Kirchenkritik bei John Wyclif und Jan Hus - EKHN

Examensvorbereitung KG von Simon Ahäuser
KG II – Kirchenkritik bei Wyclif und Hus
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Kirchenkritik bei John Wyclif und Jan Hus
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Die allgemeine Unzufriedenheit mit den kirchlichen Zuständen, insbesondere mit der
Papstherrschaft, äußerte sich seit Mitte des 14.Jhs in verschiedenen Formen.
Theologen entwarfen Reformkonzepte, neue religiöse Bewegungen entstanden in mehr
oder weniger großer Distanz zur Institution, monastische Erneuerungstendenzen regten sich.
Zunahme der Kritik am Klerus seit der Zeit des Schismas und der Konzilien: Kritisiert
wurde ungenügende Bildung, Bordellbesuche, Frauenverführung, Simonie und Habgier.
◦ Zu einer Krise des gesamten Kirchensystems kam es jedoch nicht.
Ausdruck einer radikalen Bußgesinnung aufgrund des Kulturschocks durch die
Pestepidemie von 1347-51 waren die Flagellanten: Brüder- und Schwesternschaften, die
durch Nachahmung der Geißelung Christi als stellvertretende Sühne das göttliche
Strafgericht abzuwenden versuchten.
Nachhaltiger jedoch wirkten nationalkirchliche Tendenzen, die zumeist eine Reaktion
gegen das globale Papsttum erwirkten, vor allem in Randbereichen der abendländischen
Kirche, England und Böhmen.
Die dortigen kirchenkritischen Bewegungen 1378 und 1408 sprengten den bisherigen
Rahmen, weil sie erstmals von umfangreichen Gruppen getragen wurden anstelle von
einzelnen Nonkonformisten.
1. John Wyclif (ca. 1330-1384) – Radikale Kirchenreform
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Der Oxforder Theologieprofessor John Wyclif engagierte sich zunächst im
Rahmen der nationalen Oppsition gegen die päpstlichen Finanzpraktiken.
◦ Wegen des permanenten Kriegs gegen Frankreich mussten hohe Steuerabgabe
an den König gezahlt werden, nun propagierten Adelige und Bürger einen Zugriff auf
die Kirchengüter als Entlastung. Das betraf nicht nur die Angaben an den Papst,
sondern auch die Einkünfte des hohen Klerus und der reichen Klöster.
Als volkstümlicher Prediger und Schriftsteller erzielte Wyclif eine hohe Wirkungen mit
seinem Angriff auf den unbiblischen Wohlstand der Kirche und mit seiner Forderung
nach Enteigung sowie Preisgabe jeglicher irdischer Herrschaft.
Er wurde bei der Kurie unter Hinweis auf seine Schriften wegen Ketzerei verklagt.
Diese wurden von Gregor XI. 1377 als häretisch verurteilt.
Die Verurteilung hatte aber keine Konsequenzen, weil er von König und Bevölkerung
gestützt wurde und das Papstschisma von 1378 die kirchliche Handlungsfähigkeit
beeinträchtigte.
◦ Es kam zu Streitigkeiten bei der Papstwahl 1378, vor allem zwischen Frankreich und
Italien. Der Italiener Urban VI. wurde gewählt, die Franzosen wählten jedoch Clemens
VII. zu ihrem Papst.
◦ Nach deren Tod wurde im Konzil von Pisa 1409 mit Alexander V. ein weiterer neben
ihren Nachfolgern eingesetzt.
Der Königssohn Johann von Gent, Herzog von Lancaster, konnte einen theologischen Kopf
wie Wyclif gut gebrauchen, v.a. bei den Verhandlungen mit den Abgesandten des Papstes
1374 in Brügge.
◦ Deshalb bekam er die Kronpfarrei Lutterworth in Leicestershire als gut dotierte Pfründe.
1378 entwickelte er nun seine grundsätzliche Kirchenkritik in den Traktaten „Über die
Kirche“ und „Über die Macht des Papstes“: Die Verdrängung der Bibel und damit das
Gesetz Christi durch das päpstliche Recht hielt er für ein Zeichen der Herrschaft des
Antichristen.
◦ Seine zunächst mit dem Pontifikat Urbans VI. verbundene Hoffnung auf ein
Reformpapsttum hatte er schnell wieder aufgegeben.
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1.1. Theologie und Lebensende
• Für ihn war die Kirche primär die unsichtbare Gemeinschaft der von Gott erwählten
Gläubigen, deren Haupt allein Christus, aber in keiner Weise der Papst ist.
◦ Stellvertreter Christi und Nachfolger Petri sind, die dem Gesetz Christ gemäß in der
Nachfolge. d.h. in Armut und Demut, leben.
• Kirche werde besser kollegial als monarchisch geleitet.
• Er vertrat die Ansicht, dass auch nach der Weihe von Brot und Wein die Substanz von Brot
und Wein erhalten bleibe. Christus sei in dem geweihten Brot und Wein nicht leibhaftig
gegenwärtig.
• Wegen seiner Auffassungen vom Abendmahl wurde er auch von der Universität Oxford
verurteilt und zog sich daraufhin zurück in seine Pfarrei bis zu seinem Tode 1384.
◦ Man verurteile ihn erst nachträglich im Gefolge des Hus-Prozess 1415 auf dem
Konstanzer Konzil zum Ketzer. Zu Lebzeiten hatte er weiterhin zu großen Rückhalt.
1.2. Lollardenbewegung
• Lebendig war sein geistiger Einfluss ab 1382 in der Lollardenbewegung:
• Gruppen von Laien und Klerikern, v.a. aus den unteren Schichten, propagierten eine
umfassende Kirchenkritik. Sie wurden der Häresie verdächtigt und seit 1401 auch staatlich
verfolgt.
◦ Eine bedeutsame Tätigkeit der Lollarden war die volkssprachliche Bibelübersetzung.
◦ Sie wurde als ketzerisch verboten. Die Kirche sah wohl ihre Lehrautorität bedroht,
wenn Laien sich nach Wyclifs Schriftprinzip auf die Bibel als alleinige Autorität
beriefen.
2. Jan Hus (ca. 1370-1415) – Erneuerungsbewegung in Böhmen
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Das Umfeld in Böhmen war von Stimmung gegen die Deutschen geprägt, in deren Hand
sich die Universität in Prag befand und die in den höheren Rängen die Kirche dominierten.
Im 14. Jh hatte sich Böhmen durch Industrie und Handel zu einem ökonomischen
Zentrum in Mitteleuropa entwickelt, gleichzeitig kam es zu sozialen
und politischen Spannungen, die auch die Kirche betrafen.
Wyclifs Kirchenkritik und Reformprogramm fanden eine besondere Resonanz aufgrund
der verschiedenen Kontakte zu England.
◦ Die kirchlich-religiöse Erneuerung verband sich mit nationalen Aspekten.
Führer dieser Erneuerungsbewegung waren u.a. der Bußprediger Matthias von
Waldhausen oder der Spiritualist und Apokalyptiker Jan Milic.
◦ Sie trugen zur Schaffung eines religiösen Klimas bei, das eine wesentliche
Voraussetzung für die Konflikte der Hus-Ära war.
2.1. Biographie Hus'
• Diese Bewegung fand ihre feste Form seit ca. 1400 im Gefolge der Konflikte um die
Wyclif. Der berühmteste Wortführer des Protests wurde der Prager Universitätslehrer
Jan Hus, nicht wegen seiner wissenschaftlicher Lehre, sondern durch die Breitenwirkung
seiner populären Predigten und Traktate.
• Er schaffte es, die wesentlichen Sachverhalte der Kirchenpraxis und Frömmigkeit
einprägsam auch für Laien zusammenzufassen.
◦ Johannes Hus schaffte den sozialen Aufstieg durch sein Universitätsstudium in Prag,
seit 1396 war er Magister an der Artistenfakultät, 1400 zum Priester geweiht und seit
1402 Volksprediger an der Bethlehem-Kapelle in Prag.
◦ Seine Verkündigung orientierte sich an den Ideen des Jan Milic, getragen auch von
einem volkspädagogischen Impuls mit der gezielten Pflege der tschechischen Sprache.
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Seit 1407 kam es zu Unruhen, die Hus trotz seiner nur mäßigen Kritik zugesprochen
wurden. Wyclifs Thesen wurden in Prag verurteilt.
◦ Hus lehnte es ab, sich der Verurteilung anzuschließen.
Der Streit um dessen Lehren verschärfte in der Prager Universität den Gegensatz
zwischen den vier stimmberechtigten Nationen (Böhmen, Bayern, Sachsen, Polen).
Seit 1410 bekam der Konflikt die Form einer Ketzerverfolgung:
◦ Gestärkt durch den Papst verbot Erzbischof Zybnek die Beschäftigung mit Wyclifs
Schriften, die öffentlich verbrannt wurden.
◦ Er verbot außerdem Hus' Predigttätigkeit und exkommunizierte ihn.
Er wurde 1412 als Ketzer vom Papst gebannt (Bannbulle). Es kam in Prag fast zum
Aufstand aufgrund weiterer Unruhen.
2.1. Theologie Hus'
• Seine Theologie war gemäßigt-konservativ, seine praktischen Konsequenzen waren
revolutionär. Das zentrale Thema war die Kirche als Gemeinschaft der von Gott erwählten
Gläubigen, die in der Nachfolge Christi ein entschiedenes Leben nach Gottes Gesetz führen.
• Nicht eine Hierarchie als solche, sondern die gegenwärtige Form hielt er für unvereinbar
mit der Bibel.
◦ Haupt der Kirche könnte allein Christus sein, und die kirchlichen Amtsträger vom
Papst bis zum Pfarrer müssten ein apostolisches Leben in Bescheidenheit führen.
• In seinem Traktat De ecclesia formuliert er 1413 seine Grundsätze: Jeder Christ habe ein
Widerstandsrecht gegen unrechtmäßig handelnde Vertreter der Kirche.
◦ Ein Befehl, der nicht nach dem Gesetz Christi sei, dürfte nicht ausgeführt werden.
2.2. Konzil von Konstanz und Tod Hus'
• Bitte beachten: Im Konzil selbst geht es um mehr als um Hus! Vor allem löst es das
abendländische Schisma innerhalb der Kirche auf.
◦ Erst das Konzil in Konstanz und die Vermittlung durch König Sigismund löst das
Schisma. Zum Papst wird Martin V. gewählt.
• Der König kümmerte sich auch um die Belange Hus', unterstützt ihn zunächst und
verspricht ihm Sicherheit. Er verfolgt jedoch große politische Ziele Richtung Kaiseramt.
• Hus kommt im November 1414 nach Kostanz. Der einzige der drei Päpste, der anwesend ist,
Johannes XXIII. empfängt ihn, hebt die Exkommunikation und den Bann auf und
versicherte, er werde nicht zulassen, dass Hus Unrecht geschehe.
• Doch bereits drei Wochen später wendet sich das Blatt. Seine Gegner machen Stimmung
gegen ihn, sie sehen die Einheit der Kirche ernsthaft in Gefahr.
◦ Sie locken Hus unter einem Vorwand in die Pfalz des Papstes und inhaftieren ihn in das
Erdgeschoss des Dominikanerkloster, welches den Mönchen als Toilette dient.
◦ Zu diesem Zeitpunkt ist Hus' vermeintlicher Beschützer Sigismund noch gar nicht in
Konstanz angekommen.
• Als Sigismund ankommt, merkt er schnell, wie die Mehrheitsverhältnisse liegen. Wenigstens
lässt er den inzwischen ernstlich erkrankten Hus befreien.
◦ Er bleibt dennoch in Gewahrsam.
• Am 5. Juli 1415 kam es zu einer Anhörung Hus', bei der er 30 Thesen widerrufen sollte, er
bestritt jedoch, jene überhaupt gelehrt zu haben. Es sind wohl Zitate aus allerlei Quellen.
◦ Er genießt trotzdem Sonderrechte: Abweichend von den Regeln eines Ketzerprozesses
darf er vor dem Konzil sprechen.
• Man versucht vehement, dass Hus sich dem Urteil unterwirft und bittet ihm Gnade an.
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Bringen sie Hus nämlich auf den Scheiterhaufen, hat die böhmische Bewegung einen
Märtyrer.
Hus jedoch lehnt konsequent ab. Er verspricht: „Wo ich geirrt habe, mich demütig zu
korrigieren“ - doch er verlangt den Nachweis seiner Irrtümer aus der Bibel.
◦ Ähnlich wird es Luther 1521 in Worms tun.
◦ Noch ist Hus sehr optimistisch: „Denkt an die Gans, meine Freunde!“
An einem der letzten Verhöre nimmt auch Sigismund teil und ändert seine Meinung
aufgrund der Kompromisslosigkeit Hus': „Ich will keinen Häretiker verteidigen, im
Gegenteil, einen hartnäckigen Ketzer würde ich selbst anzünden und verbrennen.“
Hus bleibt seiner Linie treu: Er wolle vor Gott nicht als Verräter dastehen. Damit besiegelt
er sein Schicksal. Als notorischer Häretiker wird er am 06.07.1415 verbrannt.
• Der Überlieferung nach schreit Hus im Angesicht des Feuer: „Jesus Christus, Sohn des
lebendigen Gottes, erbarme dich meiner“.
3. Nachwirkungen
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Es kommt zu einer Reihe von Auseinandersetzungen und Schlachten in den Jahren 1419
bis 1434 bzw. 1439, ausgehend vom Gebiet des Königreichs Böhmen.
Unter dem Begriff Hussiten werden mehrere reformatorische und revolutionäre Strömungen
zusammengefasst, die sich ab 1415 nach der Verbrennung Jan Hus' herausbildeten.
Hus wird zur bedeutendsten Symbolfigur der Tschechen.
3.1. Katholische Kirche
• Über eine Rehabilitierung in der römisch-katholischen Kirche wird seit dem Ende des 20.
Jahrhunderts diskutiert. 1996 äußerte Kardinal Miloslav Vlk die Meinung, dass das Urteil
gegen Hus widerrufen werden müsse.
• 1999 erklärte Papst Johannes Paul II. anlässlich eines Historikerkongresses über den
Reformator, dass er tiefes Bedauern für den grausamen Tod empfinde.
• Bis zum Jahr 2014 ist die Rehabilitierung noch nicht erfolgt. Man erhofft sich anlässlich
des 600. Todestag im kommenden Jahr, dass Franziskus, der Papst der Armen, das damalige
Urteil endlich aufheben wird.
3.2. Evangelische Kirche
• In den protestantischen Kirchen genießt Jan Hus hohes Ansehen als Vorläufer des
Reformators Martin Luther, der im folgenden Jahrhundert seine Ideen und Ideale aufgriff.
• Vor seiner Hinrichtung soll Hus gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der
Asche wird ein Schwan entstehen“. Husa bedeutet tschechisch Gans.
• Später brachten Historiker diesen Ausspruch mit Luther in Zusammenhang und machten
deshalb den Schwan zu dessen Symbol.