Was Terrorabwehr kosten wird Literat und

Unternehmen
SMI-Konzerne: Welche Unternehmen
sich im Vergleich mit der Konkurrenz
aus dem Ausland besser halten�������� 5
Meinung
2 Mittwoch, 30. März 2016 · Nr. 25
Objektiv
Indien: Die rosigen Aussichten
­locken immer mehr Schweizer Unternehmen auf den Subkontinent�������� 6
Aktienkapitalmarkt: Dark Pools
­verändern den Börsenhandel, Ausschüttungen sind weiter attraktiv���� 7
Helvetia: VR-Präsident Pierin Vincenz
betont, die Versicherung wolle weiterhin akquirieren������������������������������� 8
Tesla Motors: Der Hersteller rein
elektrisch angetriebener Autos setzt
zum grossen Sprung an������������ 10, 11
Immobilien: Die Anlageklasse war
2015 kaum zu schlagen, doch wie
lange hält der Vorsprung����������������� 12
Credit Suisse: Die Bank will Hypotheken an Investoren verkaufen, um die
Kapitalquote zu stärken������������������� 12
Virtual Reality: Wichtige IT-Konzerne
und Smartphone-Hersteller positionieren sich für virtuelle Welten������� 13
Marktführer: In Deutschland gibt es
im Umfeld der Autoindustrie diverse
unentdeckte Marktführer���������������� 14
BILD: CARLOS GARCIA RAWLINS/REUTERS
Hot Corner: Der Waggonvermieter
VTG hat mit einem Zukauf 2015 ein
neues Kapitel aufgeschlagen���������� 14
Novartis: Die New Yorker Staatsanwaltschaft weitet Bestechungsuntersuchungen gegen Novartis aus������ 14
Märkte
Märkte: Die Anlegerstimmung hat
sich seit Februar klar verbessert,
­Euphorie herrscht trotzdem keine��� 17
Reformen: Die Deflationsgefahr trifft
das Euroland unvorbereitet, trotz der
Wirtschaftsreformen������������������������� 18
Mischfonds: Der turbulente Auftakt
ins Börsenjahr dient als Gradmesser
für die Qualität der Fonds���������������� 19
Mangel
Mittwochsinterview: Fondsmanager
Joshua Crabb sucht nach Titeln in
Asien mit Erholungspotenzial��������� 22
Venezuela mangelt es nicht an Wasser, auch nicht an Öl. Als
dieses noch etwas teurer war, hätte das Land seine Infrastruktur aufpeppen und sich Reserven für magere Jahre anlegen können. Doch Venezuela mangelt es an vernünftigen
Politikern – ein globales Phänomen zwar, dort aber ein ext-
Monitor
Märkte: Die USA und die Schwellenländer haben ihre Verluste wettgemacht, Europa bleibt zurück����������� 32
Schweiz: Der SMI schliesst mit leichtem Plus. Eine Bestechungsklage
bringt Novartis unter Druck������������ 31
Europa: Die neue Woche bringt eine
leichte Erholung. Versicherungstitel
gehören zu den Gewinnern������������ 29
Obligationen: Geldmarktbuchforderungen und «Eidgenossen» rentieren
ein wenig tiefer���������������������������������� 27
Rohstoffe: Am Rohstoffmarkt endet
ein schwieriges erstes Quartal�������� 25
Neuemissionen
Derivate
Callable BRC auf Axa, Swiss Life und
Swiss Re (Leonteq)������������������������������ 4
Strukturierte Produkte ­
(Credit Suisse)�������������������������������������� 7
Aktuell auf www.fuw.ch
ISS im Sinne von
Gategroup-VR
Der Stimmrechtsberater Institutional
Shareholder Services (ISS) empfiehlt die
Stimmabgabe im Sinne des Verwaltungsrats (VR) von Gategroup an der GV
am 14. April. Die bestehenden VR-Mitglieder sollen bestätigt, Rudolf Bohli und
Nils Engel hingegen nicht gewählt werden. Damit schwinden die Chancen der
Hedge-Fund-Manager RBR und Cologny,
Änderungen im VR vorzunehmen.
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rem ausgeprägtes. Die «bolivarische» Staatsführung manövriert dieses von der Natur gesegnete Land immer tiefer ins
Elend. Die 90 Mio. Menschen sind gezwungen, kreativ zu
­improvisieren – so wie hier in der Hauptstadt Caracas –,
bloss um zu überleben. Es wäre nicht das erste Mal, dass in
einer Gegend, wo alles gedeiht, eine Hungersnot ausbricht,
weil ein gemeingefährliches Regime das in Kauf nimmt.
1998 beendete der bizarre Linkspopulist Hugo Chávez eine
Phase korrupter und unfähiger konservativer Regierungen.
Er und sein Nachfolger Maduro haben, im Namen des «Sozialismus des 21. Jahrhunderts», erreicht, dass Mehl, Milch,
Reis, ja Wasser knapp sind und die Teuerung enteilt: durch
Ausschalten der Märkte, Unterdrücken der Information, Verfolgen Andersdenkender, Schuldzuweisen an die Opfer. So
war schon Stalin 1932/33 in der Ukraine vorgegangen, als er
dort die Bauern enteignete. Millionen starben Hungers. MR
Was Terrorabwehr kosten wird
Literat und Liberaler
Zur Korrelation Geld/Sicherheit. Vargas Llosa, Autor und Politiker, zum 80. Der i­slamistische Terrorismus ist in den
europäischen Köpfen angekommen, als
permanente Bedrohung. Einigkeit besteht
auch darin, dass seine Bekämpfung mehr
Ressourcen und Personal binden wird und
dass der Ansatz breit sein und präventive
wie repressive, öffentliche wie private In­
strumente umfassen muss.
Es sind dies gute Aussichten für alle An­
bieter von Dienstleistungen, die sich für die
Terrorismusbekämpfung eignen: Viel Geld
wird in Integrationsmassnahmen fliessen,
aber auch in die Sicherheitsindustrie, d. h. in
die Früherkennung von Anschlagsplanung
und ihre Durchkreuzung.
Die naheliegende Korrelation zwischen
mehr Mitteln und mehr Sicherheit, zumin­
dest im Inland, wird gestützt durch die ame­
rikanische Erfahrung: Seit 9/11 haben die
USA über 810 Mrd. $ in die Homeland Secu­
rity investiert, u. a. zugunsten des Schutzes
von kritischer Infrastruktur wie Flughäfen,
Bahnhöfen, Sportstadien etc. In denselben
fünfzehn Jahren kamen in den USA «nur»
rund achtzig Personen durch islamistisch
motivierte Anschläge ums Leben, über 330
wurden verletzt. Und allein die New Yorker
Polizei will in diesem Zeitraum über zwan­
zig Terroranschläge verhindert haben.
Die weitaus meisten dieser Opfer waren
ausserhalb von Flughäfen zu beklagen, für
deren Sicherheit die Transportsicherheits­
behörde (Transport Security Administra­
tion, mit einem Budget von ca. 7,5 Mrd. $
pro Jahr) zuständig ist. Allerdings zeigte sich
vergangenes Jahr bei einer Überprüfung
ihres Dispositivs, dass das Einschleusen von
Waffen in 95% der Fälle unentdeckt blieb.
Glück muss also im Spiel gewesen sein.
Gar nie einen islamistischen Terroran­
schlag erlebt hat der einzige internationale
Flughafen von ­Israel in Tel Aviv: Ben Gurion.
Sein Sicherheitsstandard gilt als der höchste
weltweit: Checkpoints für alle Fahrzeuge
schon auf den Zufahrtsstrassen zum Flug­
hafen, Zugangskontrollen für Passagiere an
den ­
Eingängen zu den Abfertigungs­
gebäuden, Patrouillen ausserhalb und in­
nerhalb der Terminals, individuelle Befra­
gung der Passagiere (nach Massgabe ethni­
MAURO MANTOVANI
scher Suchprofile) und natürlich bewaff­
nete Flugbegleiter; dazu eine Unmenge von
technischen Hilfsmitteln wie Metalldetekto­
ren, Radar- und Röntgengeräte und Über­
wachungskameras.
Der Sicherheitsaufwand am Flughafen
Ben Gurion wird auf rund 100 Mio. $ jähr­
lich geschätzt, was rund 77 $ pro Passagier
und pro Flug entspräche – zehnmal mehr
als für den einzelnen Passagier auf amerika­
nischen Flughäfen.
«Kein Land kann es sich leisten, nicht mitzuziehen, wenn
seine Nachbarn ihr Sicherheitsdispositiv hochfahren.»
Damit sei nur eine Grössenordnung ge­
nannt für den Preis, den Israel zusätzlich
­bezahlt für seine umfassende Flugsicher­
heit. Noch viel grösser und schwieriger ist
die Aufgabe der Inlandsicherheit Israels im
Ganzen: Dafür sind die Armee und die
Nachrichtendienste Shin Beth und Mossad
zuständig, mit Budgets von ca. 20 Mrd.
bzw. 2 Mrd. $ jährlich (+ 25% bzw. + 60% seit
dem Regierungsantritt Netanjahus 2009),
was insgesamt über 6% des israelischen
BSP entspricht. Aber auch damit lassen sich
­natürlich nicht alle primitiven Messer- und
Lastwagenattacken verhindern.
Es bleibt, einmal mehr, das Fazit: Mehr
Geld für die Sicherheit erhöht dieselbe, aber
nie auf 100%. Andererseits kann es sich auch
kein Land leisten, nicht mitzuziehen, wenn
seine Nachbarn ihr Sicherheitsdispositiv
hochfahren. Denn dann würde man sich als
Planungs- und Rückzugsraum für Terroris­
ten anbieten – was keinerlei ­
Vorteil ver­
spricht bei einem Gegner wie dem IS, der
nach Opportunität zuschlägt.
Mauro Mantovani ist Dozent für
stra­tegische Studien an der Militärakademie
der ETH Zürich.
«Politische Demokratie und freie
Märkte sind die Grundlagen einer libe­
ralen Haltung» – das mit der Demokra­
tie dürften die meisten Kulturschaffen­
den fast überall auf der Welt unter­
zeichnen, wenngleich unterschiedlich
auslegen, das mit den freien Märkten
hingegen käme vielen von ihnen kaum
über die Lippen. Dem peruanischen
Schriftsteller Mario Vargas Llosa, No­
belpreisträger für Literatur von 2010,
hingegen sehr wohl. Er ist am 28. März
80 Jahre alt geworden.
Vargas Llosa ist im Kulturmilieu so
etwas wie ein weisser Rabe. Einst mo­
kierte er sich in einer Rede über die ge­
nierten Disclaimer-Floskeln, die der
Würdigung seines literarischen Schaf­
fens häufig vor- oder hintangestellt
werden – im Stil von «obwohl wir nicht
mit ihm übereinstimmen» oder «was
nicht bedeutet, dass wir seine politi­
schen Meinungen akzeptieren». Vargas
Llosa erträgt diese zweigeteilte Wahr­
nehmung – hier der grosse Literat, dort
der den Mainstream meidende Politi­
ker – mit heiterer Gelassenheit.
Umso mehr, als ihm die Entwick­
lung Lateinamerikas recht gibt. In jun­
gen Jahren war auch Vargas Llosa inspi­
riert von der kubanischen Revolution,
wandte sich jedoch bald davon ab: In
der Erkenntnis, dass für viele latein­
amerikanische Intellektuelle das
Gegenstück zur Diktatur das Streben
nach einer Utopie ist (oder war) statt
nach der Demokratie.
Vargas Llosa entwickelte sich zum
Liberalen, der entschieden für Freiheit,
Privateigentum und Rechtsstaat ein­
tritt. Dieses System bürge für ein Mini­
mum an Ungerechtigkeit und ein Maxi­
mum an materiellem und kulturellem
Fortschritt. Übrigens warnt er schon
lange vor dem radikalen Islamismus als
geschworenem Feind der Demokratie.
Er verurteilte früh den engen Um­
gang, den sein berühmter Schriftstel­
lerkollege Gabriel García Márquez
(1927–2014), der kolumbianische No­
MANFRED RÖSCH
belpreisträger von 1982, mit Kubas Dik­
tator Fidel Castro unterhielt. Im Lauf
der Jahrzehnte kritisierte Vargas Llosa
jedoch nicht einfach nur linke Intellek­
tuelle und Regime (Boliviens Präsident
Evo Morales, eines seiner Zielobjekte,
giftete 2010 gegen die Nobelpreisverlei­
hung), sondern auch rechte wie dasje­
nige General Pinochets in Chile. An das
Konzept der marktwirtschaftlichen
Diktatur glaubt Vargas Llosa nicht,
denn – abgesehen davon, dass für ihn
stets die individuelle Freiheit der zent­
rale Wert ist – freie Märkte bedürfen
eines funktionierenden Rechtsstaats.
1990 kandidierte Vargas Llosa für
das Amt des peruanischen Präsiden­
ten, verlor jedoch in der Stichwahl
gegen den Konservativen Alberto Fuji­
mori, der das Land danach zunehmend
autoritär regierte.
«Mario Vargas Llosa
tritt entschieden ein für
Freiheit, Privateigentum
und Rechtsstaat.»
Heute sind die Staaten Lateinameri­
kas in ihrer Mehrzahl einigermassen
demokratisch und die erfolgreichsten
von ihnen sind diejenigen, die sich
marktwirtschaftlich ausrichten, so wie
unterdessen auch Peru. In Argentinien
verblüfft der neue Präsident Mauricio
Macri mit Reformen, dies nach zwölf
Jahren ruinösen Kirchnerismos.
Mario Vargas Llosa hat ein breites li­
terarisches Œuvre geschaffen, das oft
Machtstrukturen seziert. Wer Belletris­
tik nicht mag, greife zu den geistrei­
chen Essays. Für Vargas Llosa ist eben
klar, dass nicht – wie für Marx – die
Wirtschaft die Treibkraft der Geschichte
ist, sondern «Ideen und Kultur sind es,
die den Unterschied zwischen Zivilisa­
tion und Barbarentum ausmachen».