Baden-Wettingen 28 www.aargauerzeitung.ch | az | Montag, 4. Juni 2012 Gutes Essen verbindet über alle Grenzen hinweg Wettingen Am Fest der Kulturen auf dem Zentrumsplatz eröffneten sich den Besuchern ganz neue Gaumenfreuden VON URSULA BURGHERR Haben Sie schon einmal Tschebureki, Börek oder Pleskawitza probiert? Um das Rätsel gleich zu lösen: Tschebureki sind mit Fleisch und Zwiebeln gefüllte Teigwaren und stammen aus Russland. Pleskawitza – ein Nationalgericht aus Serbien – besteht aus Hackfleisch und Schafskäse. Völkerverständigung wird am von der SP Wettingen organisierten Fest der Kulturen vorwiegend über die Geschmackssinne betrieben. «Die Gruppen wollen keinen Umsatz machen, sondern primär ihre landestypischen Spezialitäten präsentieren», verkündeten Patrick Neuenschwander und Lea Schmidmeister von der Kulturgruppe der SP Wettingen. Kaviar rot und schwarz gab es bei den Russinnen zu kosten. Aber auch «Die Gruppen wollen ihre landesspezifischen Spezialitäten präsentieren.» Patrick Neuenschwander, Mitorganisator -publikumsangepasster russischer Salat, der eigentlich nichts mit dem rund 143 Millionen Einwohner zählenden Staat in Eurasien zu tun hat. Die serbische Sektion brachte Spanferkel auf den Tisch – und Cevapcici, das sich durch die vielen über das Die drei Russinnen begeisterten das Publikum mit ihren schönen Trachten und Volkstänzen. ganze Land verteilten Verkaufsstände neben Pizza und Hamburger zum Renner entwickelt hat. Besir Kisa vom kurdischen Kulturverein und Second@s Plus Aargau zeigte in seiner Rede einmal mehr die immer grösser werdende Schere zwischen Arm und Reich auf. Das Publikum erschien zahlreich und genoss es, mit anderen Nationalitäten über traditionelle Speisen Kontakt zu machen. Nirgendwo wie beim Essen verbinden sich die Kulturen, möge die politische Realität noch so widrig sein. Auch Vertreterinnen von Aargauer URSULA BURGHERR Interreligiösen Arbeitskreis (AIRAK) waren anwesend. Sie gestalten an jedem 16. des Monats einen interreligiösen Stammtisch im reformierten Kirchgemeindehaus Baden. Umfrage Welche Vorteile sehen Sie in der Schweiz und Ihrer Heimat? UBU Sadet, Suzan, Bermal Gongna Anna Gütiger Dragan, Michael und Nino B. Menzi, M. Liauw Kurdistan Tibet Moskau Serbien Partner Pakistan und Indonesien «Wir müssen vor Heimweh weinen, wenn wir an das Land denken, in dem wir geboren sind. Wir lieben das Essen und die wunderbaren Naturlandschaften von dort. Aber die Schweiz ist auch schön.» «Dieses Land ist mit seinen Bergen ähnlich wie Tibet. Die Leute in meiner Heimat begegnen sich aber mit noch mehr Respekt als die Schweizer. Das hängt vor allem mit dem buddhistischen Glauben zusammen.» «In Russland sind die Leute offener als in der Schweiz. Aber das hiesige Sozialsystem ist viel besser. Ich wünschte mir, dass alle Ausländer, die ansässig werden, das helvetische Kulturgut mehr schätzen und die Sprache lernen.» «Wir haben hier eindeutig bessere Zukunftsmöglichkeiten als in unserem Land. Die Multikultur und Weltoffenheit, die in der Schweiz herrschen, wissen wir sehr zu schätzen.» «Die Organisation in der Schweiz ist beispiellos! Moralische Regeln in der Schule sind nicht nur bei Muslimen streng, sondern auch bei Katholiken. Wir plädieren für mehr Offenheit.» Blues Max hat den Blues, aber keinen roten Faden sollen seine Geschichten handeln, flüstert er mit dieser verführenden Stimme ins Mikrofon, während sein Begleitgitarrist Richard Koechli wunderbar melancholische Harmonien ins Dunkel des Publikumsraums entlässt. Blues Max beginnt zu erzählen, mal singend, mal ganz ohne Musik. Er erzählt von Gottes Desinteresse am irdischen Fussballgeschehen, von Piero Esteriores Erfolgskonzept und von Brady Dougans Millionen-Boni. Er singt über das brennende Feuerwehr-Depot, den Weg vom InternetChat ins Doppelbett und vom «Vogulisi», das plötzlich entflieht. Er verzieht das Gesicht zu einer grimmigen Gölä-Grimasse, stammelt ein paar Sätze im St. Galler Dialekt und unterstreicht seinen angekündigt schrägen Stil mit jeder Minute mehr. Baden Werner Widmer alias Blues Max war mit seinem Programm «light» im ThiK zu Gast. Er hätte beinahe überzeugt. VON SAMUEL SCHUMACHER Ein Horrorszenario: Die vorderste Reihe besetzt von nicht zahlenden Vorstandsmitgliedern der Kulturkommission, zwei grimmige Paare, in der Mitte viel freie Kapazität, und ganz hinten ein pensionierter Primarlehrer, der für das Dorfblatt den Wert der ländlichen Kleinkultur schönschreibt. Und vorn, einsam auf der Bühne, steht Werner Widmer alias Blues Max und kämpft gegen die erdrückende Leere. So ist er ihm in Erinnerung geblieben, sein schlimmster Auftritt als Solo-Blueser und -Komiker. Irgendwo im Nirvana des Emmentals. Darum sei er schon sehr froh, an diesem Abend im vollbesetzten ThiK im kulturell beflissenen Baden zu stehen und auf viel Gegenliebe aus dem Publikum zu stossen, ruft Blues Max mit seiner dunk- Blues Max und Richard Koechli im ThiK. len, kratzigen Stimme. Der Applaus ist ihm sicher, vorerst. Blues Max greift zur Gitarre, wie er das seit nun rund 30 Jahren als Bühnenartist tut, räuspert ins Mikrofon und schielt verschmitzt unter der SAMUEL SCHUMACHER Krempe seines Huts hervor. Als schräg philosophierender VollblutBlueser preist sich Blues Max auf seiner Homepage an, und kommt auf der ThiK-Bühne gleich zur Sache. Vom Leichten und vom Schweren Die besseren Anekdoten Die Musik ist gut, richtig schön. Die Blues-Harmonien und der stoisch-coole Richard Koechli erinnern an eine Bar-Szene im Wilden Westen. Der Sound gefällt, viele wippen mit. Der inhaltliche rote Faden aber fehlt. Und für einen wilden, unkoordinierten Ritt zwischen leicht und schwer sind die Geschichten dann doch zu platt. Der subtil homophobe Humor wirkt – trotz Ankündigung – unpassend. Die alte Mär der lauten, ungehobelten Teenager in öffentlichen Verkehrsmitteln ist abgegriffen, die Metapher des «pubertierenden Güggels mit Migrationshintergrund und kulturellem Schleudertrauma» lau. Richtig witzig wird der souverän spielende Blues-Komiker, als er aus seiner vielleicht sogar wahren Biografie zu erzählen beginnt. Die viel zu weite «Konf-Schale», der er nur knapp entkam und die Annäherungsversuche als Jugendlicher an seine grosse Liebe mithilfe einer Velopumpe klaubt er aus der Erinnerung hervor. In diesen Momenten entkommt er der Schwere, sorgt für Lacher und Schmunzeln. Man wünscht sich mehr davon, und weniger Promi-Verriss und Generalangriffe auf Banker und die Jugend. Blues Max behält recht, wenn er zu Beginn des Abends ankündigt, es könnte heiter werden, müsse aber nicht.
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