18 world Flagge zeigen für M icky: Walt Disneys Planstadt Celebration; Engelstatue im Colby Memorial Temple in C assadaga (rechte Seite) 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 18 03.03.16 15:33 Ganz unter uns Ihre Bewohner teilen den Glauben, den Beruf oder den Traum von der perfekten Stadt – eine Reise zu den Planstädten in Florida T E X T F O T O S T H I L O M I S C H K E A L I C I A 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 19 V E R A 03.03.16 15:33 20 world S elbst unter den touristischen Orten auf dieser Welt hat Florida einen bemerkenswert miesen Ruf. Dieser immer schwüle Mückenzipfel unten rechts in den USA. Von dort kommen nur Orangen, dorthin wollen nur Rentner. Früher war Miami noch frisch und knallbunt, die Natur im Umland war ungestüm und gefährlich. Aber heute scheint Florida einfach nur noch langweilig. Vielleicht liegt es an mir. Ich kenne nur Menschen jenseits der sechzig, die dort, mit Sonnencreme eingerieben, am Kreuzfahrthafen in Miami sitzen. Und warten. Auf ihr Schiff, auf ihre Reise, auf das Flugzeug zurück. Ich bekenne, ich habe keine gute Meinung von diesem Bundesstaat. Ganz schön leer: die Planstadt C elebration (unten links und rechte Seite). Zweimal im Jahr treffen sich die B ewohner auf e inem Flohmarkt ( unten); ein 70-s eitiger Vertrag regelt das Zusammenleben Doch oft hilft ja ein Motto, um Reiseziele neu zu erschließen. Es braucht eine Perspektive, die den Ort präziser macht. Yoga-Reisen lassen aus pingeligen, reinlichen Menschen Indien-Fans werden. ThaiboxCamps laden dazu ein, Thailand ganz neu kennen zulernen. Florida bietet keine meditativen oder sportlichen Rückzugsorte, sondern seltsame Siedlungsformen. Menschen sollen sich hier in etwas unheimlichen Gemeinschaften zusammengefunden haben. Keine Sekten, keine Kulte, sondern Plans tädte. Florida ist der Staat der Planstädte. Die will ich sehen, das ist das Motto meiner Reise. Ich habe mir ein Auto gemietet, das beste Mittel, den Planstädten nahezukommen. Diese sogenannten »Die Menschen sehnen sich nach Perfektion « Debie McDonald, seit 1994 in Celebration 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 20 03.03.16 15:33 New Towns werden nicht günstig an Flüssen oder Autobahnkreuzen errichtet, sie bekommen keinen Anschluss an Versorgungswege. Sie werden dort gebaut, wo Platz ist. Und Platz gibt es in den USA genug. Eine Stadt zu entwerfen ohne kulturelle Wurzeln, ohne Grund, erscheint mir, dem Europäer, völlig absurd. Aber der Gedanke, dass Menschen Städte entwerfen wie architektonische Kunstwerke, reizt einen dann doch. Am Anfang ist eine leere Leinwand, dann kommt Farbe, irgendwann entsteht daraus ein Bild – oder eben Lebensraum für Menschen. C E L E B R AT I O N – D I S N E Y S T R A U M Es ist ein amerikanischer Sonntag, heute ist Trödelmarkt. Auch hier in Celebration, diesem Städtchen mit rund 7500 Einwohnern, keine zehn Autominuten von Disney World Orlando entfernt. Menschen räumen eifrig Plunder aus ihren Häusern in den Vorgarten, um ihn für kleines Geld zu verkaufen. Drumherum brütet die schwüle Hitze, es gibt Mangroven, versteckte Krokodile. Pläne für diesen Ort existierten bereits in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Auch der Unternehmer Walt Disney beschäftigte sich mit der Idee der idealen Stadt. Und obwohl er ein erklärter Kommunistenhasser war, klang seine Epcot (Expe- 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 21 C E L E B R AT I O N Walt Disney entwarf einst die Idee zum „experimentellen Prototyp der zukünftigen Gemeinde“. Angelehnt daran entstand Celebration: Die Siedlung wurde ab 1994 auf einer brachliegenden Fläche in der Nähe des Walt Disney World R esort erbaut. Heute bietet sie 7500 Menschen ein Zuhause. rimental Prototype Community of Tomorrow) sehr nach dem städtebaulichen Ideal der Sowjetunion: „Es wird eine geplante, kontrollierte Gemeinde sein. Es wird keine Grundbesitzer geben. Wer in Epcot lebt, muss helfen, die Stadt am Leben zu halten.“ Aus Epcot wurde nur ein Themenpark. Aus der Idee entstand jedoch Celebration. Eine ideale Stadt: ein Boulevard in der Mitte, kleine Geschäfte, die Souvenirs und Tinnef verkaufen. Das Straßennetz ist geometrisch angelegt. Die Zäune sind weiß wie die Zähne der Hausbewohner dahinter, die Gärten sind nicht gepflegt, sondern manikürt. „Celebration existiert, weil hier früher ein Parkplatz war“, sagt Debie M cDonald. Debie lebt hier schon seit 1994, dem Jahr, als die Walt Disney Company entschied: Wir wollen eine perfekte Stadt bauen, für alle Menschen, die Disneyland lieben. Eine Stadt, deren zeitlose Perfektion für Fremde wie mich unheimlich wirkt. Am Anfang wurden die Grundstücke verlost, e rzählt Debie, weil die Nachfrage so groß war. „Die Menschen sehnen sich nach Perfektion“, sagt sie, während sie Kassetten (ein Dollar) vor ihrem Haus ausbreitet und einen Kalender aus dem Jahr 2004 (50 Cent) aufblättert. Perfektion bedeutet, dass sich jeder Bewohner an einen Regelkatalog zu halten hat. 03.03.16 15:34 22 world Es ist ein 70-seitiges Musterbuch für das perfekte Zusammenleben. Es schreibt einfache Dinge vor, wie das Vermeiden von Lärm, gibt aber auch komplizierte gestalterische Vorgaben: die Höhe des Rasens, die Pflanzen, die Hausfassade. „Wir leben in einer kaputten Welt, warum sollen wir uns nicht einen perfekten Ort schaffen?“, fragt Debie. „Am Anfang dachte ich auch, hier ist es wie in dem Film ,Die Frauen von Stepford‘“, sagt Holly, jener Schreckensvision von 1975, in der selbstbewusste Frauen durch willige Androiden ersetzt worden sind. Sie hat meine Gedanken gelesen. Ich erwarte jederzeit, dass ihr ein Kondensator aus dem Ohr fällt und Zahnräder in ihrer Frisur sichtbar werden. Die 36-Jährige lebt hier seit fünf Jahren. „Aber für die Kinder ist es perfekt, die Schulen sind richtig gut hier“, in ihrer Stimme liegt ein Verteidigungsr eflex. Auch sie räumt ein, hier sei es spießig, langweilig, und das Kulturangebot, bis auf Disney World Orlando, eher mäßig. „Aber ich habe schnell gelernt, ich will nicht New York, ich will meine Ruhe.“ CASSADAGA SPIRITUALIST CAMP In der Siedlung leben ein paar hundert Gleichgesinnte, laut offizieller Website arbeiten allein 25 von ihnen als hellseherisches Medium. Der New Yorker George Colby gründete das Camp im Jahr 1894. Der Mythos besagt, sein Schutzgeist habe ihn durch Floridas Wildnis an diesen Ort CASSADAGA SPIRITUALIST CAMP Cassadaga ist das Gegenteil von Celebration. Keine rasterartigen Straßenzüge, eher kleine Häuschen. Hier leben Menschen, die Geister sehen. Menschen, die in die Zukunft blicken können, aus der Hand lesen und Karten legen. Es ist eine Stadt für spirituell Begabte. Die Straßen sind leer, am Rande liegen geführt. kleine Parks, extra für Feen angelegt. In den Fenstern der Häuser werben Leuchtschilder für verschiedene Dienste an den Geistern. „Wir sind eine alte Zunft“, sagt Michael Griffith, „die meisten arbeiten aus ihren Häusern heraus.“ Seine wenigen, doch wild zerzausten Haare umrahmen ein freundliches Gesicht. Er fungiert als Touristenführer und ist selbst Medium. Michael versucht meine Familiengeschichte zu erraten: „Haben Sie eine grausame Familienvergangenheit?“, fragt er unvermittelt, die Hand in der Luft, die Augen geschlossen. „Nein“, antworte ich entschieden, „meine Oma ist Rechtsanwältin.“ Und stutze. Wer weiß, vielleicht gelten Tarifrechtspezialistinnen unter Geistersehern als besonders grausame Menschen? Seine Ausbildung zum Medium absolvierte Michael in England, das war in den wilden Sechzigern. „Ich hatte Zeit, ich war dort als Soldat der US-Army stationiert“, sagt er. Cassadaga ist ein spirituelles Zentrum für Menschen, die an Geister glauben. Aus der ganzen Welt kommen sie her und halten Séancen, sprechen mit Vorfahren oder holen sich Rat für die Zukunft. Sogar eine eigene Spiritualistenkirche gibt es. Die sonntäglichen Messen erlauben auch fremden Besuchern, Kontakt zu Geistern aufzunehmen. Natürlich glaube ich nicht daran, halte Handlesen und Gläserrücken für pubertären Quatsch, aber hier in Cassadaga liegt doch ein besonderes Gefühl in der Luft. Ich erzähle Michael davon, er lacht. Emily und S hane G eschefke (links) beherbergen die Besucher Cassadagas in ihrem Hotel GEORGIA ALABAMA FLORIDA Cassadaga Celebration Gibsonton 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 22 07.03.16 12:11 Der neue Renault ESPACE Macht Ihre Zeit besonders. Ab 239,– € netto/284,39 2 € brutto monatlich1 1 Renault Espace Life ENERGY dCi 130: netto ohne Ust. 239,– €/brutto inkl. 19 % Ust. 284,39 € monatlich, Leasingsonderzahlung netto ohne Ust. 1.350,– €/brutto inkl. 19 % Ust. 1.606,50 €, Laufzeit 48 Monate, Gesamtlaufleistung 40.000 km. 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Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl. 2 Renault empfiehlt 801_2016_004_0_000_0_Renault.indd 1 DU0201_160202_RZ_AZ_Lufthansa_Espace_ExterieurBruttoNetto_Feb16_205x260.indd 1 renault.de 12.02.16 02.02.16 12:17 15:47 24 world » Cassadaga ist ein Ort, an dem du Geister spürst« Michael Griffith, Medium in Cassadaga Stets empfangsbereit: Michael Griffith spürt auch Schwingungen aus der Vergangenheit – sagt er jedenfalls In Gibsonton fand das fahrende Volk ein Winterquartier (rechts); manch einer blieb für immer und erzählt Besuchern von vergangenen Zeiten 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 24 02.03.16 11:02 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 25 03.03.16 15:34 26 world „Natürlich ist dies ein Ort, an dem du Geister spürst“, erklärt er, der im Grunde ein Zweifler ist wie ich. Dies sei ja der Grund, warum die begabten Geister freunde überhaupt herkämen. „So wie schon Stadt vater George P. Colby, der 1875 den Weg hierher g efunden hatte und die starke Präsenz von Spiritua lität spürte“, referiert Michael den Gründungsm ythos, der auch als Grundlage für das heutige Spiritualist Camp dient. Zum Abschied ruft er mir noch hinterher, die Ver storbenen meiner Familie seien böse auf mich. Ich bekomme einen Schreck. „Warum?“, will ich wissen. „Du nimmst dir zu wenig Zeit für die Lebenden“, sagt er. Ich verlasse Cassadaga mit einem ziemlich schlechten Gewissen. GIBSONTON – CIRCUS TOWN „Alle lieben den Zirkus, aber niemand mag das fah rende Volk“, sagt Howard McClintock. Rund 15 Auto minuten südlich von Tampa liegt Gibsonton. Ein hässlicher Ort, eigentlich nur eine Siedlung, die sich am Highway 41 entlangschlängelt. Niemand steigt hier aus, niemand will bleiben. Aber das ist ein großer Fehler. Denn hier lebt das fahrende Volk der USA: die Dompteure, die Clowns, die Kleinwüchsigen und Schausteller. „Besonders im Winter wird es hier voll“, erklärt Howard McClintock, 72 Jahre alt. Er war Löwenbändiger im berühmten Ringling Brothers Cir cus und hat sich hier zur Ruhe gesetzt. Im Winter kommen sie alle, zumindest alle, die noch übrig geblieben sind. „Das Gewerbe hat sich verändert“, klagt er, „seit die Leute ins Kino gehen, Videospiele spielen und Netflix haben, geht keiner mehr in den Zirkus.“ Wer eine fremde Welt wolle, der schalte einfach den Fernseher ein. Wer eine reale fremde Welt erleben will, sollte nach Gibsonton fahren. Denn hier haben sie alle ge lebt, die berühmten Menschen aus der „Freakshow“, zum Beispiel der „Hummerjunge“ mit seinen seltsa men Händen. Gibsonton war die einzige Stadt der USA, in der es im Postamt einen Schalter für Zwerge gab. Viel ist davon nicht übrig, bis auf das „Show men-Museum“, in dem Howard arbeitet. Hier haben sich die Zirkusleute ein Denkmal gesetzt, eine Erin nerung an ihren Beruf, an ihre Berufung. 1966 machte die Zirkusgesellschaft diesen Ort offiziell zum Winterquartier für das fahrende Volk. 801_2016_004_0_018_0_Florida.indd 26 GIBSONTON – CIRCUS TOWN In der Kleinstadt an der Westküste Floridas leben etwa 15 000 Men schen. Seit die „Inter national Independent Showmen’s Associa tion“ 1966 ihr Clubhaus in Gibsonton eröffnete, gilt der Ort als Winter quartier für fahrendes Volk. Die Zirkusleute richten jeden Februar einen Jahrmarkt aus: Die „Trade Show E xtravaganza“ ist eines der größten B ranchentreffen. » Alle lieben den Z irkus, aber niemand mag das fahrende Volk « Howard McClintock, früherer Löwenbändiger Die Arbeiter brauchten besondere Gesetze, denn nir gendwo in den USA war es erlaubt, Elefanten und Ti ger im Hof zu halten. Heute ist Gibsonton ein ruhiger Ort. Aber jeder Mensch auf der Straße kann sofort abenteuerliche Geschichten über Zirkusse und den Karneval erzählen, es sind kleine Expeditionen in eine unschuldige Vergangenheit, getarnt als Ge spräch. „Geh mal in die Kneipe an der Hauptstra ße“, empfiehlt mir Howard, „da sitzen immer die A lten rum und erzählen Geschichten.“ An der Fassade der Kneipe hängen ausgebliche ne Motive von elastischen Frauen und dicken Zirkusdirektoren, drinnen herrscht Dunkelheit, Zigaretten qualm macht das Atmen schwer. An der Bar sitzt Dolores Robinson, 76 Jahre alt. 60 Jahre lang war sie auf der Straße, hat sich um die Spiele gekümmert, Büchsenwerfen und Hau den Lukas oder Glücksspie le, wie elektronisches Poker. Dolores kennt alle Automaten. Hier in Gibsonton ist sie unter ihresglei chen. „Kann man eigentlich beim Glücksspiel auf dem Jahrmarkt gewinnen?“, will ich von der Fachfrau wissen. Wir trinken Bier, obwohl es erst ein Uhr mit tags ist, und sie lacht. Zieht an ihrer Zigarette: „Wenn du gewinnen könntest, würden wir es nicht auf dem Jahrmarkt anbieten – und ich könnte hier nicht meinen Ruhestand genießen.“ 02.03.16 11:02 Holla the woodfairy! Premier Inn comes to Frankfurt. Viel Schlaf für wenig Geld: Premier Inn, Großbritanniens belieb teste Hotelkette, heißt Sie jetzt auch in Frankfurt willkommen. Freuen Sie sich auf Premium-Betten, gratis WLAN sowie ein leckeres Frühstück in Fußnähe zur Frankfurter Messe und buchen Sie jetzt direkt unter premierinn.de Die Nr. 1 aus UK * Alles Premium. Außer der Preis. * Auf die Bewertung als beste Hotelkette Groß britanniens im Jahresbericht von „Which?“ sind wir besonders stolz: Hier konnten wir unter anderem in den Kategorien Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit, Sauberkeit und Schlafkomfort voll überzeugen. 802_2016_004_0_000_0_whitbread.indd 1 03.03.16 08:27
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