Kultur in Frankfurt Eigene Erfahrungen eingebracht So ist Ursula Mühlbergers Maxime „Wenn du gut sterben willst, musst du frühzeitig damit anfangen“, nicht ironisch gemeint. Sie selbst wurde wie auch Katrin Skok schon in der Kindheit mit tragischen Todesfällen in der Familie konfrontiert. In jungen Jahren zwei Geschwister oder die Mutter zu verlieren, waren einschneidende Erlebnisse, die beide nicht mehr losgelassen haben. Die Zuschauer werden in das Stück mit einbezogen ... Dem Tod ins Auge schauen – mit Musik und Humor Ein ungewöhnliches Bühnenprogramm über ein heikles Thema „Sag mal, kannst du dir vorstellen, heute zu sterben?“ Die Frage kommt unvermittelt und bringt die Befragte sichtlich aus der Fassung. Sie rutscht auf dem Stuhl hin und her, schluckt und zupft das schwarze T-Shirt mit den tanzenden Sensenmännern zurecht. „Du meinst, gleich heute Abend, nach der Vorstellung?“ Die andere, mit todernster Miene, nickt bejahend. Dafür kassiert sie empörte Blicke und die erboste Replik: „Nein, also nein, das würde mir gar nicht in den Kram passen.“ Es folgen stichhaltige Gründe, die dagegen sprechen. In „Fegt mich weg ...“ sitzen die Zuschauer dem Tod mit lachendem Auge gegenüber. Das rund einstündige Bühnenprogramm wird im Untertitel zwar als „Musikalische Unterhaltung“ bezeichnet, doch die ist mit szenischem Spiel, satirischen Seitenhieben und bissigen Kommentaren gewürzt. Ursula Mühlberger und Katrin Skok nehmen hier jene unabwendbare Begleiterscheinung des Seins mit geistreichem Witz und hintersinniger Komik unter die Lupe. Ob bei der Hitparade der Trauerlieder, die auch als Genderstudie taugt, weil Männer stets „Spiel mir das Lied vom Tod“ zum Spitzenreiter wählen; ob bei den Ausführungen der resoluten Bäuerin, die auf keinen Fall im Kreise ihrer erbgieri58 SZ 4 / 2015 gen Lieben das Zeitliche segnen will; ob bei der Exkursion in die bizarre Welt moderner Bestattungskultur, die sich als wahrer Fundus an Grotesken entpuppt. Mag die Begegnung mit den Letzten und Vorletzten Dingen die Lachmuskeln des Publikums auch gewaltig strapazieren – lächerlich machen Ursula Mühlberger und Katrin Skok den Tod an keiner Stelle. Humor dient der Musiktherapeutin und der Komikerin vielmehr als Türöffner zu Bereichen, die man nur allzu gern verdrängt. „Wir wollen die Leute anregen, über den Tod nachzudenken und sich bewusst damit zu beschäftigen.“ Die eigene Sterblichkeit zu ignorieren, halten sie für einen großen Fehler. Dass ihre Auseinandersetzung mit Sterben und Tod den Weg auf die Bühne fand, ist dem Zufall geschuldet. Den Leiterinnen des Frauenchors „Amanda Taktlos“ flatterte 2012 die Bitte auf den Tisch, beim Studientag „Ars Moriendi“ das Thema Tod mal etwas anders zu beleuchten. Hatte sich Ursula Mühlberger im Chor bis dahin vor allem um die musikalischen Belange und Katrin Skok um Regie, Kostüme und Choreografie gekümmert, setzte die Anfrage der katholischen Erwachsenenbildung den Startschuss für ein völlig neues Bühnenprojekt. Anfangs knapp 30 Minuten während, mauserte sich die „musikalische Unterhaltung über Leben und Tod“ zum abendfüllenden Programm. Weil das Stück auch im nicht öffentlichen Rahmen Interesse weckt – die Künstlerinnen gastierten unter anderem bei den Palliativtagen, am Abschlussabend eines Sterbebegleitungskurses und in einem buddhistischen Zentrum –, stimmt das Duo die Inhalte der Aufführungen stets auf Publikum und Orte ab. Das Publikum macht mit „Wir bieten kein Fertigpaket an“, so Katrin Skok, die Wert darauf legt, die Zuschauer miteinzubeziehen. In jeder Vorstellung werde zum Beispiel Max Frischs Fragebogen zum Tod verteilt, entschieden bei der Trauerliederhitparade die Anwesenden über die Platzierung. Außerdem geht niemand mit leeren Händen nach Hause. Die Gäste erlernen zwei themen- Kultur in Frankfurt bezogene Yogaübungen, die sie in den eigenen vier Wänden jederzeit praktizieren können. „Ins Gras beißen“ und „Den Löffel abgeben“ heißen jene für Anfänger wie Fortgeschrittene geeigneten Asanas. Dass sich die meisten Zuschauer an den interaktiven Einlagen beteiligen, führt Theaterpädagogin Skok auf die Authentizität der Szenen zurück. „Die Leute spüren, dass darin viel Biografisches steckt.“ Nach den Vorstellungen kommt es dann auch entsprechend oft zu intensiven Gesprächen über Tod und Sterben. „Mein Lieblingsthema“, bekennt Ursula Mühlberger, die auch katholische Theologie studierte und weiß, dass die vielschichtigen Aspekte in einem Bühnenprogramm gar nicht unterzubringen sind. Bisweilen erfahren die Künstlerinnen auch erst durch eine E-Mail oder ein Telefonat, was sie mit ihren heiteren Betrachtungen eines weitgehend tabuisierten Sachverhalts ins Rollen bringen. So rief vor Kurzem erst eine Dame an, die mit ihrer Mut- Zeitgenossen noch weit entfernt von jener stoischen Gelassenheit sein, mit der Sören Kierkegaard aus dem Leben schied. Als ein Schlaganfall den dänischen Philosophen mit gerade mal 42 Jahren auf offener Straße zusammenbrechen ließ, sollen seine letzten Worte „Fegt mich weg ...“ gewesen sein. Doris Stickler ... und animiert. Fotos (2): Oeser ter das Stück gesehen hat und begeistert erzählte, dass sie auf der Rückfahrt zum ersten Mal mit der Mutter über den Tod gesprochen habe. „Humor öffnet Menschen“, stellt Katrin Skok in allen Umfeldern fest, in denen sie als Komikerin tätig ist. In „Fegt mich weg ...“ erlebe sie manche Szenen allerdings als Gratwanderung. Zu ihrer Freude hat aber noch nie eine Person während der Vorstellung den Saal verlassen. Aus den Reaktionen des Publikums lesen sie und Ursula Mühlberger im Gegenteil ein zunehmend unverkrampftes Verhältnis gegenüber den Letzten Dingen ab. Dennoch dürften die meisten Die Hesselbachs Die nächste Aufführung ist am 17. November um 19.30 Uhr im Kloster Engelthal. Mehr Informationen unter: www.abtei-kloster-engelthal.de, oder Telefon 0 69/95 50 23 58. ANZEIGE Heißer Draht für Pflegende Angehörige Erschöpfung – Sorgen – Fragen zur Pflege? Wir hören zu und geben Orientierung! 069 – 955 24 911– auch anonym Mo. – Fr. 9 –17 Uhr Mi. bis 19 Uhr Di 15 –18 Uhr auch in türkischer Sprache Kartenverlosung für SZ-Leser gelesen von Jo van Nelsen Foto: Katrin Schander, fotowerkstatt-schander.de Die Hesselbachs – von 1960 bis 1967 begleiteten sie als erste Fernsehfamilie im Ersten Programm des Deutschen Fernsehens die Zuschauer. Manche mögen sich noch daran erinnern, wie die Hesselbachs seit 1950 schon im Hörfunk die Hessen unterhielten, wenn auch mit zum Teil anderen Schauspielern. Wolf Schmidt, unvergessener Darsteller des „Babba“ (von seiner Frau, „Mamma“ Liesel Christ, auch „Ei Kall“ genannt), hatte die Geschichten um eine kleine Verlagsdruckerei im Hessischen (Die Firma Hesselbach), um die Familie Hesselbach und später um Herrn Hesselbach erfunden und nahm darin die „alltäglichen Nebensächlichkeiten“ aufs Korn, die die Menschen bewegten. Sprüche wie „Kall, mei Drobbe“ sind in den Sprachgebrauch nicht nur der Hessen eingegangen. Jo van Nelsen, nahe Frankfurt geboren und auf vielen Kleinkunstbühnen zu Hause, hat zwei Bücher ausgegraben, in denen Wolf Schmidt die Fernseh-Episoden der Hesselbachs zu Erzählungen umgearbeitet hat. Aus „Babba“ und „Mamma“ liest Jo van Nelsen in den kommenden Monaten in der „Käs“ einzelne Erzählungen, die in skurrilen Verwicklungen und versteckten Seitenhieben auf die Politik schwelgen, die noch heute treffen. de Hirsch, 18 Uhr). Interessenten schicken bitte bis zum 30. Oktober eine Karte mit dem Stichwort „Hesselbach“ an die Redaktion der Senioren Zeitschrift, Hansaallee 150, 60320 Frankfurt oder per E-Mail an: [email protected]. wdl Für die Leser der SZ stellen Jo van Nelsen und die Käs fünfmal zwei Karten zur Verfügung (für die Vorstellung 17. Januar, Der röhren- In der Käs, Waldschmidtsraße 19, www.diekaes.de, www.jovannelsen.de. Weitere Lesungen in der finden statt: am 27. Oktober (Das Techtelmechtel, 20 Uhr) 24. November (Der Kriminalfall, 20 Uhr) 2. Dezember (Die Spezialistin, 20 Uhr) 17. Januar 2016 (Der röhrende Hirsch, 18 Uhr) SZ 4 / 2015 59
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