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„Es bleibt ein
fragiler Prozess“
Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz
will bis Dezember Zwischenberichte vorlegen
Interview mit Dr. Carsten Brosda (SPD), Bevollmächtigter der Freien
und Hansestadt Hamburg für Medien
Dr. Carsten Brosda
Studium Diplom-Journalistik und
Politikwissenschaft
2000 - 2005 Redenschreiber und
Referent für Grundsatzfragen im SPDParteivorstand
2005 - 2009 stellv. Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium
für Arbeit und Soziales
2010 - 2011 Abteilungsleiter Kommunikation beim SPD-Parteivorstand
Seit 2011 Bevollmächtigter für Medien
Hamburgs
Im März hatten die Regierungschefs der Länder beschlossen, für eine digitale Medienordnung Gespräche zu fünf Schwerpunktthemen aufzunehmen. Inzwischen haben sich fünf AGs konstituiert – zur
AVMD-Richtlinie, zum Jugendschutz, zu Kartellrecht/Vielfaltssicherung, zur Plattformregulierung
und zu den Intermediären. Nach Einschätzung von Dr. Carsten Brosda, Bevollmächtigter Hamburgs
für Medien bleibt die Bund-Länder-Kommission „ein fragiler Prozess, da die Erkenntnis eines Problems allein nicht ausreicht, sondern sich wirklich alle einig sein müssen, es auch gemeinsam anzugehen. Das gelingt leider nicht immer.“ Ein positives Beispiel sei die AVMD-Richtlinie, wo Bund und
Länder mit einer gemeinsamen Position nach Brüssel gehen wollten. Noch nicht einig sei man sich in
der Frage, ob es neben dem geltenden Wettbewerbs- und Kartellrecht eines spezialgesetzlichen Diskriminierungsverbotes für Intermediäre mit einem besonders hohen Nutzeranteil bedarf, so Brosda.
promedia: Herr Brosda, was hat sich in den
vergangenen sechs Monaten bei der BundLänder-Kommission getan?
Brosda: Im vergangenen halben Jahr haben
sich fünf AGs konstituiert – zur AVMDRichtlinie, zum Jugendschutz, zu Kartellrecht/
Vielfaltssicherung, zur Plattformregulierung
und zu den Intermediären. Leider ist es
bislang nicht gelungen, die AG zur Netzneutralität einzurichten. Aber in den anderen AGs
ist zügig mit der Arbeit auf Fachebene
begonnen worden. Auch Anhörungen,
Workshops oder schriftliche Befragungen von
Branchenvertretern oder Wissenschaftlern
haben stattgefunden. Dass hier eine intensive
inhaltliche Beschäftigung mit den Fragestellungen begonnen hat, ist für sich genommen
bereits ein wertvoller Schritt. Derzeit werden
Zwischenberichte abgestimmt, die dokumentieren, an welchen Stellen abgestimmtes
Handeln von allen für möglich erachtet wird.
Es bleibt ein fragiler Prozess, da die Erkenntnis eines Problems allein nicht ausreicht,
sondern sich wirklich alle einig sein müssen,
es auch gemeinsam anzugehen. Das gelingt
leider nicht immer. Aber es kann gelingen:
zum Beispiel mit einer abgestimmten Position
von Bund und Ländern zur AVMD-Richtli4 Digitale Medienordnung pro media 11/2015
nie. Ein wichtiger Punkt ist hierbei, dass die
bisherige Differenzierung zwischen linearen
und nichtlinearen Diensten in der Richtlinie
aufgegeben werden sollte. Wir sind uns einig,
dass wir hier neue Regeln brauchen und
werden das auch so ins Brüsseler Verfahren
geben. Das hat dann schon Gewicht.
promedia: Hamburg leitet gemeinsam mit
dem BKM die AG „Regulierung von
Intermediären“. Mit welchen Fragen hat sich
die Arbeitsgruppe bisher vor allem befasst?
Brosda: Die AG zu den Intermediären befasst
sich mit einem echten Zukunftsthema. Wir
diskutieren hier, wie sich öffentliche Kommunikationsangebote durch die neuen digitalen
Mittler verändern und ob wir darauf auch
regulatorisch reagieren müssen. Es ist
schließlich plausibel, dass sich Fragen des
Zugangs und der Vielfalt künftig weniger auf
Ebene der Anbieter als auf der der Mittler
stellen. Wir haben für die Arbeit der AG die
damit verknüpften Themenbereiche priorisiert. In einem ersten Schritt behandelte die
AG Fragen der Diskriminierungsfreiheit – sowohl zum Schutz des wirtschaftlichen
Wettbewerbs als auch zur Gewährleistung
kommunikativer Chancengerechtigkeit – so-
wie der Transparenz. In einem zweiten Schritt
wird sie sich in 2016 weiteren Fragen zum
Beispiel der Meinungsmacht und der
Interoperabilität zuwenden.
promedia: Wo gibt es Konsens, wo Dissens?
Brosda: Die Steuerungsgruppe hat zu den
Zwischenberichten der AGs noch nicht
getagt, so dass das alles noch vorläufig ist. In
der AG wurde zum Thema Transparenz
verabredet, Eckpunkte für Regelungsvorschläge auszuarbeiten, die zentrale Kriterien
der Aggregation, Selektion und Präsentation
durch Intermediäre künftig besser erkennbar
machen. Damit ist ausdrücklich nicht
gemeint, dass die Algorithmen offengelegt
werden sollen, sondern es geht darum, dass
für Nutzerinnen und Nutzer deutlich wird,
welche Leistung sie von dem jeweiligen
Intermediär erwarten können. Hierdurch
kann auch eine Selbstbindung der Intermediäre an die kommunizierten Kriterien
entstehen.
Noch in der Prüfung befindet sich die Frage,
ob es neben dem geltenden Wettbewerbsund Kartellrecht eines spezialgesetzlichen
Diskriminierungsverbotes für Intermediäre
mit einem besonders hohen Nutzeranteil
bedarf. Hier geht es etwa um die Bevorzugung
von eigenen Inhalten oder von Inhalten von
Kooperationspartnern. Ich finde es jedenfalls
plausibel, bei der Gewährleistung von
kommunikativer Chancengerechtigkeit
grundsätzlich auch Intermediäre in den Blick
zu nehmen. Wir werden sehen, inwieweit hier
Regelungsbedarf besteht und eine Umsetzung
gegebenenfalls technisch möglich ist. Diese
und weitere damit zusammenhängende
Fragen werden wir in 2016 diskutieren.
promedia: Eine weitere AG befasst sich mit
der „Plattformregulierung“. Ist diese Trennung
weiter sinnvoll? Diskutieren beide AGs nicht
ähnliche Fragen?
Brosda: Die Trennung hat sich grundsätzlich
bewährt. Während die AG Intermediäre die
neuen Angebote für Suche und Empfehlung
im Netz breit fasst, fokussiert die AG Plattformregulierung vor allem auf Dienstetypen,
die Rundfunk und in begrenzterem Umfang
vergleichbare Telemedien verbreiten. Sie kann
sich deshalb enger an die bisherigen Plattformregeln im Rundfunkstaatsvertrag
anlehnen und diese gegebenenfalls weiterentwickeln. In der AG Plattformregulierung
stellen sich daher zum Teil auch andere
Fragen als in der AG Intermediäre. Hier geht
es auch um einen Infrastrukturbezug, um die
Overlays auf Benutzeroberflächen oder um
das Must carry im Kabel. Auch die Möglichkeit eines Must-be-found, also einer privilegierten Auffindbarkeit, wird eher in der AG
Plattformregulierung diskutiert, weil hier
zumindest noch Bezüge zur klassischen
Rundfunkregulierung identifizierbar sind. Im
Übrigen: Dort, wo sich etwa bei der Transparenz bei der Selektion und Präsentation
vergleichbare Fragen stellen, findet ein enger
Austausch zwischen den AGs statt.
promedia: Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Wann kann man mit den Ergebnissen der
AGs rechnen?
Brosda: Derzeit arbeiten alle darauf hin, dass
am 3. Dezember Zwischenberichte bei der
Konferenz der Regierungschefinnen und
Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vorgelegt werden können. Ihnen
wird zu entnehmen sein, wie es danach weiter
gehen wird. Am wahrscheinlichsten ist, dass
danach die weiteren offenen Fragen
diskutiert und parallel die Vereinbarungen
aus diesem Jahr umgesetzt werden. Hier
geht es dann teilweise darum, Regelungen
im Landes- und Bundesrecht harmonisiert
weiterzuentwickeln oder Impulse nach
Brüssel zu senden. Insgesamt ist die
Bund-Länder-Kommission bis zum Ende
der Legislaturperiode des Bundes angelegt.
Ich glaube, niemand kann derzeit abschätzen, wie weit wir bis dahin wirklich
kommen werden. Genug Themen hätten
wir…
Bund und Länder haben
Intermediäre im Blick
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„Oberstes Ziel der Länder ist der Erhalt von Vielfalt und
kommunikativer Chancengleichheit in einer konvergierenden
Marktsituation sowie die Schaffung von Planungssicherheit
für die in Deutschland ansässigen Medienunternehmen“, so die
Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und
für Europa, für Medien und Digitales, Staatssekretärin Heike
Raab, anlässlich der diesjährigen Medientage München.
Staatssekretärin Raab wies bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Reform oder
Reförmchen – Perspektiven von Bund und
Ländern für eine konvergente Medienordnung“ auf die im Hinblick der Konvergenz
der Medien notwendig gewordene Anpassung des bestehenden Regulierungssystems
hin. Die Digitalisierung der Medienlandschaft führt zu einem tiefgreifenden Wandel,
der, so die Staatssekretärin, sowohl für die
Nutzerinnen und
Nutzer, als auch für
die Medienwirtschaft gleichermaßen Chancen und
Herausforderungen
bietet. Diese gilt es
aufgrund der
besonderen
gesellschaftspolitischen Bedeutung
Heike Raab
der Medien und dem
verfassungsrechtlichen Auftrag der Länder
aufzugreifen und nutzbar zu machen, so die
Staatssekretärin weiter. „Die Einrichtung der
Bund-Länder-Kommission Medienkonvergenz war ein wichtiger Schritt,“, so Raab,
„um die an unterschiedlichen Stellen
betroffene Bundes- und Landesgesetzgebung
auf ihre „Konvergenztauglichkeit“ hin zu
überprüfen und anzupassen.“
Die unter dem Vorsitz der Bevollmächtigten
des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und
für Europa, für Medien und Digitales,
Staatssekretärin Heike Raab, und der
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur
und Medien eingerichtete Steuerungsgruppe
von Bund und Ländern hat als Schwerpunktthemen ihrer Arbeit die Reform der
Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste
(AVMD-Richtlinie), Kartellrecht und
Vielfaltssicherung, Jugendmedienschutz,
Plattformregulierung sowie Intermediäre
identifiziert.
Im Rahmen der Revision der AVMD-Richtlinie gehe es um eine technologieneutrale
Ausgestaltung der Regelungen. Hierbei solle
am Prinzip der abgestuften Regulierung,
wonach alle audiovisuellen Dienstleistungen
einer „Basisregulierung“ auf hohem Niveau
in Bezug auf den Schutz der Menschenwürde und auf den Jugend- und Verbraucherschutz unterliegen sollen, festgehalten
werden. Darüber hinaus sollen auf einer
weiteren Stufe für bestimmte, noch näher
abzugrenzende, redaktionell verantwortete
audiovisuelle Dienste zusätzliche Vorgaben
(wie z.B. zur Barrierefreiheit, Großereignisse
und dem Kurzberichterstattungsrecht)
gelten, so Raab.
Im Bereich des Kartellrechts gehe es darum,
wie Medienvielfaltsaspekte im kartellrechtlichen Verfahren stärker berücksichtigt
werden können, um so kartellrechtlich
problematische aber medienpolitisch
gewünschte Kooperationen und Fusionen
zu ermöglichen, so Staatssekretärin Raab
weiter. Mit der Unterzeichnung des 19.
Rundfunkänderungsstaatsvertrages
(RÄStV) haben die Länder eine Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) auf den Weg gebracht. Nun sei
es am Bund, die notwendigen Regelungen
zur Durchwirkung der Alterseinstufungen
nach dem JMStV auf die Verfahren nach
dem Jugendschutzgesetz (JUSchG) vorzusehen, so die Staatssekretärin.
Aufgrund des verfassungsrechtlichen
Auftrags der Länder, Meinungsvielfalt und
kommunikative Chancengleichheit zu
gewähren, seien auch Intermediäre im
Hinblick auf Transparenzvorgaben und
Diskriminierungsverbote mit in den Blick
zu nehmen, so Heike Raab abschließend.
Digitale Medienordnung pro media 11/2015 5