekommen“ der
explodierenden digitalen Datenwelt.
Die Jury zu Petra Maria Kraxners „Schubladen-Kind-Dreivierteltakt. Ein Spiel mit Zuordnungen und
Schubladendenken“:
Mit der Infragestellung von Statistiken erwirkt Kraxner durch ihren künstlerischen Zugang einen
reizvollen Bruch einer auf Zahlen basierenden scheinbaren Ordnung. Angesichts der aktuellen
Zugehörigkeitswut zu Facebook und anderen Gruppen und der Brandmarkung von Außenseitern eine
wichtige Auseinandersetzung mit der ewig menschlichen Frage: Wer bin ich und was macht mich
dazu? Die Qualität von Kraxners Sprache zeigt sich bereits in der vorgelegten Chorszene. Zu
erwarten ist klar durchdachtes, lustvoll-verwirrendes Theater, das die omnipräsente Yes-You-CanMentalität im Zeitalter der unbegrenzten Möglichketen mit Wendepunkten, Spannungsbögen,
Identifikationsflächen, Fallhöhen und Perspektivenwechseln durcheinanderwürfelt.
Zu den Autorinnen:
Barbara Hundegger wurde 1963 in Hall in Tirol geboren und studierte einige Jahre Germanistik,
Philosophie und Theaterwissenschaft in Innsbruck und Wien. Seit Anfang der 1980er-Jahre arbeitet
sie in zahlreichen feministischen Arbeitsgruppen und Projekten mit. Außerdem plant und organisiert
Hundegger kulturpolitische und literarische Veranstaltungen. Bis 2002 arbeitete sie als Korrektorin,
Lektorin und Redakteurin. Hundegger ist Kolumnistin der „Spuren – Zeitung für ZeitgenossInnen“ der
Klangspuren Schwaz, Mitglied der Grazer AutorInnenversammlung und der „baettlegroup for art“Vernetzung freier Kulturinitiativen Innsbrucks sowie Lektorin am Institut für Sprachkunst an der
Universität für angewandte Kunst in Wien. Für ihr literarisches Schaffen wurde sie bereits mehrfach
ausgezeichnet. Neben dem outstanding artist award für Literatur des BMUKK, dem
Literaturstipendium der Stadt Innsbruck und dem „Großen Literaturstipendium“ des Landes für die
Jahre 2005 und 2006 erhielt die Autorin unter anderem bereits zwei Mal das österreichische
Staatsstipendium für Literatur. Sie lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in Innsbruck.
Petra Maria Kraxner wurde 1982 in Zams geboren und studierte Anglistik, Amerikanistik, Theater-,
Film- und Medienwissenschaften in Wien sowie szenisches und lyrisches Schreiben am Deutschen
Literaturinstitut in Leipzig. Neben Bühnenstücken veröffentlicht sie lyrische Texte in Zeitschriften und
Anthologien. 2007 erhielt Kraxner das Dramatikerstipendium des österreichischen
Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, für die Jahre 2009 und 2010 das „Große
Literaturstipendium“ des Landes Tirol für die Dramatisierung der Biographie Georg Trakls, 2010/2011
den Werkzuschuss aus dem Jubiläumsfond der Literar-Mechana und 2011 das Mira-Lobe-Stipendium
des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.